Der Stoff aus dem die Hoffnung ist - Connie Bailey - E-Book

Der Stoff aus dem die Hoffnung ist E-Book

Connie Bailey

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Beschreibung

Als Charles sein Erbe antritt, erhält er nicht nur ein großes Vermögen, sondern muss sich zusätzlich noch um drei Kinder kümmern, die er unmöglich alleine erziehen kann. Durch einen glücklichen Zufall trifft er auf Jonathan, den er sogleich für die Betreuung der Kinder anheuert. Allen Bedenken zum Trotz funkt es bald zwischen Charles und Jonathan, doch ihre junge Liebe wird schon bald auf eine harte Probe gestellt… Band 11 der BELOVED Romantik-Reihe. Buch ist in sich abgeschlossen.

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EPUB

Seitenzahl: 292

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Deutsche Erstausgabe (ePub) Oktober 2017

Für die Originalausgabe:

© 2016 by Connie Bailey

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Finding Family«

Originalverlag:

Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2017 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

ISBN-13: 978-3-95823-664-6

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

Aus dem Englischen von Tasha N. Brooks

Liebe Leserin, lieber Leser,

vielen Dank, dass Sie dieses eBook gekauft haben! Damit unterstützen Sie vor allem die Autorin des Buches und zeigen Ihre Wertschätzung gegenüber ihrer Arbeit. Außerdem schaffen Sie dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der Autorin und aus unserem Verlag, mit denen wir Sie auch in Zukunft erfreuen möchten.

Vielen Dank!

Ihr Cursed-Team

Klappentext:

Als Charles sein Erbe antritt, erhält er nicht nur ein großes Vermögen, sondern muss sich zusätzlich noch um drei Kinder kümmern, die er unmöglich alleine erziehen kann. Durch einen glücklichen Zufall trifft er auf Jonathan, den er sogleich für die Betreuung der Kinder anheuert. Allen Bedenken zum Trotz funkt es bald zwischen Charles und Jonathan, doch ihre junge Liebe wird schon bald auf eine harte Probe gestellt…

Für Ihre Poppiheit.

Kapitel 1

»Jon-a-than! Jonathan Lamb!«, rief Schwester Grace. Als sie keine Antwort bekam, stieg sie weiter den grasbewachsenen Hügel hinauf. Sie war gut in Form, aber sie war zweiundsiebzig und der Fußweg vom Waisenhaus in Upstate New York war lang gewesen. Die Mittagssonne brannte heiß vom Himmel. Als Schwester Grace den Gipfel erreichte, hielt sie inne, um zu verschnaufen, und sah sich um.

In dem flachen Tal schlängelte sich ein Bach bis nach Ox Creek. Ein junger Mann hatte seine Hosenbeine bis zu den Knien aufgerollt und stand im Wasser. Er war vollkommen regungslos und hatte einen Arm von sich gestreckt. Während Schwester Grace zusah, glitt eine Libelle herab und landete auf seinem Zeigefinger. Wie immer war sie bezaubert von seinem Lächeln und wartete einige Momente, bevor sie nach ihm rief.

»Jon!«

Jon blickte auf und entdeckte sie. »Schwester!« Er grinste, winkte ihr zu und die Libelle flog davon.

Schwester Grace winkte zurück und bedeutete Jon, sich zu ihr zu gesellen. »Hast du deinen Termin mit Mr. Anthony vergessen?«, fragte sie. »Es ist beinahe vier Uhr! Du musst professionell aussehen und trotzdem wanderst du durch die Felder und watest barfuß durch Bäche. Manchmal glaube ich, dass du nicht zwanzig Jahre alt bist, sondern zehn. Wo sind deine Schuhe?«

»Meine Schuhe sind in meinem Zimmer«, sagte Jon. »Ich bin nach draußen gegangen, um meine Nerven zu beruhigen, und ich bin weiter gelaufen, als ich dachte. Es tut mir leid.«

»Was sollen wir nur mit dir tun? Ich glaube, du willst das Waisenhaus gar nicht wirklich verlassen.«

Jon legte einen Arm um die alte Frau. »Wieso sollte ich gehen wollen?«, fragte er. »Du weißt doch, dass ich in dich verliebt bin.«

»Sei nicht albern und geh dich umziehen. Warte nicht auf mich. Ich werde es auf dem Rückweg langsam angehen lassen.«

»Geht es dir gut?«

»Alles in Ordnung. Nur ein wenig erschöpft. Geh du vor.«

»Ich mag es nicht, dich hier allein zu lassen.«

»Ich kam fünfzig Jahre lang gut ohne dich aus. Geh! Dieses Gespräch ist wichtig.«

»Bist du sicher?«

»Du wirst beleidigend. Ich bin nicht schwach. Geh nur. Zwanzig Jahre sind lange genug, um in einem Waisenhaus zu wohnen.«

»Ich mag es hier.«

»Geh, bevor ich dich mit einem irischen Fluch belege.«

Jon lächelte, küsste ihre Wange und verfiel in einen schnellen Lauf.

Jon kehrte zum Blood of the Lamb-Kinderheim zurück. Er duschte eilig und zog sich das weiße Hemd und die schwarze Hose an, die er sonst zum Gottesdienst trug. Er wartete alleine im Büro der Mutter Oberin, als Albert Anthony, ein Vertreter von Charles Macquarrie, zum Gespräch eintraf. Obwohl Mr. Anthony jung war, vermutlich Anfang zwanzig, erkannte Jon an seinem Anzug und seiner Haltung, dass er ein wichtiger Mann war. Er war groß, langbeinig und elegant gekleidet, trug einen ordentlichen Haarschnitt. Seine manikürten Nägel glänzten dezent. Er erinnerte Jon an eine siamesische Katze, die vor Kurzem gepflegt worden war.

»Sie müssen Jonathan Lamb sein«, sagte Albert und hielt ihm die Hand hin. »Mein Name ist Albert Anthony.«

Jon schüttelte ihm die Hand und wartete, dass Albert sich zuerst setzte.

»Dieses Gespräch ist keine Garantie, dass Sie einen Job bekommen«, sagte Albert, als er sich hinter den leeren Schreibtisch setzte. »Mein Arbeitgeber, Mr. Macquarrie, ist sehr anspruchsvoll, besonders bei dieser Aufgabe.«

»Ich verstehe«, sagte Jon. »Natürlich achtet er sehr genau darauf, wen er anstellt.«

»Ich bin froh, dass Sie zustimmen.« Albert nahm einen dünnen Laptop aus seiner Aktentasche. »Ich habe mit den Schwestern über Sie gesprochen«, sagte er, während er das Notebook auf den Tisch stellte und es öffnete. »Allerdings würde ich gerne ein paar Dinge aus Ihrem Privatleben besprechen.«

»Ich habe nicht wirklich eines.«

Albert sah Jon über den Bildschirm des Laptops hinweg an. Sein Gesicht war ausdruckslos, aber seine Missbilligung über Jons Bemerkung war offensichtlich. »Humor hat keinen Platz in diesem Gespräch.«

»Ich wollte nicht –« Jon machte eine Pause. »Ich entschuldige mich, aber ehrlich gesagt mache ich nichts außer arbeiten und schlafen.«

»Wir werden darauf zurückkommen.« Albert sah auf den Bildschirm hinab. »Sie wurden der Kirche überlassen, als Sie ein Säugling waren.«

Jon war verwirrt. Albert hatte keine Frage gestellt, aber er schwieg, als ob er eine Antwort erwartete. Vorsichtig nickte Jon.

»Also haben Sie Ihr ganzes Leben hier verbracht.«

»Ja.« Jon räusperte sich. »Darf ich eine Frage stellen?«

»Nur zu.«

»Sollte ich Sie Sir nennen? Es macht mich nervös, nicht zu wissen, wie ich Sie ansprechen soll.«

»Wenn Sie den Job bekommen, werde ich Ihr Vorgesetzter sein«, sagte Albert. »Denken Sie, dass Sie mich Sir nennen sollten?«

»Ja, Sir«, antwortete Jon.

Albert tippte auf der Tastatur. »Sie wurden nie adoptiert.« Er sah erneut zu Jon. »Sie sehen aus, als wären Sie ein niedliches Kind gewesen, aber niemand hat Sie ausgewählt.«

»Deswegen.« Jon öffnete die oberen beiden Knöpfe seines Hemdes und zog den Kragen zur Seite, sodass Albert das Feuermal sehen konnte, das bis zur Mitte seines Halses hinaufreichte. »Ich war auch oft krank.«

Albert kommentierte Jons Geburtsmal nicht. »Aber jetzt sind Sie bei guter Gesundheit.«

»Ich bin sehr gesund. Ich esse gut und ich trainiere jeden Tag.«

»Gut. Die Stelle erfordert jemanden mit Durchhaltevermögen.«

Albert sah auf den Bildschirm. »Nach Ihrem achtzehnten Geburtstag haben Sie hier eine Stelle angenommen, statt zu gehen. Sie arbeiten in der Küche.«

»Ich koche und putze und erledige, was sonst noch ansteht. Ich bin ein Mann für alles, würde ich sagen.«

»Es gefällt Ihnen hier.«

Jon begann, sich an Alberts Art der Befragung zu gewöhnen, und antwortete sofort. »Ja, das tut es. Die Leute hier sind wie meine Familie.«

»Aber Sie sind bereit zu gehen.«

»Es war nicht meine Idee, aber nachdem ich eine Weile darüber nachgedacht habe, sehe ich es wie die Schwestern. Ich kann immer noch zurückkommen, wenn ich den Rest der Welt nicht mag.«

»Diese Stelle erfordert großes Engagement.«

Jon lehnte sich vor. »Mr. Anthony, wenn ich diese Verantwortung übernehme, werde ich mich ihr vollkommen widmen. Es ist nicht wirklich ein Job, richtig? Es ist ein Leben.«

Albert wartete einen Moment, bevor er sprach. »Das ist eine hervorragende Antwort«, sagte er. »Sie trinken nicht.«

»Überhaupt nicht.«

»Gut. Raucher?«

»Nein. Ich habe keine Zeit für schlechte Angewohnheiten.«

»Ich muss sagen, dass Sie perfekt für die Stelle scheinen. Ich habe allerdings noch einige Fragen.«

»Ich beantworte sie Ihnen gerne, Sir.«

»Sie sind nicht verheiratet und haben keine Freundin.«

»Nein, Sir.«

»Sie sind homosexuell.«

Jon blinzelte und sein Mund blieb ihm vor Verwunderung offen stehen.

»Ja, das dachte ich mir.« Albert schloss seinen Laptop. »Machen Sie sich keine Sorgen, Mr. Lamb. Das ist kein Ausschlusskriterium. Auf meinen Rat hin bevorzugt mein Arbeitgeber einen homosexuellen Mann für die Stelle.«

Jon schluckte. »Ich denke nicht, dass es Ihre Angelegenheit ist, ob ich schwul bin, Sir, aber wieso sollten Sie einen schwulen Mann bevorzugen?«

Alberts Lippen verzogen sich zu etwas, das einem Lächeln ähnelte. »Ich selbst mag Männer nicht auf diese Art, aber es hat Vorteile, als Dienstboten homosexuelle Männer statt Frauen anzustellen. Zum Beispiel werden Sie nicht versuchen, Mr. Macquarrie zu verführen. Sie werden nicht gehen, um zu heiraten oder um ein eigenes Kind zu bekommen oder beides. Und weil die Gesellschaft missbilligt, wenn zwei Männer öffentlich ihre Zuneigung zeigen, kann ich davon ausgehen, dass Sie mit Ihren Affären diskret umgehen. Das ist sehr wichtig. Der Ruf meines Arbeitgebers darf auf keinen Fall durch einen Skandal geschädigt werden.«

»Ich verstehe.«

»Sie haben das Material gelesen, das ich Ihnen geschickt habe.«

»Ja.«

»Sie verstehen Ihre Pflichten, die in der Datei beschrieben werden.«

»Ja, Sir.«

»Sie sind zufrieden mit der Bezahlung.«

»Ja, sie scheint sehr großzügig zu sein.«

»Mr. Lamb, Sie sind bei Weitem der beste aller Kandidaten für diese Stelle. Ich bin zuversichtlich, dass Sie den Job bekommen.« Albert schloss seine Laptoptasche. »Ich werde mit Mr. Macquarrie sprechen und wenn er einverstanden ist – was er sein wird, weil er ein vernünftiger Mann ist –, werden wir Sie kontaktieren. Wir werden Vorkehrungen für Ihre Beförderung zu Mr. Macquarries Wohnsitz treffen.«

»Vielen Dank.«

Albert erhob sich und Jon stand ebenfalls auf. »Ich werde mich jetzt von Ihnen verabschieden, Mr. Lamb, aber ich bin mir sicher, dass ich Sie sehr bald wiedersehen werde.«

Nach dem Gespräch traf Albert sich erneut mit der Mutter Oberin. Er verbrachte einige Zeit damit, Jon und eine Gruppe von Kindern zu beobachten, nahm ein Geschenk der Küche entgegen und verabschiedete sich dann vom Blood of the Lamb-Kinderheim. Mit der aufrichtigen Hoffnung, nie wieder an diesen Ort zurückkehren zu müssen, verließ Albert die Gegend um Smoke Tree und bog auf die Straße zurück in die Stadt. Sobald er auf der Interstate war, rief er seinen Chef an.

»Wie sehr hast du es versaut?«, fragte Charles Macquarrie, als er den Anruf entgegennahm.

Albert gab vor, genervt zu sein, aber er liebte es, wenn sein Chef ihn neckte. »Es lief so, wie es immer läuft, wenn ich mich um etwas kümmere.«

Charles lachte leise. »Also ist die Sache so gut wie erledigt?«

»Sie haben einen Kinderbetreuer, Sir.«

»Gott sei Dank. Und bei dem bist du dir sicher?«

»Vertrauen Sie mir.«

»Nun, du kannst dich nicht schlechter angestellt haben als die Agentur.«

»Ihr Vertrauen in mich ist herzerwärmend.«

Charles lachte. »Erzähl mir von ihm. Wie sieht er aus?«

»Er ist gut aussehend – ein hübscher Junge. Dunkles Haar, große blaue Augen, reine Haut. Er sagt, dass er trainiert, und man sieht es auch. Er ist kein Schwarzenegger, aber er hat definierte Muskeln. Er ernährt sich gesund, trinkt und raucht nicht.«

»Wie ist dein Eindruck von seinen Fähigkeiten?«

»Ich habe ihn mit den Kindern im Heim gesehen. Er macht sich gut mit ihnen. Er ist fröhlich, höflich und fähig. Und ich kann persönlich bestätigen, dass er ein guter Koch ist. Apropos, ich habe ein Dose mit hausgemachten Keksen für sie.«

»Du hast es geschafft, eine männliche Mary Poppins zu finden.«

»Ja, allerdings. Ich nehme an, meine Belohnung wird angemessen beeindruckend sein.«

»Habe ich dich je enttäuscht?«

»Bisher nicht, Sir.«

»Arschloch.«

»Gleichfalls.« Albert legte auf und drückte das Gaspedal durch. Er hatte eine vierstündige Fahrt vor sich und er hasste es, Zeit zu verschwenden.

Vier Tage nach seinem Vorstellungsgespräch erhielt Jon per Kurier einen großen Umschlag, der seinen Vertrag und einen Ordner mit mehr Informationen über seine Aufgaben enthielt. Im Umschlag befanden sich außerdem ein Busticket und ein Scheck, den er für Fahrtkosten verwenden sollte. Es passierte wirklich. Er würde das einzige Zuhause verlassen, das er je gekannt hatte, und in eine große Stadt ziehen, um mit fremden Menschen zusammenzuleben. Er vermutete, dass er etwas mehr über diese Fremden lernen konnte, wenn er sich die kurzen Biografien in dem Ordner ansah, also öffnete er ihn.

Madeleine war ein zwölfjähriges Mädchen, das auf dem Foto einen roten Gymnastikanzug trug und auf einem Schwebebalken stand. Ihr helles rötlich-braunes Haar war zu einem dicken Zopf geflochten, der wie eine Krone um ihren Kopf gelegt war und ihre Augenbrauen waren über ihren hellblauen Augen konzentriert zusammengezogen. Jon las, dass sie Pferdefiguren sammelte und allergisch auf Kokosnuss reagierte.

Holland war ein neunjähriger Junge, dessen Schulnoten ein Genie verkündeten, aber auf seinem Bild tat er nichts, was darauf hindeutete. Der Fotograf hatte ihn dabei erwischt, wie er einen Fußball kickte. Seine kastanienbraunen Locken klebten in dunklen Strähnen an seiner Stirn und seine Rehaugen waren auf das Tor gerichtet. Neben Fußball spielte er auch Violine und interessierte sich für Medizin und Insekten.

Die beiden wirkten, basierend auf seinen Erfahrungen im Kinderheim, ziemlich respekteinflößend auf Jon. Madeleine und Holland hatten einen störrischen Zug auf ihrem Gesicht, der von Widerstand gegen Autoritätspersonen sprach. Er hatte mehr als ein Kind gekannt, das nicht ertragen konnte, Anweisungen zu erhalten. Schwester Grace sagte, dass sie kontrollierten, was sie konnten, weil sie so wenig Einfluss auf das hatten, was mit ihnen geschah. Dann reagierten sie aufgebracht, wenn diese Kontrolle bedroht wurde.

Zumindest sollte er es mit dem dritten Kind nicht schwer haben. Juliana war fünf und wirkte so süß wie Zuckerwatte, mit vollen Lippen, großen, blauen Augen und einem Kopf voller rotblonder Locken. Juliana verbrachte ihre Zeit außerhalb des Kindergartens mit Klavierübungen.

Als er das Ende des Ordners erreichte, schloss er ihn und schob ihn zusammen mit den anderen Materialien zurück in den Umschlag. Er klemmte ihn unter einen Arm und machte sich auf die Suche nach Schwester Grace, die er im Kräutergarten fand. »Ich habe den Vertrag bekommen«, sagte er ohne Einleitung, während er sich hinkniete, um ihr beim Unkrautzupfen zu helfen. Diese Frau kannte ihn, seit er ein paar Tage alt gewesen war. Sie hatte sich in zahlreichen Nächten um ihn gekümmert und es hatte nie irgendwelche Täuschungen zwischen ihnen gegeben. Sie sprachen ehrlich miteinander, ohne sich vor Kritik zu fürchten, so wie Menschen es tun, die sich lieben.

»Du hast gesagt, dass du deine Entscheidung getroffen hast. Hast du es dir noch einmal anders überlegt?«

»Eher zum dritten oder vierten Mal.« Jon packte ein hartnäckiges Unkraut bei der Wurzel und zog es aus der Erde. »Meine Freunde haben mir viele gute Gründe gegeben, den Kokon, wie Mutter Oberin ihn nennt, zu verlassen und ich stimme ihnen zu. Aber ich bin trotzdem...«

»Ängstlich?« Schwester Grace streckte ihren Arm über eine Reihe Basilikum und legte ihre Hand auf Jons Arm. »Natürlich bist du das. Du warst nie weiter als achtzig Meilen von hier entfernt und das war auch nur einmal. Es ist beängstigend, an einen neuen Ort zu ziehen und nicht zu wissen, wo die Dinge sind und ob die Menschen dich mögen werden.« Sie lächelte und strich Jon eine glänzende Haarsträhne aus dem Gesicht. »Mach dir nicht zu viele Sorgen. Sie werden dich mögen und es wird nicht lange dauern, bis du dich dort auskennst. Du hast ein Händchen für Kinder. Du wirst klarkommen.«

Jon atmete tief ein und langsam wieder aus, wobei er seine Wangen aufblies. »Du hast mich nie belogen«, sagte er. »Wenn du sagst, dass es okay sein wird, muss ich dir wohl glauben.«

»Du bist ein guter Junge, Jon. Ich bin stolz auf dich.« Schwester Grace stand auf und strich ihren Rock glatt. »Wann fährst du?«

»Morgen Früh. Ich habe Mr. Anthony gesagt, dass ich jederzeit bereit bin zu gehen. Ich nehme an, er hat mich beim Wort genommen.«

»Dann geh und pack deine Sachen. Wir sehen uns beim Abendessen.«

»Komm nicht zu spät. Es gibt Bananenpudding zum Nachtisch.«

Schwester Grace lächelte, als Jon davonging. Sie wusste, dass er eine Schüssel Pudding für sie zur Seite stellen würde. Er war ein sehr achtsamer Junge. Selbst als Baby war er rücksichtsvoll gewesen. Er hatte nur geweint, wenn etwas wirklich schlimm gewesen war, und hatte den Großteil seiner Zeit damit verbracht, zu schlafen, zu lächeln und vergnügt zu krähen. Später hatte er eine Reihe von schwächenden Krankheiten bekommen, aber er hatte nie ein Aufheben darum gemacht. Bis zu seiner Jugend hatte er eine bemerkenswerte Menge an Zeit in Krankenhäusern verbracht, bis sein Körper auf wundersame Weise aufgehört hatte zusammenzubrechen. Bis dahin hatte er sich daran gewöhnt, gesund zu essen, und er begann, mehr zu trainieren, um seinen Körper zu kräftigen. Schwester Grace war wirklich stolz auf ihn und darauf, wie tapfer er bereits in diesem Alter gekämpft hatte. Sie würde ihn vermissen, aber sie fand, dass es nicht fair gegenüber ihm oder dem Rest der Welt wäre, ihn hier versteckt zu halten.

Nachdem die Kinder in der großen Halle zu Abend gegessen hatten und vor der Schlafenszeit zum Lernen verschwunden waren, feierten die Angestellten eine Abschiedsparty für Jon. All seine Freunde waren dort, um Kuchen und Eis mit ihm zu essen und ihm alles Gute zu wünschen. Die Mutter Oberin und die Schwestern umarmten ihn, bevor sie mit Tränen in den Augen zur Seite traten.

»Danke für alles«, sagte Jon. »Ich könnte euch nie sagen, wie viel ihr mir alle bedeutet. Ich werde anrufen, euch schreiben und zu Besuch kommen.«

»Sorg dafür, dass du es tust«, sagte die Mutter Oberin. »Es tut mir leid, dass ich die Party beenden muss, aber ich habe noch immer einen Stapel Papierkram auf meinem Schreibtisch und es wird Zeit, dass die Kinder sich waschen und ins Bett gehen.«

Jon verabschiedete sich erneut von allen und wartete, bis sie gegangen waren, bevor er die Reste der Torte einpackte. Er stellte sie zusammen mit dem Fahrtkostenscheck in den Kühlschrank. Im Gegensatz zum Heim brauchte er das Geld nicht. Mit einem letzten Blick auf die ordentliche Küche ging er in die Bibliothek, um einen der Computer zu benutzen.

Jon hatte seinen neuen Arbeitgeber nicht recherchiert, bevor er den Job bekommen hatte, weil er seine Chancen nicht hatte verhexen wollen. Jetzt da er die Namen und ein paar Details über die Kinder kannte, um die er sich kümmern würde, gab er seiner Neugierde nach. Sobald er eine Verbindung zum Internet hatte, tippte er Charles Macquarrie in das Suchfeld und wartete darauf, dass Google ihm Ergebnisse anzeigte. Als sie geladen hatten, sah er erstaunt die Zahl der Einträge, die seinen Suchbegriff enthielten. Er klickte den ersten an und bekam eine kurze Biografie zu sehen. Charles Macquarrie war zweiunddreißig Jahre alt und Chef einer erfolgreichen Sportbekleidungsfirma, die er geerbt hatte. Im Alter von zweiundzwanzig hatte er beide Eltern verloren, als sein Vater ein Flugzeug in den Rocky Mountains zum Absturz brachte. Sieben Jahre später war die Jacht seines Onkels und seiner Tante vor der Küste von Griechenland gesunken und hatte alle Passagiere an Bord mit sich genommen. Jetzt war er der alleinige Besitzer des Unternehmens und Sorgeberechtigter für seine verwaisten Cousinen und seinen Cousin. Sie lebten in einem Penthouse in New York City und schienen alle Vorteile großen Reichtums zu genießen.

Jon sah lange ein Foto von Charles an, das zusammen mit dem kurzen Artikel erschienen war, und suchte dann nach mehr Bildern. Es gab nicht wenige davon; der gut aussehende und modebewusste Charles war ein Liebling der Paparazzi.

Es gab Fotos von Charles, der im maßgeschneiderten Smoking Galas besuchte oder exklusive Nachtclubs mit Frauen verließ, die wie Models aussahen. Es gab Bilder von Charles, der Ski fuhr, seine Jacht über den Lake Superior segelte oder im Sattel eines Vollblüters über ein Hindernis flog. Mit seinem dichten, widerspenstigen, kastanienbraunem Haar, den goldenen Augen, dem hochgewachsenen, gepflegten Äußeren und seiner Playboy-Rolle war Charles Macquarrie genau die Art Mann, von der Jon träumte – in den seltenen Momenten, in denen er sich das Träumen erlaubte. Mr. Macquarrie war die Art Mann, die er irgendwann einmal sein wollte, und die Art Mann, die er mit heftigem Verlangen begehrte. Er war sich nicht sicher, ob das gut oder schlecht war, aber es gab nichts, was er tun konnte, um es zu ändern. Er würde sich einfach von seiner Schokoladenseite zeigen müssen, wie Schwester Grace zu sagen pflegte. Jon hatte keine Ahnung, was Schokolade damit zu tun hatte, aber er wusste, dass er sich so gut wie möglich benehmen musste, wenn er Mr. Macquarrie traf. Er durfte ihn nicht anschmachten.

Nachdem er ein paar mehr Bilder angesehen hatte, loggte Jon sich aus und ging ins Bett. Sein letzter Gedanke vor dem Schlafen war ein inbrünstiges Gebet, dass er vor diesem sehr gut aussehenden Mann, für den er arbeiten würde, nichts Albernes sagen würde.

Um sieben Uhr am nächsten Morgen stieg Jon, der das weiße Hemd und die schwarzen Hosen vom Vorstellungsgespräch trug, mit seinem Rucksack, Koffer und einem handgemachten Einkaufskorb in ein Taxi und fuhr zur nächsten Bushaltestelle. Er stieg in Syracuse in einen anderen Bus um und nahm einen Schnellbus nach Manhattan. Die Fahrt dauerte etwas weniger als sechs Stunden und er genoss die Erfahrung. In der Hoffnung, dass es ein gutes Zeichen war, verstellte er die Rückenlehne seines Sitzes nach hinten und beobachtete die Landschaft, bis sie die Stadt erreichten.

Kapitel 2

Jon hatte keine Schwierigkeiten, vor dem Port Authority Bus Terminal ein Taxi zu bekommen. Er wies den Fahrer an, ihn zur Ninety-Sixth Street, 175E in Manhattan zu bringen und schnallte sich an. Die Fahrt nach Manhattan war aufregend, zu allen Seiten gab es Wunder zu sehen. Jon war überrascht von der bloßen Menge an Autos und Menschen, als sie sich durch die Straßen des Zentrums von Manhattan schlängelten. Das backsteinrote Äußere des Monterey-Gebäudes mit seiner Begrünung beeindruckte ihn sehr. Es fiel ihm schwer zu glauben, dass er jetzt dort leben würde.

Ein Mann in einer roten Jacke öffnete die Eingangstür für Jon und führte ihn zur Rezeption. Nachdem Jon seinen Ausweis und einen Brief von Mr. Anthony vorgezeigt hatte, begleitete der Rezeptionist ihn an drei Aufzügen vorbei zu einem kleineren in einer einzelnen Nische. Jon wusste, dass sein Arbeitgeber wohlhabend war, aber nicht, dass sein Reichtum für einen eigenen Aufzug reichte. Der Rezeptionist beugte sich vor und schob eine Schlüsselkarte in den vorgesehenen Spalt des Bedienungsfelds. Er schenkte Jon ein professionelles Lächeln und trat zurück, sobald die Türen sich schlossen.

Auf dem Weg nach oben stellte Jon sich vor, im Aufzug zu bleiben und wieder nach unten zu fahren, um ein Taxi heranzuwinken, das ihn zurück nach Hause bringen würde. Zwei Dinge hielten ihn zurück: er hatte keine Schlüsselkarte und er wollte Schwester Grace nicht enttäuschen. Als die Türen sich öffneten, trat er hinaus und blieb stehen, um seine Umgebung anzustarren. Es schien, als wäre er in einem kleinen Garten mit einer Glaskuppel, üppigem Blätterwerk zu beiden Seiten und einem Springbrunnen gelandet.

»Wow«, murmelte er kaum hörbar.

Eine der Doppeltüren am Ende des großen Foyers schwang auf.

»Jon«, sagte Albert. »Willkommen in Manhattan. Kommen Sie herein.«

Jon ging durch die Tür in ein Apartment, wie er es zuvor nur in Filmen über verschrobene Erbinnen mit Selbstwertproblemen gesehen hatte. »Das ist riesig.«

»Nun, die Wohnung besetzt das gesamte Obergeschoss des Gebäudes.«

»Wow.«

»Wow in der Tat. Wie war Ihre Fahrt?«

»Ich habe sie genossen.«

»Gut.« Albert blieb stehen und deutete auf die Tür zu seiner Rechten. »Badezimmer«, sagte er. »Nehmen Sie sich eine Minute, um sich frisch zu machen. Ich werde gleich zurück sein, um Sie zu Mr. Macquarrie zu bringen.«

»Danke.« Jon ging ins Badezimmer und schloss die Tür.

»Die Manny ist hier«, sagte Albert, als er Charles' Büro betrat.

»Du magst dieses Wort, oder?«, fragte Charles.

»Es amüsiert mich.« Albert setzte sich auf die Ecke von Charles' Schreibtisch. »Aber ich habe mich nicht in ihm getäuscht. Er ist perfekt für den Job.«

»Albert, ich glaube fast, du magst ihn.«

Albert legte seinen Kopf auf seine Seite, als müsste er diesen Gedanken abwägen. »Ich muss sagen, man sieht solches Benehmen nicht jeden Tag.«

»Du bist so ein Romantiker«, sagte Charles. »Wo ist dieser Ausbund an Höflichkeit?«

»Seine Blase entleeren, stelle ich mir vor.«

»Wenn es das ist, was du dir vorstellst, mache ich mir Sorgen um dich.«

Albert warf Charles einen getroffenen Blick zu und verließ den Raum, um Jon zu holen. Er traf ihn in der Halle und wies ihn an, seinen Rucksack stehen zu lassen. Während er Jon den Gang entlangführte, sprach er über seine Schulter hinweg mit ihm. »Wenn ich Sie vorstelle, nennen Sie ihn Sir oder Mr. Macquarrie, außer er gibt Ihnen andere Anweisungen.«

»Ich verstehe«, sagte Jon. Er wappnete sich, als Albert die Tür öffnete, und folgte ihm dann hindurch.

Charles erhob sich hinter seinem Schreibtisch und Jon musterte ihn neugierig, während er den Raum durchquerte. Charles enttäuschte auch in der Realität nicht. Er war gut aussehend, trainiert und makellos gekleidet, genau wie auf den Fotos, die Jon angesehen hatte. Sein modisch durcheinandergebrachtes kastanienbraunes Haar war dicht und glänzte, und seine bernsteinfarbenen Augen ähnelten denen eines schlaftrunkenen Tigers.

»Jonathan Lamb, das ist Charles Macquarrie, Vorsitzender und Inhaber von Macquarrie International Clothier.«

»Angenehm, Sie kennenzulernen, Sir«, sagte Jon.

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite.« Charles lächelte. »Es war so schwer, jemanden zu finden, der gut zu den Kindern passt.«

»Wann kann ich sie kennenlernen?«

»Bald. Ich würde zuerst gerne ein paar Minuten mit Ihnen sprechen.« Jon ermahnte seine Innereien, dass sie aufhören sollten zu flattern, nur weil ein gut aussehender Mann ihn angelächelt hatte. Er wusste schon, seit er denken konnte, dass er Männer mochte, aber hatte wenig Gelegenheiten gehabt, dem nachzugehen. Er hoffte wirklich, dass er sich nicht blamieren würde. »Natürlich, Mr. Macquarrie.«

»Sie brauchen nicht nervös zu sein. Das ist kein Inquisitionskommando. Ich überlasse diese Dinge Anwälten wie Albert.« Charles lächelte erneut. »Sie denken, dass er zu jung aussieht, um ein Anwalt zu sein, richtig? Er hat das College beendet, als er vierzehn war. Albert ist ein richtiges Genie.«

»Aus diesem Grund sage ich Ihnen, was Sie tun sollen«, sagte Albert. »Und Sie müssen sich beeilen. Sie haben einen Termin zum Mittagessen.«

Charles machte eine Geste, die bedeutete, dass er keinen Einfluss darauf hatte, und zwinkerte Jon zu. »Ich nehme an, wir müssen uns später kennenlernen. Albert wird Ihnen alles zeigen, während ich mich für meinen Termin fertig mache.« Er sah zu Albert hinauf.

»Kein Problem«, sagte Albert. »Sie sollten das rosafarbene Hemd mit dem grauen Anzug tragen. Ich treffe Sie in einer halben Stunde im Foyer.« Er machte eine Geste in Jons Richtung. »Hier entlang«, sagte er, als er zur Tür ging.

»Das ist ein schönes Apartment«, sagte Jon, während er Albert einen breiten Flur entlang folgte, der mit impressionistischen Landschaftsgemälden geschmückt war.

»Ja, das ist es. Keine Ausgaben wurden gescheut, um es dazu zu machen. Die Küche ist auf der anderen Seite dieses Durchgangs. Wie besprochen sind Sie für das Frühstück und Abendessen der Kinder zuständig. Die Vorratskammer ist gut ausgestattet und Sie können einkaufen gehen, während die Kinder in der Schule sind. Das Fitnessstudio und der Unterhaltungsraum sind hinter uns. Sie können sie sich später ansehen. Hier ist Ihre Suite.« Albert öffnete die Tür am Ende des Flurs und ging hindurch.

Jon folgte Albert in ein kleines Wohnzimmer.

Durch die Tür an der gegenüberliegenden Wand sah er ein Schlafzimmer.

»Das ist meins?«

»Ja, in der Tat. Die Suite der Kinder ist auf der rechten Seite und ihr Spielzimmer links. Ihr Gepäck ist im Schlafzimmer. Toilettenartikel wurden Ihnen zur Verfügung gestellt, falls Sie beim Packen etwas vergessen haben.« Albert nahm einen Umschlag aus seiner Jackentasche und gab ihn Jon. »Das sind Ihre Schlüsselkarte, Ihre Kreditkarte und Ihr Mobiltelefon. Wir haben einen Fahrdienst, den Sie jederzeit nutzen können. Außerdem finden Sie im Umschlag Anweisungen, damit Sie sich zurechtfinden können.«

»Danke«, sagte Jon und fühlte sich ein wenig überwältigt.

»Ich nehme an, Sie haben Ihre Aufgabenliste, Ihre täglichen To-do-Listen und Karten.«

»Das ist alles in meinem Koffer.«

»Hervorragend. Im Schrank finden Sie Kleidung, die Ihrer Position angemessen ist. Bitte tragen Sie diese, solange Sie im Dienst sind. Haben Sie bisher Fragen?«

»Es ist ein bisschen viel auf einmal. Ich hebe mir meine Fragen für später auf.«

»Gut. Dann habe ich im Moment nichts weiter zu erklären.«

»Nein, Sir.«

»Richten Sie sich ein. Die Kinder werden nicht vor drei von der Schule nach Hause kommen, also werden Sie ein wenig Zeit haben, um sich im Apartment zurechtzufinden.« Mit einem knappen Nicken verließ Albert den Raum. Jon zog seine Schuhe aus und ließ sich rücklings aufs Bett fallen. Er streckte seine Arme und Beine aus, während er in die weiche Decke und die Pillow-Top-Matratze sank.

»Ich könnte mich hieran gewöhnen«, sagte er in Richtung der Zimmerdecke.

Als er aufstand, sah er sich in der Suite um. Er konnte kaum glauben, dass all das für ihn war. Das Badezimmer war mindestens halb so groß wie sein gesamtes Schlafzimmer im Waisenhaus und hatte zusätzlich zur mit Glas verkleideten Dusche eine große, ovale Badewanne. Er konnte die Male, die er in einer Wanne gebadet hatte, an einer Hand abzählen und es kaum abwarten, sie auszuprobieren.

Nachdem er sich das Badezimmer angesehen hatte, kehrte er in sein Schlafzimmer zurück, um auszupacken, und öffnete den Schrank.

Wie Albert ihn informiert hatte, fand er Kleidungsstücke auf Bügeln und in Regalfächern. Nur ein paar wenige – fünf weiße Hemden, zwei schwarze Hosen und fünf weiße T-Shirts –, aber als er die Stoffe berührte, wusste er, dass sie hochwertig waren. Als er die Labels untersuchte, erkannte er, dass jedes Kleidungsstück von Macquarrie Clothier hergestellt wurde.

Bisher hatte seine Garderobe aus einer Jeans, einer Arbeitshose, fünf Secondhand-Oberteilen und einem Sweatshirt bestanden. Er hatte ein Paar Sneakers, zwei Paar Sportsocken und sechs ausgeleierte Unterhosen. Als er an die verwaschenen, abgetragenen Kleidungsstücke in seinem Koffer dachte, war er versucht, sie direkt in den Abfalleimer zu werfen, aber seine natürliche Vorsicht hielt ihn zurück. Falls er morgen seinen Job verlor, würde er froh sein, seine alten Klamotten behalten zu haben.

Jon schloss die Schranktür und ging hinaus ins Wohnzimmer. Eine bequem aussehende Couch aus grauem Wildleder stand einem Fernseher mit gebogenem Bildschirm gegenüber, der an der Wand angebracht war. Zu beiden Seiten der Couch befanden sich identische Sessel aus schwarzem Leder und zwischen ihnen stand ein Couchtisch mit Granitplatte. An den Wänden hingen echte Gemälde – keine Drucke – rote, gelbe, schwarze und graue Farbtupfer deuteten Chrysanthemen an. Der Raum war ein wenig unpersönlich, aber gemütlich.

Er hatte noch eine Stunde Zeit, bevor die Kinder nach Hause kommen sollten, also holte er seinen Ordner und brachte ihn zu dem schmalen Schreibtisch unter dem Fenster. Als er Gelenke am Ende des Schreibtisches bemerkte, schob er seine Finger unter die Tischplatte und hob sie an. Eine Platte schob sich zur Seite und gab einen Bildschirm frei. Einen Moment später entdeckte Jon die ausfahrbare Tastatur.

Er schaltete den Computer ein und erkannte, dass er ein Passwort brauchte. Er holte die Mappe mit Anweisungen hervor, die Albert ihm gegeben hatte. Der Mann war bisher so minutiös gewesen, dass Jon sicher war, auf einer der Seiten ein Passwort zu finden. Nach einer kurzen Suche fand er es in einer Liste mit wichtigen Nummern. Er loggte sich ein, stellte eine Internetverbindung her und schickte eine E-Mail an das Heim. Nachdem er seine Freunde wissen lassen hatte, dass er sicher angekommen war, beschrieb er kurz seine Fahrt und beendete die Nachricht mit dem Versprechen, sich bald wieder zu melden.

Um Viertel vor drei fuhr Jon den Computer herunter und schloss den Schreibtisch. Er zog sich eines der weißen Oxfordhemden und eine der schwarzen Hosen aus dem Schrank an.

Er nahm eine große Dose aus seinem Koffer und trug sie ins Wohnzimmer. Als er den Deckel öffnete, füllte der Duft nach Vanille, Zimt, gerösteten Nüssen und Schokolade den Raum. Jon ließ die Kekse auf dem Kaffeetisch zurück und verließ seine Suite.

Aus den Dokumenten, die Albert ihm zur Verfügung gestellt hatte, wusste Jon, dass die Kinder vom Fahrdienst von der Schule abgeholt und vor dem Gebäude herausgelassen wurden. Der geprüfte Fahrer wartete am Straßenrand, bis der Portier die Kinder nach drinnen brachte. Der Portier passte auf, bis die Kinder den Schnellaufzug zur Wohnung betreten hatten. Jon wollte vor dem Aufzug warten, wenn sie oben ankamen.

Ein Glockenspiel erklang und im Foyer des Penthouses glitten die Türen des Aufzugs auf. Drei Kinder in Schuluniform erstarrten vor Überraschung, als sie zu Jon hinaufblickten. Er trat vor und hielt die Türen auf, die im Begriff waren, sich wieder zu schließen. Die Kinder schüttelten ihren Schock ab und verließen den Aufzug.

»Bist du die neue Nanny?«, fragte das ältere Mädchen.

Jon nickte. »Ich bin Jonathan Lamb. Ihr könnt mich Jon nennen, wenn ihr wollt.«

»Du bist ein Mann«, stellte Holland fest.

»Holland ist ein Genie.« Das Mädchen sprach mit vernichtendem Sarkasmus. »Achte nicht auf ihn.« Sie sah zu Jon auf. »Ich bin Madeleine. Das ist mein Bruder, Holland, und meine Schwester, Juliana. Wir hatten zwölf Nannys in fünf Jahren. Du bist Nummer dreizehn. Pech gehabt.«

Jon ignorierte Madeleines Information über seine Vorgänger. »Es freut mich, euch kennenzulernen, Madeleine, Holland und Juliana. Habt ihr Spitznamen?«

»Cousin Charles nennt mich manchmal Maddie«, sagte Madeleine. »Ich mag das nicht.«

»Ich mochte es, wenn mein Dad mich Hols genannt hat«, sagte Holland.

»Okay, also dann, Madeleine und Hols«, sagte Jon.

»Nenn mich Mads«, sagte Madeleine.

»In Ordnung«, sagte Jon, während er in die Hocke ging, um Juliana in die Augen zu sehen. »Und was ist mit dir?«, fragte er.

»Ich bin hungrig«, sagte Juliana.

»Hungrig?«, wiederholte Jon. »Das ist ein lustiger Name.«

Holland lächelte, aber Madeleine hielt ihr zurückhaltendes Auftreten aufrecht. »Hungrig, möchtest du einen Keks und etwas Milch?«, fragte Jon.

Juliana nickte feierlich. »Ich mag Kekse.«

»Magst du Kekse?«, fragte Jon Madeleine, während er sich aufrichtete.

»Kommt darauf an«, sagte sie.

»Okay.« Statt zu fragen, wovon Madeleines Zuneigung zu Keksen abhing, wandte Jon sich an Holland. »Magst du Kekse?«, fragte er. Holland nickte. »Okay«, sagte Jon. »Wieso räumt ihr nicht eure Schulsachen weg? Dann können alle, die Kekse möchten, in mein Zimmer kommen.«

Holland und Juliana sahen hilfesuchend zu Madeleine.

»Sicher«, sagte sie. »Aber nicht lange. Wir müssen heute alle unsere Instrumente üben.«

»Dann bis später«, sagte Jon. Ohne ein weiteres Wort lief er den Gang hinab und in seine Suite.

Die Kinder starrten ihm ein paar Momente hinterher, bevor Holland sprach. »Das ist nicht normal, oder?«

»Überhaupt nicht«, sagte Madeleine.

»Ich will einen Keks«, jammerte Juliana.

Madeleine seufzte. »Komm«, sagte sie, nahm Julianas Hand und ging voran zu ihren Zimmern. »Zeit, eine weitere Nanny einzuarbeiten.«

Jon erreichte seine Tür nach dem dritten Klopfen. Er öffnete sie weit und trat zur Seite, um die Kinder hereinzulassen. Die beiden älteren hatten ihre Schuluniformen mit kurzen Hosen und Poloshirts ersetzt und Juliana trug eine Latzhose. Alle drei trugen weiße Leinenschuhe. »Es freut mich, dass ihr kommen konntet«, sagte Jon. »Bitte, setzt euch.«

Jon reichte die Kekse herum und alle nahmen sich einen.

»Bitte, nehmt euch noch einen«, sagte er, als die ersten Kekse gegessen waren.

Die Kinder streckten die Hände begeistert für eine zweite Runde aus. Die Kekse waren von außen knusprig, weich im Inneren und enthielten genau die richtige Menge Schokotropfen und Walnüsse.

»Was ist mit der Milch?«, fragte Madeleine, als sie ihren zweiten Keks zur Hälfte aufgegessen hatte.

»Milch wäre jetzt sehr gut«, antwortete Jon. »Weißt du, wo wir welche finden können?«

Madeleine nickte, während sie einen weiteren Bissen hinunterschluckte.