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Im Großraum Köln werden mehrere Morde und Mordversuche in Wellnessoasen begangen. Eine weitere Tat in Bergisch Gladbach ist angekündigt. Der ältere, murrige Polizist Horst Feld und seine junge, kesse Kollegin Astrid Stein erhalten den Auftrag, diese Tat in der Sauna zu verhindern. Der prüde Horst fühlt sich bei diesem Einsatz wenig komfortabel. Die lockere Astrid führt ihn immer wieder genüsslich vor. Aber bereits nach kurzer Zeit gerät Astrid in akute Lebensgefahr und wird selber zum Ziel. Immer neue Ereignisse machen Horst und Astrid zu Getriebenen. Was zunächst wie eine brutale Erpressung aussieht, stellt sich als Drama aus verbotener Liebe, Hass und Gier heraus. Schließlich drehen die Polizisten den Spieß um.
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Seitenzahl: 236
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Der Saunamörder vonBernward Salomon
Impressum Text: © Copyright by Bernward SalomonCover: © Copyright by Bernward SalomonPublished by: epubli GmbH, Berlinwww.epubli.de
Produced in Germany Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Inhalt
Die Strafe. 5
Der erste Schweiß. 17
Recherchen. 31
Glück gehabt39
Nachlese. 45
Die Konferenz. 50
Verbindung. 58
Marienburg. 67
Familienbande. 76
Zweifel88
Verwirrende Spuren. 99
Ursula. 107
Andrea. 113
Der Lebemann. 120
Der Unbekannte. 128
Die Drohung. 133
Auch das noch. 141
Der Sechzehnte. 148
DNA.. 157
Erinnerungen. 164
Noch ein Opfer170
Johannes. 178
Beweise. 196
Der Vater205
Die Yacht213
Und nun?. 224
Der Plan. 231
Das Haus am Rhein. 235
Der Tag danach. 249
Das Geständnis. 260
Emotionen. 268
TROPI GL.. 283
War es das?. 303
NAMENSLISTE. 309
Ein großes Verwaltungsgebäude in Köln. Ein langer von Leuchtstofflampen erleuchteter Flur mit raufaser-weißen Wänden. Links und rechts Milchglastüren, die die dahinter liegenden Büros vor Einblicken schützen. Gelegentlich öffnet sich eine Tür, jemand betritt den Flur und verschwindet stumm einige Türen weiter in einem anderen Büro. Manchmal gehen zwei Türen nahezu zeitgleich auf und die Personen treffen sich auf dem Flur. Dann kann es geschehen, dass man ein halblautes »Guten Morgen« oder »Wie geht’s?« hört. Und wieder verschwinden sie in irgendeinem Büro. Kurz darauf kehrt wieder Ruhe auf dem Flur ein. An einem Ende des Flurs befindet sich die Eingangstüre aus dem Treppenhaus, die sich fast lautlos elektromechanisch öffnet, wenn jemand sie passieren will.
Genau das geschieht jetzt. Von draußen betritt ein etwa 1,70 Meter großer, korpulenter Mittvierziger den von Leuchtstofflampen erleuchteten Flur. Seine dunklen Haare sind von grauen Ansätzen durchzogen. Mürrisch schaut er aus. In der Hand hält er einen Zettel, auf welchen er schaut. »Herbst, Dr. Herbst. Was für ein Name?«, brummelt er vor sich hin. Plötzlich öffnet sich neben ihm eine von jenen Milchglastüren und ein junger Mann betritt den Flur. Laut und deutlich fragt er diesen: »Entschuldigen sie! Können sie mir sagen, wo ich Dr. Herbst finde?«.
Aufgeschreckt, aber dennoch leise, kommt ein: »Oh! ... Eh! … Ja! … Ganz am Ende des Flurs rechts ist der Anmelderaum!« Fast mitleidig verschwindet der junge Mann wieder hinter einer jener Milchglastüren. Das »Danke!« hat er wohl nicht mehr richtig gehört.
Tür für Tür nähert sich der Mann dem Ende des Flurs: »Ah! Da ist es!«
In einer Nische ohne Glastür befindet sich eine etwa drei Meter breite Holzbank. Über dieser hängt ein Schild mit der Aufschrift „Disziplinaraufsicht! Wartezimmer Dr. Herbst. Bitte nehmen sie Platz! Sie werden aufgerufen!“. Mit einem gewissen Humor könnte man vom Sünderbänkchen reden. Aber der Gesichtsausdruck des Mannes lässt jeden Humor unwahrscheinlich erscheinen. Mit knurriger Miene nimmt er mitten auf der Bank Platz. Das Knarren des Holzes gibt ein Gefühl für das Gewicht des Mannes. Ein leichtes Durchschnaufen lässt vermuten, dass Sport nicht zu seinen bevorzugten Hobbies gehört. Er stützt seine Arme auf die Knie und schaut auf seinen Zettel: »8:30 Uhr! Na Ja! Da habe ich ja noch ein paar Minuten!«.
Während dessen nähern sich schnellen Schrittes Damenschuhe. Das Klack, Klack auf dem harten Fliesenboden lässt auf hochhackige Schuhe schließen.
»Das passt so gar nicht zu den Bürohuschen mit ihren Ökopantoffeln!«, brummelt der Dicke leise vor sich hin. Kaum hat er das gesagt, biegt das Klack, Klack um die Ecke. Ganz langsam fährt sein Blick nach oben. Oberhalb der hochhackigen Schuhe erblickt er eine eng anliegende, hellblaue Hose, welche die schlanken Beine bedeckt. Über dem modischen Gürtel erscheint eine verzierte weiße Bluse in der offensichtlich Bewegtes verpackt ist. Auf der Bluse flattert mittelblondes Haar, was zu einem hübschen Gesicht mit braunen Augen und einer kleinen Stupsnase gehört. Sein scannender Blick schätzt Mitte Dreißig. Dieser Blick trifft auf einen kräftigen Return.
»Na Alterchen! Lange her, dass du mal so ein Fahrgestell bewundern durftest. Tu dir keinen Zwang an, aber rutsch mal ein Stück, damit ich auch sitzen kann!«.
Vollkommen perplex von diesem Volley – Return rutscht er zur Seite, bevor er sich wieder im Griff hat.
»Mir ist nicht bekannt, dass wir uns duzen! Offensichtlich hat dieser horizontale, rot bemalte Körperteil in ihrem Gesicht gerade eine kleine Funktionsstörung!«
… Bevor auch nur irgendein weiterer Satz gesprochen werden kann, öffnet sich auf der anderen Seite des Flurs die Tür. Es erscheint eine eher hagere Endfünfzigerin, die von ihrem Look und von ihrer Aura einfach Frau Dr. Herbst sein muss.
»Herr Feld, Frau Stein, ich sehe, sie haben sich bereits ein wenig kennengelernt! Mein Name ist Herbst und ich leite die Disziplinarkommission. Kommen sie bitte in mein Büro!«.
»Dachte ich mir doch. Der Name ist Programm!«, brummelt der Dicke sehr leise vor sich hin.
Mit noch strengerem Blick zeigt sie in ihr Büro: »Bitte nehmen sie beide Platz!«
Der Blick, die Gestik, das Aussehen zeigen glasklar, dass der Titel „Humorloseste Kölnerin“ fest vergeben ist. Während sich beide hinsetzen, verschließt sich hinter ihnen die Tür. Frau Dr. Herbst geht um ihren Schreibtisch, setzt sich auf ihren großen Stuhl mit kräftigem Ledersitz, setzt ihre Lesebrille auf, die sie an einer Kette um den Hals trägt, öffnet eine vor ihr liegende Büromappe, liest oberflächlich in ihr, hebt den Kopf und setzt die Lesebrille mit strengem Blick ab.
»Tja! Wie ich sehe, sind sie beide nicht das erste Mal vor einer Disziplinarkommission. Aber diesmal haben sie ihre Bögen überspannt. Herr Feld, wiederholt ignorierten sie gesetzliche Vorschriften und sind im vorliegenden Fall ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss in ein Haus eingedrungen. Weiterhin haben sie versucht einen BKA-Beamten zu bestechen, um an Verschlusssachen auf kleinem Dienstweg zu gelangen. Aber als Sahnehäubchen oben drauf beschimpfen sie die Ehefrau des Innenministers als … ich zitiere „Eitle Zicke, die sich aus den Ermittlungen des Landeskriminalamt heraushalten soll“. Lediglich dem Umstand, dass sich der Mörder im Freundeskreis des Ministers befand und Diskretion erwünscht war, verdanken sie, dass sie überhaupt noch im Polizeidienst sind. Haben sie dazu irgendetwas zu sagen?«
Der korpulente Mann will gerade den Mund zu einer Erwiderung öffnen, da wendet sich die Humorlose an die Klack Klack.
»Und sie Frau Stein. Alleine in diesem Jahr haben sie drei Dienstwagen dem Autoverwerter zugeführt. So nebenbei haben sie einem – zugegebenen etwas ungehobelten – Kollegen den Kiefer gebrochen.
OK! Sie haben einen Zuhälterring gesprengt. Das ist für eine Frau Mitte Dreißig durchaus bemerkenswert. Aber, dass sie den Oberstaatsanwalt bei der nicht schnellen Erteilung eines Haftbefehls … ich zitiere … „Einen schlafmützigen Schreibtischtäter mit Hang zum Narzissmus“ beschimpft haben, sprengt jede Verhältnismäßigkeit.«
Reflexartig öffnet sich der rot bemalte Körperteil. »Aber das stimmt doch!«
»Kein Aber! … Ihre auch heute demonstrierte Uneinsichtigkeit untermauert meinen Beschluss, dass sie beide mit heutigem Datum in den Streifendienst versetzt sind. Entsprechende Planstellen in der Eifel sind seit längerem unbesetzt. Bitte melden sie sich bei dieser Wache. Ich habe sie entsprechend angekündigt. Guten Tag!«
Frau Dr. Herbst drückt beiden ihr Versetzungsschreiben in die Hand, erhebt sich und bedeutet beiden den Weg zur Tür.
In diesem Moment öffnet sich die Tür von außen. Es betritt ein elegant gekleideter Mann mittleren Alters etwas hinter Atem den Raum.
»Geschätzte Kollegin! Bitte entschuldigen sie mein verspätetes Erscheinen. Ich habe eben erst von diesem Termin und ihrem Beschluss erfahren! Beide Beamte sind unbestritten ausgesprochen undiszipliniert. Anderseits sind sie außerordentlich erfolgreich. Ich möchte daher einen Vorschlag für eine letzte Chance unterbreiten. Ich habe da zwei kritische Mordfälle, bei denen einiges auf eine Serie hindeutet. Ich benötige zwei erfahrene Beamte für eine ungewöhnliche Observation, bei der diesen allerdings einiges zugemutet wird. Da beide andererseits der Polizei einiges zugemutet haben, könnte ich mir eine Art Wiedergutmachung vorstellen.«
»Geschätzter Kollege Polizeipräsident! … Nein! Nein! … Sie wissen doch, dass solche Angebote rechtlich unzulässig sind, da sie eine Art beruflichen Zwang zur Grundlage haben.«
Da meldet sich der korpulente Herr Feld.
»Frau Dr. Herbst. Ich habe hier von einem interessanten Fall gehört. Nicht war Frau Stein?«, geht der Blick in Richtung Klack Klack, welche zustimmend nickt.
»Kann es sein, dass in der Akte nicht doch letzte Ermahnung stand, was auf keinen Zwang hinauslaufen würde?«
Der Polizeipräsident wirft einen um Güte bittenden, fragenden Blick in Richtung von Frau Dr. Herbst.
»Hmmh …Herr Kollege, wie ich sie kenne, fragen sie nur aus gewichtigem Grund und werden die disziplinarischen Aspekte im Auge behalten. Vielleicht hat mein Sekretariat nur einen kleinen verzeihlichen Fehler beim Aktenübertrag gemacht«, entgegnet sie mit eher wohlwollendem Blick in die Akten.
Dankend nickend antwortet er: »Sie können sicher sein, dass es auch mir ein Anliegen ist, Disziplin bei der Kriminalpolizei zu wahren und zu fördern.«
Während beide Delinquenten augenscheinlich erleichtert das Büro verlassen, wirft der Polizeipräsident unbeobachtet einen fast schmunzelnden Blick zu Frau Dr. Herbst, die seinen Blick eher zufrieden erwidert.
»Herr Feld, Frau Stein, bitte folgen sie mir in mein Büro!«
Zielstrebig bewegt sich der Polizeipräsident über den langen, von Leuchtstofflampen erhellten Flur in Richtung Aufzug.
Freundlich und höflich gestikulierend bittet er Frau Stein als erste den Aufzug zu betreten: »Erlauben sie mir nach dieser kleinen sportlichen Einlage, dass wir den Aufzug nehmen, obwohl mein Büro nur eine Etage höher liegt?« Noch bevor Herr Feld den Aufzug betreten kann, huscht der Polizeipräsident in den unpersönlichen Kubus. Immer noch grummelig, folgt schließlich der kleine Dicke, während er die Aufforderung erhält, den Knopf für die nächste Etage zu drücken. Auch ohne verbalen Kommentar ist das hämische Grinsen von Klack Klack ausreichend herablassend und provozierend.
»Nehmen sie Platz«, weist der Polizeipräsident die beiden in seinem Büro an. »Wie ich bereits bei meiner geschätzten Kollegin Herbst erwähnte, müssen wir, nach den bisherigen Ermittlungen, von einer potentiellen Serie ausgehen.
Vor vierzehn Tagen wurde in dem viel besuchten Wellness Center SI-RELAX in Siegburg eine junge Frau tot in einer Sauna aufgefunden. Wir gingen am Anfang von einem Unfall mit Organversagen aus, nachdem sie in der Sauna eingeschlafen war. Bitte werfen sie einen Blick in die Akte. Dort finden sie einige Fotos. Es fiel zunächst nicht auf, dass die Frau mit verschränkten Armen ihren Bauchnabel abdeckte und die Beine überkreuzte. Es sah nach entspanntem Schwitzen aus.
In der vergangenen Woche hatten wir dann in der nächsten Saunalandschaft, im SPA-SPO in Leverkusen einen Todesfall einer Frau mittleren Alters. Auch bei dieser waren die Hände über dem Bauchnabel verschränkt und ihre Beine waren überkreuzt.
Seit vorgestern müssen wir von einer akuten Serie ausgehen.
Vom COCI SPA in Köln wurden wir informiert, dass eine dritte Frau, ebenfalls mittleren Alters, plötzlich von einer sehr starken Müdigkeit befallen wurde und eingeschlafen ist. Irgendein Gift hatte sie offensichtlich betäubt.
Nur durch einen Zufall ist die Frau einem anderen Gast aufgefallen. Glücklicherweise konnte sie gerettet werden.
Da die beiden vorangegangenen Fälle bei den großen Saunabetreibern ohne Öffentlichkeit bekannt geworden waren, wurden wir eingeschaltet.
Wir wissen bis heute nicht, wie sie das Gift zu sich genommen haben. Die üblicherweise bereit stehenden Wasserbehälter und weggeworfenen Plastikbecher wiesen keine Auffälligkeit auf.
Gestern Nachmittag ging beim TROPI GL in Bergisch Gladbach ein anonymer Anruf ein. Eine stark verstellte Stimme kündigte den nächsten Toten an. Es gab aber weder Forderungen, noch sonstige Instruktionen. Wir tappen völlig im Dunkeln.
Und nun zu ihrem Einsatz. Wir möchten sie bereits ab heute als verdeckte Ermittler im TROPI GL einsetzen. Wie sie sich vorstellen können, geht das nur, wenn sie sich nicht von den anderen Gästen unterscheiden. Vielleicht verstehen sie jetzt, was ich in dem Gespräch mit meiner geschätzten Kollegin Dr. Herbst als Zumutung bezeichnete.«
Kaum sind die letzten Sätze ausgesprochen, da verändern sich die Gesichtsausdrücke. Während der kleine Muffel den Eindruck macht, als ob man ihm bei der Bundeswehrmusterung etwas rektal eingeführt hätte, zeigen die Gesichtsausdrücke bei Klack Klack einen Anflug von Erleichterung, dass nichts Schlimmeres zugemutet wird.
»Wir haben der Geschäftsführung mitgeteilt, dass wir ab Mittag verdeckt ermitteln werden. Wir haben sie aber nicht persönlich benannt und werden sie auch nicht vorstellen. Haben sie noch irgendwelche Fragen?«
Bevor der verdutzte Knubbel das Ende des tiefen Luftholens erreicht hat, um etwas zu sagen, erhebt sich der Polizeidirektor, reicht beiden die Hand und begleitet sie zur Tür.
»Ich wünsche ihnen viel Erfolg und bitte bewahren sie im Interesse der Gäste Diskretion! Der Erfolg hängt nun von ihnen ab!«
Als die Tür sich hinter beiden schließt, bleiben beide erst einmal perplex stehen, um zu verinnerlichen, was sie da für einen Auftrag erhalten haben. Wie nicht anders zu erwarten war, bewegt sich als erstes das rot geschminkte Organ in der Mitte des weiblichen Gesichts: »Hätte schlimmer kommen können! Stellen sie sich vor, wir hätten die Morde in Swinger Clubs! Auf geht’s! Ich werde so gegen 13:00 Uhr vor Ort sein. Ich hoffe sie kommen nicht viel später.«
Sagt es, dreht sich um und klack klack verschwindet die hellblaue Hose mit bewegter weißer Bluse im Aufzug.
Feld steht immer noch sprachlos vor der Tür und brummelt vor sich hin: »Ich, Sauna, schwitzen, nackt,… ich fasse es nicht!« Es ist offensichtlich, dass die Phase des Schwitzens bei dem kleinen korpulenten Mittvierziger bereits vorzeitig eingesetzt hat.
Wenige Stunden später fährt ein unscheinbarer grauer Mittelklassewagen auf einen Besucherparkplatz. Er hält unter einem der vielen Bäume, die die Parkbuchten beschatten sollen. Als das Motorgeräusch verklungen ist, öffnet sich die Fahrertür. Ein wenig großer Mann in einem blauen Trainingsanzug, dessen weiße Zierstreifen auch schon bessere Jahre gesehen haben, steigt aus. Er öffnet den Kofferraum und holt eine große Fußballtasche hervor. Die grummelige Miene des Mannes erweckt den untrüglichen Eindruck, dass er Entspannung benötigt. Den Kopf leicht nach vorne geneigt und den Blick auf den Fußweg gerichtet, geht er wenig überhastet zum Eingang eines großen Gebäudekomplexes. Zwischen kräftigen Stahlträgern befinden sich riesige, nur leicht abgedunkelte Glasflächen. Über dem Eingang leuchtet in übergroßen grünen und gelben Buchstaben der Schriftzug TROPI GL.
Als der Mann sich dem Eingang nähert, öffnet sich eine Schiebetür zu einer Klimaschleuse. Kaum öffnet sich die zweite Schiebetür, da nimmt er dezente Musik und das Geräusch zwitschernder Vögel war, deren Heimat nicht Europa zu sein scheint.
Vor ihm befindet sich ein funktionaler Tresen, hinter welchem freundlich lächelnde Angestellte in hellgrünen T-Shirts stehen.
»Guten Tag! Willkommen im TROPI! Wie lange möchten sie bei uns verbringen?«, spricht ihn eine gut gebräunte junge Frau an. Der Mann mit dem wenig geselligen Gesicht und dem blauen Trainingsanzug antwortet eher leise: »Ich möchte den Rest des Tages in der Sauna verbringen.« Derweil schweifen seine Blicke eher skeptisch umher.
»Das macht 44 Euro. Waren sie schon einmal hier? Darf ich sie mit den Einrichtungen unseres Hauses vertraut machen? … Den Saunabereich finden sie da vorne hinter dem Drehkreuz.«
Der Mann hebt die alte Fußballtasche vom Boden und verschwindet in der Herrenumkleide. Nachdem er sich seiner Kleidung entledigt hat, schlurft er mit Bademantel und Handtuch über dem Arm in Richtung Duschen. Die Textilien hängt er dann brav an einen Haken, geht schnurstracks auf die erstbeste Dusche zu, dreht das Wasser auf und stellt die Temperatur ein. Als diese zu stimmen scheint, dreht er sich um, damit das Nass seinen Rücken reinigt.
Doch plötzlich erblickt er auf der anderen Seite des Duschraums eine kräftige Dame, die gerade ihren heftigen Oberbau einseift. Verunsichert, mit leicht errötetem Gesicht, schaut er sich um, ob er eventuell in den falschen Duschraum gegangen ist. Aber da duschen noch zwei andere Männer und eine Frau. Die kräftige Dame grüßt freundlich.
»Sind sie zum ersten Mal hier? Ich genieße diese Zeit jeden Monat einmal.«
Mit leicht gequältem Gesicht lächelt er zurück. Er fühlt sich dabei von seiner Gegenüber etwas taxiert. Als er den Eindruck hat, dass ihre Blicke etwa die Meterhöhe erreicht haben, dreht er sich schnell wieder zur Dusche und seift sich ab. Das Gefühl, dass eine, sich ihre Brüste reibende, kräftige Dame in aller Gemütsruhe seinen Hintern begafft, löst bei ihm irritierende Gefühle aus. Nach einer Weile dreht er sich wieder um. Die Dame ist glücklicherweise fort. Hastig zieht er sich seinen Bademantel über, schnürt ihn fest zu und legt das Badetuch über seinen Hals. Dann durchschreitet er die Tür mit der Beschriftung SAUNABEREICH. Vor ihm liegt eine künstliche Landschaft mit Springbrunnen und einem blau glitzernden Schwimmbecken, in welches ein kleiner Wasserfall stürzt. Die dezente Musik mit den Urwaldgeräuschen komplettiert den von Palmen und Kakteen durchzogenen riesigen Raum, welcher von einer Glaskuppel bedeckt ist. Es ist tropisch warm. Zwischen den Palmen flanieren nackte oder mit Bademänteln bekleidete Menschen. Am Rand des Schwimmbeckens sind unter der Wasseroberfläche Liegen eingearbeitet. In diesen liegen meist Pärchen, aber auch Singles und lassen sich den Rücken von kräftigen aufsteigenden Luftblasen massieren.
Immer noch verunsichert versucht der kleine korpulente Mann, sich dem Strom der Flanierenden anzupassen. Die Hände sind tief in den Taschen des Bademantels vergraben. So beginnt er das Terrain polizeilich zu erkunden. Gleichwohl fallen seine Blicke kurzzeitig auf den einen oder anderen hübschen Körper.
Wenn sich die Türen der einzelnen Saunen öffnen, strömt Wärme mit unterschiedlichsten Gerüchen und Düften heraus. Vollkommen verschwitzt gehen die Herauskommenden zu unterschiedlich ausgeprägten Duschen, reiben sich mit Eis ein oder klettern in ein kleines Tiefbecken, dass offensichtlich sehr kaltes Wasser hat.
Fast hat er seinen Rundgang abgeschlossen, da spricht ihn von hinten eine bekannte Frauenstimme leise an: »Na Alterchen! Hast du im Altenheim einen Bademantel mitgehen lassen!«
Verärgert über so viel Dreistigkeit, dreht er sich um, um dieser frechen Person die Meinung zu geigen.
Doch wird sein Ansinnen durch den Anblick einer bildhübschen Nackten in Nahdistanz unterbrochen.
Unwillkürlich muss er sie von oben bis unten betrachten. Bei der Definition optimaler Proportionen muss diese Frau wohl Modell gestanden haben.
»Was denn? Noch nie eine nackte Frau gesehen?«, kommt eine verbale Gerade als Antwort für diese Blicke zurück.
Allerdings kommt diesmal der direkte Konter: »Doch! Aber ich frage mich, was die Funktion des haarigen Rallyestreifens da unten ist?«
»Touché! Aber in dem Lappen aus den 60er Jahren kann man heute nicht herumrennen«, schmunzelt die Betrachtete zurück.
»Wieso? Bademantel ist Bademantel!«, scannen seine Augen seinen Bademantel mit darbietenden offenen Händen.
»Sagen wir es mal so. Sie sind der einzige Gast mit so einem Teil«, zeigen ihre Augen auf die anderen Flanierenden. Eigentlich sollten wir nicht auffallen. Ich empfehle ergo, diesen abzulegen. Wenn sie etwas Unwesentliches abdecken wollen, können sie ja das Handtuch nehmen. Damit es nicht so auffällt, empfehle ich, das Schätzchen an einem dieser Kleiderständer zu vergessen und einen Saunagang zu nehmen. Wenn wir, wie Gefängnisaufseher, nur auf und ab gehen, ist unsere Tarnung bald aufgeflogen. … Übrigens! Wenn wir schon gemeinsam so unbekleidet herumlaufen, sollten wir uns beim Vornamen nennen. Ich heiße Astrid!«
Horst ist wieder perplex von so viel Dynamik und stammelt ein leises »Horst« zurück.
»Ok Horst. Da vorne ist eine Niedrigtemperatursauna. Für den Beginn nicht das Schlechteste. Außerdem ist sie gerade leer, so dass wir die weitere Vorgehensweise ungehört abstimmen können.«
So viel Logik kann sich Horst nicht entziehen, zumal er unbewusst immer wieder von Astrids Proportionen abgelenkt ist. Etwas zögerlich hängt er den Bademantel an den Garderobenständer und folgt dem kollegialen weißen Hinterteil in die Niedrigtemperatursauna.
Astrid breitet ihr Handtuch auf der untersten Stufe aus und setzt sich darauf. Als Horst sein Handtuch über Eck ebenfalls auf der ersten Stufe ausbreitet, fängt Astrid leise an zu lachen. Das Handtuch ist beschriftet. In großen fetten Buchstaben steht darauf UNSEREM GROSSEN HORST.
»Lachen sie nicht. Das war das Geschenk der Kollegen zu meinem 20. Dienstjubiläum«, grummelt er.
Horst befindet sich mit Sicherheit nicht in seiner Komfortzone und so kauert er sich vornüber, um möglichst viel Intimfläche zu verbergen.
Astrid hingegen stützt sich mit den Ellenbogen auf der nächsten Etage ab und geniest die Temperatur.
»Die haben hier zwölf Saunen. Wir können nicht gleichzeitig in allen sein. Außerdem halten unsere Körper das nicht aus, obwohl hier eine Sauna angenehmer als die andere ist. Da die heißen Saunen die gefährlichsten sind, sollten wir uns auf die konzentrieren und schauen, dass alle Leute, die reingehen, auch nach einer angemessenen Zeit wieder rauskommen.«
»Mm…h«, brummelt er in den Boden. … »Klingt logisch. Ich schlage vor, dass wir uns die Saunalandschaft teilen und dass wir uns zumindest stündlich am großen Becken mit dem Wasserfall treffen.«
»OK«, entgegnet Astrid, während sie aufsteht und das Handtuch über die Schulter schwingt. »Ich nehme die in der Nähe des Eingangs.«
Horst kommt nicht umhin, das gut geformte Hinterteil in aller Ruhe zu betrachten, wie es leicht wackelnd den Raum verlässt.
»Männer!«, ruft sie, ohne sich umzudrehen. Offensichtlich geniest sie es, mit ihrer Figur zu kokettieren.
Als die Tür sich hinter ihr schließt, atmet Horst tief durch: »Das kann ja heiter werden!«
*
Etwa eine Stunde später trifft sich das ungleiche Paar vereinbarungsgemäß am großen Becken. Horst hat sich zwischenzeitlich einen normalen Bademantel ausgeliehen.
»Komm! Wir blubbern da vorne etwas. Hier im Durchgang könnte man uns verstehen. Außerdem ist das ganz entspannend.«
Diesem Argument kann er nichts entgegen setzen und so liegen beide blubbernd nebeneinander.
Die Mienen passen zum Musical "Die Schöne und das Biest". Während sie entspannt ihre Oberweite von den kräftigen Luftblasen durchschütteln lässt, versucht Horst die Wirkung der Blasen in seinen Lenden mit zusammengekniffenen Oberschenkeln zu unterdrücken. Um das Problem durch einen Blick zur Seite nicht zu verschärfen, starrt er stur und gerade an die Decke. Ein entspanntes Gesicht sieht definitiv anders aus.
»Hast du irgendetwas Auffälliges beobachtet?«, fragt er. »In meinem Bereich der Saunalandschaft ist nichts vorgefallen. Ich fühle mich allerdings, wie ein verklemmter Spanner.«
»Das mit dem "verklemmt" stimmt ja auch«, blickt sie provokant auf seine zusammengekniffenen Beine. »Bei mir war auch nichts Auffälliges.«
Irgendwie peinlich erwischt, grummelt er: »Bis nachher«. Dabei schiebt er sich aus der Blubberliege, verlässt das Becken und beeilt sich, seinen Bademantel überzuziehen.
Derweil bleibt sie noch einen Moment liegen und betrachtet lächelnd das Schauspiel, wie Horst versucht, schleunigst sein wenig attraktives Hinterteil in den Bademantel zu wuchten. Schließlich sieht sie, wie er in seinem Beobachtungssektor verschwindet und geht auch wieder zu ihrer Arbeit.
*
Horst hat zwischenzeitlich eine kleine Ruhezone entdeckt, von welcher er seine Saunen gut einsehen kann. Geduldig beobachtet er, wie die Adams und Evas in den Saunen verschwinden und wieder herauskommen. Da er keine Strichliste führen kann, kategorisiert er aus lauter Langeweile und mit zunehmender Erheiterung seine Observationsobjekte. Da gibt es den RUNZLER mit hängendem Lederhintern, tief baumelndem Gehänge und grau behaartem Hängebauch mit Hautflecken von zu viel Sonne.
Da gibt es den LUFTLOSEN Endvierziger. Um den Bierbauch zu kaschieren hält er permanent die Luft an und zieht den Bauch ein (Insbesondere in Damennähe).
Da ist die ERBSE, deren kaum vorhandener Hintern von einer noch viel unauffälligeren, meist in Läppchen herunter hängenden, Brustpartie begleitet ist.
Da sind noch die HARZER, die es als männliche und weibliche Version gibt. Die gleichmäßigen üppigen Ringe vom Unterschenkel bis an die Kauleiste sind hier namensgebend. Während sich der männliche HARZER in Hüfthöhe meist nur durch einen kaum sichtbaren Vorwitzer von einem weiblichen HARZER unterscheidet, hat der weibliche HARZER meist auch überdimensionierte Brüste, die eigentlich als Waffe registriert werden müssten, da man damit andere Menschen ersticken könnte.
Da gibt es die durchgestylten, gebräunten und glatt rasierten LACKAFFEN, die in jedem Versandhauskatalog zu finden sind. Oft ziert sie ein Tattoo.
Zugegeben am meisten sprechen ihn die BIENEN an. Eine nähere Beschreibung ist sicherlich nicht erforderlich.
Eine Abart der BIENEN sind die HORNISSEN. Deren Figur insgesamt etwas größer ist, als bei den BIENEN. Farbe und Rasur entsprechen denen der LACKAFFEN und oft tragen sie ein Arschgeweih. Nicht selten sind HORNISSEN und LACKAFFEN gemeinsam zu sehen.
Die überwiegende Anzahl sind aber die männlichen und weiblichen NORMALOS. Diese gibt es noch mit der Unterkategorie MIT (für etwas mehr Bauch). Bei weiblichen NORMALOS gibt es noch die Unterkategorie PLUS (für etwas mehr Oberweite). Auf eine weitere Kategorisierung, wie Schniedellänge, Brustform oder Hinterndicke verzichtet Horst, da dies sein Gedächtnis überfordern würde.
So sitzt Horst hinter einer ausliegenden Tageszeitung und zählt das Kommen und Gehen.
Eine BIENE, zwei HARZER, ein LACKAFFE mit HORNISSE in Sauna 1. Eine NORMALO MIT PLUS in Sauna 2. Ein RUNZLER mit einer HARZERIN in Sauna 3 … und so weiter. Auf diese Weise vergeht die nächste Stunde für Horst im Flug.
Horst möchte gerade wieder zum Treffpunkt aufbrechen, als er unsicher wird, ob eine NORMALO MIT wieder aus der finnischen Sauna gekommen ist. Da die Saunaverglasung von einem Aufguss beschlagen ist, muss er wohl selber nachsehen. Brav hängt er seinen Bademantel an den Haken neben dem Eingang und betritt die Sauna. Tatsächlich liegt die Frau mit geschlossenen Augen auf mittlerer Höhe. Er will gerade auf sie zugehen, als sie die Augen öffnet und den Kopf zu ihm dreht. Verlegen stammelt Horst: »Entschuldigung! Darf ich da vorbei, nach da oben?«
Dann erklimmt er den obersten Rang, breitet sein Handtuch aus, setzt sich hin und starrt an die Wand. Aufgrund des Aufgusses ist die Temperatur und Luftfeuchte für einen unerfahrenen Saunabesucher viel zu hoch. Um nicht direkt aufzufallen, bleibt Horst tapfer sitzen. Der Schweiß bricht sofort aus und rinnt über seinen gesamten Körper. Die dunklen Haare auf seinem Rücken sind vom Rinnsal des Schweißes schon parallel nach unten ausgerichtet. Horsts, eher graues, Gesicht beginnt ins Feuerrot zu wechseln. Nach fünf Minuten spricht ihn die Frau unter ihm an: »Ich könnte das da oben nicht aushalten.«
Verlegen brummelt Horst: »Ich eigentlich auch nicht!« Geschafft nimmt er sein Handtuch, steigt hinab und öffnet triefend die Tür der Sauna.
Als wär die Hitze nicht bereits genug, steht vor der Tür Klack-Klack im Bademantel mit verschränkten Armen, schaut ihn mitleidig von oben nach unten an und lästert: »Schau an. Da wird aber einer übermütig! Spüle mal da vorne deinen Pelz kalt aus!«, deutet sie auf eine Dusche. »Ich habe da hinten ein ruhiges Plätzchen für uns gefunden«, zeigt sie in die andere Richtung. »Ich wartete da auf dich.«
Horst fehlt die mentale Kraft, um auf dieses freche Mundwerk zu reagieren. Glücklicherweise ist sein Kopf bereits von der Hitze so errötet, dass man seine Unsicherheit nicht mehr bemerkt, von dieser Frau abfällig angestarrt und auf den Arm genommen zu werden.
Kurze Zeit später schlurft Horst in seinem Bademantel zu der ruhigen Ecke, wo dieses freche, aber gut aussehende, Frauenzimmer schmunzelnd auf ihn wartet. Verärgert und gewohnt grummelig setzt er sich neben sie und sagt nichts.
Nach einer Denkpause sagt Astrid: »Ich glaube, so kommen wir nicht weiter. Bei dem Betrieb passiert eh nichts. Wie will man denn unbeobachtet einem Opfer die Hände auf den Bauchnabel legen und die Beine kreuzen. Bei dem Trubel glaube ich nicht an eine neue Tat.«
»Vielleicht nachher, wenn der Trubel vorbei ist«, antwortet Horst. »Lass uns mal darüber nachdenken, was wir wissen und was nicht. Die Hände über dem Bauchnabel und Beine überkreuzen, könnte als unauffällige stabile Lage keine Bedeutung haben. Es könnte aber auch ein Ritual sein. Warum drei Frauen? Ist das Zufall? Warum unterschiedliche Wellnessoasen? Wo liegt die Gemeinsamkeit?«
Astrid antwortet zustimmend: »Diese Fragen habe ich mir auch gestellt. Ich bin auf keinen grünen Zweig gekommen. Wir müssen mehr herausbekommen. Wenn wir auf den Täter warten, rennen wir nur hinterher. Andererseits muss hier aufgepasst werden. Irgendwie eine Idee, wie wir das Japanspagat hinbekommen?«, blickt sie fragend zu Horst.
»Wir müssen uns aufteilen. Einer passt hier auf und der andere recherchiert draußen. Da das hier ja eh mehr deine Welt ist, schlage ich vor, dass ich jetzt gehe und die normale Arbeit übernehmen«, grantelt Horst immer noch ein wenig, steht auf und macht sich auf den Weg.
Gegen 18 Uhr klingelt es an einer Mietwohnung in der Nähe der Kölner Altstadt. Nach einer Weile öffnet sich die Tür und bleibt sofort an einer Sicherheitskette hängen. »Ja, bitte?«, fragt eine Frau mit langen, dunkelblonden Haaren.
»Frau Kahl? Mein Name ist Horst Feld. Ich bin von der Kriminalpolizei. Ich habe da noch einige Fragen. Darf ich hereinkommen?«. Während dessen zeigt Horst seinen Dienstausweis.
Etwas verunsichert öffnet die Frau die Tür und weist Horst den Weg in ihr kleines gutbürgerliches Wohnzimmer. In einer Vitrine stehen einige Pokale und an der Wand hängen zwei Urkunden. Während Horst diese ein wenig näher betrachtet, merkt die Frau leise an: »Ich arbeite als Fitnesstrainerin. Das sind Auszeichnungen vom Verband. Nehmen sie doch Platz.«
»Frau Kahl, ich bin mit den Ermittlungen in ihrem Fall beauftragt. Ehrlich gesagt, haben wir derzeit keine Ansatzpunkte, wie wir dem Täter auf die Spur kommen können. Können sie mir bitte noch einmal schildern, was aus ihrer Sicht geschehen ist.«
»Was soll ich sagen? Ich hatte mich zum zweiten Saunagang auf die mittlere Bankreihe gelegt, wurde danach immer müder und bin eingeschlafen. Wie mir ihre Kollegen sagten, wurde ich von einem aufmerksamen anderen Gast nach einer drei viertel Stunde gefunden.« Sie schlägt die Hände vor ihr Gesicht und fängt leise an zu schluchzen: »Wenn der Herr nicht gewesen wäre, … « Aus dem Schluchzen werden Tränen.
Horst gibt der Frau ein wenig Zeit, ihre dunkelbraunen Augen zu trocken. Nachdem sie wieder etwas gefasst ist, fragte er weiter: »Können sie sich an irgendeine Person oder etwas Auffälliges erinnern?«
Sie schüttelt den Kopf: »Nach dem ersten Saunagang hatte ich in dem Restaurant einen kleinen Salat gegessen und ein alkoholfreies Bier getrunken. Dann ging ich alleine in die Sauna. Dort war außer mir niemand. Nachdem ich müde wurde, kann ich mich an nichts mehr erinnern. Ich wurde erst im Krankenhaus wieder wach.«
Horst fragt weiter: »Wir suchen nach Gemeinsamkeiten zu ähnlichen Vorfällen in der Region. Dafür habe ich einige weitere Fragen. Kennen sie eine Ursula Jakobi oder eine Anita Löffelholz? Ich habe hier jeweils ein Foto.«
Mittlerweile etwas mehr gefasst, nimmt Frau Kahl die Bilder, betrachtet sie kurz und antwortet: »Ich kenne beide nicht. Wer sind die beiden?«
Ohne auf die Gegenfrage zu antworten, fährt Horst fort: »Waren sie auch schon einmal im SI-RELAX in Siegburg, im SPA-SPO in Leverkusen oder im TROPI GL in Bergisch Gladbach?«.
Die Frau schüttelt den Kopf: »Ich gehe hier in der Gegend nahezu ausschließlich ins COCI SPA, weil ich nach einem Saunabesuch nicht noch lange mit dem Auto fahren möchte. Ich habe in den vielen Jahren zwar auch mal einige andere Saunen in der Region ausprobiert, aber an die von ihnen genannten kann ich mich nicht erinnern.«
Horst hört der Frau interessiert zu, während er die Hände über seinem Knie zusammenhält. Dann fragt er weiter: »Könnten sie sich irgendjemanden oder irgendeinen Grund vorstellen, warum man ihnen so etwas antun wollte?«
Wieder ringt die Frau mit den Tränen: »Ich habe mir die Frage in den letzten Stunden auch immer wieder gestellt. Warum? Warum ich? Warum in einer Sauna? Ich habe keine Antwort.«
Bevor die Frau zu sehr in Emotionen verfällt, nimmt Horst die Fotos und beendet das Gespräch. Freundlich, aber sichtlich bedrückt, begleitet sie ihn zur Tür. Horst verabschiedet sich und verlässt das Haus. »Mmm …h. Das war ja nicht gerade aufschlussreich«, brummelt er in sich rein. Draußen auf der Straße schaut er suchend in beide Richtungen. »Hoffentlich weiß der Mann, der sie gefunden hat, etwas mehr.« Nachdem er sich orientiert hat, geht er nach rechts. Etwa 500 m weiter biegt er in eine Seitenstraße und hält am Haus mit der Nummer 37. Seine Finger fahren suchend über das große Klingelbrett. Bei Klaus Herrmann stoppt der Finger und Horst betätigt die Klingel. Eine männliche Stimme fragt: »Ja, bitte?«. Nachdem Horst sich vorgestellt hat, ist der Türöffner zu höhen.
In der dritten Etage steht ein mittelalter Mann in einer geöffneten Etagentür: »Herr Feld?«