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Das neue Fantasy-Highlight aus der Welt der "Jaguargöttin": Ein bildgewaltiges und mitreißendes Gestaltwandler-Abenteuer von Katja Brandis, der Bestseller-Autorin der "Woodwalkers"- und "Seawalkers"-Reihen. Gedruckt auf Recycling-Umweltschutzpapier, zertifiziert mit dem "Blauen Engel". Ecco, der junge Panther-Wandler, und Jaguargöttin Kitana sind unglücklich. Während Ecco sein tatenloses Leben im Clan anödet, sehnt sich Kitana nach einer großen Enttäuschung weg aus Elámon. Als das Schicksal sie beide in den Stadtstaat Jalthar verschlägt, bekommen sie eine zweite Chance, sich ihre Gefühle füreinander einzugestehen. Doch die Kaiman-Götter, die die Stadt beherrschen, sind ihnen nicht wohlgesonnen und ihre Versuche, die düsteren Geheimnisse Jalthars zu lüften und den Bewohnern zu helfen, bringen sie in Lebensgefahr. Eine Gefahr, der sie nur zusammen begegnen können … Weitere Jugendbücher von Katja Brandis im Arena Verlag: Die Jaguargöttin Khyona (1). Im Bann des Silberfalken Khyona (2). Die Macht der Eisdrachen Gepardensommer Koalaträume Delfinteam (1). Abtauchen ins Abenteuer Delfinteam (2). Der Sog des Bermudadreiecks Delfinteam (3). Ritt auf der Brandung
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Seitenzahl: 617
Veröffentlichungsjahr: 2023
Weitere Bücher von Katja Brandis im Arena Verlag:
Die Jaguargöttin
Khyona (1). Im Bann des Silberfalken
Khyona (2). Die Macht der Eisdrachen
Delfinteam. Abtauchen ins Abenteuer
Delfinteam. Der Sog des Bermudadreiecks
Delfinteam. Ritt auf der Brandung
Gepardensommer
Koalaträume
Woodwalkers (1). Carags Verwandlung
Woodwalkers (2). Gefährliche Freundschaft
Woodwalkers (3). Hollys Geheimnis
Woodwalkers (4). Fremde Wildnis
Woodwalkers (5). Feindliche Spuren
Woodwalkers (6). Tag der Rache
Woodwalkers – Die Rückkehr. Das Vermächtnis der Wandler
Woodwalkers – Die Rückkehr. Herr der Gestalten
Woodwalkers – Die Rückkehr. Das Grollen der Löwin
Woodwalkers and Friends. Katzige Gefährten
Woodwalkers and Friends. Zwölf Geheimnisse
Woodwalkers and Friends. Wilder Kater, weite Welt
Seawalkers (1). Gefährliche Gestalten
Seawalkers (2). Rettung für Shari
Seawalkers (3). Wilde Wellen
Seawalkers (4). Ein Riese des Meeres
Seawalkers (5). Filmstars unter Wasser
Seawalkers (6). Im Visier der Python
Katja Brandis, Jahrgang 1970, hat Amerikanistik, Anglistik und Germanistik studiert und als Journalistin gearbeitet. Inzwischen hat sie zahlreiche Romane für Jugendliche veröffentlicht, zum Beispiel Die Jaguargöttin, Khyona, Ruf der Tiefe oder White Zone. Ihre Fantasy-Reihen Woodwalkers und Seawalkers (ab 10) sind regelmäßig auf den oberen Plätzen der Bestsellerlisten zu finden. Wichtig ist ihr, sich für Naturschutz und besonders die Bewahrung des Regenwaldes einzusetzen – das fließt oft in ihre Romane ein. Katja Brandis lebt mit Mann, Sohn und drei Katzen in der Nähe von München.
www.woodwalkers.de | www.katja-brandis.de
YouTube: Katja Brandis
Für Lucia
Ein Verlag in der Westermann Gruppe
1. Auflage 2023
© 2023 Arena Verlag GmbH
Rottendorfer Straße 16, 97074 Würzburg
Alle Rechte vorbehalten
Dieses Werk wurde vermittelt durch dieAutoren- und Projektagentur Gerd F. Rumler (München).
Umschlagillustration und Innenvignetten: Claudia Carls
Umschlaggestaltung: Juliane Lindemann
Lagepläne: Katja Brandis
Der Arena Verlag hat keinen Einfluss aufdie Inhalte externer Websites.
E-Book ISBN 978-3-401-81042-3
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HINWEIS:
Dieses Buch kann sensible Themen enthalten.Weitere Informationen dazu findest du am Ende des Buches.(Achtung: Diese Hinweise enthalten Spoiler!)
Lagepläne von Elámon und Jalthar
VOR TAUSEND JAHREN ODER SOGAR MEHR.IN EINEM WEIT ENTFERNTEN LAND,DAS HEUTE YUCATÁN GENANNT WIRD …
Er witterte die beiden Menschen, bevor er sie sah. Unschlüssig blieb Ecco stehen und spürte, wie seine Tasthaare sich vorwölbten und seine Ohren sich unruhig bewegten. Sollte er den Leuten ausweichen? Eigentlich hatte er das nicht nötig, dieser Teil des Regenwaldes war das Revier seines Clans und in seiner Panthergestalt gab es kaum jemanden, den er zu fürchten hatte.
Zu lange überlegt, schalt sich Ecco. Schon konnte er die beiden Frauen – eine mit grauen Strähnen im Haar, die andere jung, ein Äffchen hockte auf ihrer Schulter – durchs Blattwerk erkennen. Sie trugen rotbraune Stoffkleider, die ihre Schultern und Arme frei ließen, waren barfuß und balancierten geflochtene Körbe auf dem Kopf. Die jüngere, die etwas dunklere Haut hatte als ihre Begleiterin und große braune Augen, bückte sich gerade nach einer Frucht, die von einem der Bäume abgefallen und noch nicht von Ameisen beansprucht worden war.
Als die Frauen ihn bemerkten, geriet der Korb der älteren gefährlich ins Wanken und die jüngere stieß einen kleinen Laut aus.
Irritiert blickte Ecco sie an. Das war kein Laut des Schreckens gewesen. Moment mal, freute sie sich etwa, ihn zu sehen?
Die Antwort bekam er zwei Atemzüge später, als die beiden sich vor ihm auf den Boden warfen. »Du bist der Gott, nicht wahr?«, fragte die jüngere atemlos. »Du warst großartig bei dieser Audienz zusammen mit unserer Jaguargöttin! Wieso hast du die Stadt wieder verlassen?«
»Wir haben zu Euch gebetet und gehofft, dass Ihr einen eigenen Tempel in Elámon bekommt«, fügte die ältere Frau demütig hinzu.
Oh, wunderbar. Auf seinen großen nachtschwarzen Pranken ging Ecco näher heran. Kreischend flüchtete das Äffchen von der Schulter des Mädchens ins Gebüsch. Wenigstens das hatte genug Verstand, um sich vor ihm zu fürchten.
Jetzt befand er sich keine drei Menschenlängen mehr von den beiden Stadtbewohnerinnen entfernt. Sie kauerten noch immer vor ihm, sodass er nur noch ihren Scheitel sah; offenbar erwarteten sie ihr Schicksal. Wäre er kein Waldläufer und wirklich hungrig gewesen, er hätte sie töten können, ohne sich anzustrengen.
Ecco seufzte. Ich muss ihnen sagen, dass dies hier keine gute Idee ist, dachte er, doch sie waren natürlich keine Wandler und verstanden keine Gedankensprache. Also rief er sich seine Menschengestalt vor sein inneres Auge – einen muskulösen jungen Mann mit breiten Wangenknochen und schulterlangem schwarzem Haar – und wartete, bis sich unter seinem Fell Muskeln und Knochen verschoben. Schon streifte ein Windhauch seine haarlose Haut, die Verwandlung war vollendet. Eine Stechmücke hatte es bemerkt und machte sich gierig daran, ihn anzufliegen. Mit einem Klatschen zerquetschte Ecco sie auf seinem Arm und schnippte ihre Überreste ins Gebüsch.
Ganz langsam, mit großen Augen, schauten die beiden Frauen hoch … und ihre Augen wurden noch größer. Ungeduldig riss Ecco ein Riesenblatt von einem Busch ab und hielt es sich vor die Körpermitte. Die Schamgefühle der Menschen waren so lächerlich.
»Ich bin keiner eurer Götter mehr«, sagte er zu den beiden. »Vielleicht bin ich es auch nie gewesen, das war nur eine Idee eurer Jaguarfamilie.«
Die ältere Frau hob beide Handflächen und begann einen Singsang, den Ecco als Huldigung erkannte. Auch das noch.
»Es macht keinen Sinn, mich anzubeten; besser, ihr lasst den Unfug.«
Mit leuchtenden Augen betrachtete ihn das Mädchen, nickte eifrig und berührte ein aufgemaltes Symbol auf ihrem Arm. Hatte sie auch nur einen Ton von dem wahrgenommen, was er gesagt hatte?
»Vielleicht wäre es klug, jetzt zu gehen«, legte Ecco ihnen nahe und fühlte ein Knurren aus seiner Brust aufsteigen. Na also, jetzt schauten sie ein bisschen erschrocken drein, aber sie verschwanden immer noch nicht. Also drehte sich Ecco selbst um und stapfte davon, bemühte sich absichtlich nicht, leise zu gehen.
»Wir haben ein Anliegen«, rief ihm die ältere Frau hinterher. »Ihr habt die göttliche Fähigkeit, Trost zu spenden. Bitte, Panthergott.« Ihre Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Mein Mann ist gestorben, wir waren so viele Jahre glücklich miteinander, die Trauer frisst mich von innen.«
Ach, verdammt. Ecco drehte sich um und diesmal fielen ihm auch die Schatten unter ihren Augen auf. Wie hager ihr Gesicht war, wie tief die Linien um ihren Mund. Unwillkürlich musste er an seine Großmutter denken und daran, was er dafür gegeben hätte, ihr einen solchen Kummer zu nehmen.
Das Mädchen lächelte hell wie die Sonne, als er zurückkam. Sie lächelte immer noch, als er grob den Unterarm ihrer Begleiterin fasste. Gleich würde sie enttäuscht sein. Er hatte keine Ahnung, ob er noch irgendwelche Fähigkeiten besaß oder ob sie in der Zwischenzeit irgendwie verflogen waren wie der Duft einer Blume oder eine kurze Verliebtheit.
Ecco konzentrierte sich, suchte die Kraft in sich und schickte sie als warmen Strom zu ihr hinüber. Und konnte es selbst kaum fassen, als er sah, wie die Linien im Gesicht der Frau sich glätteten, ihr Blick friedvoll wurde, ihre Lippen den bitteren Zug verloren. Ich kann es noch …
»Wir danken dir!« Das Mädchen warf sich wieder vor ihm auf den Dschungelboden, auf dem abgefallene Blätter vor sich hin moderten.
Hastig kramte die ältere Frau in ihrem Sammelkorb. »Wir haben keine Opfergabe mitgebracht, aber nehmt diese Kakaofrucht! Wild am Fluss ist sie gewachsen, hier, Ihr müsst die Kerne nur noch rösten.«
Ecco hatte endgültig genug. »Opfergabe? Ich brauche nichts, das seht ihr doch! Geht jetzt und schaut nicht zurück!«, befahl er ihnen schroffer, als er eigentlich vorgehabt hatte. Seine Hand zerquetschte die harte Kakaofrucht, bis er die Kerne zwischen seinen Fingern hindurchglitschen fühlte.
Jetzt lächelte das Mädchen nicht mehr. Stattdessen blickte es fasziniert drein. Irgendetwas mache ich falsch! Immerhin zogen sich die beiden nun mit einem letzten, anbetenden Blick in den Dschungel zurück. Endlich hatte er wieder seine Ruhe.
Eigentlich. Warum fühlte er sich dann so ruhelos?
Vielleicht weil die Begegnung so viele Erinnerungen in ihm hochgeschwemmt hatte. An ein Mädchen – nein, eine junge Frau – mit einem kraftvollen Körper, dreieckigem Katzengesicht und nussbraunen Augen, deren Blick ihm immer durch und durch gegangen war.
Kitana. Eine der Jaguargöttinnen von Elámon … eine Waldläuferin wie er selbst, nur mit geflecktem Fell.
Wütend auf sich selbst – Wieso bekomme ich sie nicht aus dem Kopf? Sie hat sich gegen mich entschieden! –, verwandelte sich Ecco zurück und machte sich auf den Weg zu seinem Clan. Endlich war der Wald wieder dicht und grün, die Dürre war vorbei und die Brandrodungen hatten aufgehört. Die Jaguarleute hatten ein Machtwort gesprochen und verhindert, dass so etwas weiterhin passierte. Wenn er im Dschungel war, fühlte er sich gut, doch das blieb nie lange so.
Je näher er dem Lager seines Clans kam, das nur aus einem freien Platz mit festgestampfter Erde im Schutz von Bäumen bestand, desto langsamer wurden seine Schritte. Er hörte spielerisches Fauchen und lauschte auf die Stimme seiner Cousine Amai, die offensichtlich gerade mit der vier Jahre alten Chula spielte. Vernahm die gemurmelten Gespräche der Alten, die beisammensaßen und dabei Knochen spalteten, um an das Mark heranzukommen. Witterte den Lehm vom Flussufer, den sich einer der Jäger seit Jüngstem in die Haare schmierte, weil das angeblich seinen Raubkatzengeruch überdeckte. Manche entspannten sich als Panther, andere waren in Menschengestalt, damit sie ihre Hände benutzen konnten.
Soll ich umdrehen? Lieber wieder jagen gehen? Nein, dazu hatte er auch keine Lust und er hatte längst gerochen, dass einer seiner Gefährten Beute gemacht hatte. Also gesellte er sich in seiner zweiten Gestalt zu den anderen. Willkommensrufe ertönten, ein paar seiner Gefährten schenkten ihm ein Lächeln oder schickten ihm einen lautloses Gruß in den Kopf.
Na, wer hat diesmal Jagdglück gehabt?, fragte Ecco und rieb den Katerkopf an Amais schmaler Wade. Sie hatte ihre Haare gerade erst wieder geschnitten, Fremde hielten sie gelegentlich für einen Jungen.
Deine ehemalige Gefährtin, informierte ihn Amai und verzog mitfühlend das Gesicht.
Izora. Sie war ausgerechnet die neue Partnerin seines Bruders, des Clanführers, geworden.
Und genau der kam gerade auf ihn zu. »Du warst lange weg«, sagte sein Bruder, wie so oft klang seine Stimme missbilligend. »Hast du nichts mitgebracht?«
Sagt bloß, ihr habt mich vermisst, gab Ecco zurück, so als sei es ein Witz; seine Muskeln hatten sich angespannt.
»Ja, haben wir, du Holzkopf.« Amai knuffte ihn freundschaftlich und legte die Hand auf sein Rückenfell. »Noíl, was genau ist schlimm daran, dass er lange weg war? Er hat nur ein paar schlechte Witze verpasst.«
»Es wäre eben schön, wenn sich auch mein Bruder an Absprachen halten würde«, kam es zurück.
Was für Absprachen?, knurrte Ecco. Fest vereinbart haben wir gar nichts! Du hast nur beiläufig den Vorschlag gemacht, nicht länger als zwei Tage im Wald zu bleiben.
Es schien unendlich lange her, dass sie sich ausgesprochen und versöhnt hatten. Auch diesmal spürte Ecco, wie die Wut in ihm hochkochte. Doch dann tappte seine Großmutter – gerade ein mageres Pantherweibchen mit losem Fell – zu ihm herüber und schleckte ihm über die Schulter. Und als er sich am Rand der Lichtung niederließ, rannte Chula herbei, sprang ihn an und tat knurrend so, als wollte sie ihn niederringen.
Aua, ich gebe auf! Amüsiert ließ sich Ecco auf die Seite fallen, als hätte sie ihn besiegt. Ganz langsam schaffte er es, sich zu entspannen. Nein, er würde ihnen nicht von der Begegnung im Dschungel erzählen – viel zu peinlich. Die anderen fanden es sowieso schwer verständlich, wieso er eine Zeit lang in der Stadt als Gott aufgetreten war.
»Wir haben einen Schenkel für dich aufgehoben, Ecco.« Izora brachte ihm ein Stück Capybara, ohne sich anmerken zu lassen, was ihr durch den Kopf ging. Es tat fast nicht mehr weh, sie anzusehen, aber warum hatte sie sich unbedingt für seinen Bruder entscheiden müssen? Was hat der Kerl, das sie bei mir nicht gefunden hat?
Trotzdem nahm er die Beute an. Wortlos nickte er Izora zu, legte die Pranke über das Fleisch und grub die Fangzähne hinein.
»Haha, man sieht, dass du Hunger hast … normalerweise bedankst du dich etwas wortreicher«, meinte Amai und die anderen Clanmitglieder blickten neugierig in seine Richtung, warteten darauf, wie er reagieren würde.
Ecco gab auf. Danke, ist sehr saftig, murmelte er in die Richtung seiner ehemaligen Gefährtin.
Sie hatte sich von ihm getrennt, kurz nachdem er aus Elámon zurückgekehrt war und sie gemerkt hatte, dass sie doch nicht wie gedacht schwanger war. Ihre Worte hallten noch in ihm nach. Es ist jemand anders in deinem Herzen. Glaubst du, ich hätte das nicht gespürt? Eigentlich ist es vorbei zwischen uns, du willst es nur noch nicht wahrhaben. Ich hätte dich schon eher verlassen, wenn ich nicht geglaubt hätte, schwanger zu sein!
Lag es an Izora, dass er es in diesem Clan kaum noch aushielt? Oder an den anderen? Er war mit diesen Leuten aufgewachsen und hatte manchmal das Gefühl, dass er sogar wusste, wie die Innenseite ihres Fells aussah. Sie wiederum kannten jedes seiner Tasthaare, jede seiner Krallen – auch die dritte vorne links, die nicht richtig nachwuchs –, jeden Ausdruck in seinen mondgelben Augen. Der Clan war die einzige Familie, die er hatte … und doch fühlte es sich manchmal an, als würde er hier gleich ersticken.
Nein, verdammt, es ist nicht ihre Schuld, es liegt an mir. Ich habe meinen Platz im Leben noch nicht gefunden, das ist es. Es genügt mir nicht mehr, im Clan zu leben.
Schon nach kurzer Zeit erhob sich Ecco wieder, schickte den anderen einen kurzen Abschiedsgruß in die Köpfe und glitt hinein in den Wald. Wohin gehst du, Junge?, brummte seine Großmutter und schnupperte an der gärenden Pampe, aus der einmal Schnaps werden würde.
Weiß ich noch nicht, log Ecco.
Sein Ziel war ein verbotener Ort.
Je weniger die anderen darüber wussten, desto besser.
Schritt für Schritt erklomm Kitana an der Seite ihres Bruders die Stufen des Jaguartempels, während der Klang von Muschelhörnern und Trompeten sie begleitete. Der Geruch nach Räucherharz hing in der Luft – selbst nach all diesen Jahren mochte Kitana ihn noch immer nicht, aber das Zeug gehörte leider bei den wichtigen Zeremonien dazu.
Aus der Menschenmenge stieg ein Murmeln auf, die Leute waren gespannt. Es war so viel passiert im letzten halben Jahr, der König war vom Ersten Priester Elámons und seinen Anhängern ermordet und Elámon kurzzeitig vom benachbarten Stadtstaat Quimal und dessen Schlangengöttern erobert worden. Doch Kitana und Ecco hatten verhindern können, dass die Eroberer die Macht übernahmen, und in Schande hatte der ehemalige Erste Priester die Stadt verlassen müssen. Mehr als hundert Menschen hatten den Tod gefunden. Ihr Volk brauchte dringend Trost und neue Zuversicht.
»Bin ich auch wirklich feierlich genug?« Unsicher blickte Elki sie von der Seite an – mit diesen hellgrünen Augen, die aus ihrer Familie nur er besaß. Unruhig strich er sein schulterlanges dunkelbraunes Haar zurück und hätte dabei beinahe seinen Feder-und-Perlmutt-Kopfschmuck aus der Balance gebracht. »Ein Jaguargott muss allzeit …«
»… würdevoll auftreten, ich weiß.« Kitana schmunzelte, während sie die Plattform an der Spitze des Tempels betraten. »Keine Sorge, du siehst aus wie ein König des Waldes und musst einfach nur du selbst sein, dann wird schon alles klappen.«
»Ich selbst? Haha.« Elki zog eine Grimasse, die nur sie sehen konnte, weil sie den Leuten noch den Rücken zuwandten. »Normalerweise würde ich mich nicht mit Ketten und Armreifen behängen, die so viel wiegen wie zehn Steine. Oder mich einreiben mit dieser blöden …«
Kitana hob die Augenbrauen. »Immerhin darfst du sagen, was dir durch den Kopf geht. Mir haben Vater und Großvater noch beigebracht, dass ich fast nur rituelle Worte sprechen soll.«
»Stimmt, das ist …«
»Still! Es geht los!«
Sie konnte seinen raschen Atem neben sich spüren. Ihr jüngerer Bruder war ebenso nervös, wie sie bei ihrem ersten Volksauftritt vor sechs Sommern gewesen war. Ganz bewusst hatten die Jaguarpriester die Audienz sehr kurzfristig angekündigt, damit nicht so viele Leute kamen, außerdem war die Sonne gerade erst aufgegangen. Trotzdem warteten mehrere Dutzend Menschen darauf, den Segen des neuen Jaguargottes zu empfangen.
Ein Gott oder eine Göttin zu sein, war nicht leicht. Sie selbst war siebzehn und hatte Übung darin, doch für Elki war alles neu. Kein anderer Zehnjähriger in Elámon würde so viel Macht haben wie er, aber auch so viel Verantwortung. Wie würde er damit zurechtkommen? Ihre Mutter hatte erzählt, dass es Wandler in anderen Stadtstaaten gab, die daran zerbrochen waren. An den Erwartungen, den Intrigen oder daran, dass sie zu viel von sich gegeben hatten.
Während sich die diensthabenden Priester vor ihnen verbeugten, wisperte Kitana ihrem Bruder ins Ohr: »Denk dran, du darfst dich nicht überanstrengen. Setz deine Kräfte höchstens ein- oder zweimal in jeder Audienz ein, sonst bist du danach völlig erschöpft.«
»Jaja, weiß ich«, kam nur zurück. Elki war ein bisschen stachelig in letzter Zeit.
Verehrt wurden die Wandler nicht nur wegen ihrer Fähigkeit, zwischen Menschen- und Tiergestalt zu wechseln, oder deswegen, weil sie angeblich der Unterwelt entstammten, sondern weil jeder von ihnen ein besonderes, göttliches Talent hatte. Eine Kraft, die nur sie besaßen, aus welchen Gründen auch immer. Meine gefällt mir ganz gut, ging es Kitana durch den Kopf. Menschen über sich hinauswachsen zu lassen, das ist etwas sehr Schönes … wenn ich nicht den Falschen dafür auswähle.
Ihre Mutter vermochte, pures Glück zu schenken. Und Elki hatte sich erst vor wenigen Monaten als Friedensbringer herausgestellt, er konnte den Menschen Wut und Ärger aus dem Herzen ziehen und damit Gewalt verhindern. Das ist die schönste Fähigkeit von allen!
Genau beobachtet von den Priestern, die die Zeremonie leiteten, winkte Elki den ersten Bittsteller die Stufen hinauf. Doch Kitana musterte nicht ihn, sondern die Gesichter ihrer Helfer. Ihr bester Freund und Verlobter Axar war da, eine hochgewachsene Gestalt mit kurzem, strubbeligem braunem Haar, das gerade von seinem Kopfschmuck verdeckt wurde. Eine warme Welle schwappte durch sie hindurch, als sie ihn sah. Wieso hatte sie so lange nicht begriffen, dass er mehr für sie war als ein Kindheitsfreund?
Heute wirkte Axar ungewöhnlich ernst und förmlich. Doch dann lächelte er Elki ermutigend zu und danach ihr … und plötzlich war Kitana beruhigt. Kann ich mich auf ihn verlassen? Ja, kann ich – immer!
Die erste Bittstellerin war eine Frau, die sich vor Elki auf die steinerne Plattform warf und ihm als Opfergabe ein Säckchen voll Salz hinschob. »Junger Gott, deine Schönheit und Gnade sind unvergleichlich!«
Kitana spürte ein Lachen in ihrer Kehle aufsteigen und merkte, dass auch Elki ganz kurz davor war loszukichern – er presste die Lippen zusammen und sein Gesicht lief so rot an wie der Hals eines Truthahns. Zum Glück sah es die Bürgerin nicht. »Spende mir deinen Segen!«, bat sie.
Mach schon, dachte Kitana, denn die Schlange am Fuß der Pyramide wurde immer länger. Doch ihr Bruder war neugierig wie alle jungen Katzen. »Woher hast du das Salz? Du bist von der Küste, oder?«
Verwirrt dadurch, dass der Gott sie ansprach, hob die Frau den Kopf. »J-ja, so ist es.«
»Ich dachte, ihr betet Leguangötter an.«
»Das stimmt, doch man sagt, ihr Jaguare seid mächtiger und freundlich noch dazu!«
Zutraulich geworden, begann die Frau vom Meer, vom Perlmutthandel und ihrer liebsten Haargestalterin zu erzählen. Kitana stöhnte innerlich. Sie teilverwandelte ein Stück Haut auf ihrem Rücken, sodass sie mit ihrem Bruder von Kopf zu Kopf reden konnte. Ich verstehe, dass dich das interessiert, aber siehst du, wie viele Leute noch warten?
Elki gab ebenso lautlos zurück: Hast du gewusst, dass auch große Schwestern einen nicht hetzen dürfen? Aber dann bequemte er sich doch dazu, der Frau den Segen zu erteilen, ohne Mühe teilverwandelte er seine Hand zur Jaguarpranke und legte sie ihr auf die Schulter. Zufrieden zog die Bürgerin ab und ihre Opfergabe wurde von den Priestern weggebracht.
Der nächste Bittsteller war ein weißhaariger, mächtiger Baumeister aus der Grüne-Jade-Familie, dem widerwillig zwei mürrisch wirkende Frauen folgten. Eine von ihnen zog an einer Leine ein Langschwanzwiesel hinter sich her, das neben ihnen die Stufen hochgehüpft war. Es trug ein mit Edelsteinen besetztes Halsband.
Die drei Menschen verbeugten sich, dann begann der Baumeister: »Meine Töchter sollen erben, was ich besitze, aber sie streiten sich ohne Unterlass. Das macht mich traurig und ratlos. Könnt Ihr uns helfen, Jaguargott? Ich habe gehört, Ihr seid ein Friedensbringer.« Skeptisch betrachtete er Elki, der auf einmal furchtbar klein und jung wirkte, wie er auf seinem steinernen Thron saß, dann wanderte sein Blick Hilfe suchend zu ihr. Doch Kitana sagte nichts, hielt sich im Hintergrund und wartete ab, was ihr Bruder tun würde. Große Schwestern durften auch nicht reinreden, nicht hier, nicht heute.
Es war sowieso schwer, zu Wort zu kommen.
»Sie macht mich hinter meinem Rücken schlecht, warum soll sie seine Schätze erben?«, ereiferte sich die eine Tochter. Ihr zahmes Wiesel versuchte, neugierig schnuppernd, die Plattform zu erkunden, doch sie zerrte es mit einem Ruck zu sich.
»Wenn man nicht mit Geld umgehen kann, sollte man nicht erwarten, mehr als das Nötigste zu bekommen«, erwiderte die andere kostbar gekleidete.
»Du vernachlässigst unsere Eltern und hast es doch auf ihre Villa abgesehen!«
Schon war der Zank in vollem Gange.
Ungläubig beobachteten Kitana, die Priester und Elki das Schauspiel. »Ihr wagt es …«, fuhr Axar die beiden Frauen an, doch Elki hob die Hand, unterbrach ihn.
Kitana war gespannt – würde er seine Fähigkeit einsetzen? Schlecht wäre das nicht, dieser Baumeister war eine wichtige Persönlichkeit in Elámon, der Tempel der Weisheit war sein Werk. Doch ihr Bruder überraschte sie. »Die Lösung ist einfach«, meinte er gleichmütig. »Wenn ihr euch nicht hier und jetzt einigt, wer was bekommt, machen wir es einfach so, dass das Vermögen eures Vaters an den Tempel fällt. Dann gibt es keinen Grund mehr für euch zu streiten.«
Sprachlos blickten alle Beteiligten Elki an. Zwanzig Atemzüge später war der Fall geklärt. Aber noch nicht ganz, wie Kitana mit einem Blick auf das sich gegen die Leine sträubende, fiepende Wiesel klar wurde. Das arme Tier, dachte sie mitleidig.
Schon ergriff ihr Bruder wieder das Wort. »Lasst dieses Wiesel frei. Es ist ein wildes Tier und leistet euch wohl kaum freiwillig Gesellschaft. Überseht ihr, dass es ihm nicht gut geht?«
»Aber mein Mann hat es mir geschenkt und es erheitert mich«, wagte die Frau einzuwenden.
Elkis Miene hatte sich verdüstert. »Wir Götter sind nicht nur Menschen, deshalb sind wir die Beschützer der Tiere«, sagte er vorwurfsvoll. »Wir sorgen dafür, dass es allen gut geht, den zahmen und den wilden. Also los, worauf wartet Ihr?«
»Verzeiht uns«, erwiderte der Baumeister und beeilte sich, dem Wiesel das Halsband abzustreifen. Es senkte seine Zähne in seinen Finger und huschte dann gut gelaunt davon … in eine ganz andere Richtung als die drei Menschen, die sich unter vielen Verbeugungen zurückzogen.
»Gut gemacht«, flüsterte Axar Elki zu und kam damit Kitana knapp zuvor.
Elki wandte sich ihnen zu, suchte ihren Blick und sie sah, wie gut gelaunt er war, überhaupt nicht belastet von diesen Konflikten. Sie war beeindruckt … und erleichtert. Vielleicht ist Elki für diese Rolle geboren, flüsterte eine kleine Stimme in ihrem Inneren.
So wie Ecco, dieser wilde junge Panther, offensichtlich nicht dafür geboren war – und doch hatte er die Menschen in Elámon beeindruckt wie kaum ein anderer vor ihm.
Hör auf, an ihn zu denken – er ist weg, wahrscheinlich für immer, befahl sich Kitana. Und das ist auch besser so, schließlich heirate ich bald Axar.
Noch gab es kein Datum für die Hochzeit, die Sternkundigen hatten zwar einen Glück bringenden Tag errechnet, doch Axar – selbst ein Sternenpriester im Jaguartempel – war nicht mit ihnen einer Meinung gewesen und so hatten sie die Zeremonie verschoben. Wieso arbeitete er eigentlich so viel in letzter Zeit? War es ein Fehler gewesen, ihn zum Zweiten Priester zu ernennen? Ein so hohes Amt kostete viel Kraft.
Kitana lächelte zu Axar hinüber. Sie mochte diesen Kerl so unfassbar gern … nein, wirklich verliebt war sie nicht in ihn, aber er hatte einen großen Platz in ihrem Herzen und sie waren sich so nah, wie es nur die besten Freunde sein konnten. Mit ihm verheiratet zu sein, würde schön sein. Während der nächste Bittsteller die Stufen des Tempels erklomm, flüsterte sie ihm zu: »Verbringen wir den Abend zusammen?«
»Ja«, kam sofort zurück, doch glücklich wirkte er nicht. »Ich fürchte, wir müssen reden.«
Ein kaltes Kribbeln rieselte über ihren Rücken. »Was, wieso?«, fragte Kitana. »Ist irgendwas passiert?«
»So ist es.« Jetzt war kein Irrtum mehr möglich, Axar wirkte gequält.
»Sag mir sofort, was los ist!«
Ihr alter Freund öffnete schon den Mund, da räusperte sich einer der anderen Priester. Inzwischen war der nächste Gläubige auf der Plattform angekommen, verschüchtert blickte er zwischen ihnen und Elki hin und her.
Kitana zwang sich zu einem gleichmütigen Gesichtsausdruck und einer erhabenen Haltung, doch es fühlte sich an, als würden in ihrem Kopf zwei Armeen aufeinander losgehen. Was in aller Welt konnte geschehen sein?
Genüsslich streckte sich Yaddi in seiner Gestalt als handlange Anolis-Echse auf dem sonnenwarmen Stein der Säule aus. Nein, natürlich war es nicht irgendeine Steinsäule, sondern die auf dem Großen Platz in der Stadtmitte von Elámon. Kitana, die Jaguargöttin, hatte darin mit eigenen Händen und vielen Schriftsymbolen seine Geschichte – und, na gut, auch ein kleines bisschen ihre Geschichte – eingemeißelt. Es war eine richtig gute Geschichte über Verrat, Leute, die über sich hinauswachsen mussten, und ein mutiges Volk, das sich hinter seine Götter gestellt hatte. Manchmal las er sie, um sich aufzuheitern. Das wirkte belebend bei unangenehmem Wetter, Verdauungsbeschwerden und dem Gefühl, ein bisschen einsam zu sein.
Gerade traf Letzteres zu. Er hatte zu nichts Lust, weder dazu, auf die Jagd nach Heuschrecken zu gehen, noch den Affengott der Weisheit in seinem Tempel zu besuchen. Nicht mal darauf, leicht bekleidete Schönheiten beim Baden zu beobachten. Wahrscheinlich hätte man ihn auf den ersten Blick für einen abgestorbenen Zweig halten können, wenn er fähig gewesen wäre, lange genug stillzuhalten.
Na, mal wieder rastlos? Was macht man eigentlich mit Helden, die nicht mehr gebraucht werden?, stichelte der Falter-Wandler, der manchmal in seiner rot-schwarzen zweiten Gestalt in Elámon herumflappte, wahrscheinlich weil es ihm im Wald zu langweilig war. Er war deutlich älter als Yaddi und längst erwachsen, aber nicht besonders helle; mit der Jaguarfamilie hatte er es sich schon vor längerer Zeit verdorben.
Ich seh hier keinen Helden, gab Yaddi nur zurück, ohne den anderen anzusehen – der Kerl wollte gewöhnlich nur provozieren und gab schnell auf, wenn man ihn ignorierte. Yaddi huschte die Seite der Stele hinunter und die andere wieder hinauf.
Der Falter beschwerte sich: Wenn ich dir zusehe, wird mir schwindelig!
Dann flieg woanders durch die Gegend.
Wie bitte? Das hier ist mein Revier. Jetzt klang der Idiot auch noch beleidigt.
Nein, meins. Du wohnst im Wald … und ich lebe genau hier. Yaddi lief wieder Richtung Boden – und stutzte. Was war das für ein Mädchen, lange glänzende Haare, rundes Gesicht, etwa sechzehn? Sie kam genau auf ihn zu und Yaddi erstarrte mitten in der Bewegung. Wollte die irgendwas von ihm? Immerhin, manche Leute mochten Eidechsen und ihre Verwandten.
Nein, anscheinend hatte sie ihn nicht mal bemerkt. Schon hielt sie an und breitete, eine halbe Baumlänge entfernt, ein Tuch auf dem Boden aus. Nachdem sie sich darauf gesetzt hatte, legte sie ein paar Fetzen Bastpapier vor sich und wartete mit gesenktem Kopf auf irgendetwas, wahrscheinlich Kunden. Währenddessen turnte ein Äffchen mit lächerlichen Haarbüscheln an den Ohren auf ihrer Schulter herum.
Ihre ernste Miene hielt nicht lange. Als ihr Affe – ein Tier, kein Waldläufer – sie ins Ohr zwickte, kitzelte sie ihn durch und musste über seine Grimassen lachen. Da Yaddi gerade mit dem Kopf nach unten an der Säule klebte, sah er die junge Fremde verkehrt herum, doch das reichte. Etwas geschah in seinem Herzen und einen Atemzug später wollte er wissen, wer sie war. Wie sie hieß. Und warum sie dieses haarige Vieh einem anständigen Reptil vorzog.
Schon wieder eine dieser Tagelöhnerinnen, brummte der Falter-Wandler. Immer lungert dieses Pack dort herum, wo andere …
Über das Herumlungern könnte sie bestimmt noch was von dir lernen, meinte Yaddi und machte sich auf den Weg – näher heran, um mehr über die Fremde herauszufinden.
Verbotenes Terrain. Ein fremdes Revier. Was machte er hier, war das wirklich eine gute Idee? Ecco pirschte langsamer durch das grüne Blattwerk. Irgendwo hier in der Nähe musste er sein, der große Cenote, der den Menschen in Elámon so heilig war, dass niemand außer den Göttern das Wasser auch nur berühren durfte. Ein Teich mitten im Dschungel, dessen blaugrünes, reines Wasser unendlich tief zu sein schien. Ein Ort, an dem er besonders gut an Kitana denken konnte, weil das hier ihr Lieblingsplatz war. Aber die Erinnerung, wie sie und er hier zusammen geschwommen waren, wie nah sie sich gewesen waren, tat auch verdammt weh. Warum habe ich ihr nicht damals gesagt, dass ich etwas für sie fühle?
Immer wieder hielt er an, lauschte und witterte. Kein fremder Geruch lag in der schweren, warmen Dschungelluft. Er war allein hier. Also verwandelte er sich und lief nach einem Blick in den runden Schacht die Steinstufen hinunter zum Wasser. Lianen wucherten die Seitenwände des Cenote herab, Farne streckten ihre Wedel aus und selbst ein paar Orchideen hatten sich in Felsnischen angesiedelt.
Als er unten angekommen war, kniete er nieder, formte die Hände zur Schale und trank. Kalt und klar rann das heilige Wasser durch seine Kehle. Andere Leute werden dafür zum Kerker verurteilt, dachte Ecco, stieß sich ab und tauchte kopfüber in den Cenote. Im ersten Moment war die Kälte ein Schock, doch er gewöhnte sich schnell daran. Was war, wenn Kitana jetzt zufällig herkam? Immerhin war dies hier ihr Lieblingsplatz, unwahrscheinlich war es nicht. Würde sie erschrecken, wenn sie ihn sah, oder sich freuen? Ihn kühl behandeln oder wie einen guten Freund?
Dämliche Fantasien. Mit einem leisen Knurren, das in seinem Menschenmund vibrierte, rief Ecco sich zur Ordnung.
Tropfnass hievte er sich zurück auf die Uferplattform, die nur drei Schritt in jeder Richtung maß, und trank noch einmal. Hatte dieses Wasser wirklich besondere Eigenschaften, wie die Jaguar-Wandler aus Elámon vermuteten? Nachdem er hier gewesen war, hatte sich seine besondere Fähigkeit – Trost zu geben – zum ersten Mal gezeigt. Aber das konnte auch Zufall sein …
Erstaunlich, wie müde er auf einmal war. In der Deckung eines Strauchs rollte er sich nach Katzenart zusammen, obwohl er gerade in erster Gestalt war, und spürte, wie seine Augenlider nach unten sanken.
Die Bilder überfielen ihn so heftig wie ein Gewittersturm.
Ein Turm erhebt sich aus der Ebene, ein Turm, wie er noch nie einen gesehen hat. Ein Turm aus schwarzem Stein. Er ragt aus der Ebene wie ein mahnender Finger und der Mond scheint direkt darüber zu stehen.
Seine Blicke werden davon angezogen, er kann kaum wegsehen, und seine Gefühle sind wirr wie verknotete Lianen. Soll er fliehen? Oder auf diesen Turm zulaufen? Er ahnt, dass dort sein Schicksal auf ihn wartet, aber welcher Art wird es sein – wird er dort den Tod oder sein Glück finden … oder beides, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge?
Keuchend schreckte Ecco hoch, und bevor er nachdenken konnte, waren seine Fingernägel zu Krallen geworden, gruben sich in die lockere Erde. Was war das für ein Traum gewesen? Die Bilder des Turms hallten in ihm nach, als er sich auf den Rückweg zum Clan machte. Bis andere Gedanken seinen Kopf beschäftigten.
Soll ich nach Elámon gehen, sie besuchen? Auch wenn sie mich vielleicht gar nicht sehen will? Auch wenn es mir das Herz rausreißt, wenn ich sie als Axars Frau im Tempel wiedertreffe?
Sein Herz, dieses blöde Ding, trommelte ein Ja. Monatelang hatte er sich zurückgehalten. Jetzt würde er es tun. Zu ihr nach Elámon gehen. Nur ein einziges Mal.
Wenn er es nicht tat, würde er nie erfahren, ob er ihr noch etwas bedeutete.
Noch immer war Kitana auf der Hut … was war es, das Axar ihr sagen wollte? Er wirkte furchtbar ernst, es würde kaum etwas Gutes sein, das er mitzuteilen hatte. War seine Liebe zu ihr erloschen? Nein, das kann nicht sein, er küsst mich so oft. Und erst neulich hat er mir erzählt, dass er sich schon in mich verliebt hat, als wir als Kinder zusammen Früchte aus den Gärten der adligen Familien geklaut haben. Aber er ist mir tatsächlich aus dem Weg gegangen in den letzten beiden Monaten … irgendwas ist los!
Bevor sie reden konnten, mussten sie zum Jaguarhaus, um den müden, aber glücklichen Elki dort abzuliefern. »Wie war es? Hast du dich wohlgefühlt?«, wollte ihre Mutter wissen und schloss Kitanas Bruder in die Arme. Axar hielt sich taktvoll im Hintergrund.
»Es war richtig schön, die meisten waren mit einem Segen zufrieden, aber einmal habe ich mit meiner Kraft Frieden geschenkt«, sprudelte Elki hervor.
»Die Leute waren begeistert«, berichtete Kitana und zwang sich zu einem Lächeln. Wie traurig, dass ihr Vater das nicht mehr miterleben konnte … er war von den Leuten des ehemaligen Ersten Priesters ermordet worden. Manchmal tat es immer noch furchtbar weh, besonders wenn sie im Jaguarhaus war und seine Sachen sah, die er nie mehr benutzen würde. Niemand von ihnen hatte es über sich gebracht, sie wegzugeben.
»Schau mal, was für Geschenke ich bekommen habe!« Elki präsentierte das Säckchen mit Salz vom fernen Meer, einen mit runden Jadescheiben verzierten Ledergürtel und ein Obsidianmesser. »Die will ich selber haben, sie sind zu schade für den Tempelschatz.«
»Behalt, was du willst, wir müssen die Sachen nicht abgeben, wenn wir nicht möchten«, sagte Kitanas Mutter. Währenddessen tastete ihre Tante, die Arm im Arm mit ihrem Mann, dem Wasserschwein-Wandler, in der Nähe stand, mit Kennermiene den Ledergürtel ab. »Genau deine Größe, wie gedankenvoll! Und die Jade hat den Grünton deiner Augen!«
Der Farbton dieser Jade interessierte Kitana ungefähr so sehr wie der Dung der Vogelgöttin von nebenan. Während sich Elki die Tunika über den Kopf zog, sich verwandelte und als junger Jaguar davontollte, fragte sie ihre Mutter: »Wann ist eigentlich deine nächste Audienz?«
Deren Begeisterung dämpfte sich etwas. »In fünf Tagen. Bis dahin muss ich Kräfte sammeln, so gut ich kann.« Ximena seufzte. »Es wird bestimmt wieder einen großen Andrang geben.«
Seit Amai, die junge Heilerin des Pantherclans, Ximenas Krankheit besiegt hatte, war sie zurück als starke Göttin, die alles dafür tat, dass es ihrer Stadt und ihrem Volk gut ging. Aber von ihr mit der besonderen Kraft berührt zu werden, fühlte sich so gut an, dass sich die Bürger in Scharen zu ihren Audienzen drängten und auf ein paar Momente purer Freude hofften.
»Wir Jaguarpriester werden unser Bestes tun, damit die Leute respektvolle Zurückhaltung zeigen«, versprach Axar und Kitana blickte ihn von der Seite an. Sie mochte sein klares, starkes Profil. Wäre er ein Wandler gewesen, dann vielleicht ein … nein, sie hatte keine Ahnung. Er war und blieb ein Mensch – und er hatte ihr irgendetwas zu sagen. Das machte sie nervös.
»Wir gehen noch einen Moment in den Wald«, sagte Kitana zu ihrer Familie. Es hörte sowieso niemand zu. Ximena und Kitanas Tante hatten begonnen, über ihre Pläne fürs Abendessen zu diskutieren, und Elki jagte gerade mit Prankenschlägen einen Lederball durch den Innenhof. Ha, ich krieg dich, rief er dabei und Kitana musste lächeln. Wie schade, dass Axar Gedankensprache nicht hören konnte. Das konnten nur Wandler und auch nur dann, wenn einer von ihnen verwandelt oder teilverwandelt war.
Hinter dem Jaguarhaus begann der Dschungel, ein dichtes grünes Dickicht von Büschen und Bäumen, die viele Jahre lang in Ruhe hatten wachsen dürfen und sich auf massiven Brettwurzeln zur Seite abstützten. Kitana bedeutete ihren Wachen mit einem Handzeichen, sie auf keinen Fall zu stören, und ging voran über den schmalen Fußpfad. Axar folgte ihr.
»Zu unserem alten Treffpunkt?«, fragte sie ihn, doch er schüttelte den Kopf. »Besser woandershin.« Oh. Noch ein schlechtes Zeichen.
Schließlich setzten sie sich auf eine Lichtung, auf der wilder Ingwer wuchs und mit seinen violetten Blüten Schmetterlinge anlockte. Niemand war hier außer ihnen, endlich konnten sie reden. »Also, was ist los?« Kitanas Inneres fühlte sich so straff gespannt an wie das Leder auf einer Trommel.
Immerhin, er redete nicht um die Sache herum. »Kitana … es tut mir so leid.« Er stieß die Luft aus. »Eins steht leider fest – ich kann dich nicht heiraten.«
»Was?!« Fassungslos blickte sie ihn an und ihr kam ein Verdacht. War er deswegen so oft und lange im Tempel gewesen in letzter Zeit? »Ist es … gefällt dir eine der Priesterinnen?«
Er schüttelte den Kopf, schien nach den richtigen Worten zu suchen.
Kitana holte tief Luft, versuchte, ruhig zu bleiben. »Aber es hat etwas mit dem Tempel zu tun, richtig? Ich weiß, deine Arbeit dort bedeutet dir viel. Gibt es damit ein Problem?«
»Nicht direkt. Ich … habe in den letzten Monaten Dinge über mich erfahren, die mich … verunsichert haben …«
Noch nie hatte sie Axar, diesen sonst so selbstsicheren, klugen Sternenpriester, der ein Jahr älter war als sie, so herumdrucksen hören. Instinktiv nahm sie seine Hand. Dankbar drückte er sie, doch als er wieder zu sprechen begann, lag seine Hand leblos in ihrer.
»Ich …« Er schluckte. »Ich habe gemerkt, dass ich mich zu einem der jungen Priester hingezogen fühle.«
»Du meinst …« Kitana fühlte sich, als habe ihr jemand einen Ast auf den Kopf gedonnert. »Hat er dein Herz gewonnen?«
»Es ist … körperlich. Er … ach, bei allen Dämonen der Unterwelt, das ist so schwer zu erklären.« Er blickte zur Seite. »Vor allem, weil ich dich ja liebe, ja, auch deinen Körper mag ich. Deswegen weiß ich nicht, was ich mit diesem Begehren für ihn anfangen soll. Es ist sehr mühsam, dagegen anzukämpfen.«
Ganz langsam sickerte es in Kitana ein, was das alles für sie bedeutete. »Wer ist es?«, fragte sie mit tauben Lippen, nur um einen Moment später entsetzt abzuwinken. »Nein! Nein! Ich will es gar nicht wissen. Ist …«, sie brachte es kaum heraus. »… schon etwas passiert zwischen euch?«
Er schüttelte den Kopf. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen. »Mir ist es wichtig, ehrlich zu dir zu sein. Verstehst du jetzt, warum ich dich nicht heiraten kann?«
»Danke für deine Ehrlichkeit.« Kitana legte Axar eine Hand auf den Arm. Sie wollte ihm so gerne sagen, dass sie ihn unterstützen würde auf seinem Weg. Dass sie es mutig von ihm fand, dass er die Wahrheit über sich nicht wegschob und leugnete.
Aber es fühlte sich an, als habe sie die Sonne verschluckt und nun sei sie dabei, ihr Inneres auszubrennen. All ihre Pläne – weg. Ihre Hoffnungen für die Zukunft – verdunstet. Er hatte recht, es wäre keine gute Idee, jetzt noch zu heiraten. Mit diesen Zweifeln und Sorgen einen Bund fürs Leben zu schließen, klang wie ein Rezept fürs Unglücklichwerden.
Kitana zwang sich, tief durchzuatmen. Ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten, wie sie das als Göttin gewohnt war. Es war unendlich mühevoll. »Es ist gut, dass du es mir gesagt hast.« Ihre Stimme klang gleichmäßig, zum Glück.
Schuldbewusst blickte Axar sie an und strich durch seine kurzen braunen Haare. »Was jetzt?«
»Jetzt brauche ich erst mal Zeit zum Nachdenken. Das … kam alles sehr plötzlich. Ich dachte … ich dachte, wir heiraten demnächst, und auf einmal ist alles anders, verstehst du das?« Sie stand auf, spürte, dass sie schwankte.
»Kitana.« Axar berührte sie am Arm, bis sie sich ihm zuwandte, zog sie dann zu sich, umarmte sie fest. Auf einmal war alles wie immer und Kitana umarmte ihn zurück, konnte sich einen Moment lang entspannen. Vielleicht wird doch noch alles gut, wir finden einen Weg, vielleicht können wir trotzdem zusammenbleiben! Wäre es so schlimm für mich, ihn zu teilen? Oder für ihn, auf das zu verzichten, was sein Körper fordert?
Doch dann murmelte Axar: »Wir müssen uns noch einen offiziellen Grund ausdenken, warum wir nun doch nicht heiraten werden.«
»Den Priestern wird bestimmt einer einfallen.« Kitana befreite sich aus seiner Umarmung, fühlte sich plötzlich gefangen darin. »Ich muss jetzt gehen.«
Plötzlich wollte sie nur noch weg. Weg von hier, weg von ihm. Gerade weil sie ihn – ihren ältesten, besten Freund! – so gern hatte, immer gern haben würde.
Aus. Alles aus. Kitana wusste kaum, wie sie zurückkam zum Wohngebäude ihrer Familie. Dort war gerade ein Diener aus der Palastküche mit den Abendspeisen eingetroffen, außerdem war die Göttin der Heilung – Karali Mo – zu Besuch und schwatzte mit ihrer Mutter. Sie war eine Tukan-Wandlerin und eine schöne, lebensfrohe Frau, die schon viele Liebhaber verschlissen hatte.
»Alles in Ordnung?«, fragte ihre Mutter Ximena besorgt, als sie Kitanas Gesicht sah.
»Macht dein Mensch Ärger?« Die Vogelgöttin blickte mitfühlend drein. »Ist es nicht furchtbar lästig, dass er keine Gedankensprache hören kann?«
Kitana schaffte keine Antwort. Mit einer Verbeugung reichte der Helfer – es war der stellvertretende Hofmeister – ihnen eine Platte mit gebratenen Hühnchenschenkeln. Es roch sehr appetitlich.
Doch Kitana wusste, dass sie nichts hinunterbekommen würde. Sie schüttelte nur den Kopf und steuerte ihr Zimmer an. »Mir … geht es nicht gut.«
Der Hofmeister sagte: »Göttin, das Salz in den Küchen ist bald aus. Wäre es möglich, dass Ihr uns die Opfergabe dieser Fremden von der Küste überlasst?«
»Ja, natürlich.« Ihre Mutter seufzte und händigte ihm das Säckchen aus. »Wie ärgerlich, dass nicht mehr Händler zu uns gekommen sind in letzter Zeit.«
Kitana hatte eine Erleuchtung. Der Plan kam wie aus dem Nichts und machte sich in ihrem Kopf breit, als wolle er dauerhaft darin einziehen. »Ich werde eine Handelsreise zur Küste unternehmen«, sagte sie mit fester Stimme. »Wir können Salz gebrauchen, aber auch Perlmutt, Trockenfisch, Seile und Palmwein. Das kann ich alles beschaffen und ich werde zum ersten Mal das Meer sehen – ist doch schön, oder?«
Der Hofmeister blickte sie an, als sei ein Blitz auf ihn niedergefahren und habe seinen Verstand geröstet. Oder eher den ihren. »Götter unternehmen Handelsreisen?«, wagte er zu fragen.
»Gewöhnlich tun sie so etwas nicht«, sagte Ximena, sodass alle es hören konnten, und nahm sich einen Hühnerschenkel vom Tablett. Ihre Haltung war die einer Königin. »Aber seit wann ist meine Tochter gewöhnlich?«
Der Hofmeister merkte nicht, dass sie einen Teil ihres linken Fußes verwandelt hatte, um lautlos mit Kitana sprechen zu können. Elámons Wohl! Was ist das denn für eine verrückte Idee? Und wieso musstest du sie hier und jetzt aussprechen? Sie warf einen Blick zu ihrem Bediensteten hinüber. Ich schätze ihn sehr, aber den Mund zu halten, ist nicht eine seiner Stärken. Morgen schon weiß es die ganze Stadt.
Ist mir egal, erwiderte Kitana … und hatte nicht vor, ihnen zu verheimlichen, was vorgefallen war. Sie würden es sowieso früh genug erfahren. Behutsam senkte sie die Mauer um ihre Gedanken und Gefühle. Ließ ihre Mutter und Karali Mo etwas von dem Elend spüren und berichtete ihnen lautlos, was ihr Verlobter gesagt hatte.
Zurück kam ein Oh von ihrer Mutter und ein augenrollendes Männer! von der Vogelgöttin. Das ist unglaublich, empörte sich ihre Mutter lautlos. Warum sagt er dir das erst kurz vor der Hochzeit? Das hätte er sich wirklich früher überlegen können, dann wäre es für dich nicht ganz so schmerzhaft gewesen!
Karali Mos Gedanken trieften vor Empörung. Was werdet ihr mit dem Kerl machen – Herz rausreißen, enthaupten, vom Tempel hinabstürzen?
Nichts davon, sagte Kitana entschieden. Wir lassen ihn in Ruhe.
Aber er hätte verdient, dass …
Wer hätte geahnt, dass er …
»Können wir bitte wieder über meine Reise sprechen?«, sagte Kitana laut, um die Diskussionen abzukürzen.
»Oh ja, bitte. Können wir dich überhaupt entbehren?«, fragte Karali Mo und betrachtete sie aus ihren schwarz umrandeten Augen. »Neid beiseite, du bist momentan unsere wichtigste Göttin. Natürlich opfern sie auch mir, aber dich lieben sie. Du hast sie angeführt, als es darum ging, die Stadt von den Kriegern und Schlangengöttern aus Quimal zu befreien.«
Die Schuldgefühle waren ein schwarzer Knoten in Kitanas Magen. Ließ sie ihr Volk im Stich, nur weil sie gerade Kummer hatte? Vielleicht … aber sie selbst hatte auch ein Leben und die Stimme in ihrem Inneren, die Weg, weg, nichts wie weg wiederholte, wurde immer lauter. »Wir haben wieder Frieden. Du und Elki, ihr seid nun auch starke Götter. Die Stadt wird ohne mich nicht zusammenbrechen.«
Ihr kleiner Bruder hatte alles gehört. »Findest du, dass ich ein starker Gott bin?«, sagte Elki zufrieden, doch dann blickte er enttäuscht drein. »Dann kann ich aber nicht mitkommen auf deine Reise, oder?«
»Leider nein«, brachte Kitana heraus und umarmte ihn. Es würde keine leichte Reise werden, es war sowieso zu riskant, ihn mitzunehmen. »Ich fange gleich an zu packen.« Sie wandte sich um zu ihrem Bediensteten. »Dabei wünsche ich von niemandem gestört zu werden.«
Der Hofmeister verbeugte sich vor ihr. »Sehr wohl.«
Kitana spürte, dass sämtliche Anwesenden ihr besorgt nachblickten, als sie in ihr Zimmer eilte. Hoffentlich merkte keiner von ihnen, dass ihr schon Tränen über das Gesicht liefen.
Ecco mochte Städte nicht besonders. Sie stanken, sie enthielten eindeutig zu viele Menschen und die meisten wuchsen wie ein Geschwür. Aber Elámon war halbwegs erträglich, seine Tempel und Villen wirkten im Abendlicht beinahe hübsch. Na ja, wenn man etwas für Steinkästen übrig hatte.
Doch das Wichtigste war, in Elámon lebten Leute, die ihm etwas bedeuteten. Genauer gesagt, ein bestimmtes Mädchen, an das er viel zu oft denken musste. Bald werde ich sie wiedersehen, sehr bald, schwirrte es ihm durch den Kopf. Wie habe ich es eigentlich so lange ohne sie ausgehalten? Auf einmal konnte er es kaum noch erwarten.
Praktischerweise hatte er einen Lendenschurz etwas außerhalb der Stadt versteckt, er fand den Ort sofort wieder und holte sich das Ding. Leider ziemlich viel Erde dran. Kein guter Ersatz für sein immer perfekt gepflegtes Fell.
Mit klopfendem Herzen kämmte sich Ecco das etwas mehr als schulterlange nachtdunkle Haar mit den Fingern durch und wusch sich das Gesicht an der nächstbesten Steinkuhle, in der sich Regenwasser gesammelt hatte. Hoffentlich kann man mich ansehen, ohne Augenschmerzen zu bekommen.
Schon führten ihn seine Schritte zum Großen Platz, der die Stadtmitte bildete und vom Königspalast und dem Jaguartempel flankiert wurde. Nicht weit entfernt waren die anderen Tempel – die des Affen-Wandlers zum Beispiel, der sich als Gott der Weisheit feiern ließ. Schräg gegenüber der Tempel der netten, harmlosen Göttin, die in zweiter Gestalt eine Milchschlange war und angeblich Regen rufen konnte. Auf der anderen Seite des Platzes die Pyramide der Vogel-Wandlerin, die ihm gemeinsam mit Kitana das Leben gerettet hatte. Und irgendwo dahinten war der Steinkasten, in dem sich der Capybarakerl eingerichtet hatte. Unfassbar, dass Leute den anbeteten, nur weil er sich verwandeln konnte. Besser, Ecco erwähnte nicht, wie gut ihm und seinem Clan Wasserschwein schmeckte.
Da, das Jaguarhaus. Freude pulste durch Ecco hindurch. Gleich sehe ich sie wieder. Nur noch ein paar Momente. Wie wird sie dreinschauen, wenn sie mich erkennt?
Gerade kam jemand aus dem Gebäude zum Vorschein, ein gut gekleideter Mann mit einer leider leeren Holzplatte, die nach Bratvogel roch. Ecco erkannte ihn. Es war einer der Bediensteten, die sich während seiner kurzen Götterzeit von ihm ferngehalten hatten, weil sie ihn zu wild fanden und es nicht guthießen, dass er häufiger in Panther- als in Menschengestalt lebte. Er war Kitanas Familie treu ergeben, aber überheblich gegenüber allen, die einen niedrigeren Rang hatten. Das Einzige, das Ecco an ihm mochte, war, dass er immer gut nach Essen roch.
Als der Kerl sah, dass Ecco sich dem Haus näherte, runzelte er die Stirn. »Ah, unser ehemaliger Panthergott. Was wollt Ihr hier? Ihr habt Euch gegen diese Stadt entschieden, schon vor einiger Zeit.«
Sofort fiel Ecco wieder ein, warum sie keine Freunde geworden waren.
»Ich suche Kitana«, sagte er nur. »Kann ich sie sprechen?«
Der Mann zögerte einen Moment, musterte ihn von oben bis unten. »Warum? Was gibt es so Dringendes?«
»Ich wüsste nicht, was dich das angeht.« Ecco schickte ihm einen warnenden Blick. »Das ist eine Angelegenheit zwischen ihr und mir.«
Der Mann betrachtete ihn und ein winziges Lächeln schlich sich in seine Mundwinkel. Oder hatte er sich getäuscht, war es nur das Licht gewesen? Schon betrachtete der Bedienstete ihn wieder völlig gleichmütig. »Das tut mir leid für dich, Panther. Sie ist schon abgereist. Es wird eine längere Handelsunternehmung, ich kann nicht sagen, wann sie wieder zurück sein wird.«
Die Enttäuschung fühlte sich an wie ein Dorn in der Pfote. Nein, gleich mehrere Dornen, fingerlang. »Wohin ist sie gegangen?«
»Nach Girawan. Der Stadtstaat liegt …«
»… am Meer, ich weiß. Dort beten die Leute Leguangötter an, habe ich gehört.«
»Ganz recht«, erwiderte der Bedienstete mit einem Was-weißt-du-schon-davon?-Blick.
Ecco blickte sich um und witterte – selbst in dieser Gestalt war seine Nase deutlich besser als die eines Menschen. War das Kitanas Witterung, die ihm in die Nase stieg?
»Ich werde trotzdem im Jaguarhaus die Leute begrüßen, die ich kenne«, erklärte Ecco kühl. Besonders Elki, Kitanas Bruder, war ein toller Junge – hatte der nicht seine erste Audienz haben sollen? Durch Amai, die sich mit Kitana angefreundet hatte, erfuhr er hin und wieder, wie es den Jaguaren ging. Doch nie war eine Botschaft für ihn eingetroffen. Warum nicht, hatte der Abschied Kitana zu sehr wehgetan?
»Leider ist das nicht möglich.« Der Kerl vor ihm sah nicht so aus, als würde ihm das wirklich leidtun.
Was sollte das heißen, »nicht möglich«? Ecco machte einen Schritt nach vorne – und im selben Moment gab der Mann ein Handzeichen. Sofort kamen aus der Umgebung sechs Wachen herbei, muskulöse Männer mit Speeren und Messern aus Obsidian am Gürtel. Manche blickten misstrauisch drein, doch einer hatte ihn anscheinend erkannt und sah ihn freundlich-neugierig an.
»Es ist besser, du gehst jetzt«, sagte der Bedienstete. »Die Jaguarfamilie will gerade nicht gestört werden.«
»Das stimmt«, wagte einer der Wachleute zu sagen. »Ich habe es selbst gehört.«
Ecco blickte noch einmal hinüber zum Haus, in dem alles still war, kein Laut war zu hören. Wieso bin ich nicht früher gekommen? Nur ein, zwei verdammte Tage früher? Wenn Kitana so viel Vorsprung hat, werde ich sie kaum noch einholen können; gestern erst hatte es geregnet, das löscht die Witterung aus.
»Was willst du? Lockt dich der Duft des Huhns?«, fragte der Diener, er klang herablassend. »Ich kann dir welches bringen lassen.«
Finster blickte Ecco ihn an. »Behalt deine Beute, ich kann selbst welche reißen.«
Er machte sich gerade lächerlich. Wahrscheinlich war es normal, dass es hier nach Kitana roch, immerhin wohnte sie mit ihrer Familie in diesem Haus.
Zwar ging die Sonne gerade erst unter, doch in seiner Seele war es schwarz wie die Nacht, als Ecco sich umdrehte, um Elámon zu verlassen.
Kitana rieb sich die brennenden Augen. Draußen war es längst Nacht geworden, doch sie war immer noch dabei, ihre Ausrüstung zusammenzustellen. Auf einem Bastblatt hatte sie notiert, welche Waren sie aus Elámon als Tauschgut mitnehmen würde und welche sie zurückbringen wollte. Zum Glück hatte sich trotz der späten Stunde ein Händler gefunden, der sie dazu hatte beraten können.
»Warum bei allen Göttern sind Chilis so begehrt?«, murmelte Kitana. »Daran verbrenne ich mir immer den Mund. Aber ich bringe trotzdem drei Säcke davon mit, wenn ich sie kriegen kann.«
»Rochenstacheln sind ganz schön teuer«, staunte Elki, der ihr neugierig über die Schulter spähte. »Zwei Kakaobohnen pro Stück, ist das nicht Wucher oder wie man das nennt, Tana?«
»Ja, irgendwie schon. Aber es gibt Rochen nur an der Küste und aus ihren Stacheln kann man zum Beispiel erstklassige Pfeilspitzen machen.« Kitana zog den Sack Kakaobohnen zu, den sie schon für die Reise beiseitegestellt hatte. Alle Stadtstaaten der Gegend verwendeten sie als Zahlungsmittel.
»Ein ganzer Sack?«, fragte ihre Tante Tova, die mit einer großen Nase und viel Neugier gesegnet war. »Hoffentlich überfällt dich keiner.«
»Die Händler haben nicht von vielen Überfällen erzählt in letzter Zeit«, versuchte Kitana, sie und sich selbst zu beruhigen. »Außerdem … ich bin ein Jaguar, schon vergessen? Ich bin viel besser im Kämpfen als früher.«
»Das stimmt.« Stolz blickte ihr Bruder sie an, bevor sich seine Mundwinkel wieder nach unten zogen. »Aber wenn du in den Wald gehst, weißt du immer noch nicht, wo du bist, wenn du vom Pfad abweichst.«
Ihr Orientierungssinn war noch immer genauso mies, das stimmte. »Ich nehme jemanden mit, der den Weg zur Küste kennt, dann bleibt mir das Verirren erspart«, sagte Kitana und blickte Elki an, während sie weitere Waren in einem aus farbigen Gräsern geflochtenen Tragekorb unterbrachte. »Wirst du die Menschen in Elámon beschützen, während ich nicht da bin?«
»Das werde ich«, sagte Elki feierlich, wollte auf sie zugehen und stolperte dabei über einen Topf mit Jadeperlen. Natürlich sprang sofort sein Jagdtrieb an, als sie über den Boden rollten, und kurz darauf waren Kitana und ein übermütiger junger Jaguar damit beschäftigt, die Perlen einzufangen – und manchmal auch weiterzupföteln.
»Ach, du wirst mir fehlen«, sagte Kitana, nahm das Pelzbündel in die Arme und wälzte sich mit ihm über den Boden. Wen störte schon, dass ihr Rock und ihr Schultertuch dabei dreckig wurden? »Ich bin nicht lange weg, in Ordnung? Nur ein paar Monate wahrscheinlich.«
Das ist sehr, sehr lange, beschwerte sich Elki, doch er wusste, allein der Weg zur Küste dauerte rund zweieinhalb Wochen zu Fuß.
Ihre persönlichen Dinge zu packen, ging schnell, mehr als drei Kleider, etwas Schmuck und zwei Paar Sandalen würde sie nicht mitnehmen. Schließlich will ich so wie meine Begleiter zu Fuß gehen, da ist jedes überflüssige Gewicht lästig. Kitana ließ die Finger über ihre metallenen Werkzeuge zum Steinmeißeln gleiten, die Axar ihr geschenkt hatte. Sie hatte in den letzten Monaten viel mit ihnen gearbeitet und sich dabei von einem Steinmetz unterweisen lassen. Doch auf die Reise würde sie das Werkzeug nicht mitnehmen – es erinnerte sie zu sehr an Axar. Wieso hat er nicht vorher gemerkt, wie er fühlt? Dann hätte er sich die Frage sparen können, ob ich ihn heiraten will!
»Schlaf noch ein bisschen, du wirst die Kraft brauchen«, meinte ihre Mutter mit besorgtem Blick. »Bist du wirklich sicher, dass du diese Reise machen willst?«
»Ja«, sagte Kitana fest, versuchte, die Bitterkeit in sich niederzukämpfen, und zog sich auf die Bastmatte in ihrem Zimmer zurück. Ximena hatte recht, sie musste wenigstens versuchen zu schlafen.
Nach einer langen, grüblerischen Nacht zog Kitana sich ein Kleid und ihre Armreifen aus Goldkupfer über, zwang sich, ein paar Happen zu essen, und machte sich auf den Weg quer über den Großen Platz. Es war gut, etwas tun zu können – einfach herumzusitzen, hätte sie jetzt zerfallen lassen wie eine bröckelige Mauer.
»Bis später, ich wähle im Palast Leute aus, die mich begleiten sollen«, sagte sie zu ihrer Familie und winkte zwei Wachen, sie dorthin zu eskortieren – das wurde von ihr als Göttin erwartet.
Wie immer war auf dem Platz in der Stadtmitte von Elámon eine Menge los. An kleinen Garküchen mit Strohdach kauften sich Leute Maisfladen mit gewürzten Bohnen, Truthahnspieße oder geröstete Kürbisstücke. Neben einer Stele, die von der Thronbesteigung des letzten Königs erzählte, richtete eine Frau anderen die Haare – vor ihrem Stuhl hatte sich schon eine Schlange gebildet. Ein Stück weiter konnte man sich von einem Chaak-Priester gegen eine kleine Opfergabe eine Vorhersage für sein Leben holen.
Natürlich erkannten viele Menschen ihre Jaguargöttin und es tat Kitana gut, wie sich ihre Gesichter aufhellten, wenn sie sie sahen. Einige knieten vor ihr nieder und berührten mit der Stirn die Erde, andere verneigten sich nur oder lächelten ihr zu.
Nur einer tat all das nicht – er war ja auch kein Mensch. Ein junger, nicht sehr großer Mann mit einem wilden dunklen Haarschopf.
Moment mal, was genau machte Yaddi da?
Yaddi zögerte. Es war ein Risiko, sich diesem Mädchen zu nähern. Aber wenn ich nicht versuche, mehr über sie herauszufinden, werde ich es bereuen. Ganz sicher. Noch nie hatte ihm ein weibliches Wesen so gut gefallen.
Die Frage war nur, wie er sich ihr nähern sollte. Besser nicht als Reptil, entschied er spontan, huschte hinter den nächstbesten Tempel – es war der von Karali Mo, Elámons Göttin der Gesundheit – und schlüpfte mühevoll in seine Menschengestalt. Zum Glück hatte er den Falter abgehängt, er mochte es nicht, bei seinen Verwandlungen beobachtet zu werden. Zu ungeschickt war er dabei, zu unförmig fühlte sich sein Menschenkörper an und außerdem war er direkt nach der Verwandlung nackt. Zum Glück kannte er einen von Karalis Priestern, der half ihm auch diesmal, Kleidung zu organisieren. Geld hatte Yaddi selbst, seit die dankbaren Jaguar-Wandler ihn sozusagen adoptiert hatten; sein nächster Weg führte zu seinem Versteck mit Kakaobohnen, mit denen hier in Elámon bezahlt wurde.
Mit einem gelb-grün-blau gemusterten Lendenschurz – War das Ding peinlich? Oder ging er damit als schick durch? – machte er sich auf den Weg zu dem Mädchen. Zum Glück saß es noch immer auf dieser Decke und übte sein Handwerk aus, während diese Zumutung von einem Falter-Wandler auf der anderen Seite des Platzes herumflappte.
Noch immer fand Yaddi es gewöhnungsbedürftig, mit zwei statt vier Beinen durch die Stadt zu laufen. Gut, dass er inzwischen den Bogen raushatte, wie man mit zwei Menschenfüßen umging. Und noch besser – solange er in dieser Gestalt war, schenkte ihm kein Greifvogel einen zweiten Blick!
Hingerissen von diesen fließend-glänzenden Haaren, von ihrer konzentrierten Art, beobachtete er das Mädchen so lange, bis er raushatte, was sie da eigentlich machte. Sie malte den Bewohnern von Elámon schmückende Muster auf die Haut. Eine überflüssige, aber irgendwie edle Beschäftigung; für sie war vermutlich die Hauptsache, dass sie damit etwas verdiente. Er näherte sich ihr so weit, wie er es wagte, beobachtete sie aus dem Augenwinkel und lauschte in sich hinein.
Sie war kein Wandler, sondern ein Mensch. Ist das gut oder schlecht? Yaddi wusste es selbst nicht. Aber er wollte mit ihr sprechen. Unbedingt. Ihre Stimme hören. Mehr über sie erfahren.
Doch selbst als seine Füße ihn in ihre Nähe getragen hatten, wollte sein Mund sich nicht bewegen. Los jetzt. Jetzt! Tu es einfach!
»Du … du kannst wirklich ganz wunderbar malen«, brachte er schließlich heraus und blickte fasziniert auf die Mundwinkel des Mädchens, die sich auf zauberhafte Art nach oben verzogen. Für sie hätte er in zweiter Gestalt die saftigsten Fliegen davonsurren lassen und auf den schmackhaftesten Käfer verzichtet!
»Hab ich mir selbst beigebracht … ich kann leider nur Muster, keine Dinge oder Menschen«, erzählte das Mädchen und kraulte den Affen auf ihrer Schulter. »Sonst hätte ich den Panthergott gemalt, der mir neulich im Dschungel begegnet ist.«
Yaddi wollte gerade nicht über Panther reden. Über Götter auch nicht. Er wollte einfach nur Zeit mit ihr verbringen. Leider gab es dafür, soweit erkennbar, nur einen Weg. »Kannst du mir ein Muster aufmalen?«, fragte er und streckte ihr seinen linken Arm hin.
»Gerne. Setz dich. Was für eins soll es sein?«
»Kannst du den Wind in den Blättern malen?«, rutschte es Yaddi heraus. Oh nein, was für ein dämlicher Wunsch!
»Ich kann es wenigstens versuchen. Einmal habe ich das lebende Feuer dargestellt, aber damit war ich nicht ganz zufrieden.« Das Mädchen schenkte ihm ein schiefes Lächeln. Ein Lächeln nur für ihn! Das warme, schwebende Gefühl in seinem Inneren wurde stärker. Möglicherweise war es Glück.
Yaddi erschauerte, als ihre Finger seinen Arm berührten und rasch und geschickt etwas darauf malten. Wie sanft diese Berührung war, wie warm ihre Hände. Danach könnte ich süchtig werden, glaube ich. Doch er schämte sich auch ein wenig dafür, dass er das hier so genoss … und dass er es hatte kaufen müssen. Würde ihn jemals ein Geschöpf berühren, um sich und ihm Freude zu bereiten?
Denk jetzt nicht an so was, schalt er sich selbst. Du hast einfach eine Gelegenheit gesucht, mit ihr zu reden, mehr ist nicht dabei!
Doch das Problem war, das mit dem Reden ging gerade gar nicht. Jemand hatte seine Lippen zusammengeklebt, so fühlte es sich jedenfalls an. Unaufhaltsam vollendete das Mädchen das Muster, gleich würde sie fertig sein – zwischendurch kitzelte ihn ein Pinsel – und noch hatte er absolut nichts über sie herausgefunden.
Yaddi sammelte all seinen Mut, den er gewöhnlich dafür aufsparte, sich an Orte zu schleichen, an denen er nichts zu suchen hatte. Dann nuschelte er: »Wie heißt du?«
Doch da hatte sie sich gerade auf den Boden geworfen. He, Moment mal, was passiert hier?