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Reinhard Skandera

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Beschreibung

Komplizierte Suche nach dem Mörder eines Gewissenlosen Fischer finden im Schlamm des Seine Ufers eine Leiche, übel zugerichtet, kaum noch als der zu erkennen, der er war. Doch er genoss im Paris des Rokoko einen hohen Grad an Bekanntheit. Einer Der Perückenmacher, die neben den Friseuren zu den verwöhnten Lieblingen der Pariser Gesellschaft zählten. Die Spuren führen Samuel und Raphaela, die Ermittler, in die Abgründe der feinen Gesellschaft. Ein Lesevergnügen für die Liebhaber historischer Kriminalromane und der Metropole an der Seine, neben London die erste wirkliche Großstadt in Europa. Der Roman führt die Leser an die Originalschauplätze der Zeit.

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Crime and History - Verbrecherjagd im Paris des Rokoko

 

 

 

Der Perückenmacher

 

Ein Roman von Reinhard Skandera

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag Kolodzik

 

Covergestaltung

Rainer Kolodzik

 

©Copyright Reinhard Skandera

All Rights reserved

 

2. Auflage 09.2023

 

Impressum

Reinhard Skandera

Im Oberried 11

61194 Niddatal

 

 

 

 

1. Kapitel

 

1743 in der zweitgrößten und geheimnisvollsten Stadt Europas, Paris. Im Leben des Privatermittlers Samuel de Beauroglie und dessen Freundes, dem Polizeiinspektor Henri Leclerc, gab es entscheidende Veränderungen in ihrem privaten Lebensbereich. Die einsamen Helden der Verbrechensbekämpfung gerieten in die Flugrichtung von Amors Pfeil. Zwischen Samuel und seiner Assistentin Raphaela hatte es auf einer Reise in die Provinz Limousin gefunkt, während Henri sich in Clotilde verliebte, die Frau des Paul Polinnaq, der in die Mädchenmorde in der Rue des Marmousets verwickelt war. Clotilde hatte den Ehemann mit den zwei Kindern verlassen und in Henri, der immer noch zuhause bei der Mutter wohnte, ihren "Traummann“ gefunden.

Nachdem die Mädchenmorde in der Rue des Marmousets im Jahre 1740 zwei Reisen in die Provinz Limousin erfordert hatten, lebten Samuel und Raphaela nicht nur als Ermittler zusammen, sondern wie Mann und Frau. Samuel litt jedoch unter Gewissensbissen, die ihm unruhige Nächte bescherten. Nach Marias grausamer Ermordung hatte er Enthaltsamkeit bis zum Tode vor Gott geschworen. Seit dem Schwur, den er in der Zeit tiefer Trauer geleistet hatte, waren inzwischen mehr als zehn Jahre vergangen. Auf der besagten Tour im Rahmen einer Mordermittlung ins Limousin brach er den Schwur. Er liebte Raphaela aufrichtig, die die Liebe mit der gleichen Ehrlichkeit erwiderte. Er fühlte sich gut mit seiner Entscheidung, da Raphaela ihm Liebe und Kameradschaft schenkte, aber das Gewissen gönnte ihm keine Ruhe, denn es meldete sich immer wieder zu Wort. Was wird der Schöpfer der Welt sagen, wenn er eines Tages Zeugnis ablegen muss? Samuel hegte nicht den geringsten Zweifel, dass er ihn für seinen Hochmut bestrafen wird. Obwohl er sich nach Marias Tod vom Glauben an Gott losgesagt hatte, lag der Schatten des gebrochenen Versprechens über ihnen. Raphaela spürte das, mied jede Ansprache in der Sache, weil sie ahnte, dass es andernfalls in ihrer Beziehung bergab ginge.

Henri Leclerc hatte sich im Jahre 1740, während der Ermittlungen zu dem Fall der drei getöteten Mädchen in der Rue des Marmousets in Clotilde Polinnaq verliebt. Sie war jedoch mit Paul Polinnaq verheiratet, der darauf bestand, dass sie zu dem rechtmäßigen Ehemann zurückkehrte, da das französische Recht die Scheidung einer Ehe, die ein Priester im Namen Gottes gesegnet hatte, ausdrücklich untersagte.

Der Mörder der Mädchen, Pauls Patron der Marquis de Boulanden, hatte Paul zur Beihilfe gezwungen. Da das Gericht eine Mitschuld bejahte, verurteilte es ihn zu einer Kerkerstrafe von zwei Jahren, von denen er die Hälfte abgesessen hatte. Warum der Ankläger der Stadt Paris ihm das zweite Jahr erließ gehört zu den Entscheidungen der Justiz, die man sich nicht erklären kann. In dem Haus der Familie im Vorort Saint Marcel wartete er auf Clotilde und die beiden Kinder. Er hatte sowohl die Kirche als auch das Rathaus eingeschaltet und sowohl Clotilde als auch Henri verklagt, sie auf die Rückkehr zu dem rechtmäßigen Ehemann und ihn auf Ehebruch.

Henri und Clotilde blieb nicht anderes übrig, als sich formell zu trennen. Henri zog wieder bei der Mutter ein, die den verlorenen Sohn mit offenen Armen empfing, denn sie schätzte Henris schlecht beleumundete Partnerin nicht. Zwischen ihr und dem Filius hatte es zum allerersten Mal in ihrem Leben eine Auseinandersetzung gegeben. Sie nannte Henri einen undankbaren Kerl und zeigte sich enttäuscht darüber, dass er Clotilde verteidigte.

Samuel und Henri, die inzwischen zu echten Freunden geworden waren, sprachen während der Ermittlungen nie über ihre Partnerinnen. Trotz aller Liebe atmeten sie auf, dass ein aktueller Mordfall ihre gesamte Zeit und Aufmerksamkeit erforderte. Sie erholten sich von den Tücken der Zweisamkeit, ohne die Frauen zu verärgern.

Jesse Abraham, der Vierte im Bunde des Ermittlerteams, kannte derartige Probleme nicht, jedoch auch in seinem Leben ereignete sich eine Veränderung, die ihn vollkommen überraschte. Im Rathaus wussten die Meisten, dass Jesse sich mit den Thesen der Aufklärung beschäftigte, denn die Ideen der aufgeklärten Denker wie Voltaire überzeugten ihn. Er verurteilte hingegen die Aufrufe zur Gewalt, die fanatische Gruppen unter das Volk streuten. Umso überraschender kam der Ruf des Governors von Paris, Marquis de Banville, der ihn zu seiner rechten Hand ernannte.

Die vier Ermittler diskutierte tagelang, ob das für ihre Arbeit einen Vorteil oder einen Nachteil bedeutete. Sie vereinbarten, die Sache auf sich zukommen zu lassen. Fest stand in jedem Fall, dass Jesse in Zukunft viel weniger Zeit haben würde, um bei der Jagd nach den Mördern zu helfen.

Die Anzahl der Tötungsdelikte in Paris wuchs überproportional. Unzählige arme Menschen aus den Provinzen des französischen Königreiches strömten in die Hauptstadt, um ihr Glück zu machen, sodass sie aus allen Nähten platzte. Die Neuankömmlinge verbanden die Ankunft mit der Hoffnung, in der Metropole der bitteren Armut schnell zu entkommen, was jedoch ein großer Irrtum war. Nirgendwo im Königreich herrschte ein derart gnadenloser Kampf um das tägliche Brot, wie in der größten Stadt des Landes. Während sich Klerus und Adel ungeniert bereicherten und ungeniert in Saus und Braus lebten, hungerten die Mehrzahl der Bürger im Reich des König Louis XV.

Paris entwickelte sich zu einer Hochburg des Verbrechens. Unbescholtene Einwohner der Stadt lebten täglich mit der Gefahr, Gewaltverbrechen zum Opfer zu fallen. Nur in wenigen Fällen gelang es der Polizei, den Mörder oder die Mörderin der Gerechtigkeit zuzuführen. Die schwierigen Fälle, die einer intensiven Ermittlungsarbeit bedurften, landeten in der Regel bei Samuel de Beauroglie und Raphaela Hors la Loi, wie auch der rätselhafte Tod des berühmten Perückenmachers Cesar Guillaume Camus.

 

Die Perückenmacher genossen in der französischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts hohe Achtung, denn in ihren Ateliers versammelten sich die noblen Kreise, um eine angemessene Kopfbedeckung für öffentliche Auftritte anfertigen lassen. Sie galten zudem als Ort, an dem man den aktuellen Gesellschaftsklatsch erfuhr. Das wichtigste Thema? Ohne Frage wer mit wem und wer nicht mehr mit wem. Der Berühmteste unter den Meistern der Haarkunst, Cesar Guillaume Camus, residierte in seinem Salon auf der Île de la Cité in der Rue de la Licorne. Eine schmale, gepflasterte Straße, die links und rechts dreistöckigen Wohnhäuser säumten, in denen im Untergeschoss Ladenbesitzer ihre Produkte oder Dienstleistungen anboten, wie zum Beispiel der Perückenmacher Cesar Guillaume Camus.

Camus eilte der Ruf eines Exzentrikers voraus, der nichts im Leben ausließ, sondern sich insbesondere auf den verschiedensten Feldern des Lasters bewegte. Die Herstellung von Perücken diente als Grundlage, um einen aufwendigen Lebenswandel zu finanzieren, der ihn trotz hoher Einkünfte dennoch notorisch in Liquiditätsschwierigkeiten geraten ließ. Er überbrückte diese mit Krediten, für die er zum Teil exorbitante Zinsen akzeptieren musste, da seine finanzielle Lage als offenes Geheimnis gehandelt wurde. Die Laster, denen er obsessiv nachging, verschlangen die Gold- und Silbermünzen wie ein Nilpferd einen Apfel.

Er mischte auch in der Politik mit, ging im Rathaus ein und aus wie es ihm gefiel, er zählte zu den engsten Ratgebern des Governors de Banville. Wahrscheinlich kannte außer dem Perückenmacher niemand Banvilles Geheimnis. Der fühlte sich von Knaben angezogen, was er während eines Gelages, bei der er die Wirkung des Weines unterschätzte, Camus verraten hatte.

Banville agierte äußerst vorsichtig und folgte der Leidenschaft niemals in der Stadt, sondern an irgendeinem geheimen Ort, den noch nicht einmal Camus kannte.

Cesar Guillaume liebte das Nachtleben in Paris, und das nicht nur in den vornehmen Salons des Adels, die er nur besuchte, um irgendwelche Geschäfte einzufädeln oder Streit zwischen zwei Adelsfamilien, der zu eskalieren drohte, zu schlichten. Ausgleich beziehungsweise Entspannung suchte er an einer anderen Stelle. Er pflegte eine enge Freundschaft mit dem Leiter des Hôpital de la Salpêtrère, Archimbald Becker, der aus dem Elsass stammte.

Das Armenhaus der Stadt Paris diente den Oberen dazu, Menschen, die man in den Straßen nicht sehen wollte, willkürlich einzusperren. Auch und vor allem die Frauen, die sich aus bitterster Not und um ihre Angehörigen durchzubringen, der Prostitution hingaben, die zu der Zeit unter Strafe stand. Da eine Hochzeit für den überzeugten Junggesellen nicht in Betracht kam, fand er bei Archimbald seine Freundinnen.

 

 

In einem Haus in der Rue Jean Robert hatte er eine kleine Wohnung eingerichtet, in der die Geliebten auf Zeit wohnten.

Die Dauer des Verhältnisses hing davon ab, wie lange sie das Feuer in Cesar entfachten.

Am Ende zahlte er ihnen einen ordentlichen Obolus, der als Startkapital für das zukünftige Leben diente. Unter den jungen Frauen, die im Hôpital de la Salpétrière lebten, sprach sich herum, dass Camus die sie gut behandelte und die vereinbarte Abschlussvergütung zuverlässig bezahlte. Aus dem Grund rissen sich die Kandidatinnen im Hôpital de la Salpêtrère darum, dem Lockruf zu folgen.

Cesar Guillaume unterlag einer zweiten Schwäche, dem Wetten auf Kampfhähne. Draußen im Vorort Saint Marcel veranstalteten dunkle Gestalten Hahnenkämpfe, zu denen es Camus regelmäßig zog. Er war süchtig nach der Atmosphäre während der Kämpfe, dem Schreien der Wetter, das hysterische Ausmaße annahm, wenn der Hahn auf den der Teilnehmer gewettet hatte, kurz davor stand zu gewinnen oder zu verlieren. Er vergaß alles um sich herum. Das Publikum bestand sowohl aus gut situierten Damen und Herren als auch dem Abschaum der Stadt. Düstere Typen, die vor nichts zurückschreckten, auch nicht vor einem Mord. An dem schändlichen Ort starben schon Menschen für ein paar Silberlinge.

Um den teuren Lebenswandel zu finanzieren, schloss Camus eine unheilige Allianz mit einem Verbrecher aus Überzeugung. Da er durch die beruflichen Besuche in den Palästen oder Stadthäusern der Reichen wusste, wo ein Einbruch sich lohnte, wurde er zum Informanten des Mannes, der die gefährlichste Verbrecherbande in Paris, „Les Vengeurs“, anführte, Armand Mysterian. Die Zusammenarbeit basierte darauf, dass Mysterian Camus Schutz vor Feinden garantierte, anderseits informierte der Perückenmacher den Räuber über lohnende Ziele. Dank Camus avancierte Armand von einem armen Teufel zu einem wohlhabenden Bürger, der sich im vornehmen Vorort Saint Martin an der Straße Rue du Faubourg Saint Laurent einen Gutshof einschließlich 5 ha Land kaufte.

Perückenmacher sowie Friseure gehörten zu den am stärksten von den Damen der hohen Gesellschaft umschwärmten Dienstleistern in Paris. Hinter ihnen rangierten die Schneider und Schneiderinnen, die sich allmählich zu Modemachern entwickelten. Nirgendwo in Europa wurde, in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts noch exklusiv in den Kreisen der Betuchten, so viel wert auf eine extravagante Kleidung gelegt wie in Paris. Die Anbieter der Leistungen mussten ein artistisches Fingerspitzengefühl an den Tag legen, um zu vermeiden, dass sich wohlhabende Kundinnen bei Terminen oder Anproben zurückgesetzt fühlten. Die Reichsten unter den Reichen verstanden in der Hinsicht nicht den geringsten Spaß. Die Berüchtigtste, die Princesse Valerie de Blanchefort, duldete keine Verschiebungen ihrer Wunschtermine. Dem Fürsten de Blanchefort gehörten riesige Ländereien und Wälder in gesamten Königreich. Darüber hinaus betrieb er eine Zucht von Boulonnais Pferden, die sich in der Holzwirtschaft zu hohen Preisen verkaufen ließen. Der Bestand belief sich auf über Zweitausend Tiere.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2. Kapitel

 

Am 29. Juni des Jahres 1743 fanden Fischer am Ufer der Seine unterhalb von Pont Neuf in den Morgenstunden eine männliche Leiche, die ein Dutzend Wunden durch Messerstiche aufwies. Der sofort alarmierte Inspektor Henri Leclerc kennt den Verstorbenen bestens. Es ist ein berühmter Bürger der Hauptstadt Frankreichs, der Perückenmacher Cesar Guillaume Camus. Der Polizeiinspektor seufzt:

„Ich fürchte, dass wir den Mörder des Mannes unter vielen Verdächtigen suchen müssen.“ Eine Vorahnung, die sich als richtig erwies.

Ein reitender Bote rief Samuel de Beauroglie und Raphaela hors la Loi zum Einsatz, die umgehend an den Fundort der Leiche eilten. Henri freute sich, wie immer, wenn Samuel auf der majestätischen Ardenner Stute Madame Rose ankam. Nie sah er ein edleres Pferd als die sensible Rose. Jeder ihrer Schritte und die Sprache des gewaltigen Körpers sandten Signale des Stolzes beziehungsweise der Unabhängigkeit an den Beobachter. Trotz der heiklen Situation versäumte Henri es nicht, sie zu begrüßen. Madame Rose quittierte das wohlwollend, jedoch reserviert. Horst, Raphaelas Selle Français Wallach, ging neben der kapriziösen Dame ein wenig unter.

Sie fanden den toten Perückenmacher auf der rechten Uferseite der Seine am Ende von Pont Neuf, dort wo am Rande des Flussbetts Holzstapel auf den Quais de l’Ecole und Bourbon lagerten. An den Quais hatten zahlreiche Boote zur Nacht angelegt. Ein schlafloser Schiffer entdeckte die Leiche und eilte zum Rathaus, um den Fund bei der Nachtwache anzuzeigen. Die Seine trug zu der Zeit Niedrigwasser, sodass der tote Perückenmacher im Uferschlamm lag, unterhalb des ersten Bogens der Brücke in unmittelbarer Nähe des Pumpwerks La Samaritaine. Das fortschrittliche Wasserpumpwerk versorgte den Louvre sowie die Tuilerien mit Wasser aus dem Fluss. In Tagschicht und Nachtschicht sorgten Arbeiter für die reibungslose Versorgung.

Die erste Aktion der beiden Ermittler Samuel de Beauroglie und Raphaela Hors la Loi war die Besichtigung des Fundortes der Leiche. Zwei unterschiedliche Fußspuren im Schlamm an der Fundstelle deuteten auf einen Kampf zwischen zwei Personen hin. Schlick bedeckte Camus edle Kleidung an verschiedenen Partien, die darauf hindeuteten, dass er sich mit dem Mörder eine heftige Auseinandersetzung lieferte. Schleifspuren existierten nicht, sodass man davon ausging, dass der Perückenmacher an diesem Ort getötet wurde. Henri und Samuel resümierten übereinstimmend, dass er dort brutal erstochen wurde. Die Verletzungen stammten erkennbar von einem französischen Rondell Dolch, da der Körper neben den tiefen Einstichen auch Wunden aufwies, die von der Sägefunktion des Dolches herrührten. Unübersehbar handelte es sich nicht um einen kaltblütig ausgeführten Mord, da das Opfer durch zwölf wahllos über den Leib verteilte Messerstiche das Leben verlor. Die Ermittler vermuteten eine Tat, die auf persönlichem Motiven beruhte und mit starken Gefühlen einherging.

Der Inspektor Henri Leclerc wies die Ermittler darauf hin, dass man eine Verbindung zwischen dem toten Perückenmacher und Armand Mysterian, einem gefährlichen Verbrecher, kannte. Der Hergang passte jedoch nicht zu dessen üblicher Vorgehensweise, da die Polizei in allen Fällen, in denen er verdächtigt wurde, jemanden getötet zu haben, die Leiche vergeblich suchten. Außerdem fanden sie keine Zeugen, die gegen Armand aussagten. Henri Leclerc glaubte deshalb nicht, dass er Camus ermordete.

„Die Art und Weise der Tötung entspricht nicht Mysterians Methode. Ich schlage vor, ihn dennoch als Verdächtigen zu behandeln, da wir die Möglichkeit nicht ausschließen können, dass er im Affekt handelte.“ Jesse, der die Zeit gefunden hatte, zu ihnen zu stoßen, widersprach Henri.

„Henri, ich weiß, dass du vorschnelle Festlegungen hasst, aber glaube mir, er tötete Camus nicht. Um die Diskussion zu unterbrechen, schaltete Raphaela sich ein.

„Wenn ein Kampf stattfand, muss irgendjemand etwas gehört beziehungsweise gesehen haben. Entweder die Besatzung des Pumpwerkes oder einer der Schiffsführer, die die Nacht am Quai verbrachten. Vermutlich schrie Camus um Hilfe, oder er bettelte um sein Leben.“

Sie teilten sich auf, Raphaela besuchte das Pumpwerk Samaritaine, während Samuel und Henri die Schiffer auf den Lastkähnen übernahmen. Zuerst sprachen sie mit den beiden, die Camus gefunden hatten. Jesse kehrte zurück in das Rathaus, wo ihn der Governor de Banville zu der morgendlichen Besprechung erwartete.

Im Pumpwerk, dass man über die Brücke betrat, herrschte helle Aufregung, sodass sich um den Leiter der La Samaritaine ein halbes Dutzend Männer und Frauen versammelten, die heftig debattierten. Albirich Fontain, der Leiter der Einrichtung sah Raphaela und hörte den Mitarbeitern ab dem Augenblick nicht mehr zu. Er scheuchte sie an ihre Arbeit, um Raphaela zu begrüßen. Dank seiner guten Beziehungen zur Kurie, er war ein Verwandter des Erzbischofs, ernannte die Stadtverwaltung ihn zum Chef von La Samaritaine. Eine Position, die ihm ein sehr kommodes Einkommen einbrachte, für das er keineswegs hart arbeiten musste, denn das Tagwerk erledigten andere. Er repräsentierte das Pumpwerk eher auf gesellschaftlichen Veranstaltungen wie Jubiläen.

Das Wasser lieferte La Samaritaine mit oder ohne Albirich Fontain.

Raphaela atmete tief durch, um sich zu entspannen, denn sie fand Fontain vom ersten Augenblick unsympathisch. Er trug die üblichen Culottes, in denen nie jemand steckte, der hart arbeiten musste, an den Waden weiße Strümpfe und spitze Schuhe, die aufgesetzte Schnallen zierten. Oben ein Hemd mit Rüschen unter dem Rock. Auf dem Kopf, das empfand sie als absolut lächerlich, eine Allongeperücke, die jedoch durchaus der herrschenden Mode zu der Zeit in Paris entsprach. Das schlanke, gut aussehende Gesicht hatte er weiß gepudert. Eiskalt lief es Raphaela den Rücken herunter. Albirich begann trotz des erschütternden Ereignisses sofort an zu flirten.

„Schöne Mademoiselle, ein herzliches Willkommen. Was verschafft mir die Ehre des Besuches? Wollen wir in mein Büro gehen?“ Das Dienstzimmer glich einem Salon. Gobelins, die nackte, badende Frauen zeigten, zierten die Wände, Decken, die mit edlem Holz beschlagen waren, gaben dem Raum etwas Behagliches. Der Schreibtisch sowie der Beistelltisch und die Stühle zwar edel, aber noch im Stil des Barock, am besten zu erkennen an den Kugelfüßen, die in den oberen Gesellschaftskreisen als veraltet galten. Raphaela fragte ihn betont freundlich:

„Werter Monsieur“, an der Stelle unterbrach er bereits:

„Monsieur Albirich Fontain, schöne Mademoiselle, gestatten Sie einen Satz. Die Schönheit einer jeden Rose verblast neben der Ihrigen, wie eine matte Silbermünze gegen einen funkelnden Goldtaler“. Warum bin ich nicht zu den Schiffern gegangen, dachte Raphaela. Dieser Kotzbrocken erfordert viel Beherrschung. Beim Blick in die grauen Augen erkannte sie eine Kälte, die nicht zu dem übertrieben geckenhaften Verhalten passte.

„Monsieur Fontain, ich heiße Raphaela Hors la Loi und arbeite im Auftrag der Pariser Polizei, vertreten durch Inspektor Henri Leclerc. Wer der Ermordete ist, wissen Sie offensichtlich bereits.“ Raphaela, als Roma mit der Natur verbunden, ekelte sich vor dem Gesicht, das mit einem Puder überzogen war. Bei Samuel hatte sie gelernt, Empfindungen zu verbergen. Sie legte eine Pause ein, in die Albirich sofort stieß.

„Ich kannte Cesar Guillaume gut, da er anfertigte. Er war der Beste, ein Meister des Faches, keiner seiner Mitbewerber liefert Allongeperücken in der Qualität echter Haare wie er. Dazu ein angenehmer Mensch. Sie sehen mich auf das Tiefste erschüttert.“ Bla, Bla dachte Raphaela. Sie wurde ungeduldig.

„Wer von ihren Leuten hatte in der vergangenen Nacht Dienst. Ich will sie sprechen.“ Albirich erhob sich mit beleidigtem Gesicht. Für solch plumpe, direkte Konversation stand er nicht zur Verfügung. Wenn er jemandem die Ehre gab, mit ihm zu kommunizieren, hatte der Gast erstens Zeit mitzubringen und zweitens einen zurückhaltenden Stil zu pflegen. Was bildet sich diese Wilde ein?

„Heute Abend ab acht Uhr haben die beiden Nachtdienst. Sie werden ihre Fragen beantworten. Mich entschuldigen Sie, unaufschiebbare Verpflichtungen im Rathaus warten, ich muss Sie leider schon entlassen“. Das nennt man einen Rausschmiss, seufzte Raphaela. Sie verabschiedete sich wortlos, nickte nur kurz. Am Abend wollte sie unbedingt mit Samuel über den arroganten Gernegroß sprechen. Vorher suchte sie jedoch die Mitarbeiter der Nachtschicht auf. Unmöglich, dass sie nichts von dem Kampf um Leben und Tod vor ihrer Haustür mitbekommen haben.

Um Punkt acht Uhr klopfte sie an dem Eingangstor zu La Samaritaine. Ein Bursche in ihrem Alter öffnete die hölzerne Eingangstür und begrüßte sie freundlich.

„Monsieur Albirich hat Sie bereits angekündigt Mademoiselle, bitte kommen Sie herein.“ Der junge Mann wirkte paralysiert, starrte die exotische Schönheit unentwegt an. Diesen Moment nutzte Raphaela, um sogleich in Medias Res zu gehen.

„Sagen Sie, der Monsieur Albirich, stand er in irgendeiner Verbindung zu dem ermordeten Perückenmacher, den man am Ufer der Seine fand?“

„Die beiden kannten sich gut, denn sie betrieben gemeinsam gegenüber in der Rue de la Monnie im Carrefour de trois Maries ein Lagerhaus für Gewürze. Einmal, nachdem wir Wein getrunkenen hatten, zeigte Monsieur Fontain uns die exotischen Produkte, an denen man sich nicht sattsehen konnte, wenn man daran roch, vibrierte die Nase. Die Farben der Gewürze, überwältigten einen, an Pfeffer sowie Safran und Muskatnuss erinnere ich mich. Er prahlte von den riesigen Gewinnen, die sie mit dem Handel erzielten. Allerdings bedauerte er, dass ein stiller Teilhaber zwei Drittel des Überschusses beanspruchte. Ich fand es sehr seltsam, dass er mir das offenlegte, aber er hatte an dem Abend wirklich sehr tief ins Glas geschaut, sodass ich es darauf zurückführe.“ Raphaela fand den Mitarbeiter geschwätzig und unterbrach ihn an der Stelle.

„Nannte er den Namen des dritten Teilhabers, der angeblich den Großteil des Gewinns abschöpfte?“

„Nein, er schien denjenigen jedoch nicht zu mögen. Mehr kann ich ihnen dazu wirklich nicht sagen. Kommen Sie doch erst einmal herein, Madame.“

„Mademoiselle. Ich habe nicht vor, eine Madame zu werden, obwohl.“ Sie dachte in diesem Moment an Samuel, sie wurde sich bewusst, dass sie ihren eisernen Vorsatz, nicht zu heiraten, für ihn in einer Sekunde aufgäbe. Der Mitarbeiter des La Samaritaire fragte:

„Wer sind Sie, in welcher Mission besuchen sie uns, Mademoiselle. Mein Name lautet Phillip, ich bin hier der Vorarbeiter, direkter Untergebener des Monsieur Fontain.“

„Raphaela hors la Loi, bin die Assistentin von Samuel de Beauroglie, ein Name, der ihnen wahrscheinlich etwas sagt. Wir arbeiten im Auftrag des Inspektors Henri Leclerc an der Aufklärung des Mordes an Cesar Guillaume Camus.“

Phillips Miene verdüsterte sich. Albirich hatte ihnen eingeschärft, der Polizei gegenüber zu sagen, dass sie nichts gesehen und gehört hatten in der Nacht. In dem Moment begriff er, dass die schöne Roma Frau ihn überrumpelt hatte und er viel zu viel geredet hatte, um ihr zu imponieren. Er verlor die Selbstsicherheit, mit der er bis dahin gesprochen hatte.

„Mademoiselle, ich bitte Sie nachdrücklich, dass, was ich zu Monsieur Albirich und Monsieur Camus gesagt habe, als gegenstandslos zu betrachten. Andernfalls gerate ich in ernsthafte Schwierigkeiten, wenn die Herren davon erfahren. Bitte gehen Sie, denn der Schieber für die Wasserlieferung an den Louvre muss geöffnet werden. Auf Wiedersehen.“ Sie schenkte ihm ihr schönstes Lachen, was den Mann sichtlich erschütterte.

„Eine letzte Frage Philipp. Wer verrichtete den Dienst in der Nacht auf La Samaritaine? Weißt du, ob sie etwas gehört haben. Der Kampf unten am Ufer kann nicht lautlos über die Bühne gegangen sein.“

„Madame, Robert und Valentino hatten in der Nacht Dienst. Ich habe sie noch nicht getroffen, da sie heute frei haben. Wenn Sie sie sprechen wollen, müssen sie morgen Abend wiederkommen.“

 

Raphaelas Versuch, mit den beiden zu reden, scheiterte also. An ihrer Stelle hatte Albirich zwei andere Arbeiter für die Nachtschicht eingeteilt.

An diesem Tag ging Raphaela dennoch zufrieden in die Rue des Fossoneurs, denn sie hatten eine erste Spur, der sie folgen konnten. Im Gewürzhandel verdiente man ein Vermögen, das war allgemein bekannt, auch dass unter den Händlern ein gnadenloser Konkurrenzkampf herrschte. Das Geschäft mit den Perücken war nur eines von mehreren des Cesar Camus.

 

Zahlreiche Frachtkähne lagen am Quai Bourbon, auf denen die Eigner schliefen, während der Berühmteste der Perückenmacher ermordet wurde. Einer von ihnen, der offensichtlich Frühaufsteher war, fand die Leiche zum Zeitpunkt, an dem das Tageslicht die Dunkelheit verdrängte. Er betrieb ein mit Planen überdachtes Schiff, das Güter auf der Seine transportierte. Neben dem Eigentümer ruhten auch die vier Ruderer auf dem Boot. Die drängten auf die Weiterfahrt, da sie an diesem Tag noch den Hafen von Troyes erreichen wollten, um den vollen Lohn zu kassieren. Henri beruhigte sie.

„Wenn ihr aufgrund der Befragung den Zielhafen heute nicht erreicht, meldet euch im Rathaus bei Jesse Abraham. Er zahlt den Lohnausfall, das garantiere ich. Einer der Ruderer, groß gewachsen, Samuel schätzte ihn auf fast zwei Meter, mit Vollbart und struppigem Haar, lachte auf.

„Ein Witz in den Morgenstunden versaut einem den ganzen Tag.“

Samuel reagierte ungehalten, den Riesen beeindruckte das nicht.

„Monsieur, haben ihre Eltern sie nicht gelehrt, wie man sich gegenüber Vertretern des Königreichs verhält? Warum beleidigen Sie den Inspektor Leclerc?“ Er hatte den richtigen Punkt getroffen.

„Lassen Sie meine Eltern aus dem Spiel. Sie leben nicht mehr. Redliche Leute“.

„Dann bereiten Sie ihnen keine Schande“.

---ENDE DER LESEPROBE---