Der Pirat - Mac P. Lorne - E-Book
SONDERANGEBOT

Der Pirat E-Book

Mac P. Lorne

0,0
12,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 12,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der große historische Abenteuer-Roman über den legendären Freibeuter Sir Francis Drake Er war ein Abenteurer, Weltumsegler, Raubritter der Meere – und Spaniens größter Alptraum: Francis Drake, Pirat Ihrer Majestät Königin Elisabeth I., 1581 zum Ritter geschlagen. Mac P. Lorne lässt neben dem Mythos auch den Menschen Francis Drake lebendig werden, den engagierten Bürgermeister und betrogenen Ehemann, der Frauen gegenüber eher schüchtern gewesen sein soll. Und er lässt uns an der Seite von Francis Drake hinaus segeln aufs ungezähmte, freie Meer, Spione befreien, Santo Domingo erobern und schließlich die Spanische Armada mit neuartigen Kanonen in ihr nasses Grab versenken. Hei-ho, Piraten, Leinen los und Kurs auf den Horizont! Mac P. Lorne ist erfolgreicher Autor mehrerer historischer Abenteuer-Romane, unter anderem einer fünfbändigen Reihe über Robin Hood. Er begeistert sich besonders für englische Geschichte. Mit »Der Pirat« hat Mac P. Lorne dem Freibeuter und königlichen Piraten Sir Francis Drake ein Denkmal gesetzt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 854

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mac P. Lorne

Der Pirat

Roman

Knaur e-books

Über dieses Buch

Der berühmt-berüchtige Pirat der Königin, Francis Drake, ist auf dem Rückweg von seiner Weltumseglung. Bei den Azoren wird er von einem spanischen Schiff entdeckt und verfolgt. Doch sein Ruf ist ihm bereits vorausgeeilt, sodass der Spanier abdreht, als er die Golden Hind erkennt und Drake einen Angriff vortäuscht.

Am 06.09.1580 läuft die Golden Hind nach fast drei Jahren wieder in Plymouth ein. Während die Mannschaft in die Arme ihrer Frauen oder Verwandtschaft sinkt, steht Drake ein schwerer Gang bevor. Er hat in Patagonien Thomas Doughty, der im Auftrag von Lord Burghley die Expedition hintertreiben sollte, hinrichten lassen. Der wahre Grund: Doughty hat vor der Abreise Drakes Frau Mary verführt …

Inhaltsübersicht

WidmungPersonenregisterProlog Huntingdon, 15601. 1580, zwanzig Jahre später, vor den Azoren2. Plymouth, September 15803. London, Oktober 15804. Plymouth, Mittelmeer, Spätherbst 15805. Venedig, Winter 15816. Venedig, Mittelmeer, Winter 15817. Mittelmeer, Winter 15818. England, 1581–15829. England, 1583–158510. London, Vigo, Santiago, 158511. Westindien, Roanoke, 158612. Atlantik, 158713. Englischer Kanal, Juli 158814. vor Englands Küsten, August 1588Epilog Karibik, 28. Januar 1596Historische Anmerkungen des AutorsZeittafelGlossarBibliographieLeseprobe »Der Herzog von Aquitanien«
[home]

 

 

 

Für meine drei Frauen,

Inga, Jette und Svea

[home]

Personenregister

(historische Personen, die der Leser im Laufe der Handlung kennenlernen wird)

Die Engländer

Francis Drake, seit 04.04.1581 »Sir« – geb. um 1540 in Devon, gest. 1596 auf See vor Portobello, Pirat, Weltumsegler, Bürgermeister von Plymouth, Parlamentsabgeordneter von Devon und Vizeadmiral

Elizabeth I. – seine Königin, unter ihr begann der Aufstieg Englands zur Weltmacht

Mary Drake, geb. Newman – seine erste Frau

Elizabeth Drake, geb. Sydenham – seine zweite Frau

John Drake – sein Neffe und Ziehsohn

John Hawkins – Drakes Vetter, Sklavenhändler und Pirat, in späteren Jahren Schatzmeister der Flotte und Vizeadmiral

Martin Frobisher – englischer Seefahrer, Entdecker und Vizeadmiral

Richard Grenville – englischer Seefahrer, Abenteurer und Vizeadmiral

Walter Raleigh – Seefahrer und Höfling, gilt als Gründer der ersten englischen Kolonie in Nordamerika, Günstling Elizabeths I., 1618 hingerichtet wegen fortgesetzter Erfolglosigkeit

Edward Wilkinson – englischer Kapitän und Freund Drakes

William Borough – englischer Kapitän, nicht gerade ein Freund Drakes

Charles Howard of Effingham – Lord High Admiral und Oberbefehlshaber der englischen Flotte in der Armada-Schlacht

Edmund Tremayne – Cousin Drakes, Kastellan von Trematon Castle, Mitglied des Parlaments und zeitweise Ratgeber von William Cecil

William Cecil, 1. Lord Burghley – Politiker und führender Staatsmann unter Elizabeth I., u.a. ihr Schatzkanzler

Christopher Hatton – einer der Geldgeber von Drakes Weltumseglung, um 1577 Kommandeur der königlichen Garde, später Lordkanzler von England

Robert Dudley – Earl of Leicester, langjähriger Favorit Elizabeths I., ihr Ratgeber und Truppenkommandant

Francis Walsingham – Begründer des englischen Geheimdienstes, Staatssekretär unter Elizabeth I.

Anthony Standen – einer seiner Meisterspione

Christopher Carleill – Walsinghams Stiefsohn, Militär- und Marinekommandeur

Edward Stafford – Diplomat und Doppelagent, der für Geld jedes Geheimnis verriet

Thomas Doughty – ein Gentleman, der glaubte, sich alles herausnehmen zu können

John Doughty – sein Bruder

Mathew Baker – ein begnadeter Mathematiker und königlicher Schiffsbaumeister

Joachim Gans – böhmischer Metallurge und Universalwissenschaftler, kam 1581 nach England, gilt als erster Jude in Amerika

Ralph Lane – englischer Entdecker und erster Gouverneur von Roanoke Island

Diego und Pedro – zwei Cimarrónes und Freunde Drakes, Ersterer sein langjähriger Diener

Die Spanier

Philipp II. – König von Spanien, versuchte mit allen Mitteln in den von ihm regierten Ländern und auch darüber hinaus den Katholizismus durchzusetzen

Bernardino de Mendoza – Botschafter Spaniens am englischen Hof, war an mehreren Verschwörungen und Mordkomplotten gegen Elisabeth I. beteiligt

Cristóbal de Ovalle – Gouverneur von Hispaniola und Santo Domingo

Juan de Osorio – sein Hauptmann

Álvaro de Bazán – Capitán General de la Mar Océano, bereitete die spanische Flotte auf die Invasion Englands vor, starb aber vor dem Auslaufen der Armada

Alonso Pérez de Guzmán – sein Nachfolger und Admiral wider Willen

Juan Martínez de Recalde – spanischer Kapitän und Vizeadmiral der Armada

Pedro de Valdéz – spanischer Kapitän und Vizeadmiral der Armada, Befehlshaber des andalusischen Geschwaders

[home]

Prolog Huntingdon, 1560

Der junge Mann war am Ende seiner Kräfte. Als Seemann gehörten anstrengende körperliche Tätigkeiten zu seinem gewohnten Tagewerk. Doch er glaubte, sich noch niemals derart verausgabt zu haben. Jetzt, da die Plackerei endlich vorbei war, hatte er sich am Mast des kleinen Küstenseglers niedergelassen. Immer wieder blies er in seine schmerzenden und geröteten Hände. Trotz der Schwielen, die von harter Arbeit zeugten, hatten sich große Blasen gebildet, die teilweise aufgegangen waren und unangenehm nässten.

Der Segler war aus Plymouth gekommen, und die Besatzung hatte Ware in London gelöscht. Dort erfuhr der Skipper von hanseatischen Kaufleuten, dass man gegenwärtig in Flandern astronomische Preise für Wolle zahlte, da die Spanier nach der Thronbesteigung der protestantischen Königin Elizabeth I. jeglichen Handel Englands mit den von Philipp II. beherrschten Niederlanden untersagt hatten. Darunter litt die gesamte flämische Tuchfabrikation, und die für ihre unerreichte Qualität berühmten Weber, bisher recht wohlhabend, drohten zu verarmen.

Auf diese Nachricht hin segelten sie die Küste entlang nach Norden, manövrierten sich durch die Untiefen des Wash, der großen Nordseebucht in der Mitte Englands, und waren an der Hafenstadt Lynn vorbei in die Great Ouse eingelaufen.

Das letzte Stück mussten sie die Swallow treideln. Nur der Eigner, gleichzeitig der Captain, war am Steuer geblieben, um die Pinasse in der Mitte des glücklicherweise nahezu strömungslosen Flusses zu halten und das große Luggersegel zur Unterstützung der Männer, die das Schiff zogen, zu bedienen.

Jetzt lag die Pinasse gut vertäut an der Pier des aufstrebenden kleinen Städtchens Huntingdon und wartete darauf, dass ihr Bauch mit Wolle gefüllt wurde. Der Fluss galt eigentlich für Segler, selbst wenn sie so klein und mit geringem Tiefgang versehen waren wie die Swallow, als nicht schiffbar. Doch der Captain hatte das Risiko nicht gescheut, um die Zwischenhändler in den Hafenstädten zu umgehen und selbst den größtmöglichen Gewinn einzustreichen.

Sam Richards schmuggelte, solange er überhaupt zurückdenken konnte, zwischen den Küsten Englands, Frankreichs und Flanderns alles, was ein einträgliches Geschäft versprach, und hatte es damit zu bescheidenem Wohlstand und unter seinesgleichen zu nicht unerheblichem Ansehen gebracht. Große, unüberschaubare Risiken, die den Kopf kosten konnten, mied er allerdings. Schon des Öfteren war ihm angetragen worden, mit auf Kaperfahrt in den Weiten des Ozeans zu gehen, doch dankend hatte der Schiffer bisher immer abgelehnt. Er blieb lieber in heimischen Gewässern, die er wie das Innere seines Geldbeutels kannte.

Captain Richards war ein ausgezeichneter, manche sagten ein gottbegnadeter Seemann und konnte Untiefen, wechselnde Strömungen und umschlagende Winde regelrecht riechen. Der junge Francis, der vor fünf Jahren als Schiffsjunge an Bord gekommen und mittlerweile so etwas wie Richards rechte Hand und Adoptivsohn war, lernte Tag für Tag Neues von ihm dazu.

Die Eltern hatten dem damals Dreizehnjährigen bedeutet, dass er von nun an selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen musste und sie von ihm erwarteten, dass er sie dabei unterstützte, seine elf Geschwister großzuziehen. Die Zeiten waren für seinen Vater, einen protestantischen Prediger und Kleinbauern, schwer und gefährlich gewesen. Unter der katholischen Königin Mary, auch »die Blutige« genannt, die die Kirchenreformen ihres verstorbenen Vaters Heinrich VIII. zurückzudrehen versuchte, hatte die Familie vor deren Schergen oft fliehen und sich verbergen müssen, um nicht wie viele andere auf dem Scheiterhaufen zu enden.

So war es Francis nicht schwergefallen, das ungastliche Land zu verlassen und wie die meisten aus seiner Verwandtschaft auf dem Meer sein Glück zu versuchen. Auch jetzt, nach dem Tod von Mary und der Thronbesteigung ihrer Halbschwester, der jungen, lebenslustigen protestantischen Elizabeth, blieb er lieber Seemann, als Bauer zu werden. Der Zauber von Wind und Wellen hatte ihn gepackt, und mit Sam Richards als Captain hatte er es wahrlich nicht schlecht getroffen.

Der Schiffer war streng, aber gerecht, und er ließ im Gegensatz zu vielen anderen Eignern seine Mannschaft nicht darben. Schon bald erkannte er das Potenzial, das in seinem neuen Schiffsjungen schlummerte, und brachte ihm über die Jahre alles bei, was er selbst im Laufe seines langen Lebens über das Meer, dessen Tücken und Geheimnisse und wie man ihnen auf die Schliche kam, herausgefunden hatte.

Die Swallow war zwar klein, doch sie verfügte über hervorragende Segeleigenschaften, und ihr Captain wagte sich mit ihr in Gewässer an den Küsten Englands, Frankreichs und den Spanischen Niederlanden voller Untiefen und Riffe, die andere Schiffsführer mieden wie der Teufel das Weihwasser.

Francis lernte von Richards, gefährliche Stellen in der See an deren Farbe zu erkennen, sich zwischen Untiefen hindurchzumanövrieren, auch den leisesten Windhauch auszunutzen und immer hart am Wind zu segeln. Dinge, die ihm zeit seines Lebens von unschätzbarem Nutzen sein sollten.

»Na, mein Junge, geschafft von der schweren Plackerei?« Der alte Schiffer ließ sich neben seinem Schützling nieder.

»Meine Handflächen brennen wie Feuer, dabei hatte ich gedacht, dass sie mittlerweile einiges gewohnt wären.«

»Ja, ein Schiff zu ziehen ist doch etwas anderes, als Segel zu setzen oder ein Ankerspill zu drehen«, schmunzelte Richards. »Lass mal, dafür kannst du deine Hände jetzt zwei Tage in den Schoß legen. So lange wird es dauern, bis wir ausreichend Schafwollvliese gebunkert haben.«

»Meint Ihr wirklich, dass der Gewinn die Schinderei aufwiegt?« Francis war skeptisch. »Und wie wollt Ihr überhaupt den spanischen Patrouillenschiffen vor der niederländischen Küste entgehen?«

»Diesen schwerfälligen Kästen? Denen segeln wir doch allemal davon! Und sind wir erst einmal in den seichten Küstengewässern, haben sie nicht die Spur einer Chance gegen unsere kleine Schwalbe. Nein, nein, das bereitet mir keine Sorgen. Mehr Kopfzerbrechen machen mir die Händler, denen wir mit unserer Aktion ein Schnippchen schlagen. Wenn sich herumspricht, dass wir direkt von den Bauern kaufen, werden sie sicherlich bei der Krone Beschwerde einlegen. Schließlich haben nur ihre Zünfte dieses Privileg.«

»Dann müssen wir uns eben wieder nachts an Lynn vorbeischleichen und den Namen unseres Schiffes erneut ändern. So wie vor einem Jahr, als wir Waffen für die Hugenotten nach Saint-Malo brachten.«

»Aus dir wird noch einmal ein gefürchteter Freibeuter, wenn du so weitermachst, Francis«, lachte der Captain. »Aber das ist ein gefährliches Unterfangen. Ich weiß schon, warum ich mich nur auf Schmuggel verlegt habe. Da landet man nicht so schnell am Galgen.«

»Meine Vettern John und William Hawkins schmuggeln auch. Allerdings ›schwarzes Elfenbein‹, Sklaven aus Westafrika. Außerdem planen sie, wie ich gehört habe, einen Angriff auf spanische Niederlassungen in Westindien. Vielleicht sogar auf die Silberflotte. Wenn ihnen das gelingt, wartet unermesslicher Reichtum auf alle, die sich an dem Unternehmen beteiligt haben.«

»Oder ein Strick an einer Fockrahe. Die Familie Hawkins ist in Südwestengland berüchtigt, das stimmt schon. Aber sie verfügt auch über Verbindungen bis in die höchsten Kreise des Hofes und der Admiralität. Mit denen wirst du dich kaum jemals messen können, Francis. Und Sklavenhandel? Das ist nichts für dich, glaub mir. Da kenne ich dich mittlerweile zu gut. Wenn ich einmal nicht mehr bin, erbst du die Swallow. Mit ihr wirst du bestimmt nicht reich, aber du hast ein Auskommen. Das ist sicherer, als mit John Hawkins auf Kaperfahrt zu gehen.«

Wie sollte Francis seinem väterlichen Freund, ohne ihn zu beleidigen, nur beibringen, dass »ein Auskommen« nicht das Ziel seiner Träume war? Er würde dann zwar nicht mehr mit der Mannschaft schuften müssen, sondern auf dem Achterdeck stehen und Befehle erteilen. Doch mit der kleinen Swallow für den Rest seines Lebens in den Küstengewässern Englands herumzuschippern war sicherlich nicht das, was ihm in seinen Träumen vorschwebte.

Auf dem weiten Meer wurden durch waghalsige Unternehmungen riesige Vermögen verdient. Französische Korsaren, die meisten von ihnen Hugenotten, also gleichen Glaubens wie er, machten es gerade vor. In jeder Hafenschenke erzählte man von ihren Taten. Sie überfielen mit ihren kleinen, schnellen Schiffen reich beladene Galeonen auf der Rückfahrt von Westindien oder plünderten gar Küstenstädte in der Karibik. Warum zum Teufel sollten Engländer das nicht auch können? Aber mit Captain Richards darüber zu reden war vergebliche Liebesmühe, das wusste der junge Seemann längst. Also versuchte er, das Thema zu wechseln, und zeigte auf die Reste einer Burg auf einem Hügel unweit des Flusses.

»Wisst Ihr, wem das verfallene Schloss dort oben gehört? Es sieht so aus, als kämen gleich König Artus’ Ritter von der Motte heruntergeritten.«

»Eher wohl ein Gefolgsmann von Richard Löwenherz. Es ist im Besitz der Earls von Huntingdon, aber die leben schon lange nicht mehr auf dieser Burg. Pass auf, die Geschichte wird dir gefallen. Fahrende Gaukler haben ein Theaterstück aufgeführt, das ich in London gesehen habe. In den Wäldern nördlich von hier, im Sherwood Forest, haben einst Räuber gehaust, die alle Welt mit ihren Langbogen in Angst und Schrecken versetzten. König Richard hat ihnen Begnadigung angeboten, wenn sie ihm auf seinen Kreuzzug folgten. Ihr Anführer soll Löwenherz im Heiligen Land das Leben gerettet haben, und dafür hat der König ihn, einen Freisassen, mit der Grafschaft Huntingdon belehnt und zum Earl erhoben. So erzählt es zumindest die Legende. Vom Räuberhauptmann zum Edelmann! Kein schlechter Aufstieg, oder?«

»Weiß man noch, wie der Mann hieß?«

»Sein richtiger Name ist längst vergessen, doch im Gedächtnis der Menschen, in unzähligen Balladen und Erzählungen, lebt er fort als Robin Hood.«

Von dem hatte Francis natürlich schon gehört. Schließlich fanden in Exeter, der Hauptstadt der Grafschaft Devon, in der er geboren worden war, alljährlich anlässlich der Maifestlichkeiten Robin-Hood-Spiele statt. Der Schauspieler, der den Räuberhauptmann gab, und seine Gefährten sammelten dabei von den Wohlhabenden milde Gaben ein und verteilten sie an die Armen. Dass dahinter ein wahrer Kern stecken sollte, das hatte Francis allerdings bisher nicht gewusst.

Es war also doch möglich! Wenn es dieser Bauer vor fast vierhundert Jahren geschafft hatte, in die höchsten Kreise des Königreiches aufzusteigen, musste das doch auch heute noch zu schaffen sein. Wo stand geschrieben, dass ihm nicht etwas Vergleichbares glücken konnte? Zumindest einen Versuch war es doch wohl wert! Ewig wollte er dieses ihn schon jetzt einengende Leben nicht führen. Francis lockten ferne Länder, exotische Küsten und die Ozeane, die zwischen der Alten und der Neuen Welt lagen. Dort wartete lohnende Beute auf alle, die bereit waren, Gefahren zu trotzen und Risiken auf sich zu nehmen. Nach seiner Rückkehr wollte er vor der jungen Königin knien, wie einstmals dieser Räuber vor Richard Löwenherz, und ihr Perlen und Juwelen zu Füßen legen. Alles Weitere würde dann in ihrer Hand liegen.

England war arm, Spanien durch seine Kolonien unermesslich reich. Gold und Silber kamen aus Mexiko und Peru in ganzen Schatzflotten aus Übersee und wurden in Cadiz und Lissabon angelandet. Warum gehörten all diese Reichtümer nur König Philipp und kamen seinem Reich, in dem die Sonne angeblich nie unterging, zugute? Weil der Papst, der die Neue Welt zwischen Spanien und Portugal aufgeteilt hatte, es so bestimmte? Mit Sicherheit nicht! Schließlich hatte sich England schon unter dem Vater der jetzigen Königin, Henry VIII., von Rom losgesagt. Weshalb sollte man sich nicht nehmen, was die Spanier schließlich nur anderen stahlen? Zum Ruhme und Nutzen Englands, seiner Königin und nicht zuletzt, um dieser unsäglichen Plackerei, die kaum Gewinn abwarf, zu entkommen.

Eines Tages, das schwor sich der junge Seemann, würde er es wagen und hinaus in die weite Welt segeln. So wahr man ihn Francis Drake nannte!

[home]

1. 1580, zwanzig Jahre später, vor den Azoren

Verdammt, Francis, sie holt immer weiter auf! Dabei haben wir schon den letzten Fetzen Leinwand gesetzt! Wir können höchstens noch unsere Jacken und Hemden in die Takelage hängen. Es muss doch möglich sein, so einer spanischen Nao zu entkommen! Diese Kähne gibt es schließlich schon seit Menschengedenken, und sie haben sich seit der Zeit der Kreuzritter kaum verändert.«

»Ja, aber sie sind deshalb nicht schlecht und haben sich bewährt. Magellan ist bereits sechzig Jahre vor uns mit so einem Schiff um die Welt gesegelt.«

»Nur dass er nicht lebend wieder nach Hause zurückgekommen ist.«

»Werden wir auch nicht, wenn uns nicht bald etwas einfällt. Die Nao da sieht recht neu aus, ist um ein Vielfaches größer als wir und offenbar gut bewaffnet. Bringt sie uns auf, baumeln wir allesamt an ihren Rahen. Oder man übergibt uns in Sevilla der Inquisition, und wir enden auf dem Scheiterhaufen. Such’s dir aus.«

»Bei den Beinen Christi, wir sind ihnen doch sonst mit Leichtigkeit davongesegelt!«

»Da bestand unser Schiffsrumpf auch nicht außen aus Muscheln und innen aus Gold und Silber. Außerdem leckt unsere Galeone mittlerweile wie ein morscher Fischerkahn. Wir müssen es bis zu den Nebelbänken dort vorn schaffen, dann können wir den Kurs ändern und uns in Sicherheit bringen. Aber wenn kein Wunder geschieht oder jemandem etwas einfällt, haben sie uns vorher erreicht. Und dann gnade uns allen Gott!«

Fast drei Jahre waren sie auf See, hatten die ganze Welt umrundet, und jetzt, da man die heimischen Gewässer schon fast riechen konnte, lief die Golden Hind einem spanischen Kriegsschiff direkt vor die Nase! Was hatte das ausgerechnet hier zu suchen? Musste es denn nicht die langsam segelnde Schatzflotte eskortieren? Es war zum Haareausraufen! Einen Kampf würden sie nicht überstehen, das war Drake beim Anblick der großen Nao sofort klargeworden. Dafür war das feindliche Schiff zu gut bestückt und hatte außerdem eine zahlenmäßig weit überlegene Besatzung nebst Seesoldaten an Bord, er hingegen nur noch eine Handvoll Männer.

Mehr als hundertsechzig Matrosen und Abenteurer waren unter seinem Kommando im Dezember 1577 von Plymouth aus mit fünf Schiffen zu dem großen Unternehmen aufgebrochen, das bisher einzigartig in der Geschichte der englischen Seefahrt war. Jetzt kehrten sie mit nur einer Galeone zurück, und es gab kaum noch genügend gesunde Männer an Bord, um alle nötigen Segelmanöver schnell und kunstgerecht auszuführen.

Wie wacker sich die Golden Hind, früher Pelican genannt, auch geschlagen hatte, die weite Reise war nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Beim Auslaufen hatten sich achtzehn Geschütze unterschiedlicher Größe und Kaliber an Bord befunden. Die meisten von ihnen waren gusseiserne Hinterlader gewesen, eher zur Vorbereitung des Enterkampfes geeignet als für weite Schüsse. Sie alle hatte Drake in der Bandasee Indonesiens über Bord werfen lassen, als sie dort auf ein Riff aufgelaufen waren und fast mit Mann und Maus gesunken wären.

Nur von den beiden langen Bronzerohren, den Culverinen, die ihm wie das Fernrohr unter größter Geheimhaltung kurz vor der Abfahrt von seinem Vetter John Hawkins übergeben worden waren, konnte er sich nicht trennen. Wie die Gold- und Silberschätze waren sie unter größten Anstrengungen auf ein Floß verladen und zu einer nahe gelegenen Insel gebracht worden.

Dann hatten sie das arg ramponierte Schiff mit Warpankern bei hoher Mondflut und der Hilfe von ablandigem Wind glücklicherweise freischleppen können und es anschließend in einer sandigen Bucht auf Grund gesetzt. Hier wurde dann das Leck, so gut es ging, mit Werg und Reserveplanken abgedichtet. Gleichzeitig reinigten sie in tagelanger Kleinarbeit den Rumpf von Muscheln, Bohrwürmern und Algen und kalfaterten ihn neu. Jeder Mann an Bord, vom Schiffsjungen über den Vikar bis hin zu den letzten verbliebenen Gentlemen, denen schon lange die Lust an der Seefahrt vergangen war, musste sich daran beteiligen. Allen bluteten danach die Hände vom Abkratzen der scharfkantigen Schalentiere, doch letztendlich ging es um ihr Überleben.

Anschließend hatten sie ihre Reise um die Welt fortgesetzt, den Indischen Ozean überquert, das Kap der Guten Hoffnung umrundet und waren mit erschreckend wenig und kaum noch genießbarem Trinkwasser in den Fässern die Westküste Afrikas hinaufgesegelt.

Seit sie bei den Molukken beinahe Schiffbruch erlitten hatten, leckte das Schiff trotz aller Versuche, es abzudichten. Am Rumpf der einst schnittigen Galeone siedelten mittlerweile wieder wahre Kolonien von Muscheln und behinderten zusätzlich die Fahrt. Auch der Bohrwurm hatte ganze Arbeit geleistet. Ohne die von Drake beim Bau des Schiffes in Auftrag gegebene doppelte Beplankung mit einer dicken Schicht Teer dazwischen wären sie wahrscheinlich schon längst gesunken.

Unermessliche Schätze waren ihnen an der Westküste Südamerikas in die Hände gefallen. Zusätzlich befanden sich noch mehrere Tonnen seltener Gewürze an Bord, die sie auf den Molukken erworben hatten und die in der Alten Welt mit Gold aufgewogen wurden. Und das sollte jetzt alles – so kurz vor dem heimatlichen Hafen – verlorengehen? Alle Mühe, Not und Pein umsonst gewesen sein? Nein, ihm, dem Captain, musste wie immer etwas einfallen, und das so schnell wie möglich, denn viel Zeit blieb ihnen nicht mehr. Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel und rief den Master Gunner zu sich.

 

»Er läuft mit Vollzeug davon, aber er wird uns nicht entkommen!«, stellte Don Juan Martínez de Recalde, Admiral Seiner Allerkatholischsten Majestät befriedigt fest. »Sicher hat er etwas zu verbergen. Was meint Ihr, de Valdéz, was ist das für ein Landsmann? Er führt keine Flagge. Die Schiffsform ist weder eindeutig englisch noch niederländisch noch französisch. Ein sehr eigenartiges Schiff, das muss ich schon sagen.«

Dem Kapitän der Nuestra Señora del Rosario, des Flaggschiffs des andalusischen Geschwaders mit Heimathafen Cadiz, gefiel das, was er sah, ganz und gar nicht. Er stand neben seinem Vorgesetzten auf dem hohen Bugkastell des Schiffes und beschattete die Augen mit seiner Hand. Es kam ihm höchst merkwürdig vor, dass diese fremde Galeone nicht schon längst auf und davon war. Er war stolz auf seine recht neue Nao, wusste aber auch um ihre Schwächen.

Ein Schnellsegler war sie zu seinem Leidwesen nicht gerade. Eher zum Transport von Gütern oder auch Soldaten bestimmt, konnte sie nie und nimmer mit den flinken Schiffen mithalten, die mittlerweile von anderen Seefahrernationen entwickelt und gebaut wurden.

Sie befanden sich auf der Rückreise von den Azoren, wo es ihre Aufgabe gewesen war, einen Aufstand der Portugiesen, die sich mit der neuen Personalunion der beiden Länder auf der Iberischen Halbinsel nicht abfinden wollten, gegen die spanische Besatzung niederzuschlagen. Die Insulaner hatten sich wider Erwarten heftig gewehrt, und so befanden sich zahlreiche Verwundete unter Deck, die in Sevilla ärztlich versorgt werden sollten. Letztendlich war ihre Mission aber doch erfolgreich gewesen, und sie kehrten als Sieger und reich mit erbeuteten Handelsgütern beladen zurück.

»Auf den Werften in England und Holland, die wie Pilze aus dem Boden schießen, würfeln sie mittlerweile die Bauweisen willkürlich durcheinander, und die Baumeister versuchen ständig, neue Lösungen zu finden, um Schnelligkeit und Tonnage unter einen Hut zu bringen. Eigentlich müsste das Schiff bei der Segelfläche, die sein Kapitän gesetzt hat, und dem achterlichen Wind unseren Blicken schon längst entschwunden sein. Aber stattdessen holen wir auf. Ich finde das höchst merkwürdig, Exzellenz.«

»Ach was!«, wehrte der Admiral ab. »Erfreut Euch doch lieber an den guten Segeleigenschaften Eures Schiffes, de Valdéz. Ein wahres Meisterwerk spanischer Schiffsbaukunst. Wir werden den Unbekannten da vorn aufbringen und seine Ladung auf das genaueste kontrollieren. Sollte auch nur der Hauch eines Verdachtes bestehen, dass er Schmuggel- oder gar Piratengut an Bord hat, knüpfen wir jeden von der Mannschaft auf und laufen mit ihnen an den Rahen baumelnd in Cadiz ein. Das sollte sich herumsprechen und als abschreckendes Beispiel dienen. Schließlich werden vor allem die englischen Piraten mittlerweile zu einer echten Plage.«

»Und genau deshalb rate ich zur Vorsicht. Ich habe von einer heimtückischen List gehört, mit der sie unsere Schiffe täuschen. Sie erwecken den Eindruck, unter vollen Segeln zu laufen, lassen aber an den Bordwänden leere Fässer auf das Wasser herab, die die Geschwindigkeit gleichzeitig verringern. Holt man sie dann ein, kappen sie die Taue und verfügen von einem Moment auf den anderen über ein schnelles, hoch manövrierfähiges und schwerbewaffnetes Schiff, an Bord eine Unzahl kühner, beutelüsterner Piraten. Dieser vermaledeite Drake soll sich im Pazifik so an die Nuestra Señora de la Concepción herangemacht haben.«

»Ja, davon wurde mir berichtet. Die Karacke nannte man in Peru auch Cacafuego, Feuerscheißer, wegen ihrer zahlreichen Geschütze. Dieser Seeräuber muss wirklich den Teufel im Leib haben. Entert das größte und bestbewaffnete Schatzschiff der ganzen Pazifikflotte! König Philipp soll geweint haben, als er davon erfuhr. Was für ein Verlust! Seit mehr als einem Jahr aber hat niemand mehr etwas von El Draque gehört. Wollen wir hoffen, dass sein Schiff mit Mann und Maus untergegangen ist und ihn die Fische gefressen haben.«

Der Kapitän hatte da so seine Zweifel, waren die seemännischen Fähigkeiten dieses englischen Freibeuters doch bereits legendär. Die Erklärung der Priester, er stünde mit dem Teufel im Bunde, half auch nicht weiter. Bekanntgeworden war mittlerweile, dass es Drake als zweitem Schiffsführer überhaupt erst gelungen war, durch die Straße des Magellan in den Pazifischen Ozean vorzudringen. Dort war er die Küste hinauf nach Norden gesegelt und hatte die völlig überraschten Spanier angegriffen, wo immer er nur konnte und Beute witterte. Unmengen von Gold, Silber und Edelsteinen aus den Minen in Peru mussten in den Bäuchen seiner Schiffe verschwunden sein. Aber so plötzlich, wie er gekommen war, war dieser Pirat auch wieder verschwunden. Doch darauf wetten, dass er nie wiederauftauchte, wollte Don Pedro de Valdéz lieber nicht.

»Lasst die Buggeschütze laden, Kapitän«, befahl der Admiral. »Und stellt eine Entermannschaft zusammen. Mehr wird wohl nicht nötig sein, um den Kahn dort vorn zum Beidrehen zu veranlassen.«

»Wollen wir nicht lieber das Schiff gefechtsklar machen lassen, Exzellenz? Wenn das nun vor uns auch so eine Falle ist wie die im Pazifik?«

»Ach was, das würde nur unnötig die Verwundeten unter Deck beunruhigen. Wir werden uns doch von diesen Piratengeschichten nicht ins Bockshorn jagen lassen. Ein Schuss vor den Bug der Galeone dürfte genügen. Ihr werdet sehen, wie schnell sie aufgeben und beidrehen, wenn sie keine Chance zum Entkommen mehr sehen.«

»Wie Ihr befehlt, Exzellenz.« Auch wenn de Valdéz die ganze Sache nicht gefiel, so dachte er gar nicht daran, dem Admiral, der hoch in der Gunst des Königs stand, zu widersprechen. Allerdings trog ihn sein Bauchgefühl selten, und er nahm sich trotz aller Sorglosigkeit seines Vorgesetzten vor, äußerst wachsam zu bleiben.

 

Aufmerksam beobachteten Francis Drake und sein Neffe von der Heckgalerie der Golden Hind aus die langsam, aber unaufhaltsam näher kommende Nao. John hatte die Reise als Page seines Onkels begonnen, war auf der langen Weltumseglung zum erfahrenen Seemann gereift und mittlerweile dessen Vertrauter und rechte Hand geworden.

Drake nahm die lange Messingröhre vom rechten Auge und blinzelte, da er das linke zugekniffen gehabt hatte. Das Sehrohr war ein Geschenk seines Vetters John Hawkins und ihm von diesem vor der Abreise höchst geheimnisvoll überreicht worden. Kunstvoll hatte ein holländischer Brillenmacher und Glasschleifer im Inneren Linsen in verschiedenen Abständen angebracht, was dazu führte, dass man selbst weit entfernte Objekte beim Durchblicken so deutlich sah, als befänden sie sich in nächster Nähe. Diese Erfindung, deren Mysterium sicherlich nicht mehr lange im Geheimen schlummern würde, hatte Drake unglaubliche Dienste auf seiner Fahrt rund um den Globus geleistet. Und auch jetzt konnte er Dinge an Bord der Nao erkennen, die dem gegnerischen Kapitän auf der Golden Hind verborgen blieben. Unter anderem sah er, dass die Mannschaft des spanischen Schiffes seiner eigenen mindestens fünffach überlegen war und sich noch dazu eine gute Hundertschaft Seesoldaten an Bord befand, von den Geschützbedienungen ganz zu schweigen.

»Was sagte doch gleich der portugiesische Kommandant des Forts an der Küste von Guinea?«, überlegte der Captain laut und kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Unser Schiff wäre nach den erfolgreichen Kaperungen im Pazifik mittlerweile das gefürchtetste auf dem ganzen Ozean. Dann wollen wir doch einmal ausprobieren, wie viel Wahrheit in diesen Worten steckt und ob sich das schon bis zu den Spaniern in diesem Teil der Welt herumgesprochen hat. Glücklicherweise weiß ja niemand von ihnen, wie angeschlagen wir sind.«

Wenn die Gefahr am größten war, das wusste jeder an Bord, wuchs ihr Captain immer über sich hinaus. Die Seeleute der Golden Hind hatten noch nie erlebt, dass er entschlussunfähig oder gar verzagt gewesen wäre. Dafür achteten, ja liebten sie ihn sogar. Zumindest in dem Maß, wie es diesen rauhen Gesellen möglich war. Drakes Befehle jemals in Frage zu stellen, das kam keinem von ihnen in den Sinn. Und so lauschten sie aufmerksam seinen Worten, als er auf dem Achterkastell des Schiffes erschien und klare Anweisungen gab.

»Männer, wir haben eine weite, gefährliche Reise hinter uns. Und jetzt, da wir fast zu Hause sind, befinden wir uns in der wohl größten Gefahr. Wir sind nur noch wenige, haben kaum noch Waffen und Munition, und unser Schiff ist beinahe ein Wrack. Aber kampflos ergeben wir uns nicht! Wenn uns unser Ruf wirklich schon weit vorausgeeilt und so furchterregend ist, wie die Portugiesen meinen, dann werden wir ihn uns jetzt zunutze machen. Holt unsere letzten beiden Geschütze aus dem Bug nach Backbord auf das Unterdeck und ladet sie mit Kettenkugeln und doppelter Pulvermenge. Master Gunner, verwendet lange Lunten, denn wenn die Rohre auseinanderfliegen sollten, will ich nicht, dass jemand verletzt wird. Und Ihr, Tom Moone«, Drake wandte sich an den Schiffszimmermann, »sägt die dicksten Spieren, die wir noch haben, in zwei Yard lange Stücke und bestreicht sie mit Teer. Ich will hinter jeder Stückpforte so ein Ding auf einer Kiste stehen haben. Aber haltet sie verborgen, bis ich den Befehl gebe, die Geschützluken zu öffnen.«

»Nichts für ungut, Captain, aber wollt Ihr uns nicht sagen, was Ihr vorhabt? Schließlich hängt unser aller Leben davon ab.« Der Oberbootsmann Thomas Cuttle wollte es immer genau wissen, und Drake hatte auf der ganzen Reise noch nie ein Problem damit gehabt, seine Entscheidungen nicht nur als Befehle zu bellen, sondern sie, wenn es die Zeit erlaubte, der Mannschaft zu erläutern. Das änderte nichts daran, dass er absoluten Gehorsam von jedem Einzelnen an Bord erwartete und durchaus in der Lage war, ihn auch einzufordern.

»Nun, Männer, wir werden einen Scheinangriff segeln und wollen hoffen, dass Gott der Herr in Seiner Güte unsere Feinde mit Blindheit schlägt, damit ihnen der klägliche Zustand unseres Schiffes verborgen bleibt«, gab Drake zur Antwort. »Sie sollen denken, sie haben es mit einem schwerbewaffneten Kriegsschiff zu tun, das sie in eine Falle gelockt hat. Hält auch nur eines unserer Bronzerohre den Schuss aus und ihr zielt gut, sollten die Kettenkugeln ausreichend Schaden in ihrer Takelage anrichten, um uns die Nebelbänke erreichen zu lassen. Vielleicht drehen sie sogar ab, wenn sie unsere Galionsfigur sehen und die goldene Hirschkuh in der Sonne funkelt.«

Ganz gegen jeden Brauch hatte Drake sein Schiff vor dem Einlaufen in die Straße des Magellan von Pelican in Golden Hind umbenannt. Der Mannschaft, die abergläubisch, wie Seeleute nun mal sind, lautstark protestierte, war gesagt worden, dass es aus Tarnungsgründen geschah und er die Galionsfigur von der ersten Beute schuhsohlendick vergolden lassen würde. In Wahrheit allerdings wollte der Captain mit dieser Geste Sir Christopher Hatton, den Hauptgeldgeber der Expedition und Kommandeur der königlichen Leibgarde, versöhnlich stimmen, dessen Wappen eine goldene Hirschkuh zierte. Schließlich hatte Drake kurz zuvor dessen ehemaligen Privatsekretär Thomas Doughty am Strand von St. Julian köpfen lassen.

»Es würde sicherlich auch nicht schaden, wenn Ihr dafür betet, dass Furcht nach den Herzen der Spanier greift, wenn sie unsere ausgerannten Kanonen sehen und das Kampfgeschrei enterbereiter und zu allem entschlossener Engländer hören«, befahl Drake dem Vikar des Schiffes, Francis Fletcher, mit dem er seit der Hinrichtung von Doughty an der patagonischen Küste über Kreuz lag.

Die Mannschaft brach in schallendes Gelächter aus. Ihr Captain hatte wieder einmal bewiesen, dass ihm zumindest immer etwas einfiel. Ob der Plan glücken würde, war allerdings eine ganz andere Frage. Mit Feuereifer machten sich die Männer daran, die Befehle auszuführen. Schließlich blieb ihnen auch nichts anderes übrig, und eins hatten sie in den nahezu drei Jahren, die sie nun schon auf engstem Raum zusammen hausten, erkannt – wenn einer die Lage überblickte und sie heil nach Hause bringen konnte, dann nur ihr Captain.

Der Kaplan hingegen zog den Kopf ein, war er doch wieder einmal der spöttischen, oft auch zynischen Art und Weise von Drake ausgeliefert gewesen. Manchmal war Fletcher versucht zu glauben, was die verdammten Papisten über den Schiffsführer behaupteten, nämlich dass er mit dem Teufel im Bunde war und schon allein sein Name, der Drache, für Höllenfeuer und ewige Verdammnis stand.

»Und wenn sie nicht darauf hereinfallen?«, wollte John von seinem Onkel wissen. »Du willst dich doch nicht ernsthaft auf einen Kampf mit dieser riesigen Nao einlassen. Sie ist uns in Hinsicht auf Bewaffnung, Kampfkraft und Besatzung zehnfach überlegen!«

»Das war die Nuestra Señora de la Concepción auch, und trotzdem hat sie vor uns die Flagge gestrichen.«

»Aber die konnten wir mit einer Kriegslist überraschen, weil niemand ein englisches Schiff im Pazifik vermutet hat.«

»Dann muss uns etwas Vergleichbares eben noch einmal gelingen. Sonst sinken wir mitsamt unserer unermesslichen Beute auf den Grund des Meeres oder hängen mit langgezogenen Hälsen in luftiger Höhe. Ich jedenfalls habe an beidem wenig Interesse.«

»Was soll ich tun, Francis? Gib mir einen Befehl, und ich werde dich nicht enttäuschen. Willst du, dass ich eine Entermannschaft zusammenstelle?«

»Ich hoffe sehr, dass das nicht nötig sein wird. Es wäre ein purer Akt der Verzweiflung. Nein, schick den Trommler und meinen Trompeter zu mir auf das Achterdeck. Dann such unsere am besten erhaltenen Flaggen heraus. Diejenigen, die am wenigsten verblichen sind. Wir wollen schließlich als wahre Engländer unter dem Georgskreuz in den Kampf ziehen.«

»Aye, aye, Captain.« John salutierte und machte sich daran, den Wünschen seines Onkels nachzukommen. Drake sprang in der Zwischenzeit hinunter auf das Zwischendeck und half den Männern beim Sägen und Teeren der Spieren. Er hatte von Anfang an von jedem an Bord verlangt, ganz gleich ob Offizier, Gentleman oder einfacher Mann vor dem Mast, sich an jeder anfallenden Arbeit, und sei sie noch so kräftezehrend oder schmutzig, zu beteiligen.

Obwohl Drake immer bereit war, mit gutem Beispiel voranzugehen, hatte diese Anordnung zu Beginn der Fahrt zu etlichen Auseinandersetzungen mit den mitreisenden, Abenteuer suchenden Adeligen geführt. Es war ihm als Generalkapitän der Expedition, so rechtfertigte er sein Urteil vor sich selbst, gar nichts anderes übriggeblieben, als an deren Anführer ein Exempel zu statuieren. Die wahren Beweggründe hingegen gestand er sich nur selten in der Abgeschiedenheit seiner Kajüte ein, und sie bereiteten ihm jedes Mal schmerzliche Alpträume.

Drake zeigte den Männern, wie er sich die Aufstellung der Geschützattrappen vorstellte, und erläuterte ihnen, was er von jedem Einzelnen erwartete.

Als alle Vorbereitungen getroffen waren, ließ sich der Captain von seinem Diener in der Kajüte, die wie das ganze Schiff mit Kisten, Fässern und Ballen vollgestopft war, den Brustpanzer anlegen und den visierlosen Helm mit dem eisernen Kamm, Morion genannt, reichen. Beides war wie immer auf Hochglanz poliert und würde den Spaniern zweifelsohne in die Augen stechen.

Diego, schwärzer als die Nacht bei Neumond, hatte Drake vor acht Jahren in der Karibik aus spanischer Gefangenschaft befreit. Seither war er sein treuer Begleiter, mittlerweile allerdings eher Freund und Vertrauter als Lakai. Und außerdem derjenige an Bord, der sich dem Captain gegenüber, wenn auch nur unter vier Augen, am ehesten so manche kritische Bemerkung herausnehmen durfte, wofür ein anderer zweifelsohne hart bestraft worden wäre. Diesmal aber hielt er seine spitze Zunge im Zaum und schwieg, wusste er doch, dass ihrer aller Leben auf Messers Schneide stand und es ihm als entlaufenem Sklaven als einem der ersten an den Kragen gehen würde, fiele er in die Hände seiner ehemaligen Peiniger. Wie alle an Bord hoffte er darauf, dass Drakes kühner Plan aufgehen und Gott auch diesmal mit ihnen sein würde.

Der Captain nahm seinen Platz auf der Poop des Achterdecks ein und spähte noch einmal durch das kunstvolle Messingrohr zu dem sich nähernden Schiff hinüber. Der Trompeter und der Trommler hatten neben ihm Aufstellung genommen, die beiden besten Rudergänger standen am Kolderstock, und jeder Mann war auf seinem Posten. Jetzt konnten sie nur noch warten. Denn den ersten Schritt, damit ihr Plan gelingen konnte, mussten die Spanier machen.

 

»Worauf wartet Ihr noch?«, fuhr der Admiral den Kapitän der Nuestra Señora del Rosario an, und seine Augen funkelten voller Ungeduld. »Wollt Ihr warten, bis sie der Nebel verschluckt hat, oder traut Ihr Euch womöglich nicht an diese schwimmende Nussschale heran? Dann, das lasst Euch gesagt sein, seid Ihr der falsche Mann für das Kommando. Gebt endlich den Feuerbefehl, damit sie sehen, dass wir es ernst meinen!«

Pedro de Valdéz wusste, dass die Entfernung zu der Galeone für die Buggeschütze der Nao noch viel zu groß war. Aber niemand warf ihm ungestraft Feigheit vor, und wenn sein Vorgesetzter, der es in seiner bisherigen seemännischen Laufbahn noch nicht zu großem Ruhm gebracht hatte und seinen Rang nur seinen vielen Titeln, Besitzungen und Beziehungen zu verdanken hatte, es befahl … Nun gut, dann sollte er halt sehen, wie die Kugeln weit entfernt von dem fremden Schiff in den Atlantischen Ozean platschten. Der Kapitän gab dem Kanonier, der in respektvoller Entfernung, aber doch so, dass er das Gespräch der beiden Männer hatte mithören können, gewartet hatte, einen Wink. Auch der Geschützmaat war sich darüber im Klaren, dass sie mit ihren Schüssen keinerlei Wirkung erzielen würden, aber wer war er, um den hohen Herren gegenüber seine unbedeutende Meinung kundzutun? Also hielt er die brennende Lunte zuerst an das eine, wenig später an das andere Buggeschütz, woraufhin sich zwei Schüsse lösten und grollender Donner über die See rollte.

Was dann geschah, damit hatte an Bord der Nao niemand gerechnet.

 

Das feindliche Schiff erschien von einem Moment auf den anderen wie von Geisterhand verändert. Hatte man von spanischer Seite aus zuvor kaum Männer darauf ausmachen können, so schien es jetzt geradezu von ihnen zu wimmeln. Trommelwirbel und wildes Kriegsgeschrei schallten herüber, ein Trompeter schmetterte Signale, Seeleute enterten in den Wanten auf, und die Galeone, die bisher genau vor der Nuestra Señora del Rosario hergelaufen war, drehte willig wie ein gut zugerittenes Pferd nach Backbord.

Das Manöver wurde durch das Anluven des Lateinersegels am Besanmast und vor allem der Blinde am Bugspriet unterstützt. Das kleine Vorsegel blähte sich im Wind und gab damit den Blick auf die Galionsfigur frei. Wie Drake gehofft hatte, blitzte die goldene Hirschkuh auf dem Steven im Sonnenlicht gleißend auf. Gleichzeitig stiegen am Fockmast die grün-weiß gestreifte Flagge der Tudors, am Großmast das rote Georgskreuz auf weißem Grund und am Besanmast Drakes Gefechtsstander empor. Ebenso öffneten sich auf der gesamten Breite der Galeone schlagartig die Geschützpforten, und auch auf dem Oberdeck wurden ganz offensichtlich Kanonen ausgerannt.

 

Mit der Contenance von Don Juan Martínez de Recalde war es nicht mehr weit her, seit er die Veränderungen an Bord des vor ihm segelnden Schiffes beobachtet hatte.

Statt eines langsam dahinsegelnden Kauffahrers, leichte Beute in den Augen des Admirals, sah er sich plötzlich einem waffenstarrenden Kriegsschiff gegenüber, das soeben zum Angriff überzugehen schien und ganz offensichtlich mehr Kanonen führte als die Rosario. Woher sollte er auch wissen, dass es sich nur um abgesägte und geteerte Spanten und Rundhölzer handelte?

Sein größter Alptraum wurde wahr, als er auch noch die goldene Hirschkuh am Vordersteven und den berüchtigten langen Wimpel mit dem roten Drachen am Besanmast der Galeone sah. Es war also tatsächlich El Draque, der da wie aus dem Nichts vor ihnen aufgetaucht war! König Philipp hatte ein hohes Kopfgeld auf den »Meisterdieb der Neuen Welt«, wie dieser Pirat bereits genannt wurde, ausgesetzt. Doch niemandem war es trotz aller unternommener Anstrengungen bisher gelungen, es sich zu verdienen.

Und nun das!

Hatte etwa der Teufel selbst diesen Ketzer Drake, denn um keinen anderen schien es sich in der blitzenden Rüstung auf dem Heckkastell der Galeone zu handeln, unmittelbar vor den Bug der Rosario geweht? Das konnten doch nur die Mächte der Hölle sein, die hier ihr Unwesen trieben!

Er, Don Juan Martínez de Recalde, war dem König persönlich für das Gelingen des Unternehmens gegen die Rebellen auf den Azoren verantwortlich. Sollten sie jetzt womöglich von El Draque aufgebracht werden, wie wollte er je wieder Philipp II. unter die Augen treten? Vorausgesetzt, dass er den Kampf überhaupt überlebte!

Als es jetzt an der Backbordseite der Galeone auch noch aufblitzte und gleich darauf jaulend ein Geschoss herangeflogen kam, blieb dem Admiral fast das Herz stehen, und er war für einen Moment zu keiner Regung fähig.

Sein Kapitän hingegen reagierte wesentlich kaltblütiger und gab geistesgegenwärtig seine Befehle.

»Ruder hart Steuerbord!«, brüllte Don Pedro. »Alle Mann an Deck! Kanoniere an die Geschütze! Segelgasten in die Masten! Wir werden angegriffen! Das ist eine Falle! Macht das Schiff klar zum Gefecht!«

Von einem Augenblick zum anderen brach das totale Chaos auf der Rosario aus. Wild durcheinanderlaufende Matrosen, Geschützbedienungen und Seesoldaten versuchten, an die ihnen vorbestimmten Plätze in einem Seegefecht zu gelangen. Obwohl unzählige Male darin gedrillt, ging nun doch alles drunter und drüber, und Don Pedro beschloss, sollte er das hier überstehen, zukünftig täglich Gefechtsübungen abzuhalten.

In diesem Moment schlug eine Kettenkugel auf Schanzkleidhöhe in die Rüsten und Wanten des Fockmastes ein und zerfetzte die Takelage. Das große Segel geite auf und knatterte bedrohlich in der steifen Brise. Die Rosario lief auf der Stelle aus dem Wind und verlor an Fahrt. Zusätzlich drohte ihr Fockmast nach Steuerbord abzukippen und über Bord zu gehen, da ihm an Backbord von einem Moment auf den anderen der Halt durch die starken Taue fehlte, die wie gerissene Peitschenschnüre durch die Luft pfiffen.

Teile der kunstvollen Reling waren ebenfalls zerstört worden, und Unmengen von Splittern schwirrten über das Deck. Zahlreiche Seeleute wurden von den herumfliegenden Holzstücken zum Teil schwer verletzt. Auch dem Admiral rann Blut über die Wange, und um ein Haar hätte er ein Auge verloren.

Kettenkugeln hatten neben ihrer verheerenden Wirkung auf Tauwerk, Rahen und Spieren noch eine zusätzliche Auswirkung auf die Mannschaft eines feindlichen Schiffes. Sie kamen im Gegensatz zu anderen Geschossen heulend herangeflogen und kündigten damit das Verderben, das sie mitbrachten, bereits auf ihrem Flug an. Nicht wenige Seeleute brachen in Panik aus und verließen ihren Posten, auch wenn sie dafür später mit dem Tod bestraft wurden, hörten sie dieses furchteinflößende Geräusch auf sich zukommen.

Selbst dem Admiral war es nicht anders ergangen, und er hatte sich hinter den Aufbauten des Bugkastells auf die Planken geworfen.

Wie ist das möglich, fragte sich Don Juan entsetzt. Wieso schossen die Geschütze der Engländer um so vieles weiter als die seines eigenen Schiffes?

Die Kugeln der Rosario waren eine halbe Kabellänge vor dem fremden Schiff nutzlos ins Meer gefallen. Dessen erster Schuss hingegen machte die Nao nahezu manövrierunfähig und setzte eine Vielzahl spanischer Seeleute außer Gefecht. Das ging doch nicht mit rechten Dingen zu, da konnte doch nur Satan seine Hände im Spiel haben! Menschenwerk war das jedenfalls nicht! Sollten sie ihren Heimathafen erreichen, würde er unbedingt mit den Vertretern der heiligen Inquisition darüber sprechen müssen.

»Abdrehen, abdrehen!«, schrie der Admiral wie von Sinnen, als er endlich seine Sprache wiedergefunden hatte. »Das ist El Draque, der uns da aufgelauert hat! Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um ihm zu entkommen. Nie würde der König uns verzeihen, fiele das andalusische Flaggschiff in die Hände dieses Piraten! Wir sind mit den vielen Verwundeten an Bord nicht bereit für einen derartigen Kampf auf Leben und Tod.«

Es war eine wundervolle Ausrede, die dem Admiral da auf die Schnelle eingefallen war und die seine Furcht überdecken sollte. Niemand konnte ihm später Feigheit vorwerfen, wenn sein Sinnen und Trachten einzig dem Wohlergehen der Verletzten galt.

Da seine Befehle denen des Kapitäns zumindest in diesem Fall nicht widersprachen, zögerten die Seeleute keinen Augenblick, ihnen zu gehorchen. Wenn auch wesentlich behäbiger als zuvor die Golden Hind drehte die Nao langsam nach Steuerbord. Damit lief die Nuestra Señora del Rosario nach Süden, die Engländer hingegen nach Norden ab, und schnell vergrößerte sich der Abstand zwischen den beiden Schiffen.

Noch immer klang wüstes Kampfgeschrei von der Galeone herüber, doch es wurde immer leiser, und statt die fliehenden Spanier zu verfolgen, verschluckten bald Nebelbänke das fremde Schiff. Wären nicht die schreienden Verwundeten und die Zerstörungen am Bugkastell und Fockmast der Nao gewesen, die Besatzung der Rosario hätte denken können, einem bösen Spuk aufgesessen zu sein.

Nachdenklich blickte deren Kapitän der entschwindenden Galeone hinterher, während der Admiral den Schiffsarzt für sich allein beanspruchte und ein Aufhebens von seiner kleinen Wunde machte, als wäre er der einzige und noch dazu am schwersten verletzte Mann an Bord.

Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Wäre seine Nao klar zum Gefecht und nicht – da hatte Don Juan Martínez de Recalde ausnahmsweise einmal recht – voller Kranker und Verwundeter gewesen, hätte sich Don Pedro dem Gegner gestellt. Zur Not selbst gegen den Willen des Admirals. Dafür war ein Kriegsschiff schließlich da! Dass sie unter diesen widrigen Umständen ausgerechnet auf den berüchtigtsten aller englischen Seeräuber stoßen mussten, konnte wie alles auf der Welt nur Gottes Wille sein, doch sein Ratschluss erschloss sich dem Kapitän gerade nicht.

Seit fast zwei Jahren war Drake verschollen gewesen, und dann tauchte er ausgerechnet hier vor ihnen auf. Als Letztes hatte man von ihm an der Westküste Mexikos gehört, wo nie zuvor ein Engländer gesichtet worden war.

Plötzlich lief es dem Kapitän siedend heiß den Rücken hinunter, und ein Verdacht traf ihn wie ein Faustschlag. War der Pirat womöglich gar nicht auf einen Angriff aus gewesen, sondern mit seinem beutebeladenen Schiff nur auf der Rückfahrt nach England? Hatte er in den vergangenen Jahren vielleicht sogar die ganze Welt umrundet, um wieder nach Hause zu gelangen? Durch die Straße des Magellan war er jedenfalls nicht zurück vom Pazifik in den Atlantik gelangt. Die hatten die Spanier nach dem kühnen Vorstoß der Engländer ausgiebig gesichert, und eine Nordpassage um Amerika herum war bisher noch nicht entdeckt worden.

Befand sich die Galeone möglicherweise in einem Zustand, der Kampfhandlungen zu einem reinen Vabanquespiel machte, was wahrlich kein Wunder nach dieser langen Reise gewesen wäre? Und scheute ihr legendärer Captain, dessen Unerschrockenheit jenseits aller Zweifel stand, deshalb in diesem Fall ausnahmsweise die Auseinandersetzung mit einem viel größeren Kriegsschiff? Vor allem, weil er dabei nichts zu gewinnen, aber sehr viel zu verlieren hatte?

Natürlich, das war es! Darum war die Golden Hind selbst unter Vollzeug derart langsam gesegelt und hatte so tief im Wasser gelegen. Es war gar keine Falle gewesen, sondern eine verzweifelte Finte. So wie der eines kleinen Terriers, der eine weit größere Dogge durch wütendes Gekläff und einen vorgetäuschten Angriff in die Flucht zu jagen versucht. Und so wie sich im Tierreich der eigentlich überlegene Hund oft beeindrucken lässt und zurückzieht, hatten sie sich letztendlich verhalten und schmählich die Flucht ergriffen.

Dieser ausgekochte, schlitzohrige Hurensohn!, dachte Don Pedro bei sich und hieb mit der rechten Faust in die linke Handfläche. Er konnte sich eines in ihm aufkeimenden Respekts für den gegnerischen Kapitän nicht erwehren. »Wir hätten ihn haben können, den berüchtigtsten Piraten aller sieben Meere. König Philipp würde uns mit Ehrungen und goldenen Ketten nur so überhäufen! Und was sich an Bord der Golden Hind für Schätze befinden, von denen uns ja ein nicht unbedeutender Prisenanteil zugestanden hätte, will ich lieber gar nicht wissen. Und doch haben wir ihn entkommen lassen und schon allein vor seinem Anblick und einem einzigen Schuss Reißaus genommen. Wenn sich das herumspricht, bin ich im günstigsten Fall mein Kommando und Don Juan seinen Posten los. Wenn wir hingegen Pech haben, verlieren wir beide unseren Kopf.«

Der Kapitän gab Befehl, die nicht unerheblichen Schäden am Vorschiff zu reparieren und die zerfetzte Takelage instand zu setzen. Immer noch kopfschüttelnd verließ er das Bugkastell und begab sich nach unten ins Lazarett, um den Verwundeten Mut zuzusprechen. Nichts fürchteten die Seeleute mehr als die üblen Splitterverletzungen durch Kanonenkugeln, die vielen von ihnen ihre bis dahin gesunden Gliedmaßen, wenn nicht gar das Leben kosteten.

Nach seinem Vorgesetzten, der sie durch sein übereiltes und unvorsichtiges Handeln überhaupt erst in diese Lage gebracht hatte, würde Don Pedro später schauen. Vor den Hasstiraden und dem Gejammer des Admirals graute es ihm bereits, wenn er nur daran dachte. Doch er würde sich mit Don Juan Martínez de Recalde gut stellen müssen, denn nur dessen Verbindungen und Verwandtschaft mit dem Oberkommandierenden der spanischen Flotte konnte ihm nach diesem Vorfall seinen Rang oder mehr retten. Gemeinsam würden sie den Eintrag in das Logbuch besprechen, damit eher ihr heldenhaftes Verhalten zum Schutze der Verwundeten als ihr Versagen aktenkundig würde.

 

Auf der Golden Hind hatte man das Glück kaum fassen können, als die Nao tatsächlich abdrehte. Drake sprang vom Achterkastell auf das Hauptdeck herunter und stimmte in die Jubelschreie der Mannschaft ein. Dann umarmte er den Master Gunner, als wolle er ihm die Rippen brechen.

»Für diesen Schuss sucht Ihr Euch ein besonders schönes Schmuckstück aus unserer Beute für Eure Gemahlin aus, Cliffe. Nur die für die Königin bestimmten Smaragde und Perlen sind tabu.«

»Und sicher das, was Ihr Eurer eigenen Frau zugedacht habt, Captain Francis«, lachte der Kanonier, doch zu seinem Erstaunen winkte Drake nur ab.

An Bord der Golden Hind herrschten Regeln, die auf anderen Schiffen undenkbar waren und gerade dadurch den Zusammenhalt der Mannschaft, die auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen war, förderten. So redeten sich ausnahmslos alle mit den Vornamen an, auch der Schiffsführer selbst ließ sich davon nicht ausnehmen. Außerdem musste niemand vor Drake die Kopfbedeckung abnehmen, wenn er mit ihm sprach. Diese Ungeheuerlichkeit wurde von anderen Kapitänen mit sofortigem Kielholen oder zumindest Auspeitschen bestraft.

»Nun sagt schon, wie habt Ihr das denn fertiggebracht? Es waren doch geschätzte zwei Kabellängen, auf die Ihr getroffen habt!«

»Wie Ihr befohlen habt, Captain. Mit der doppelten Pulverladung. Allerdings hat es uns eine der Culverinen dabei zerrissen. Glücklicherweise ist aber niemand verletzt worden, da die Pulverkammer nicht explodierte, sondern nur der Lauf geplatzt ist. Ich habe eigentlich wesentlich höher gezielt, um die Fockrahe zu treffen. Das ist mir zwar nicht geglückt, aber trotzdem können wir mit dem Schuss doch zufrieden sein, oder?«

»Und ob! Verwahrt die beiden Bronzerohre gut, wir werden sie zu Hause der königlichen Gießerei übergeben, damit man sie gründlich untersucht. Vielleicht können sie ja dort Rückschlüsse aus unseren Erfahrungen ziehen und zukünftig Geschütze herstellen, die doppelt so weit schießen wie die der Spanier. Das würde uns einen unglaublichen Vorteil bringen und die zahlenmäßige Unterlegenheit unserer Flotte wenigstens teilweise ausgleichen.«

»Dann kannst du ihnen auch gleich sagen, dass sich eiserne Kanonen für einen längeren Aufenthalt auf See in keiner Weise eignen, Onkel«, ergänzte John. »Sie sind uns regelrecht unter den Händen weggerostet, während die beiden Bronzerohre nur Patina angesetzt haben.«

»So ist es. Und damit wir die Nachricht so schnell wie möglich nach Hause bringen können, setzt den letzten Fetzen Leinwand und nehmt Kurs auf England. Gern würde ich euch allen eine Extraration Wein spendieren, aber wie ihr wisst, herrscht in unseren Fässern gähnende Leere. Dafür sind die mit Gold und Silber gefüllten umso voller. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Zwei Tage lang seid ihr in Plymouth meine Gäste, und jeder von euch kann in den Schenken auf meine Kosten essen und trinken, so viel er mag.«

Der Jubel, der auf diese Ankündigung hin ausbrach, hallte weit über die See und war sogar noch einmal kurz auf der schon weit entfernten Nao zu hören.

Jeder Mann auf der Golden Hind konnte sich von seinem Anteil an der Beute ein eigenes Gasthaus kaufen, wenn er nur wollte.

Drake selbst würde mit dem, was für ihn übrig blieb, nachdem die Geldgeber des Unternehmens, die Krone und seine Männer ausbezahlt worden waren, sorgenfrei bis an sein selig Ende in Saus und Braus leben können. Doch ein Seemann wie er war nicht für das Land geschaffen. Er musste hinaus, das Wiegen der Wellen unter seinen Füßen spüren, Salzwasserluft schnuppern, ferne Länder sehen. Eine kleine Ruhepause vielleicht, wenn sie ihm denn vergönnt war. Doch ewig an Land bleiben, den auslaufenden Schiffen sehnsuchtsvoll hinterherschauen? Niemals! Vor allem, da es ihn doch so abgrundtief vor dem graute, was ihn zu Hause erwartete.

[home]

2.Plymouth, September 1580

Wie jeden Morgen, bevor die Sonne aufging, fuhren die Fischer hinaus in den Plymouth Sound, um ihre Netze auszuwerfen. Im Westen grüßten der hundert Yard hohe Felsen von Rame Head und die Michaelskapelle, die auf ihm thronte. Sie war immer schneeweiß gekalkt und daher weithin sichtbar. Für viele Seeleute, die von der aufblühenden Hafen- und Handelsstadt ausfuhren oder nach Hause zurückkehrten, waren diese steile Klippe und das kleine Kirchlein das Letzte oder Erste ihrer Heimat, das sie zu Gesicht bekamen.

Gleich drei Flüsse, die in die langgezogene Bucht mündeten, sorgten dafür, dass die Fischer meist mit reicher Beute heimkehrten. Achten mussten sie vor allem auf die unter Wasser befindlichen, scharfkantigen Kalksteinriffe. Die durch die Strömung und die Gezeiten immer wieder wandernden Sandbänke hingegen machten ihren kleinen Schiffen nichts aus. Liefen sie doch einmal auf, sprangen die Fischer in die See und zogen ihre meist leichten Kähne einfach wieder ins Wasser. Schlimmstenfalls warteten sie auf die nächste Flut, die das Boot dann anhob.

Für Tiefwassersegler allerdings bedeuteten sowohl die Riffe wie auch die Bänke eine ernstzunehmende Gefahr. Sie blieben deshalb nachts meist draußen auf Reede und warteten, bis ihnen jemand tagsüber den Weg wies. Die Lotsen von Plymouth verdienten gut daran, denn kaum eine hanseatische Kogge, niederländische Fleute oder iberische Karacke wagte sich ohne ihre sachkundige Kenntnis der Gewässer in den gefährlichen Sound hinein.

Umso verwunderter waren die Fischer, als sich vor ihnen eine dreimastige Galeone aus dem Frühdunst schälte und geradewegs auf die Hafenstadt zuhielt. Der Navigator kannte sich offenbar gut in der Bucht aus, denn er vermied geschickt die Untiefen und segelte, wenn auch nicht mit Vollzeug, so doch Fock-, Großtopp- und Besansegel führend, mit geschätzten vier Knoten in die Sound, wo andere Kapitäne sich nur äußerst vorsichtig hineintasteten.

Das Schiff allerdings befand sich in einem bemitleidenswerten Zustand. Farbe war kaum noch zu erkennen, die Takelage – selbst auf größere Entfernung zu sehen – offenbar unzählige Male geflickt, ebenso die Segel. Nur die Galionsfigur blitzte keck in den ersten Strahlen der Sonne, doch es schien sich um keinen Segler aus Plymouth zu handeln, denn eine goldene Hirschkuh hatte hier noch niemand gesehen. Andererseits kam den Männern, die jedes Schiff ihrer Heimatstadt kannten, der Dreimaster auch irgendwie bekannt vor.

In diesem Moment wurde das Vormarssegel aufgegeit, um Fahrt aus dem Schiff herauszunehmen. Die Fischer beobachteten, wie die Matrosen aufenterten, und stellten sachkundig fest, dass es sich um eine selten gut eingespielte Mannschaft handeln musste. Jeder Handgriff saß, blitzschnell wurden die Reffbändsel um die Leinwand geschlungen und festgezurrt. Dabei winkten die Sailor noch aus luftiger Höhe den Männern in ihren kleinen Booten zu und schienen sich unbändig zu freuen, sie zu sehen.

»Was zum Teufel war das nur für ein Kahn?« Ned Bell befiel auf einmal so eine Ahnung.

Aber das konnte doch gar nicht sein! Vor mehr als einem Jahr war die Elizabeth unter John Winter von der Südspitze Amerikas zurückgekehrt, und der Captain hatte berichtet, dass dieses Schiff, das sich da gerade daranmachte, St. Nicholas Island zu passieren, in den schwersten Stürmen, die Seeleute je erlebt hatten, untergegangen war. Daraufhin hatte er, ebenfalls nur knapp der Katastrophe entgangen, mit seiner Galeone die Heimreise angetreten und nur mit Mühe und Not England wieder erreicht.

Im ganzen Land waren nach dieser Nachricht Trauergottesdienste für Generalkapitän Francis Drake, die Mannschaft der Pelican und die Besatzung der Marygold abgehalten worden, die ebenfalls gesunken sein sollte. In ganz Südwestengland hatten zur Erinnerung die Kirchenglocken geläutet und Ned Bell im stillen Gedenken Abschied von seinen beiden Brüdern genommen.

Der Fischer wollte das jetzt genau wissen. Er warf die Pinne herum, stellte das Luggersegel steil an und jagte mit achterlichem Wind dem Dreimaster entgegen. Schon von weitem sah er, wie die Matrosen an der Reling die Hüte und Mützen schwenkten und ihm zujubelten, als wäre er der Überbringer der Frohen Botschaft. Und dann erblickte er ihn. Ganz ohne Zweifel – sein jüngerer Bruder Bill winkte ihm da zu, doch von Brian, dem Ältesten, war nichts zu sehen. Einerseits glaubte Ned Bell, sein Herz würde ihm gleich aus der Brust springen, andererseits erfassten ihn eine innerliche Beklemmung und Vorahnung.

Doch bevor er weiter darüber nachdenken und seinem Bruder einen Gruß zubrüllen konnte, beugte sich ein Mann über die Galerie des Achterkastells und rief den Fischer an. Jetzt war sich Ned Bell endgültig sicher, dass ihn seine Augen nicht trogen. Denn wer in Plymouth kannte diesen etwas untersetzten, stämmigen und rotbärtigen Schiffer nicht? Captain Drake, kühn und verwegen wie kein Zweiter und nach Meinung vieler der größte Sohn Devons seit Menschengedenken!

Viele Male schon hatten seine Schiffe an den Kais von Plymouth ihre Gold- und Silberladungen gelöscht, die er mit seinen Männern den Spaniern in Westindien abgenommen hatte. Und für jeden Einwohner der Stadt war etwas davon abgefallen, keiner war leer ausgegangen. Für Drake würden sie zur Not durch die Hölle gehen – alle.

Wieder schallte der Ruf des Captains über die See, und diesmal verstand Ned Bell, was er rief.

»Lebt die Königin? Ist Ihre Majestät wohlauf?«

Diese Frage beschäftigte und quälte den Captain seit Tagen. Auf Elizabeth waren bereits mehrere Attentate verübt worden, und nur durch Glück und Walsinghams Achtsamkeit hatte sie bis zu Drakes Abreise überlebt. Was, wenn doch während seiner langen Abwesenheit ein Mörder Erfolg gehabt haben sollte? Dann wäre Maria Stuart, die Königin von Schottland, die Thronerbin. Und die war schließlich katholisch und stand im Einvernehmen mit Spanien und den Papisten. In diesem Fall würden die Heimkehrer statt Ruhm und Ehre der Strang oder der Scheiterhaufen erwarten.

»Soweit ich weiß, geht es Lizzy gut, und sie erfreut sich bester Gesundheit! Zumindest hat bisher niemand etwas anderes von der Kanzel verkündet«, brüllte der Fischer zurück, und Drake fiel eine Zentnerlast vom Herzen. Auch an der Beliebtheit der Königin bei den einfachen Menschen schien sich nichts geändert zu haben, wenn ein einfacher Fischer sie respektlos »Lizzy« nannte. Wie Drake Elizabeth kannte, würde sie nur darüber lachen, falls sie davon hörte. Die Höflinge, Walsingham vielleicht einmal ausgenommen, taten es bestimmt nicht.

Das musste Ned Bell in Plymouth berichten! Er wollte der Erste sein, der die Nachricht von der Heimkehr der Pelican, oder auch Golden Hind, wie das Schiff jetzt anscheinend hieß, überbrachte. Wieder warf er die Pinne herum, winkte mit seiner Fischermütze wie wild den Männern an Bord der Galeone und natürlich seinem Bruder zu und ließ sein kleines Boot nur so über die Wellen in Richtung Hafen hüpfen.

Während seine Barke viele der Untiefen einfach ignorieren konnte, musste sich der Dreimaster jetzt doch vorsichtig durch den Sound manövrieren. Auf dem Achtersteven lag ein Mann mit dem Lot, der ständig die Wassertiefe und die Geschwindigkeit maß, am Kolderstock stand der beste Rudergänger, und Drake selbst beobachtete vom Bugkastell aus die Fahrrinne.

Als sie vor drei Jahren von hier ausgelaufen waren, vollbeladen mit Ausrüstung und Proviant für eine lange Reise, hatte sein Schiff neun Fuß Tiefgang gehabt. Jetzt waren es glatte dreizehn Fuß! Außerdem wusste der Captain nicht, wie sich zwischenzeitlich die Sandbänke verändert hatten, und es wäre mehr als blamabel, liefen sie, nachdem sie die ganze Welt umrundet hatten, kurz vor dem heimatlichen Hafen auf Grund. Doch auf einen Lotsen zu warten, das wäre Drake nicht einmal im Traum eingefallen.

Und so kam es, dass die Nachricht von der Rückkehr des verschollen geglaubten Schiffes wie ein Lauffeuer durch die Stadt galoppierte. Zuerst verkündeten es die Glocken von St. Andrew, dann stimmten alle anderen Kirchen ein und riefen den Menschen die frohe Kunde zu. Frauen, die geglaubt hatten, Witwen zu sein, Eltern, die ihre Söhne beweint hatten, Brüder und Schwestern, einfach alle, die laufen konnten, strömten zum Hafen. Auch Mary Drake, die hoch angesehene Frau des Generalkapitäns – doch nach ihrem Herzen hatte die Furcht gegriffen.

 

»Was ist denn das für ein Radau? Haben wir irgendeinen Feiertag übersehen?« John Hawkins zog missbilligend die Stirn in Falten. »Aber hier wird doch überall gearbeitet? Lassen wir uns also von dem Gebimmel nicht abhalten. Ihr meint also wirklich, Master Baker, dass das die Zukunft der Seefahrt ist?«

Hawkins, früher Sklavenhändler und Pirat, seit kurzem aber von den Lords der Admiralität und der Königin zum Schatzmeister der Flotte ernannt, stand mit den Kapitänen Richard Grenville, Martin Frobisher und John Winter vor dem neusten Schiff, das der zum ersten königlichen Schiffsbaumeister berufene Mathew Baker, eigentlich studierter Mathematiker aus Cambridge, entwickelt hatte.

Die schlanke, flache Galeone war bereits drei Jahre im Einsatz und vor allem in der rauhen irischen See auf Herz und Nieren geprüft worden. Jetzt lag sie erstmalig zur Überholung in der Werft, und Baker wollte die Gelegenheit nutzen, einige Veränderungen vorzunehmen und den wichtigsten Mann der Flotte, nämlich den, der für das Geld zuständig war, von seinen weitreichenden Plänen zu überzeugen.

Der hatte zu seiner Unterstützung gleich drei Vertraute mitgebracht, allesamt Piraten, wenn auch mit königlichen Kaperbriefen ausgestattet, wie Hawkins früher selbst.

»Hat sie sich nicht schon mehr als nur bewährt, meine Revenge? Wie mir berichtet wurde, ist sie mehr als doppelt so schnell wie die spanischen Galeonen. Sie kann hart am Wind segeln, aber auch gegen ihn aufkreuzen. Dadurch ist sie äußerst wendig und hat im Verhältnis zu ihrer Größe einen geringen Tiefgang. Genau das, was wir für unsere Zwecke und in unseren Gewässern brauchen.«