Der Rücktritt - Uwe Drewes - E-Book

Der Rücktritt E-Book

Uwe Drewes

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Beschreibung

Der Autor gewährt uns Einblicke in das Leben Jugendlicher der DDR in den 1960er und 1970er Jahren. Ein spannendes und humorvolles Buch aus dem Alltag des realen Sozialismus. Wir erfahren von Jungenstreichen, erster Liebe, sozialistischer Erziehung und anderem mehr. Auf jeden Fall ein unterhaltsamer Roman, der den Bürgern der ehemaligen DDR Bekanntes in Erinnerung ruft. Den westdeutschen Menschen kann er helfen, DDR - Lebenswege besser zu verstehen.

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Gewidmet meinen Freunden in Quedlinburg und Bad Suderode

Horst/Holstein 2022

Dieser Roman ist eine reine Fiktion. Personen und Ereignisse sind Erfindungen des Autors.

Das gilt auch dann, wenn hinter den Romanfiguren Urbilder erkennbar sein sollten und reale Ereignisse ihn inspiriert haben.

Mein besonderer Dank gilt wieder meiner Frau Sabine Drewes für die sehr gute Unterstützung bei der Erarbeitung des Buchmanuskriptes.

Titelbild: Uwe Drewes

Inhaltsverzeichnis

Ohne Rücktritt

Segelfliegen

Die Mutprobe

Familienfeier – Oder weshalb Olaf mit seinem Opa auf dem Apfelbaum Kohlrouladen aß

Die zerbrochene Gitarre

Handball

Hecht mit Biss

Russisch und andere Lieblingsfächer

Die Wippe WWiippppee

Jugendweihe

Geheimdienst

Blutsbrüder

Brandstiftung

Die Strafe

Sag mir wo du stehst

Nach 10 Jahren

Ohne Rücktritt

„Weg da, Bahn frei“, schrie Olaf so laut er konnte. Vergeblich versuchte er, sein Fahrrad zum Stehen zu bringen. Das alte Rad hatte keine Handbremse, der Rücktritt funktionierte nur, wenn man ihn sehr gefühlvoll einsetzte. Aber daran war in dieser Situation nicht zu denken. Die stark abschüssige Landstraße, Reißaus genannt, war für einen sanften Bremsvorgang nicht geeignet. Hier hätte Olaf schon voll auf die Pedale treten müssen. Er war als letzter Junge seiner Klasse losgefahren, eben weil er von den Problemen seines Fahrrades wusste. In der Kurve stand die Klasse nun und wartete auf die Letzten. Dummerweise überhörten sie seine Warnrufe. Olaf sah vor sich eine Menschenmauer mit Fahrrädern. Die Situation überforderte ihn total. Wohin sollte er ausweichen. Rechts standen Bäume, links standen Bäume. Während er verzweifelt nach einem Ausweg suchte, hatte er schon die Gruppe erreicht und prallte mit hohem Tempo auf Hansis Fahrrad.

Olaf wurde durch den harten Aufprall in die Luft geschleudert und landete nach mehreren Metern Luftfahrt auf den Asphalt. Dann verlor er das Bewusstsein.

Als er wieder zu sich kam, sah er als erstes, wie Hansi auf einem Bein hüpfte und laut jammerte: „Aua, Aua, bist du bekloppt. Du hast mir das Bein gebrochen!“ So schlimm war es gar nicht. Hansi hatte nur eine kleine Fleischwunde. Olaf wies äußerlich keine Verletzungen auf, verspürte aber starke Kopfschmerzen und Übelkeit.

Später wurde ihm klar, dass er eine mittelschwere Gehirnerschütterung hatte. Er besaß keinen Sturzhelm, der ihn hätte schützen können. Denn zu jener Zeit waren Fahrradhelme noch nicht üblich. Olaf hatte noch Glück gehabt, dass er keine schlimmeren Verletzungen erleiden musste.

Frau Arbes, die Klassenlehrerin, kam als Letzte. Sie hatte das Malheur gesehen, verlor aber keine weiteren Worte. Sie sagte nur: „Los aufsteigen, wir sind schon spät dran. Die Genossenschaftsbauern werden schon auf uns warten.“ Wie ihre Schüler hatte sie keine Lust, schon wieder bei der Kartoffelernte aushelfen zu müssen. Nachstoppeln hieß die ungeliebte Aktion. Dabei mussten die Kartoffeln aufgelesen werden, die von der Erntemaschine nicht erfasst worden waren. Wie nicht anders zu erwarten war, hatte es geregnet und die Kinder standen knöcheltief im lehmigen Ackerboden.

Olaf fühlte sich gar nicht gut. Ihm war schlecht, er fror und hätte sich am liebsten auf die schlammige Erde gelegt. Frau Arbes hatte nun doch ein Herz und erlaubte dem Unglücksraben, früher nach Hause zu fahren. Fahren wäre schön gewesen, aber das Fahrrad hatte ein total verbogenes Vorderrad. Olaf musste es vier Kilometer nach Hause schieben.

Man braucht keine Fantasie, um sich vorzustellen, wie groggy Olaf war, als er endlich die Tür zum elterlichen Grundstück öffnen konnte. Ihr Quietschen war Musik in seinen Ohren. Er ließ das demolierte Rad einfach fallen und ging in sein Zimmer. Erschöpft legte er sich auf sein Bett. Er war gerade beim einduseln, als die Tür seines Kinderzimmers aufging. Sein Vater stand im Türrahmen. Olaf sah ihm an, dass er nicht in bester Laune war.

Olafs Vater war Polizist. Schon deswegen achtete er sehr darauf, dass jeder in seiner Familie die Gesetze einhielt. Olafs Familie bestand neben ihm und seinen Eltern noch aus einem älteren Bruder und einer jüngeren Schwester. Olaf hatte bei seinem Vater keinen guten Stand. Woran das lag, wusste er noch nicht. Es war halt so, und er hatte sich damit abgefunden, dass seine Geschwister vorgezogen wurden. Dabei hätte sein Vater eigentlich gute Gründe gehabt, auf seinen Sohn stolz zu sein. Olaf gehörte zu den besten Schülern. Er trieb viel Sport und half gerne im Haushalt und im Garten.

Nun, wo sein Vater in der Zimmertür stand, spürte Olaf ein Gewitter heraufziehen. Aber der Vater setzte sich neben Olaf auf die Liege und nahm seine Hand „Was ist passiert? Mitten am Tag im Bett. Warum bist du nicht bei deiner Klasse? Und was ist mit deinem Fahrrad passiert? Hattest du etwa einen Unfall?“

Olaf konnte dieser direkten Frage nicht ausweichen. „Ja, bin gestürzt“, murmelte er ängstlich. Seinem Vater genügte diese Antwort nicht: „Erzähle mir doch bitte ausführlich, wie das passieren konnte. Am besten wird sein, wir schauen uns zusammen dein Fahrrad an.“ Olaf stand widerwillig auf und trottete hinter seinem Vater her.

„Also“, der Vater hielt das Fahrrad am Vorderrad hoch, „wie kam es zu deinem Unfall? Mir scheint, deine Bremsen funktionieren nicht. Waren die defekten Bremsen die Ursache für deinen Unfall?“ Olaf kamen die Tränen. Trotzig antwortete er: „Meine Bremsen sind schon längere Zeit kaputt. Das wisst ihr doch. Ich habe von euch kein Geld bekommen, um sie reparieren zu lassen.“ Der Vater sah seinen Jungen wütend an und sagte: „Ich habe dir verboten, mit dem defekten Fahrrad weiter zu fahren. Womöglich gibst du mir noch die Schuld an deinem Sturz.“

Olaf erwiderte: „Aber ich brauchte doch mein Rad, wie sollte ich sonst zum Ernteeinsatz kommen.“

Der Vater stellte das Rad an die Schuppenwand: „Dieses Rad bleibt stehen, bis du es in Ordnung gebracht hast und ich seinen verkehrssicheren Zustand kontrolliert habe. Und jetzt ab mit dir in den Garten. Die Äpfel sind zu pflücken und die Kaninchen sind zu füttern. Aber bitte kein Gras, nur Löwenzahn für die Karnickel. Ist das klar!“

Olafs jüngere Schwester hatte den Streit des Vaters mit ihrem Bruder verfolgt. Sie steckte ihm die Zunge raus und lästerte: „Geschieht dir ganz recht, immer machst du was du willst. Jetzt sieh man zu, wie du deine alte Karre wieder flott kriegst.“ Sie drehte sich um und fuhr mit ihrem nagelneuen Kinderrad davon.

Dieter war Olafs bester Freund. Er kam gerade recht, um die Lästerei Ulrikes zu hören. Olaf tat ihm leid. Dieters Vater war Schlosser, mit einer eigenen Werkstatt. Ein unglaubliches Privileg. Wie Olaf ihn darum beneidete. Dieter versuchte, Olaf zu trösten. Für einen Jungen seines Alters keine leichte Aufgabe. Er sagte: „Dein Alter hat voll was an der Birne. Wie kann er dir die Schuld an dem Unfall geben, wo er die Kosten der Reparatur abgelehnt hatte.“ Damit konnte er Olaf aber nicht trösten. Ganz im Gegenteil. Olaf heulte jetzt erst richtig los: „Wie soll ich das nur anstellen. Das Rad reparieren von meinem Geld. Ich habe doch gar kein Geld.“

Dieter runzelte die Stirn: „Bekommst du kein Taschengeld?“

Olaf: „Nein, nur hin und wieder von meinem Opa ein paar Mark. Ich weiß auch nicht, wie teuer die Reparatur wird.“

Dieter legte den Arm um seinen Freund: „Habe kapiert. Komm wir fragen meinem Vater. Der kennt sich damit aus.“

Dieters Vater roch nach Farbe und Öl. Sein Overall war voller Öl- und Farbflecken. Olaf liebte diesen Geruch. Hin du wieder durfte er in der Werkstatt aushelfen. Er konnte davon nicht genug kriegen. Schrauben, Bohren, Feilen – das war seine Welt. Er wollte später unbedingt Schlosser oder Mechaniker werden. Aber nur, wenn er seinen Haupttraum nicht erreichen konnte. Darüber war er sich mit Dieter einig: Piloten wollten sie werden. Und nicht irgendein Pilot, sondern Jagdflieger auf einer MIG 19. Sie sammelten alle Informationen über diesen Jagdflieger und - bomber. Es war das erste Flugzeug, das im Horizontalflug schneller als der Schall war.

Olaf und Dieter hatten sich einen Trainingsplan ausgedacht, um sich für den Einsatz als Kampfpilot körperlich fit zu machen. So oft es ihre Zeit erlaubte, unternahmen sie Ausdauerläufe. Punkt zwei des Trainingsplans waren Gleichgewichtsübungen. Dafür hatten sie einen alten Drehsessel umgebaut. Sie stießen sich im Sitzen vom Boden ab und erreichten beachtliche Drehzahlen. Nach einer Minute bremsten sie abrupt und versuchten, gerade auf einer Kreidelinie zu laufen. Das war gar nicht so einfach. Aber diese Übung machte ihnen am meisten Spaß. Sie konnten so richtig ablachen, wenn sie mal wieder mit dem schnell rotierenden Drehsessel umkippten und sich schmervoll den Hintern streichelten.

Ihre dritte Trainingsmaßnahme bestand im Luftanhalten. Sie atmeten tief ein und bemühten sich, so lange wie möglich ohne Atmung auszukommen. Dabei erreichten sie Zeiten von über einer Minute. Einmal wurden sie von Dieters Mutter gefragt, weshalb ein Kampfpilot die Luft anhalten muss. Darauf wussten sie keine Antwort. Wahrscheinlich sollte dadurch die Leistungsfähigkeit der Lunge erhöht werden, sagten sie. Die Mutter war damit zufrieden. Sie streichelte Dieters Locken und wünschte den beiden Kampfpiloten viel Spaß und Erfolg in ihrem harten Training.

Dieters Vater sah seinen Sohn mit Olaf und dessen kaputten Fahrrad schon kommen. Er legte den Schraubenschlüssel beiseite und wischte sich die Hände an einen Putzlappen ab. „Na Jungs“, sagte er freundlich, „was ist euch denn widerfahren?“ Ohne eine Antwort abzuwarten nahm er das Fahrrad und kontrollierte seinen Zustand. Er kratzte sich den Kopf und murmelte: „Auf den Schrott damit.“

Olaf erschrak. Das hatte er sich anders vorgestellt. „Ich kann mein Fahrrad nicht verschrotten, ich brauche es jeden Tag und meine Eltern wollen mir kein anderes kaufen. Es müsste ja nicht mal neu sein.“

Dieter sah seinen Vater bittend an: „Kann man da nicht was machen. Ich meine, können wir Olafs Fahrrad reparieren? Du hast doch bestimmt noch Ersatzteile im alten Schuppen.“ Dieters Vater lachte laut: „Du bist mir schon ein Schlingel. Immer werde ich von deiner Mutter und dir gehänselt, weil ich alles aufbewahre. Aber jetzt seid ihr froh darüber, dass Vati so gut wie nichts wegwirft.“

Es gehörte in der DDR zu den verbreiteten Angewohnheiten, alles aufzubewahren, was man irgendwann zu irgendwas gebrauchen könnte. Diese Haltung war eine normale Reaktion auf die mangelhafte Versorgung mit Werkzeugen, Ersatzteilen und Werkstoffen. Die alte Scheune von Dieters Vater war deshalb kein Müllhaufen, sondern eine Schatzkiste. Was hier gelagert wurde, hatte einen variablen Wert. Der richtete sich danach, wie dringend der Artikel gebraucht wurde. Es konnte schon mal vorkommen, dass ein viele Jahre altes Ersatzteil mehr kostete als ein Neuteil. Ganz einfach deshalb, weil es neu nicht zu bekommen war.

Aber davon wussten die beiden Jungs noch nicht viel, als sie die alte Scheune nach Ersatzteilen für Olafs Fahrrad durchstöberten. Sie nahmen alles mit, was ihnen geeignet erschien. Bald stapelte sich auf dem Hof ein ansehnlicher Haufen von Fahrradteilen. Dieters Vater hatte inzwischen Olafs Fahrrad überprüft und holte einige Artikel aus dem Stapel. „So Jungs“, sagte er ruhig, „das solls für erste gewesen sein. Wir nehmen dieses Vorderrad, das Hinterrad mit funktionstüchtigem Rücktritt und die Handbremse. Den Rest könnt ihr wieder reintragen.“

Olaf spürte vor Aufregung einen Kloß in seinem Hals. Er freute sich sehr, war aber besorgt, ob er diese Schätze auch würde bezahlen können. „Wieviel kostet das denn?“, fragte er ängstlich. Dieters Vater sagte mit einem verschmitztem Lächeln: „Eigentlich zwanzig Mark. Aber ich ahne schon, dass du nicht so viel Geld hast. Wir machen das so, dass du mir immer das bringst, was du gerade entbehren kannst. Und ich könnte mir auch vorstellen, dass du mir in meiner Arbeit hilfst. Das rechne ich dir dann an.“

Dieters Vater hatte ein großes Herz. Er freute sich, dass sein Junge mit Olaf befreundet war. Denn beide Jungen waren anständige Kerle. Sein Sohn hatte dadurch keinen schlechten Umgang. Er wusste von Jugendgruppen, wo Alkohol getrunken und geraucht wurde. Das wollte er für seinen Sohn verhindern. Die paar Mark für Olaf konnte er verkraften. Er winkte Olaf zu: „Komm gleich mal mit, du kannst mir beim Hartlöten helfen.“

Neugierig folgte Olaf ihm in die Werkstatt. Er konnte sich unter Hartlöten nichts vorstellen. Dieters Vater wollte einen beschädigten Waschkessel reparieren. Er forderte Olaf auf, den Kessel festzuhalten, damit er das Loch flicken konnte. Währenddessen hielt er einen Vortrag über das Löten: „Du musst wissen, wir unterscheiden zwischen Hart- und Weichlöten. Beim Löten werden Genstände mit einem Bindemittel aus Metall fest verbunden. Beim Weichlöten nehmen wir Zinn als Bindemittel, beim Hartlöten eine härtere Metalllegierung. Die beim Hartlöten entstehende Verbindung ist stärker belastbar als beim Weichlöten. Deshalb repariere ich den Kessel auch nicht mit Zinn. Es würde beim Einheizen des Kessels schmelzen.“

Olaf hatte sehr interessiert zugehört. Das war genau das, was ihm Spaß machte. Dieter hatte den Vortrag seines Vaters verfolgt, wollte jetzt mit seinem Wissen doch etwas prahlen. Er sagte: „Du brauchst neben dem Bindemetall auch noch ein Flussmittel. Das dient dazu, dass das Metall auf der Lötstelle verlaufen kann. Das Flussmittel reinigt sozusagen die Oberfläche der Lötstelle.“

„Richtig mein Junge“, Dieters Vater freute sich über das Wissen seines Sohnes, „und einen weiteren Unterschied haben wir noch. Wer von euch kennt den?“ Dieter war um eine Antwort nicht verlegen: „Das kann ich dir sagen. Beim Weichlöten verwenden wir einen Lötkolben, der elektrisch erhitzt wird. Die dabei erreichte Temperatur würde für das Hartlöten aber nicht ausreichen. Deshalb benutzt man hier eine offene Flame, entweder eine Gaspistole oder eine Lötlampe mit Petroleum.“ „Und wieviel Grad Celsius braucht man beim Löten?“, fragte Olaf. Dieter zuckte mit den Schultern: „Weiß nicht…“Der Vater sprang ihm zur Hilfe: „Beim Weichlöten sprechen wir von Temperaturen bis 450 Grad, Hartlöten reicht von 450 bis zirka 900 Grad.“

„So fertig“, der Vater legte die Lötlampe beiseite. „Ich danke dir für deine Hilfe. Ich denke, wir können dir dafür fünf Mark von deinen Fahrradschulden erlassen.“

Dieters Mutter kam auf den Hof. „Komm rein, wir wollen Kaffee trinken“, sagte sie zu ihrem Mann. „Sofort mein Schätzchen“, der Vater ließ alles liegen und ging schnurstracks ins Haus. Dieter kicherte: „Da siehst du, wer hier der Chef ist. Er folgt ihr aufs Wort.“

Aber das hatte Olaf schon nicht mehr gehört. Er konzentrierte sich auf die Reparatur und ließ erst davon ab, als sein Rad wieder verkehrssicher war. Er war nicht nur froh, dass er sein altes Rad wieder nutzen konnte, sondern auch sehr stolz, die Reparatur selber gemacht zu haben.

Für seine Generation war es typisch, dass die Eltern nicht so viel Geld besaßen, um jeden Wusch ihrer Kinder erfüllen zu können. Wenn das alte Fahrrad kaputt war, konnte es nicht einfach in die Werkstatt gebracht oder gegen ein neues eingetauscht werden. Diese junge Generation erwarb beim Reparieren und Improvisieren handwerkliche Fähigkeiten, die sie ein ganzes Leben lang anwenden konnten.

Segelfliegen

Olaf und Dieter hatten sich für das Wochenende etwas Wichtiges vorgenommen. Sie planten einen Ausflug zum Flugplatz Ballenstedt.

Sie waren am Sonnabend früher aufgestanden, denn vor ihnen lagen 10 Kilometer mit dem Fahrrad. Um 9.00 Uhr ging es los. Auf den Gepäckträgern lagen ihre Rucksäcke. Ihre Mamis hatten belegte Brötchen und Wasserflaschen darin verstaut. Ziel der langen Radtour war ein kleiner Flugplatz. Sie wollten sich danach erkundigen, ob sie eine Ausbildung zum Segelfliegen erhalten konnten. Das war seit langem ihr größter Wunsch. In der Arbeitsgemeinschaft Modellbau hatten sie sich bereits mit den Grundlagen des Fliegens vertraut gemacht.

Oft hatten sie davon gesprochen, welches Gefühl das wohl sein mag, wenn man in einem Segelflugzeug in die Luft aufsteigt. Stilles Gleiten. Nur der Wind ist zu hören. Der Steuerknüppel liegt fest in der Hand. Die Füße stehen auf den Pedalen. Jetzt den Steuerknüppel drücken, um Schwung für einen Looping zu holen. Nun den Knüppel ziehen, schnell Steigen und in einem eleganten Bogen sich einmal um die eigene Achse drehen. Das musste herrlich sein! Mit ihren Modellfliegern gelang ihnen das problemlos. Für sie war das schon Routine.