Der Schmuggler und die Fürstentochter - Megan MacFadden - E-Book
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Der Schmuggler und die Fürstentochter E-Book

Megan MacFadden

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Beschreibung

Gegen ihre Schönheit ist er machtlos: Der historische Liebesroman »Der Schmuggler und die Fürstentochter« von Megan MacFadden als eBook bei venusbooks. St. Petersburg im 19. Jahrhundert. Während in England die schönsten Debütantinnen der Regency-Epoche durch die Ballsäle schweben, steht die junge russische Adlige Natalja vor den Scherben ihres vermeintlichen Glücks: Ihr Verlobter wurde in Sibirien verhaftet – der Fürst soll das Gold des Zaren gestohlen haben. Dabei kann es sich nur um Verleumdung handeln! Natalja ist wild entschlossen, an seine Seite zu eilen. Doch nur ein einziger Mann ist bereit, sie auf dieser gefährlichen Reise zu beschützen: Andrej, der geheimnisvolle Kosake, dessen respektlose Art Natalja zutiefst erzürnt – und dessen Lächeln ein Feuer in ihr entfacht, wie sie es noch nie verspürt hat … Eine ungestüme Lady, ein undurchschaubarer Mann und zahlreiche Gefahren, die sie nur gemeinsam meistern können: Lassen Sie sich von diesem historischen Lesevergnügen verwöhnen! Jetzt als eBook kaufen und genießen: die historische Romanze »Der Schmuggler und die Fürstentochter« von Bestseller-Autorin Megan MacFadden. Lesen ist sexy – venusbooks: der erotische eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 490

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Über dieses Buch:

St. Petersburg im Jahre 1827. Die junge Adlige Natalja ist fassungslos: Ihr Verlobter wurde in Sibirien verhaftet – der Fürst soll Gold geschmuggelt haben. Dabei kann es sich nur um Verleumdung handeln! Natalja ist wild entschlossen, an seine Seite zu eilen, und bittet den Kosakenkämpfer Andrej um Hilfe. Noch ahnt sie nicht, wie gefährlich ihre Reise wird – und dass der respektlose Andrej bald ungeahnte Gefühle in ihr weckt …

Ein leidenschaftlicher historischer Roman voller Abenteuer und Sinnlichkeit!

Über die Autorin:

Megan MacFadden ist das Pseudonym einer Autorin, die bereits viele Erfolge im Bereich der Unterhaltungsliteratur vorweisen kann. Ihr Spektrum reicht von historischen Liebesromanen über erotische Literatur bis hin zu humorvollen Ratgebern.

Bei venusbooks erschienen außerdem die Megan-MacFadden-Romane Die Gefangene des Highlanders und In den Fesseln des Wikingers.

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eBook-Lizenzausgabe November 2015

Dieser Roman erschien bereits 2009 unter dem Titel Die Liebe des Kosaken und dem Autorenpseudonym Catherine Du Park im Ullstein Taschenbuch, Berlin.

Copyright © der Originalausgabe 2009 Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin.

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2013 dotbooks GmbH, München.

Copyright © der Lizenzausgabe 2015 venusbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München

Titelbildabbildung: oben© Belphnaque – Fotolia.com / unten © Vitas – Fotolia.com /

ISBN 978-3-95885-201-3

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Megan MacFadden

Die Geliebte des Kosaken

Roman

venusbooks

Kapitel 1

St. Petersburg – endlich!

Natalja lehnte sich aus dem Kutschenfenster und genoss den Anblick der großen Stadt, die im perlmuttfarbigen Licht des späten Nachmittags vor ihr lag. St. Petersburg hatte nichts von all den anderen russischen Städten, wo sich enge Holzhäuser aneinanderdrängten. Hier gab es helle, steinerne Bauten, wohin das Auge blickte, breite, gepflasterte Straßen, dazwischen das schimmernde Band der Newa – täuschte sie sich, oder blinkte weit in der Ferne schon die goldene Kuppel der Peter-und-Paul-Festung?

»Fahr zu, Jefim!«

Während der Kutscher schnalzte, um die müden Pferdchen anzutreiben, ließ sich die junge Aristokratin wieder in die Polster der Kutsche sinken. Eine fieberhafte Aufregung hatte sie ergriffen – jetzt würde sich das Rätsel lösen. In knapp einer Stunde wusste sie vielleicht schon mehr. Sie kramte in ihrem Täschchen und zog einen eng zusammengefalteten Brief hervor, um noch einmal jene Zeilen nachzulesen, die ihr einziger Anhaltspunkt waren.

Sie kannte das Schreiben fast auswendig, so oft hatte sie es während der vergangenen zwei Monate zur Hand genommen. Es waren zärtliche Worte, die ihr Verlobter an sie gerichtet hatte, manches hatte sie erröten und ihr Herz rascher schlagen lassen, so dass sie den Brief sorgfältig vor der Großmutter verborgen hielt. Oleg Pawlowitsch Petrow hatte die bisher so spröde junge Adelige in diesem Winter auf einer Gesellschaft in St. Petersburg im Sturm erobert – die Liebe war wie ein Rausch über Natalja gekommen, und trotz aller Bedenken hatte ihre Großmutter Anfang des Jahres die Verlobung des jungen Paares bekanntgegeben.  

»Ich habe heute den ganzen Vormittag über an dich denken müssen, meine süße Natalja, und ich gestehe, dass ich den Tag unserer Hochzeit kaum mehr erwarten kann. Ich weiß, dass wir beide unendlich glücklich sein werden, wenn du ganz und gar die Meine bist und alles, was unsere Seelen und unsere Körper jetzt noch voneinander trennt, nicht mehr zwischen uns stehen wird…«

Erst später waren ihr in seinem Brief einige Dinge aufgefallen, die ihr merkwürdig vorkamen, ja, sie vielmehr ein wenig irritierten:

»Den gestrigen Abend habe ich wieder bei Andrej Semjonitsch Dorogin verbracht – ein außerordentlich interessanter Mensch. Obgleich er kaum älter ist als ich, verfügt er doch über eine abenteuerliche Vergangenheit und große Kenntnisse unserer russischen Heimat. Seine Gabe, spannend zu erzählen, ist beeindruckend, so dass ich die Besuche bei ihm sehr genieße. Er ist übrigens sehr wohlhabend und besitzt ein schönes Haus gleich hinter der Petri-Kirche am Katharinenkanal…« 

Nachdenklich sah sie von dem Brief auf und runzelte die Stirn. Er konnte den Tag ihrer Hochzeit kaum erwarten – genoss aber die Abende in Gesellschaft dieses Menschen, den er ihr gegenüber bisher mit keinem Wort erwähnt hatte. Wer war er, dieser Dorogin? Sie kannte keine adelige Familie dieses Namens, und von einem Staatsamt war auch nicht die Rede. Stattdessen verfügte dieser Mensch über Geld und eine abenteuerliche Vergangenheit – das klang nicht gerade wie eine Empfehlung. Wie war es möglich, dass ein Mann wie ihr geliebter Oleg, der klug und gebildet war, dazu aus guter Familie und Offizier des Zaren, mit solch einem Mann Freundschaft pflegte, ja, seine Gegenwart sogar genoss?

Ach, Männer waren wohl vollkommen andere Wesen als Frauen. Sie selbst hatte seit dem Tag ihrer Verlobung keinen einzigen Abend auf Gut Wologdje bei ihrer Großmutter mehr so richtig genießen können. Unablässig war sie in Gedanken mit Oleg beschäftigt gewesen, hatte sich ausgemalt, was er gerade tat, woran er dachte, womit er sich beschäftigte. Sie hatte Pläne für die Zukunft gemacht, Bücher bestellt, eine Hochzeitsreise entworfen, ihr Kleid in Auftrag gegeben und tausend Dinge mehr. Und sie hatte ungeduldig auf Post gewartet. Tagelang, wochenlang – schließlich waren es zwei Monate gewesen. Doch es war kein Brief mehr von Oleg gekommen. Schlimmer noch: Ihre eigenen Briefe kehrten zurück – der Adressat sei nicht auffindbar.

War er krank geworden? Verunglückt? Aber dann hätte sie doch Nachricht erhalten. Sie zögerte, Freunde und Bekannte anzuschreiben, aus Angst davor, verspottet zu werden. Die schöne, stolze Natalja Galugina, die so viele Bewerber um ihre Hand verlacht und zurückgewiesen hatte – nun hatte der Bräutigam sich auf und davon gemacht! Was für eine wundervolle Klatschgeschichte!

Nein – sie würde sich nicht vor allen Freunden der Familie lächerlich machen. Oleg liebte sie, und sie vertraute ihm. Sein Schweigen musste einen triftigen Grund haben. Und dieser Grund – das sagte ihr Gefühl Natalja deutlich – hing mit seinem neuen Freund zusammen, diesem Dorogin.

Vor drei Tagen hatte die junge Braut den verzweifelten Entschluss gefasst, in St. Petersburg nach dem Verschwundenen zu forschen. Allein – ohne die Großmutter, die auf dem Gut nicht abkömmlich war. Die alte Dame hatte energisch widersprochen und die Reise verbieten wollen – war Natalja doch das einzige Kind ihres verstorbenen Sohnes, ihre Hoffnung und ihr Augapfel. Doch Natalja glich ganz und gar ihrem Vater: Von einem einmal gefassten Plan ließ sie sich nicht mehr abbringen.

Die Kutsche hatte inzwischen den Newski-Prospekt erreicht, und das ungleichmäßige Schwanken und Holpern des Gefährts war aufgrund des Kopfsteinpflasters in ein regelmäßiges Rütteln übergegangen. Längst hatten sie die Klostergebäude des Alexander Newski passiert, rechts war bereits die Kuppel der Kirche der Heiligen Katharina zu sehen, links ragte der Uhrenturm der Stadtduma in den lichten Abendhimmel, der nun langsam einen milchig rötlichen Schein annahm. Es war Juni, die Zeit des Flieders und der weißen Nächte.

Auf dem Newski herrschte reger Verkehr – mehrmals musste Jefim die Pferde zügeln, um kleineren Wagen, Sänften oder anderen Karossen die Vorfahrt zu lassen. Reiter in kurzen Jacken und Stiefeln, nach englischem Vorbild gewandet, zogen an ihnen vorbei, einige grüßten die junge Frau in der Kutsche, denn man erkannte den Wagen der Großfürstin Galugina, ihrer Großmutter. Dicht an den Gebäuden entlang schoben russische Händler, die vom Markt heimkehrten, ihre beladenen Karren, ihre weiten Kittel und Hosen waren abgerissen und von Straßenkot bespritzt; Frauen, in den traditionellen Sarafan gekleidet und die Köpfe mit bunten Tüchern umwickelt, liefen mit schweren Schritten über das Pflaster und schleppten geflochtene Körbe. An einer Straßenecke stand ein Krüppel mit einem Bauchladen und bot allerlei Tand feil, hinter ihm hatten sich einige Kinder um einen schwarzen, struppigen Hund geschart.

Zu anderer Zeit hätte Natalja das bunte Treiben auf den Straßen voller Neugier beobachtet – hatte sie St. Petersburg bisher doch nur während der dunklen Wintermonate erlebt, wenn man wegen der großen Gesellschaften und Bälle des Adels in das Stadthaus an der Moika übersiedelte. Doch jetzt war sie viel zu sehr mit ihren eigenen Gedanken und Hoffnungen beschäftigt, um für die lebhaften Szenen um sie herum Augen zu haben.

»Fahr nach rechts, Jefim!«, befahl sie, als die Petrikirche vor ihnen auftauchte.

Der Kutscher gehorchte, wenn auch unwillig, denn er hatte gehofft, recht bald zum Haus seiner Herrin zu gelangen, dort die Pferde auszuspannen und sich selbst ein gutes Abendessen und einige Stunden Schlaf gönnen zu dürfen. Die Reise von der Wolga bis St. Petersburg war kräfteraubend gewesen, denn der Regen hatte die Wege aufgeweicht. Immer wieder hatten Iwan, der Pferdeknecht, und der Diener Grigorij absteigen müssen, um das Gefährt aus einem der tiefen Schlammlöcher herauszuschieben.

Natalja musterte die Häuserreihen. Es gab hier etliche große, zweistöckige Gebäude, ganz in der Nähe befand sich auch das Haus der Großfürstin Korotkina, einer guten Freundin ihrer Großmutter. Gleich hinter der Petrikirche, hatte Oleg in seinem Brief geschrieben. Es konnte nicht mehr weit sein.

»Halt an, Jefim. Erkundige dich nach einem Andrej Semjonitsch Dorogin. Er muss hier irgendwo ein Haus besitzen.«

Jefim zügelte die Pferde und gab dem neben ihm sitzenden Iwan einen Rippenstoß, worauf sich der junge Bauer eilig vom Kutschbock schwang, um die verlangten Erkundigungen einzuholen. Der semmelblonde Iwan war zwar hochgewachsen und von breiter Statur, sein Lächeln war jedoch das eines Kindes. Schon sein erster Versuch, zu der gewünschten Auskunft zu gelangen, war von Erfolg gekrönt: Die angesprochene Bürgersfrau blieb stehen, lächelte den riesigen Kerl mit dem Kindergesicht mütterlich an und wies dann mit dem Zeigefinger auf eines der größeren, dreistöckigen Gebäude. Was sie zu Iwan sagte, konnte Natalja nicht verstehen, da eine vierspännige Equipage mit viel Lärm an ihnen vorüberrasselte.

»Das da drüben ist es«, erklärte Jefim der jungen Herrin, als Iwan wieder auf dem Kutschbock neben ihm saß. »Aber Ihr solltet nicht allein dort hineingehen, Herrin.«

»Weshalb nicht?«

»Der Hausbesitzer, Andrej Semjonitsch, soll … nun, wie sage ich es … er soll …«

Natalja klopfte ungeduldig mit den Fingern auf den hölzernen Kutschenschlag. »Er soll was?«

Der alte Kutscher wischte verlegen über seinen zerzausten Bart, wechselte einen gequälten Blick mit Iwan und überwand sich schließlich, offen zu sprechen. »Er soll keinen guten Lebenswandel führen, Herrin«, murmelte er. »Verzeiht mir, aber ich habe Elisaweta Antonowna, Eurer Großmutter, versprechen müssen, Augen und Ohren offen zu halten. Bei meiner Seele hab ich ihr schwören müssen, über die Enkelin zu wachen, die so ganz allein und schutzlos nach Petersburg gereist ist.«

Natalja war unschlüssig, ob sie zornig oder gerührt sein sollte. Tatsächlich wusste sie nur allzu gut, wie sehr die alte Frau sich um sie sorgte. Dennoch fand sie es ärgerlich, dass sogar die Bediensteten ihr mehr oder weniger vorwarfen, wider alle guten Sitten ohne Begleitung in die Hauptstadt gereist zu sein. »Es besteht keine Gefahr, Jefim«, sagte sie streng, »warte hier auf mich, ich werde bald zurückkommen.«

Das Gebäude war wesentlich größer als das Stadthaus der Großfürstin Galugina und schien eher ein Handelshaus als das Wohnhaus eines Adeligen zu sein. Ein breites Tor führte in die Lagerräume des Erdgeschosses, Lärm drang heraus, rauhe Männerstimmen riefen sich kurze Anweisungen zu. Es waren Arbeiter, die gerade dabei waren, Warenballen und Kisten ordentlich aufeinanderzustapeln. Natalja stieg entschlossen aus der Kutsche, hob vorsichtig den langen Rock an, um den Saum auf dem feuchten Erdboden nicht zu beschmutzen, und ging forschen Schrittes hinüber zur Eingangstür. Das dumme Geschwätz dieser Frau hatte ihr gerade noch gefehlt, verspürte sie doch auch ohne solche Warnungen schon Herzklopfen genug.

Die Tür war aus neuem Holz gearbeitet, besaß oben zwei kleine Fenster und in der Mitte einen dicken Metallring, der als Türklopfer diente. Zaghaft fasste sie den Ring und ließ ihn gegen das Holz fallen, gleich darauf fuhr sie erschrocken zusammen, denn ein lautes Getöse erschütterte das Haus. Sie ärgerte sich über sich selbst. Warum benahm sie sich wie ein dummes kleines Mädchen? War sie nicht entschlossen, alles zu wagen, um den Mann, den sie liebte, wiederzufinden?

Ein hübsches, dralles Hausmädchen erschien, betrachtete sie neugierig und fragte nach ihren Wünschen.

»Ist Andrej Semjonitsch Dorogin zu Hause?«

»Bitte kommen Sie mit.«

Die Kleine bewegte sich, anmutig den Rock schwenkend, die Treppe hinauf, und Natalja folgte ihr mit unruhig pochendem Herzen. Sie traf ihn daheim an – was für ein Glück. Ihre größte Sorge war gewesen, dass Olegs Freund möglicherweise in Geschäften unterwegs oder auf Reisen sein könnte.

Das Mädchen führte sie in einen Salon, dessen prächtige Ausstattung Natalja überraschte. Dieser Dorogin schien nicht nur wohlhabend zu sein – er war ungeheuer reich, und offensichtlich gefiel es ihm, seinen Reichtum zur Schau zu stellen. Vergoldete Sitzmöbel, deren Armlehnen geflügelte Greife darstellten, die runde Tischplatte aus geschliffenem weißen Marmor, ein riesiger, gestickter Wandbehang, auf dem wolkenumhüllte Genien in einem lichtblauen Himmel schwebten – gegen diese Kostbarkeiten erschien das Stadthaus der Großmutter altmodisch und bescheiden.

Sie hatte ihre Visitenkarte aus dem Täschchen genommen, um sie dem Mädchen mit einigen erklärenden Worten zu überreichen, doch zu ihrer Verblüffung verschwand die kleine Person hinter einer Tür, ohne sich weiter um sie zu kümmern. Warum diese Unhöflichkeit? Wieso ließ man sie einfach hier stehen?

Verzagt sah sie sich im Raum um und ging dann ein paar Schritte hin und her, um sich Mut zu machen. Ein Kandelaber aus vergoldeter Bronze, der auf einer Wandkonsole stand, erregte ihre Aufmerksamkeit. Wie biegsame, gewundene Pflanzenstiele erhoben sich die goldfarbenen Kerzenhalter, zu beiden Seiten wurde das Kunstwerk von je einer weiblichen Figur aus dunkler Bronze flankiert. Beide Damen stellten griechische Göttinnen dar, deren Reize durch die spärliche Kleidung mehr entblößt als verhüllt wurden.

Noch starrte sie auf dieses pikante Kunstobjekt, da hörte sie, wie hinter ihr eine Tür geöffnet wurde, und wandte sich hastig um.

Im Türrahmen stand ein Mann von stattlicher Größe, nur mit einem weiten, halb geöffneten Seidenhemd und einer Hose bekleidet, das dunkle Haar fiel in ungekämmten Locken in seine Stirn. Natalja war von diesem Anblick so überrascht, dass sie kein einziges Wort hervorbrachte.

»Schon da?«, fragte er ironisch. »Nun – du hattest es wohl eilig, meine Schöne!«

Sie begriff den Sinn dieser Worte nicht, erzitterte jedoch bei dem tiefen, spöttischen Klang seiner Stimme, in dem ein seltsamer Ton mitschwang, der ihr das Blut in die Wangen trieb. Oh Gott – wohin war sie geraten? Warum hatte sie nicht auf die Warnungen gehört?

Während sie immer noch keines Wortes fähig war, musterte er sie mit einem langen Blick ungeniert von Kopf bis Fuß und lächelte dann zufrieden. »Gar nicht schlecht – du gefällst mir. Ich mag die Blonden mit den braunen Mandelaugen, mein Täubchen. Genier dich nicht, ich habe ein kleines Diner für uns vorbereiten lassen, wir werden unvergessliche Stunden miteinander erleben …«

Jetzt endlich stieg in ihr die Erkenntnis auf, und namenloses Entsetzen erfasste sie. »Was erlauben Sie sich?«, rief sie, tiefrot vor Scham und Bestürzung. »Wofür halten Sie mich?«

Bei ihrer heftigen Reaktion stutzte er und strich sich das wirre Haar mit drei Fingern aus der Stirn. Himmel, das Mädel schien ja den Tränen nahe zu sein. Und dieser vorwurfvolle empathische Tonfall – nein, der war nicht gespielt. Er kniff die Augen zusammen und betrachtete sein Gegenüber genauer. Ein elegantes Reisekleid, ein pelzgesäumter Umhang, teure, zierliche Lederschuhe. Oh Gott – was war er nur für ein Idiot. Diese junge Frau war keineswegs die Erwartete. 

»Ich … ich bedaure unendlich«, stammelte er verlegen. »Sie tauchten so völlig unerwartet bei mir auf, dass ich … Bitte verzeihen Sie, Gnädigste. Warum wurden Sie mir nicht angemeldet?«

Natalja stellte trotz ihrer Aufregung fest, dass er nun fast ebenso erschrocken war wie sie selbst. Ein ganz und gar verwahrloster und brutaler Mensch konnte er dann wohl doch nicht sein, zumal seine blauen Augen sie jetzt fast hilflos anblickten.

»Ich bin Natalja Galugina, die Enkelin der Großfürstin Elisaweta Galugina«, sagte sie und spürte erleichtert, dass sie langsam ihre Sicherheit zurückgewann.

»Andrej Dorogin«, antwortete er und verneigte sich förmlich, während seine Finger hastig an seinem offenen Hemd herumnestelten, um die Knöpfe zu schließen. Galugina? Wo zum Teufel hatte er diesen Namen schon gehört? Natalja Galugina …

»Bitte verzeihen Sie meinen Fauxpas und auch meinen unmöglichen Aufzug«, murmelte er und zog sich eine bestickte Hausjacke über. »Ich hatte geschlafen und muss wohl noch ziemlich verträumt gewesen sein. Darf ich Ihnen trotzdem einen Stuhl anbieten, Comtesse?«

Unter normalen Umständen hätte sie, nach allem, was geschehen war, dieses Haus auf der Stelle verlassen müssen. Aber die Umstände waren nicht normal, deshalb nickte sie und ließ sich auf einem der vergoldeten Sesselchen nieder.

Andrej war inzwischen klar, dass diese junge Dame nicht zu einem Höflichkeitsbesuch gekommen war. So hübsch und wohlerzogen sie auch sein mochte – sie führte etwas im Schilde. Galugina? Verflucht, er kannte diesen Namen doch …

»Was kann ich für Sie tun, Comtesse?«, fragte er und zog einen Sessel heran, um sich ihr gegenüberzusetzen. Auch wenn sie eine hochwohlgeborene Adlige war, so nahm er sich doch die Freiheit, sie weiterhin recht genau zu betrachten, denn sie war einfach bezaubernd. Eigentlich war es ein wenig schade, dass sie nicht die Erwartete war, sie hatte etwas, das ihn ungeheuer reizte. Diese Art, entschlossen das Kinn zu heben, das kurze Aufblitzen in ihren dunklen Augen, die sonst so samtig weich schienen. Sie hatte Feuer, diese junge Person. Feuer unter einer harten Decke aus Anstand und Wohlerzogenheit. Er war Frauenkenner genug, um solche Eigenschaft zu schätzen.

Ihr nächster Satz riss ihn jedoch aus seinen Träumereien und machte ihm klar, dass jene Frau brandgefährlich war. »Ich bin die Verlobte Ihres Freundes Oleg Petrow …«

Es gelang ihm, seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten. Bewegungslos saß er ihr gegenüber, hörte scheinbar aufmerksam und geduldig zu, wie sie das geheimnisvolle Verschwinden ihres Bräutigams schilderte, während es gleichzeitig in seinem Hirn rastlos arbeitete. Olegs Verlobte – warum war er nicht gleich darauf gekommen? Und sie wusste von seiner Verbindung zu Oleg. Welcher Teufel hatte ihn geritten, sich mit diesem Dummkopf einzulassen? Kopf und Kragen konnte es ihn kosten.

»Oleg Petrow – natürlich«, sagte er gedehnt und lächelte sie dabei gewinnend an, »ein ausgesprochen begabter und netter Junge. Wir haben sehr anregende Abende miteinander verbracht …« Er sah die Hoffnung in ihrem Gesicht und hatte für einen winzigen Moment so etwas wie ein schlechtes Gewissen. Nun – sie würde darüber hinwegkommen. »Er wollte sich auf eine Reise begeben, glaube ich. Leider habe ich keine Ahnung, wohin, denn ich habe seit Monaten nichts mehr von ihm gehört.«

Ihre Lippen zitterten, der unglückliche Ausdruck in ihren schönen Augen hätte Steine erweichen können. Andrej hatte große Lust, sie zu trösten, doch er wusste ganz genau, dass ihn dies an den Galgen bringen konnte. »Ich bedaure unendlich, Comtesse. Ansonsten bin ich selbstverständlich gern und jederzeit zu Ihren Diensten. Verfügen Sie über mich …«

Erst als sie wieder in der Kutsche saß, ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Ach, sie hatte solche Hoffnungen in diesen Besuch gesetzt, und nun war absolut nichts dabei herausgekommen. Völlig umsonst hatte sie sich kompromittiert, sich von diesem Menschen beleidigen lassen und zum Schluss auch noch einige Worte des Dankes für seine Auskunft gefunden. Dank – wofür eigentlich? Dafür, dass er sie in einem ganz und gar ungehörigen Aufzug empfangen, sie schamlos angestarrt und noch schamloser angeredet hatte? Weiß der Himmel, wofür dieser Flegel sie gehalten hatte – sie wollte das Wort, mit dem solche Frauen bezeichnet wurden, nicht einmal denken, geschweige denn aussprechen.

Während die Kutsche den Newski überquerte und durch verschiedene Gässchen zum Stadthaus der Großfürstin Galugina unweit des Isaakdoms fuhr, schossen Natalja wilde Phantasien durch den Kopf. Oh Gott – dieser Mensch hatte eine jener Frauen erwartet, die Männer besuchten und sich ihnen für Geld hingaben. Und das ganz sicher nicht zum ersten Mal – nach dem, was er gesagt hatte, schien es eine seiner Gewohnheiten zu sein, und er ließ sich solche »Damen« regelmäßig kommen, um mit ihnen seine Nächte zu verbringen. Was konnte ihr geliebter Oleg nur an diesem verkommenen Menschen gefunden haben? Sie hatten anregende Abende miteinander verbracht, so schrieb Oleg doch. Gott im Himmel – waren sie an diesen Abenden zu zweit gewesen, oder hatte Dorogin am Ende einige dieser Frauen bestellt?

Gleich darauf schämte sie sich für diesen unsinnigen Verdacht. Niemals würde Oleg sich solch zweifelhaften Vergnügungen hingeben. Dazu war er zu gefühlvoll, zu edelmütig, und vor allem liebte er sie, Natalja, bis zur Besinnungslosigkeit. Das hatte er ihr immer wieder versichert. Nein, wenn dieser abscheuliche Mann Oleg auf irgendeine Weise fasziniert hatte, dann konnte dies auf keinen Fall mit seinem liederlichen Lebenswandel zu tun haben.

Als die Kutsche vor dem Stadthaus anhielt und Iwan ihr den Schlag öffnete, hatte sie sich wieder vollkommen in der Gewalt. Sie war gekommen, um Oleg zu finden, und sie würde ihren Plan nicht so schnell aufgeben, wenn sie auch im Augenblick keine Ahnung hatte, wie sie weiter vorgehen sollte. Aber das würde sich finden.

Das Haus umfing sie mit der vertrauten Wärme und Geborgenheit, die sie seit vielen Jahren kannte. Die alte Marfa, die das Gebäude den Sommer über betreute, kam ihr die Stufen hinab entgegengelaufen, außer sich vor Freude und Verwirrung über diesen überraschenden Besuch der jungen Herrin. Warum man ihr denn keine Nachricht gegeben habe! Sie hätte doch Vorbereitungen treffen müssen, die Zimmer herrichten, die Schonbezüge von den Möbeln nehmen, eine Mahlzeit vorbereiten. Nun sei alles in Unordnung, Gott behüte, dass die junge Herrin auch noch Gäste geladen habe.

»Beruhige dich, Marfa«, meinte Natalja lächelnd. »Ich komme ganz allein, und die Schonbezüge musst du meinetwegen auch nicht abnehmen.«

»Ich werde schon alles richten, Herrin – nur auf das Essen werdet Ihr ein wenig warten müssen«, versicherte die Alte eilfertig. Kurz darauf waren Iwan und Grigorij schon damit beschäftigt, nach Marfas Anweisungen das Gepäck der Herrin in die Zimmer zu schleppen, die Räume zu lüften, Wasser herbeizuschleppen und Einkäufe zu tätigen, und das soeben noch stille Haus glich einem Bienenstock. Nur Jefim weigerte sich, Marfas Befehle zu befolgen – er verschwand im Stallgebäude und widmete sich einzig und allein den Pferden, die nach der langen Reise mit Stroh abgerieben, gefüttert und getränkt werden mussten.

Natalja war in den ersten Stock hinaufgestiegen, und da ihr Zimmer noch nicht gerichtet war, hatte sie die weißen Flügeltüren zum großen Salon geöffnet. Der weite Raum war von sanftem, durchsichtigem Licht durchflossen und schien in einem kühlen Zauberschlaf zu liegen. Waren es die hellen Tücher, mit denen Marfa Sessel und Sofas zum Schutz gegen den Staub bedeckt hatte, oder die ungewohnte Stille? Ach nein, es war das Licht, dieses perlmuttfarbene, matte Licht, welches die ganze Nacht über andauern würde, das Licht des Sommers und der weißen Nächte. Fröstelnd zog sie den Umhang enger um den Oberkörper und ging zu dem großen Flügel hinüber, der unter den Tüchern wie ein bleicher Katafalk wirkte.

War dies wirklich derselbe Ort? Hier an diesem Flügel hatte sie gesessen, Stimmengewirr und frohes Gelächter in den Ohren, den warmen Schein des Kaminfeuers und der vielen Kerzen verspürend, die tanzenden Paare vor Augen, denen sie aufspielte. Man hatte eine Quadrille formiert, und sie hatte sich zum Leidwesen all ihrer Verehrer bereit erklärt, den Part am Flügel zu übernehmen, denn es gab im ganzen Raum keinen einzigen Kavalier, der ihr einen Tanz wert gewesen wäre. Natalja hatte sich den Klängen der Musik hingegeben, nur hin und wieder einen Blick auf die Noten geworfen, denn sie kannte die Tänze fast auswendig, die Finger spielten sie ohne ihr Zutun.

Dann, plötzlich, hatte sie eine Unruhe unter den Anwesenden gespürt, Gesichter wandten sich zur Tür, einige der Tanzenden gerieten für einen Augenblick aus dem Takt, verzückte Mienen waren zu sehen, leises Geflüster unter ihren Freundinnen. Ein Diener hatte die Flügeltüren geöffnet, um einen verspäteten Gast eintreten zu lassen.

Oleg Pawlowitsch Petrow blieb für einen Moment unbeweglich im Türrahmen stehen, so als böte er sich gern und mit Bedacht den vielen neugierigen Blicken. Seine Körperhaltung war lässig, gleichzeitig aber von selbstbewusster Eleganz, die enge rote Husarenuniform brachte seinen schlanken Wuchs, die schmalen Hüften und die breiten Schultern gut zur Geltung. Natalja erinnerte sich, dass sein helles, gewelltes Haar im Schein des Wandleuchters schimmerte, als umgebe ihn eine goldene Aureole.

»Der Nonpareil«, flüsterte ihr eine Freundin zu, »in diesem Winter hat er bisher nur wenige Bälle und Gesellschaften durch seine Gegenwart ausgezeichnet. Ihr habt wirklich Glück, Natalja!«

Er hatte kurz einige Bekannte begrüßt, Nataljas Großmutter galant die Hand geküsst und einige Worte mit ihr gewechselt, dann war er scheinbar absichtslos und wie zufällig zum Flügel hinübergeschlendert.

»Französische Tänze«, sagte er in einem weichen, wohlklingenden Bariton und beugte sich ein wenig hinunter, um über ihre Schulter hinweg in die Noten zu sehen. »Sie sind also auch eine Anbeterin all dessen, was das große Frankreich zu uns hinübersendet?«

Sie spürte seine Nähe so intensiv und erregend, dass sich die feinen Härchen in ihrem Nacken aufrichteten. Dennoch war es ihr gelungen, ohne einen einzigen Fehler weiterzuspielen.

»Keineswegs«, gab sie betont schnippisch zurück, »ich verehre Voltaire und die Denker der großen Revolution. Aber ich verabscheue die Greuel der Jakobiner, und ich hasse Napoleon.«

Darauf hörte sie ein leises, tiefes Lachen hinter sich und fühlte für einen winzigen Augenblick seine Hand auf ihrer Schulter.

»Sie wollen sich die Rosinen aus dem Kuchen suchen und den Teig liegenlassen, schöne Dame.«

»Oh nein, ich trenne nur die Spreu vom Weizen, mein Herr!«

Später hatte eine Freundin sie am Flügel abgelöst, Oleg führte sie sogleich zum Kamin, und sie plauderten einige Minuten miteinander. Voller Entzücken vernahm sie, dass auch er der Meinung war, Russland müsse sich den Ideen der französischen Freiheitsdenker öffnen, die Leibeigenschaft abschaffen und ein Parlament etablieren. Während er sprach, spürte sie die Hitze des knisternden Kaminfeuers, und wenn sie in seine lächelnden, grauen Augen sah, schien es Natalja, als hülle sein Blick sie vollkommen ein, so dass sie kaum noch wahrnahm, was um sie herum geschah.

Wie lange hatten sie dort gestanden? Fünf Minuten oder eine halbe Stunde? Sie hätte es nicht sagen können. Sicher war nur, dass sie wie aus einem Traum erwachte, als er sich mit einer kurzen Verbeugung von ihr verabschiedete. Noch einmal spürte sie die sieghafte Wirkung seiner Augen, erzitterte, als seine Lippen für einen winzigen Augenblick ihren Handrücken berührten – dann sah sie ihm nach, wie er den Raum durchquerte, einigen Bekannten kurze Abschiedssätze zuwarf und durch die weißen Flügeltüren wieder verschwand. Oleg Petrow, der Nonpareil blieb niemals länger als eine knappe Stunde auf einer Abendgesellschaft. Allein die Tatsache, dass er eine Veranstaltung überhaupt mit seiner Gegenwart auszeichnete, bedeutete schon unendlich viel und zog den Neid der übrigen Petersburger Adelsfamilien nach sich.

Natalja war den Rest des Abends ungewöhnlich ausgelassen gewesen, sie plauderte und tanzte, schenkte jedem ihrer Verehrer die herzlichste Aufmerksamkeit, lachte oft und laut und brach nicht wenige Männerherzen. Ein nie gekanntes Glücksgefühl durchströmte sie, und erst als sie spät in der Nacht in ihrem Bett lag, überkam sie die Furcht, sie könne ihm niemals wieder begegnen.

Ihre Sorge war unbegründet. Schon am folgenden Abend traf sie ihn in der Oper, später erschien er regelmäßig im Haus der Großmutter, Kutschfahrten und Spaziergänge folgten – ach und dann jener wundervolle, ungeduldig erwartete Augenblick, da er ihr im herbstlichen Garten seine Liebe erklärte und um ihre Hand anhielt …

Das scharrende Geräusch an der Tür riss sie aus den schönen Erinnerungen. Marfa schob einen der Türflügel auf, sie schnaufte hörbar, und ihr breites Gesicht war gerötet.

»Da haben wir’s«, stöhnte sie, »ich habe es ja geahnt, dass es so kommen würde. Herr im Himmel, und ich habe die Vorhänge im Salon abgenommen, weil die Fenster einen neuen Anstrich brauchten …«

Natalja runzelte die Stirn, denn sie begriff nicht recht, warum dies solch ein Unglück sein sollte.

»Es ist Besuch gekommen, Herrin«, flüsterte Marfa. »Fürst Berjow wartet im Salon und bittet, seine Aufwartung machen zu dürfen.«

»Ich komme …«

Fürst Ossip Arkadjewitsch Berjow war ein guter Bekannter ihrer Großmutter, ein weißhaariger, stets vollendet gekleideter Höfling, der für Natalja immer so etwas wie ein freundlicher Onkel gewesen war. Während Natalja hinüber in den Salon ging, überlegte sie, woher Berjow wohl wusste, dass sie in St. Petersburg war. Hatte die besorgte Großmutter ihm etwa eine Nachricht zukommen lassen? Nun, wie auch immer, es traf sich gut, dass er sie besuchte. Fürst Berjow hatte weitreichende Beziehungen und konnte ihr nützlich sein.

Er hatte sich auf einem der Sesselchen niedergelassen und erhob sich höflich bei ihrem Eintreten. Natalja fiel auf, dass er sehr schlicht und schmucklos gekleidet war, ganz anders, als sie es von ihm gewohnt war.

»Man hat mir gesagt, dass Sie in St. Petersburg seien, Natalja«, sagte er statt einer Begrüßung. »Ich bin gekommen, weil ich dringend mit Ihnen sprechen muss.«

Sie war irritiert. Der Ton, den er anschlug, seine Hast, das Fehlen jeglicher Förmlichkeit – das alles kam ihr fremd vor. Das war nicht mehr der nette, ältere Herr, der auf den Gesellschaften ihrer Großmutter heitere Geschichtchen aus früheren Zeiten erzählte und der jungen Natalja Komplimente machte. Seine hellblauen Augen sahen sie so kühl an, dass ihr fast ängstlich zumute war.

»Mit mir sprechen? Aber worüber?«

Er lächelte, und ein kleiner Rest seines früheren jovialen Wesens kehrte in seine Züge zurück.

»Setzen Sie sich zu mir, Natalja Iwanowna, ich werde es Ihnen erklären. Sehen Sie, ich kenne Sie seit Ihrer Kindheit und bin Ihrer Großmutter Elisaweta Antonowna in Freundschaft verbunden. Deshalb bin ich bemüht, sowohl Sie als auch Ihre Familie vor Schaden zu bewahren, soweit es in meiner Macht steht.«

Nataljas Herz klopfte heftig, denn sie spürte, dass etwas Schlimmes, ja Schreckliches über sie hereinbrechen würde. Angstvoll ließ sie sich auf einem Sessel nieder, ohne Berjow dabei aus den Augen zu lassen. Sein Gesicht hatte wieder jenen harten Ausdruck angenommen, der ihr so fremd erschienen war, und sie begriff plötzlich, dass die behütete Welt, in der sie bisher gelebt hatte, die Welt der heiteren Salons und glänzenden Bälle, nur ein kleiner Teil der Wirklichkeit war. 

»Bitte reden Sie, Ossip Arkadjewitsch …«

»Zuerst muss ich Ihnen einige Fragen stellen, Natalja. Man hat Ihre Kutsche heute Nachmittag vor dem Haus von Andrej Semjonitsch Dorogin gesehen. Was wollten Sie dort?«

Woher wusste er das jetzt wieder? Ließ man sie etwa beobachten? Sie zögerte mit der Antwort, denn die Erinnerung an ihr Zusammentreffen mit Dorogin war ihr peinlich. Doch Berjows strenger Blick schüchterte sie ein, so dass sie sich entschloss, die Wahrheit zu sagen.

»Ich habe seit zwei Monaten keine Post mehr von Oleg erhalten und hoffte, von Dorogin etwas zu erfahren«, gestand sie beschämt.

»Warum von ihm?«

»Oleg erwähnte Dorogin in einem Brief …«

»Was hat er über ihn geschrieben?«

Natalja spürte, wie sie trotz allem ärgerlich wurde. Warum fragte er sie aus wie eine Schülerin? Mit welchem Recht?

»Er erwähnte, dass er einige angenehme Abende mit Dorogin verbracht habe. Genaueres hat er nicht geschildert«, sagte sie und hob das Kinn. »Darf ich fragen, weshalb diese Dinge für Sie so wichtig sind, dass Sie mich deshalb spät am Abend aufsuchen, Fürst?«

Wieder huschte ein kurzes Lächeln über sein Gesicht, das sich jedoch schnell verflüchtigte. Er erhob sich und trat ans Fenster, wobei er ihr den Rücken zuwendete. »Sie werden morgen früh wieder zurück nach Wologdje reisen, Natalja«, erklärte er in ruhigem Ton, ihre Frage überhörend, »und anschließend wird Ihre Großmutter die Auflösung der Verlobung bekanntgeben.«

Sie fuhr von ihrem Sessel empor, fassungslos, von Entsetzen gepackt. »Das … das ist nicht Ihr Ernst, Ossip Arkadjewitsch!«

»Mein voller Ernst, Natalja. Es ist die einzige Möglichkeit, wie Sie aus dieser unseligen Geschichte einigermaßen unbeschadet herauskommen.«

Sie erzitterte, während gleichzeitig der Zorn in ihr aufstieg. »Was für eine Geschichte? Warum reden Sie ständig in Rätseln, Ossip Arkadjewitsch? Ich bin kein Kind mehr und will die Wahrheit hören!«

Er wandte sich abrupt wieder um, sein Mund wurde schmal, und seine Züge zeigten keine Regung. »Oleg Pawlowitsch hat sich eines todeswürdigen Verbrechens gegen den Zaren schuldig gemacht, Natalja. Das muss Ihnen genügen. Je eher Sie Oleg vergessen, desto besser.«

Sie starrte ihn an, zu keiner Regung fähig, so unfassbar war diese Mitteilung, so undenkbar ihr Inhalt. Als die Empörung schließlich mit aller Macht aus ihr herausbrach, stand Berjow schon an der Tür.

»Lügner! Infame, boshafte Lüge!«, rief sie, während die Tränen schon in ihren Augen glitzerten. »Man hat ihn verleumdet – Oleg ist kein Verbrecher, das wissen Sie so gut wie ich. Oleg ist Offizier des Zaren, ein Ehrenmann, ein …«

Er verbeugte sich leicht, öffnete die Tür und überließ sie ihrer Verzweiflung.

Kapitel 2

Andrej Dorogin goss sich den Rest aus der Karaffe ins Glas und kippte den teuren Rotwein in einem Zug hinunter. Seine Laune war ausgesprochen schlecht, was vor allem mit dem überraschenden Besuch dieser hübschen, aber höchst gefährlichen Person zu tun hatte. Natalja Galugina würde ihm vermutlich noch Ärger bescheren, sie war genau die Sorte Frau, die ebenso blauäugig wie hartnäckig ihr Ziel verfolgte, so unsinnig es auch sein mochte. Er schüttelte ärgerlich den Kopf warum hatte er sich von diesem Oleg Petrow beschwatzen lassen? Andrej hatte Mitleid mit ihm gehabt, hatte ihm helfen wollen und dabei alle Menschenkenntnis außer Acht gelassen. Jetzt musste er dafür die Zeche zahlen.

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