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Ein Sommer voller Verführung, Verbrechen und Verlust. Paris, Sommer 1950. In den Fluren des eleganten Hotels Plaza de Tourino begegnet der Erzähler der rätselhaften Jessica - eine Frau, die ihn mit unstillbarer Leidenschaft erfüllt und zugleich in eine Welt der Gefahr zieht. Ihre Liebe ist intensiv, zeitlos und von einem düsteren Geheimnis umgeben. Während er jede Begegnung wie einen Tanz der Sehnsucht erlebt, verschwindet Jessica immer wieder spurlos - gefangen in den Machenschaften einer kriminellen Bande. Jahrzehnte später, längst ein alter Mann, sucht er noch immer nach Antworten. Zwischen den Erinnerungen an berauschende Sommernächte und der Wahrheit über Jessicas Schicksal entfaltet sich ein Roman über Liebe und Vergänglichkeit, über Verblendung und die Macht der Erinnerung. Ein fesselndes Liebesdrama, das historische Atmosphäre mit spannungsvoller Tiefe verbindet - für alle, die Literatur lieben, die nachhallt.
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Seitenzahl: 42
Veröffentlichungsjahr: 2025
„Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.“Jean Paul
Für Angelika, natürlich
Im Jahr 1950
Im Jahr 2015
Im Jahr 1950
Im Jahr 2020
Damals im Jahre 1950 in Paris kamen mir die Begegnungen im Hotel Plaza de Tourino mit Jessica vor, als ob die Zeit stehen geblieben war. Wenn wir uns auf dem Bett liebten oder einfach nur zusammen aus dem Fenster die Passanten beobachten. Alles geschah in Zeitlupe, vielleicht habe ich heute 60 Jahre später auch das Verlangen danach, im Rückblick all dies so zu sehen, und mir einzureden, dass alles sich um uns zu kreisen schien, wie zwei kleine Planeten, die sich magisch anzogen. Vielleicht aber war es auch ein wirkliches Gefühl von tiefer Liebe, das ich heute im betagten Alter nie mehr so gespürt habe wie in jenen vergangenen Tagen, als alles möglich schien für uns. Ich erinnere mich genau, nachdem Jessica plötzlich verschwunden war, aus Gründen, deren Geheimnis ich erst viel später zu lüften vermag. War es schon damals eine geheimnisvolle Aura, die Jessica umgab, es waren nicht vielmehr ihre Taten oder was sie in Wörter fasste. Nein, vielmehr lag ein dunkles Geheimnis, von dem ich nichts wüsste oder nichts ahnte, auf ihren zarten Schultern. Manchmal machte sie früher einen bedrückten Eindruck, als ob sie etwas belastete. Ich konnte doch nicht ahnen, was später, als ich dieselbe Straße in der Stadt zum Hotel Plaza de Tourino ablief, sich die Dinge geändert hatten. Genauer gesagt führten bestimmte Umstände dazu, unter den Schleier ihres Geheimnisses einen Blick zu erhaschen. Es änderte aber nichts an der Liebe zu ihr bis zum heutigen Tag hin. Aber ich möchte noch nicht zu viel in der Geschichte vorweggreifen, da die Ereignisse damals unter dem Schutz eines gütigen Engels gestanden haben mussten und wir unser kleines Hotel abgöttisch liebten. Unsere Liebe machte es uns leicht, über bestimmte Dinge hinwegzusehen, die schon damals hätten mich etwas aufhorchen lassen, dass vielleicht etwas nicht ganz so war, wie es schien, in diesem Sommer.
Eines Tages, nachdem Jessica und ich uns wieder geliebt hatten, verspürten wir das Verlangen, nochmals auf ein spätes Getränk in der Nacht in die Hotellobby zu gehen und uns die Zeit etwas zu vertreiben. So geschah es auch, nachdem uns der alte Fahrstuhl direkt nach unten in der Hotellobby führte und das goldene Metallgitter sich bei Seite schieben ließ, erwartete uns eine gut gefüllte Hotellobby mit Gästen. Ich sah, wie die goldene Drehtür immer neue Gäste ins Innere beförderte. Der Hotelboy in seiner roten Uniform mit den drei goldenen Streifen, die über die Außenseite der Ärmel und Hosenbeine verlief, trug die Reisekoffer der Gäste. Dabei verdeckte sein roter Hut einen Teil seiner hohen Stirn. Seine schönen schulterlangen Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden. Mal ganz absehen von seinen schwarz lackierten Schuhen, seinem ebenmäßig geschnittenen Gesicht, das eine leichte weiße Blässe wie vom Mond aufwies, und seinen schüchternen, zaghaften Bewegungen, wenn man ihm die Koffer überreichte.
Und seinem dankbaren flüchtigen Lächeln, wenn man ihm etwas Trinkgeld gab. All dies machte auf mich den Eindruck, dass er seine Arbeit gerne tat und ein ehrlicher Kerl war. Er schob den goldenen Metallgepäckwagen vor sich hin, nachdem er einige Koffer darauf abgestellt hatte, in Richtung Fahrstuhl, um zu den Zimmern zu gelangen. Immer höflich, ja fast schon wie ein Diener, der das tat, was man ihm auftrug, dennoch mit einem Anschein von Würde und Gutmütigkeit. Wir durchquerten die Hotellobby, vorbei an einer Gruppe eilig voranschreitender Geschäftsleute in schwarzweißen Anzügen, mit ihren Aktentaschen, die uns keines Blickes würdigten und ihren Blick geschäftstüchtig gerade aushielten, so als ob nur das nächste gewinnbringende Geschäft um die Ecke lauerte. Ich lief etwas in den Raum hinein und hakte mich bei Jessica unter dem Arm ein und so schritten wir, ein junges frisch verliebtes Paar, das ihre Liebe tief im Inneren aufbewahrte wie ein kleiner unsichtbarer Schatz. Den Blick also nicht nach außen gerichtet, durch die schlichte hölzerne Tür, die nicht anders aussah wie die vielen Zimmertüren in unserem Flur und gelangte nach ein paar wenigen leichten Schritten in die Hotelbar. Die ebenfalls gut gefüllt war, mit allerlei Leuten an den Tischen und auch an der Bar.
Wir setzten uns dahin, wo wir immer saßen, auf die Barhocker direkt an der Theke und bestellen uns bei dem immer lächelnden Kellner in seinem schwarz-weiß gestreiften Frack, der aussah wie ein wandelnder Pinguin, einen Whiskey auf Eis.
