Der Tote im Hudson River | Ein historischer Cosy Crime - Rhys Bowen - E-Book
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Der Tote im Hudson River | Ein historischer Cosy Crime E-Book

Rhys Bowen

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Beschreibung

Ein schickes Haus in der Fifth Avenue und einen Ehemann, der für das Sheriff-Amt kandidiert – der Traum jeder Frau. Doch Molly Murphy fragt sich, ob der Preis dafür mörderisch hoch sein wird …
Der 19. Band der historischen Krimi-Reihe von der NYT-Bestseller-Autorin 

New York, Herbst 1907: Die ehemalige Privatdetektivin Molly Murphy Sullivan ist zufrieden mit dem gemeinsamen Leben mit ihrem Polizisten Ehemann Daniel umgeben von Familie und Freunden. Und sie dachte, er wäre genauso glücklich damit – doch als er ihr erzählt, dass sie in ein schickes Haus an der Fifth Avenue ziehen werden und dass er für das Amt des Sheriffs von New York kandidiert, ist Molly völlig fassungslos. Daniel bittet Molly, ihm zu vertrauen, aber warum sollte er ausgerechnet für die Tammany-Partei als Sheriff kandidieren? Diese Partei, die mehr für Schmiergelder und kriminelle Netzwerke bekannt ist als für ihr politisches Geschick, war früher alles, was Daniel verachtete. Was hat sich also geändert? Als einer von Daniels politischen Gegnern tot im Hudson River gefunden wird, kann Molly nicht anders, als sich zu fragen, in was Daniel sich da verstrickt hat. Und ob er ihre Hilfe braucht, um da wieder herauszukommen …

Erste Leser:innenstimmen
„Die Charaktere dieser Cosy Krimi-Reihe sind sympathisch und gut ausgearbeitet, mit Stärken und menschlichen Schwächen.“
„Ich liebe die Molly Murphy-Reihe – die historischen Details und die Atmosphäre machen sie so interessant und es ist ein Vergnügen, die Krimis zu lesen.“
„Der Krimi-Plot ist fesselnd und temporeich, ein neuer Band von Molly Murphy enttäuscht nie!“
„Diese gesamte historische Krimi-Reihe ist ein Genuss: Die Figuren entwickeln sich weiter, das Gute siegt über das Böse und die Fähigkeiten der Ermittler werden von Buch zu Buch besser.“

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Seitenzahl: 563

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über dieses E-Book

New York, Herbst 1907: Die ehemalige Privatdetektivin Molly Murphy Sullivan ist zufrieden mit dem gemeinsamen Leben mit ihrem Polizisten Ehemann Daniel umgeben von Familie und Freunden. Und sie dachte, er wäre genauso glücklich damit – doch als er ihr erzählt, dass sie in ein schickes Haus an der Fifth Avenue ziehen werden und dass er für das Amt des Sheriffs von New York kandidiert, ist Molly völlig fassungslos. Daniel bittet Molly, ihm zu vertrauen, aber warum sollte er ausgerechnet für die Tammany-Partei als Sheriff kandidieren? Diese Partei, die mehr für Schmiergelder und kriminelle Netzwerke bekannt ist als für ihr politisches Geschick, war früher alles, was Daniel verachtete. Was hat sich also geändert? Als einer von Daniels politischen Gegnern tot im Hudson River gefunden wird, kann Molly nicht anders, als sich zu fragen, in was Daniel sich da verstrickt hat. Und ob er ihre Hilfe braucht, um da wieder herauszukommen …

Impressum

Deutsche Erstausgabe Dezember 2025

Copyright © 2025 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-69090-332-5 Hörbuch-ISBN: 978-3-96087-211-5

Copyright © 2023, Janet Quin-Harkin (schreibt als Rhys Bowen) und Clare Broyles Titel des englischen Originals: All That Is Hidden

Published by Arrangement with Janet Quin-Harkin and Clare Broyles.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Übersetzt von: Lennart Janson Covergestaltung: Buchgewand unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com: © Pixel-Shot shutterstock.com: © vectorchef, © DarkBird, © pisaphotography, © Dmitry Lobanov, © pio3 depositphotos.com: © ankudi, © Rawpixel Korrektorat: Dorothee Scheuch

E-Book-Version 27.11.2025, 11:52:26.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Der Tote im Hudson River | Historisches Cosy Crime Hörbuch
Rhys Bowen, Clare Broyles
ISBN: 978-3-96087-211-5

Ein schickes Haus in der Fifth Avenue und einen Ehemann, der für das Sheriff-Amt kandidiert – der Traum jeder Frau. Doch Molly Murphy fragt sich, ob der Preis dafür mörderisch hoch sein wird …Der 19. Band der historischen Krimi-Reihe von der NYT-Bestseller-Autorin 

Das Hörbuch wird gesprochen von Henrike Tönnes.
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Wir widmen dieses Buch unseren jüngsten Absolvent*innen: Anne, Lizzie, TJ und Mary Clare. Mögen sie alle in Zukunft Großes vollbringen (und das Lesen guter Bücher genießen)!

Prolog

New York, Sommer 1907

Ich hätte der kleinen Nachrichtenmeldung in der Times gar keine Beachtung geschenkt, hätte Daniel mich nicht darauf hingewiesen. „Ich frage mich, ob der Brief an meine Mutter auch verlorengegangen ist“, sagte er ohne große Sorge. „Hör dir das an.“ Und er las den Artikel vor.

Es schien nicht bekannt zu sein, wie genau es dazu gekommen war. Der Passagierzug von New York City nach Westchester County transportierte wie an jedem anderen Tag die Post. Und wie an jedem anderen Tag sortierte der Postbote im Postwaggon die Briefe, verstaute sie in dem schweren Postsack und wuchtete den in Mount Vernon auf den Bahnsteig, damit er dort abgeholt werden konnten.

Doch an jenem Freitagabend musste irgendetwas anders gelaufen sein. Vielleicht hatte sich der Zug ein wenig verspätet oder der Postbote hatte noch nicht alle Sendungen sortiert, als der Zug in den Bahnhof einfuhr, und musste den Postsack übereilt abladen. Wie es auch geschehen sein mochte, ein Band des Sackes verfing sich an einem Rad des Zuges. Als der in einer Dampfwolke den Bahnhof verließ, zog er den Sack mehr als einen Kilometer weit die Gleise entlang, bis er zerriss und sich die Briefe explosionsartig in alle Richtungen verteilten. Der Korrespondenzregen, der sich über die Gleise ergoss, enthielt die alltäglichen Taten von Müttern und Töchtern, Vätern und Söhnen, Geschäfte, die abgeschlossen oder aufgekündigt wurden, und allerlei Freuden und Enttäuschungen.

Als der zerrissene Sack am folgenden Tag entdeckt wurde, blies man zur Jagd auf die verlorenen Briefe, um sie ordnungsgemäß zuzustellen. Manche waren für immer verloren oder nach der Nacht im Freien durch Schlamm und Nebel unleserlich geworden. Und einer landete in den Händen der falschen Person.

All das hätte ich natürlich nicht einmal ahnen können, als Daniel mir den Artikel in der Times vorlas, doch die Sache erregte meine Aufmerksamkeit. Ich hatte meinen Spaß an der Vorstellung, dass die Briefe auf einer Windbö davonschwebten. Da ich in Mount Vernon keine Menschenseele kannte, glaubte ich, das alles könnte nichts mit mir zu tun haben. Doch da lag ich daneben; völlig daneben.

Eins

New York, Sonntag, 6. Oktober 1907

„Was ist denn die große Überraschung?“, fragte ich, während ich mir den Hut am Kopf feststeckte und im Eingangsbereich im Spiegel prüfte, ob er gerade saß.

„Stell mir keine Fragen, dann erzähle ich dir keine Lügen.“ Daniel schlang von hinten die Arme um mich und gab mir einen sanften Kuss in den Nacken.

„Also es kann keine romantische Überraschung sein, sonst würden wir Liam nicht mitnehmen“, grübelte ich. „Und wir laufen, also kann es nicht allzu weit weg sein. Es sei denn, wir laufen zu einem Bahnhof.“ Ich schüttelte den Kopf. „Aber wir haben kein Gepäck.“

„Molly Sullivan, das ist kein Fall und du ermittelst nicht.“ Daniel warf mir einen gespielt tadelnden Blick zu. „Du wirst es noch früh genug herausfinden.“ Er schob den Kinderwagen zur Haustür hinaus, während ich Liam hochhob, ihn nach draußen trug und dann in den Wagen setzte.

„Du wirst langsam zu schwer, um dich tragen zu lassen, kleiner Mann“, sagte ich und rieb mir das Kreuz, als ich mich wieder aufrichtete.

Es war ein herrlicher Tag, einer dieser klaren Oktobernachmittage mit hellem Sonnenschein und einer frischen, sauberen Brise. Wir hatten es am Morgen in die Kirche geschafft, was seit der Abreise von Daniels Mutter selten geworden war, und ich fühlte mich auch innerlich frisch und sauber. Unser Mündel, Bridie, war bei unseren Nachbarinnen und ließ sich bei den Algebra-Hausaufgaben helfen. Ich hatte ihr gesagt, dass wir nicht lange fort sein würden.

Daniel schob den Kinderwagen, ich lief schweigend hinterher und wir bogen auf die 6th Avenue ein. Er hatte mir nur gesagt, dass ich Mantel und Hut anziehen und Liam mitnehmen solle. Er habe eine Überraschung für mich. Während er so vor mir herlief, versuchte ich an seiner Schulterhaltung abzulesen, ob es eine gute oder eine schlechte Überraschung werden würde. Um die Wahrheit zu sagen: Er wirkte ein wenig angespannt. Wir überquerten die Straße und traten in den Schatten der großen Bäume am Washington Square. Die Herbstfarben strahlten hell an den Bäumen und bildeten einen Kontrast zum dunkelblauen Himmel. Es war der perfekte Tag für einen Spaziergang mit der Familie, dachte ich. Ich stellte fest, dass mir der Rhythmus gefiel, in dem der Kies leise unter unseren Schuhen knirschte, bis Daniel langsamer wurde und neben mir lief. Er legte mir eine Hand auf den Arm und räusperte sich.

Mögen die Heiligen uns beistehen, er ist nervös, dachte ich. Ich spürte einen Anflug von Angst in meinem Bauch. Daniel war sonst recht direkt und unverblümt. Es passte so gar nicht zu ihm, einen derartigen Wirbel um etwas zu machen.

„Wohin gehen wir denn nun?“, fragte ich, wobei ich meine Stimme freundlich und heiter klingen ließ.

„Noch gehen wir nirgends hin. Ich hielt es für das Beste, ein wenig zu spazieren und uns dabei zu unterhalten.“ Er drückte beruhigend meine Hand. „Molly, ich möchte, dass du mir vertraust.“ Er schaute mich nicht an, sondern blickte nach vorn, während wir weiterliefen. „Es gibt Dinge, die ich tun muss, um für diese Familie zu sorgen, und ich hoffe, du traust mir zu, dass ich weiß, was ich tue.“

„Wenn es darum geht, eine Hilfskraft einzustellen, die sich um Liam kümmert, kann ich das gewiss bewerkstelligen. Deine Mutter hat mir einige Empfehlungen für Agenturen geschickt, bei denen ich es versuchen könnte.“ Daniels Mutter hatte den vergangenen Winter über bei uns gelebt, während sie sich von einer Influenza erholt hatte, doch mittlerweile war sie in ihr Haus in Westchester County zurückgekehrt. Ich war überzeugt davon, dass sie Daniel geschrieben hatte, wie unangemessen es sei, wenn die Ehefrau eines Captains der Polizei selbst kocht, putzt und sich um ihr Kind kümmert. Mir machte die Arbeit jedoch gar nichts aus. Es war mir lieber, beschäftigt und aktiv zu bleiben und Zeit mit meinem Sohn zu verbringen.

Doch Mrs. Sullivan wollte sehen, dass Daniel einen Aufstieg hinlegte. Er war einst der jüngste Captain gewesen, den das New York Police Department je ernannt hatte, und seine Mutter hoffte für ihn auf eine Karriere in der Politik. Ich war zufrieden so wie er und unser Leben gerade waren. Wir wohnten in einem hübschen, kleinen Haus im Patchin Place, das ich selbst erworben hatte, während ich noch meine eigene Detektei leitete. Ich hatte die Detektivarbeit mit der Hochzeit zwar aufgegeben, aber seitdem dennoch gelegentlich ein wenig ermittelt – und unter uns, Daniel bei seinen Fällen geholfen. Deshalb hatte ich gar nichts gegen Mrs. Sullivans Plan, uns ein Mädchen ins Haus zu holen, das mir auch mit Liam helfen könnte. Wenn ich so darüber nachdachte, war es hilfreich gewesen, dass Mrs. Sullivan auf Liam hatte aufpassen können, wenn ich das Haus verlassen wollte, um etwas zu untersuchen.

„Nein, das ist es nicht ganz, obwohl es durchaus um eine Veränderung unserer häuslichen Situation geht.“ Er räusperte sich, während ich ihn erwartungsvoll anschaute. „Es sind sehr gute Neuigkeiten. Ich wurde gebeten, als Sheriff zu kandidieren und ich werde es tun.“

„Ein Sheriff? Wo und wovon?“ Meine Gedanken wanderten sofort in den Wilden Westen: Männer, die von galoppierenden Pferden aus ihre Schusswaffen abfeuerten.

„Der Sheriff des County New York. Das umfasst fünf Bezirke“, sagte er. „Es ist ein wichtiges Amt.“

„Und wer hat dich darum gebeten?“ Fragen wirbelten durch meinen Verstand. Ein Ball flog über unsere Köpfe hinweg und ihm folgte eine Gruppe lachender Studenten von der Universität auf der anderen Seite des Platzes.

„Ball. Will den Ball.“ Liam stand ruckartig in seinem Kinderwagen auf. Ich packte ihn hastig, ehe er hinausklettern konnte, und stellte ihn neben mich.

„Gib Mama deine Hand, Schätzchen.“ Ich lief für eine Weile schweigend mit ihm weiter, dann wandte ich mich an Daniel. „Das ist ein Wahlamt? Und jemand hat dich gebeten, zu kandidieren?“

„Ich bin der Tammany Kandidat. Es wird morgen bei Tammany Hall verkündet.“

„Morgen?“ Ich blieb stehen und schaute in verblüfft an. Liam zog an meiner Hand.

„Mama. Ball! Liam will spielen.“ Ich hielt ihn fest, während ich versuchte, meine rasenden Gedanken zu ordnen.

„Aber du hasst Tammany mit all der Bestechung und dem Schmiergeld. Warum in aller Welt solltest du dich für sie aufstellen lassen? Und was macht der Sheriff von New York überhaupt?“

Daniel schob den Kinderwagen schwungvoll weiter und antwortete, ohne mich anzuschauen: „Es gibt ein paar Dinge, die ich nicht erklären kann, Molly. Deshalb muss ich wissen, dass du mir vertraust. Das Amt des Sheriffs ist ein wenig wie das des Police Commissioners, nur dass das Mandat breiter ausgelegt ist. Der Sheriff steht dem Gefängnissystem und den Gerichten vor, nicht dem Police Department. Du weißt, wie dringend es dort Reformen bedarf. Der Mann von Tammany, der eigentlich hätte kandidieren sollen, hat sich in einen Skandal verwickeln lassen und jetzt die Stadt verlassen, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Du wirst in den nächsten Tagen gewiss in dieser Hearst-Gazette davon lesen. Man hat mich in letzter Minute gebeten, als Ersatz anzutreten.“

„Aber warum solltest du das tun? Du liebst doch die Arbeit als Police Captain, insbesondere, seit du die Mordkommission übernommen hast. Das ist eine angesehene Stelle, Daniel.“

Daniel schob weiter den Kindewagen vor sich her und starrte immer noch geradeaus. „Das ist meine Chance, etwas Gutes zu tun, Molly. Wenn ich in das Amt des Sheriffs komme, kann ich einen Teil der Korruption ausmerzen. Du weißt noch, wie es war, als ich selbst im Gefängnis saß. Ich wäre in diesem Höllenloch beinahe gestorben. Ich könnte wirklich etwas bewirken.“

„Aber zusammen mit Tammany Hall? Daniel, sie werden dich niemals deinen eigenen Weg gehen lassen. Das weißt du. Du wirst für dieses Amt in ihrer Schuld stehen und sie werden dich zwingen, diese Schuld zu begleichen.“

„Es tut mir leid, Molly. Die Sache ist entschieden.“ Daniel klang jetzt sehr bestimmt. „Ich habe eingewilligt und ich erwarte von dir, mich zu unterstützen. Es gibt ein paar Dinge, die du nicht verstehst.“

„Weil ich eine Frau bin?“ Mein Temperament flammte auf. Ich sollte erwähnen, dass mein rotes Haar und mein hitziges Gemüt zwei meiner auffälligsten Eigenschaften sind.

„Weil es Dinge gibt, die du nicht weißt und die ich dir nicht sagen kann.“ Er bog ab in Richtung Triumphbogen. „Es gibt noch einen weiteren Teil der Überraschung. Folge mir.“

„Jesus, Maria und Josef! Noch mehr hält mein Herz nicht aus.“ Daniel setzte Liam unter Protest wieder in den Kinderwagen und machte größere Schritte, sodass ich mich beeilen musste, um mitzuhalten. Wir stürmten durch den Washington Square Arch am Eingang des Parks und dann die 5th Avenue hinauf. Ich fragte mich, was unser Ziel war. Etwa Tammany Hall? „Daniel, mach langsam, wohin gehen wir?“

„Das wirst du schon sehen.“ Er schaute zu mir nach hinten, schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln und marschierte weiter. Dann war es dieses Mal also eine gute Überraschung. Auf der anderen Seite der 9th Street blieb Daniel vor einer beeindruckenden Marmortreppe mit schmiedeeisernem Geländer stehen, die zu einer weißen Tür mit einem verzierten Rahmen hinaufführte.

„Lass uns hier einen Besuch abstatten, ja?“ Daniel hob Liam aus dem Kinderwagen in meine Arme und stieg dann die Stufen hinauf, um zu klingeln.

„Warte, Daniel“, rief ich ihm nach. „Wen besuchen wir denn? Du hättest mich vorwarnen sollen. Ich bin nicht angemessen gekleidet. Du hast von einem Spaziergang gesprochen.“

Daniel schaute nach hinten und lächelte. „Du siehst gut aus“, sagte er. „Keine Sorge.“

Ich stieg die Stufen hinauf, bis ich recht nervös neben ihm auf der Schwelle stand. Ehrlich, ich mag Überraschungen, aber diese hier ging mir zu weit. War das Amt des Sheriffs eine derart hohe Position, dass Daniel Menschen kannte, die in solchen Häusern an der 5th Avenue lebten? Waren wir zum Tee eingeladen, während ich in meinem üblichen zweiteiligen Kostüm dastand, statt in einem Teekleid? Daniel hatte vermutlich noch nie darüber nachgedacht, dass Frauen gern vorher wissen, wie sie sich für den jeweiligen Anlass zu kleiden haben. Also wirklich, Männer können schon anstrengend sein. Doch jetzt war es zu spät, um umzukehren.

Das Dienstmädchen, das die Tür öffnete, wirkte nicht im Geringsten überrascht, uns zu sehen. „Sie müssen Captain und Mrs. Sullivan sein“, sagte sie und lächelte, während sie knickste. „Sie werden erwartet, bitte kommen Sie herein. Ich bin Mary.“ Wir betraten den Eingangsbereich. Daniel nahm seinen Hut ab und hängte ihn an den Hutständer, ehe er mir aus dem Mantel half und auch den aufhängte. Es gab ein hallendes Geräusch, als ich Liam auf dem Marmorboden absetzte, er testweise mit dem Fuß aufstampfte und dann auf die Treppe vor uns zulief.

„Psst. Liam, komm her.“ Ich packte ihn eilig und hob ihn wieder hoch. Das Dienstmädchen wartete und bedeutete uns dann, ihr durch einen Vorhang zu folgen. „Zum Salon geht es hier entlang, Sir.“

Ich trat mit einem strahlenden Lächeln ein, da ich erwartete, dem Herrn oder der Dame des Hauses vorgestellt zu werden, doch der Salon war leer. Im Marmorkamin brannte ein Feuer. Auf einem Tisch in der Mitte des Raumes stand unter dem elektrischen Kronleuchter eine unbezahlbar aussehende Vase, und die Regale am gegenüberliegenden Ende waren voller dekorativer Teller, Tassen und Figuren. Ich drückte Liam instinktiv noch ein wenig fester an mich, stellte sicher, dass seine Hände außer Reichweite waren, und entschied, dass es keine gute Idee wäre, ihn hier abzusetzen.

„Das Gesellschaftszimmer der Familie ist hier hinten, Sir.“ Sie führte uns durch einen weiteren Durchgang in ein gemütlich wirkendes Wohnzimmer. In dem Raum drängten sich aufwändig bestickte Sofas, Sessel und mit Schnitzereien verzierte Mahagonitische in verschiedenen Größen. Am Boden lag ein wunderschöner Perser und auf der gegenüberliegenden Seite hing ein großer Wandteppich. Doch noch immer waren keine Menschen in Sicht. Meine Gedanken rasten. Hatte Daniel mich zu einem Tatort mitgenommen? Das wäre wohl kaum ein Ausflug, zu dem man seinen Sohn mitnimmt. Waren die Bewohner dieses Hauses einfach sehr scheu?

„Das Esszimmer ist auf der Rückseite des Hauses und die Schlafzimmer befinden sich oben, Sir. Wenn Sie mir folgen würden“, fuhr Mary fort, nachdem wir uns eine Weile im leeren Gesellschaftszimmer umgesehen hatten. Die Schlafzimmer?

„Daniel.“ Ich drehte mich aufgebracht zu ihm. „Warum gehen wir in die Schlafzimmer? Ist der Besitzer ein Invalide?“

„Nein“, entgegnete er, während er bereits auf dem Weg zur Treppe war.

„Daniel!“, rief ich hinterher. „Was ist hier los? Wessen Haus ist das?“

Er drehte sich mit einem breiten Grinsen zu mir um. „Deins.“ Er nahm Liam und mich in die Arme. „Unseres. Willkommen in Ihrem neuen Zuhause, Mrs. Sullivan!“

Zwei

Sonntag, 6. Oktober

Ich war vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben sprachlos. Mir gingen so viele Dinge durch den Kopf, dass ich kein einziges Wort sagen konnte. War das ein Witz? Würde Daniel wirklich einen Umzug beschließen, ohne nach meiner Meinung zu fragen? Was sollte aus meinem Haus am Patchin Place werden? Wie in aller Welt konnten wir uns ein solches Haus leisten, ganz zu schweigen von dem Dienstmädchen, das uns erwartet zu haben schien? Dieser letzte Gedanke holte mich zu dem Dienstmädchen zurück, das auf halber Treppe stehengeblieben war und auf eine Antwort wartete. Ich löste mich aus Daniels Umarmung. „Lass uns später darüber sprechen, Daniel“, sagte ich durch zusammengebissene Zähne.

„Vielen Dank, Mary. Wir würden uns gern die Schlafzimmer anschauen“, sagte Daniel eilig. Er kannte mein Temperament und wusste, dass ich dazu neigte, jederzeit frei meine Meinung zu äußern. Die junge Frau führte uns die Treppe hinauf. Liam bestand darauf, abgesetzt zu werden und selbst die Stufen zu erklimmen, wobei er sich an Daniels Hand festhielt. Mary wartete geduldig am oberen Ende der Treppe. Wären mir nicht derart viele Gedanken durch den Kopf gewirbelt, hätte ich vielleicht die Tatsache genießen können, dass ich das obere Stockwerk eines Hauses an der 5th Avenue zu Gesicht bekam. Ich hatte mich schon oft gefragt, wie die Zimmer wohl angeordnet sein mochten, da sich die Haustür nicht in der Mitte, sondern an der rechten Ecke des Hauses befand. Jetzt konnte ich sehen, dass hier an der rechten Seite zwei Treppenabschnitte bis ins zweite Stockwerk hinaufführten. Am Ende des ersten befand sich ein Absatz.

„Hier ist das erste Schlafzimmer.“ Mary deutete auf ein Zimmer zu ihrer Linken. Eine junge Frau in Dienstmädchenuniform stand vor der Tür und wartete offensichtlich darauf, uns begrüßen zu können. „Das ist Aileen“, stellte Mary sie vor. Aileen knickste. Sie schien kaum älter als sechzehn zu sein. Ihr wildes, hellbraunes Haar lugte unter der Haube hervor. Sie hatte blaue Augen und rote, von Sommersprossen übersäte Wangen. Ihre Augen leuchteten, als sie Liam sah.

„Wer ist denn dieser kleine Mann?“ Sie bückte sich, bis sie auf Augenhöhe mit ihm war. „Ich wette, du möchtest gern das Kinderzimmer sehen. Da gibt es ein Schaukelpferd und noch vieles mehr.“ Sie hatte das sanfte Trällern eines Mädchens vom Lande in der Stimme, was mich augenblicklich an meine Kindheit in der Grafschaft Mayo zurückdenken ließ.

Ich rechnete damit, dass Liam sich an mich drücken würde, doch stattdessen wurde er hellhörig. „Pferdchen?“

„Ist es in Ordnung, wenn ich ihn mitnehme, Miss?“ Sie wirkte unsicher. „Ich meine, Mrs.?“ Sie machte eine Frage daraus.

„Mrs. Sullivan“, bot ich an.

„Pferdchen sehen?“, meldete Liam sich zu Wort.

„Na gut, mein Junge, geh dir das Pferdchen anschauen.“ Daniel tätschelte ihm den Rücken und legte seine kleine Hand dann in die, die Aileen ihm entgegenstreckte. Zusammen stiegen die beiden die Treppe zum zweiten Obergeschoss hinauf.

Mary schaute Aileen hinterher – recht missbilligend, wie mir schien. Sie zeigte uns das Schlafzimmer, das im verspielten viktorianischen Stil dekoriert war. Auf jeder freien Oberfläche lag ein Spitzendeckchen, und das Bett war mit bestickten Kissen übersät. Es gab zwei Ankleidezimmer, eines mit sehr männlich wirkenden, dunklen Holzoberflächen und das andere ebenso verspielt wie das Schlafzimmer, mit einem recht hübsch bestickten Tagbett und einem gigantischen Spiegel. Bridie würde es hier lieben, dachte ich, und maßregelte mich sofort dafür. Sobald wir dieses Haus verließen, würde ich einiges darüber zu sagen haben, ob wir hier einziehen sollten oder nicht! Bis dahin, beschloss ich, würde ich mitspielen, als würden wir hier einziehen. Der Rest des Stockwerks umfasste zwei weitere Schlafzimmer, ein geräumiges Badezimmer mit einer Wanne mit klauenbewährten Füßen und eine Toilette. Mir fiel etwas auf.

„Daniel, diese Schlafzimmer haben keine Kamine. Wird es da im Winter nicht bitterkalt sein?“

Mary antwortete, ehe er dazu kam: „Das gesamte Haus wird mit Dampf beheizt, Mrs. Sullivan. Haben Sie die Heizkörper gesehen? Die Zimmer werden so warm, dass die Familie gelegentlich die Fenster öffnen muss. Sogar die Toilette!“ Sie schaute zu Daniel und wandte dann errötend den Blick ab, als wäre es ihr peinlich, die Toilette in seiner Gegenwart erwähnt zu haben. Die zweite Treppe führte zu den Zimmern der Dienstmädchen und dem Kinderzimmer. Wir konnten Gepolter hören, als wir durch den Flur zum Kinderzimmer gingen, und als wir die Tür öffneten, sahen wir Liam in vollem Galopp auf einem enormen Schaukelpferd reiten. Es hatte weiches Fell aus Samt, eine geflochtene Mähne, Knopfaugen und Sattel und Zaumzeug aus hellblauem Leder. Ich konnte mir ausmalen, dass sich jedes Kind sofort in dieses Pferd verlieben würde.

„Hüa!“, rief Liam, während Aileen mit ausgestreckten Armen neben ihm stand, für den Fall, dass er abstürzte. Der Rest des Kinderzimmers sah aus wie aus einem Bilderbuch. Es gab ein niedliches, kleines Kinderbett mit einer Tagesdecke aus Spitze, niedrige Regale voller Bücher, Bauklötze und Spielzeug und einen winzigen Schreibtisch samt Stuhl.

„Das reicht jetzt, Mr. Liam“, sagte Aileen und half Liam vom Pferd. Zu meiner Überraschung protestierte er nicht, sondern blieb einfach neben ihr stehen und hielt ihre Hand.

„Mrs. Sullivan, es wäre mir eine Freude, auf den kleinen Liam aufzupassen, wann immer Sie es wünschen“, sagte Aileen. „Ich kann meine Arbeit trotzdem machen“, sagte sie rasch, als hätten wir Einspruch eingelegt. „Der Herr ist mein Zeuge, ich habe gleichzeitig auf meine Geschwister aufgepasst und das Haus für meinen Pa in Ordnung gehalten. Das war natürlich kein so prächtiges Haus wie dieses“, fügte sie rasch hinzu, als könnte ich mich durch diesen Vergleich beleidigt fühlen. „Aber ich vermisse die Kleinen.“

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich konnte wohl kaum entgegnen: „Nachdem Captain Sullivan und ich uns anständig unterhalten haben, werde ich nicht mehr hier einziehen, und ich habe keine Ahnung, warum wir hier sind oder wer deinen Lohn bezahlen sollte.“ Also sagte ich stattdessen: „Das klingt schön. Lass mich mit Captain Sullivan darüber sprechen, dann werden wir dir Bescheid geben.“

Mary führte uns wieder nach unten. „Wann werden Sie einziehen, Captain Sullivan? Damit ich die Köchin informieren kann“, fragte sie, als wir wieder im Eingangsbereich ankamen.

„Diesen Donnerstag. Wir werden am Mittwochabend unsere Sachen herschicken“, sagte Daniel, ohne mich anzuschauen. „Das Mittagessen wird unsere erste Mahlzeit sein. Ist die Köchin hier?“

„Nein, Sir.“ Mary schüttelte den Kopf. „Es wurde eine neue Köchin eingestellt. Ich werde ihr schreiben und sie wissen lassen, wann Sie kommen.“

„Wo ist die Küche?“ Mir fiel auf, dass ich bei unserem Rundgang keine Küche gesehen hatte.

„Unten, Ma’am“, antwortete Mary. „Es gibt eine Treppe in der Anrichtekammer direkt hinter dem Esszimmer und eine am Dienstboteneingang vorne am Haus.“ Ich erinnerte mich an eine Treppe, die links der beeindruckenden Vortreppe nach unten führte, und das mussten auch die Fenster der Küche im Kellergeschoss gewesen sein.

Warum in aller Welt sollten wir eine Köchin brauchen, wollte ich Daniel fragen, wenn dir meine Küche doch bestens zu munden scheint? Doch ich beschloss all meine Fragen zurückzustellen, bis wir wieder allein waren.

Vor langer Zeit hatte ich in einem recht angesehenen Haus eine Ausbildung genossen, als das Mädchen vom Lande, das zusammen mit den jungen Damen der Familie lernen durfte, weil die Herrin des Hauses Gefallen an mir gefunden hatte. Es war mir also nicht fremd, in einem großen Haus Dienstmädchen, Butlern oder Lakaien zu begegnen. Doch ich hätte nie damit gerechnet, einmal selbst die Herrin eines Hauses zu sein, auch wenn dieses hier im Vergleich zu einem irischen Gutshaus noch recht bescheiden war. Ich hätte nie damit gerechnet, einmal zwei Dienstmädchen zu haben, die Daniel seinen Hut reichen, mir in den Mantel helfen und Liam in sein Mäntelchen wickeln, ehe sie ihn in Daniels Arme legen. Sie standen beide da und beobachteten, wie wir die Stufen hinunterstiegen.

Jenseits der Haustür drehte Daniel sich um. „Dann bis Donnerstag, Mary.“

„Sehr wohl, Sir“, entgegnete sie. „Sie werden alles in bester Ordnung vorfinden, und wenn Sie uns Ihre Koffer schon etwas früher schicken, werden wir die Kleidung für Sie bügeln und ordentlich aufhängen.“

Die Haustür wurde geschlossen. Daniel holte den Kinderwagen hinter dem Zaun hervor und setzte den jetzt aufgebrachten Liam hinein. „Mehr Pferdchen!“, rief er und strampelte mit den Beinen, als Daniel ihn festschnallte.

„Du wirst sehr bald ganz viel Zeit mit dem Pferdchen verbringen können, mein Junge“, sagte Daniel.

Wir liefen schweigend die 5th Avenue entlang, bis das Haus außer Sicht war. Dann brach es aus mir heraus: „Daniel Sullivan, bei allen Heiligen und der Mutter Gottes, hast du den Verstand verloren?“ Mehrere gutgekleidete Damen drehten sich zu uns um und ich senkte die Stimme.

Ein gekränkter Ausdruck trat auf sein Gesicht. „Gefällt dir meine Überraschung nicht?“

„Du wusstest genau, wie ich reagieren würde, wenn du unseren Umzug in ein neues Haus beschließt, ohne mich einzubeziehen.“ Ich hatte so viele Einwände, ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte. „Der Patchin Place!“, hob ich an. „Verlangst du von mir, mein eigenes schönes, kleines Haus aufzugeben?“

„Ob ich von uns verlange, unser beengtes, kleines Haus aufzugeben, um in ein Stadthaus an der 5th Avenue zu ziehen? Stellst du mir diese Frage wirklich?“ Daniel betonte uns und unser. Seine Augenbrauen wanderten nach oben. Damit hatte er wohl recht. Ich liebte mein Haus, und die Tatsache, dass ich jederzeit über die Straße gehen und meine besten Freundinnen Sid und Gus besuchen konnte, aber eine vernünftige Ehefrau würde es vielleicht als wahrgewordenen Traum empfinden, in die 5th Avenue zu ziehen.

„Außerdem“, fuhr er fort, „müssen wir den Patchin Place nicht aufgeben. Wir werden einfach für eine Weile in dem Stadthaus wohnen. Vielleicht die nächsten sechs Monate, vielleicht länger.

Ich versuchte es mit einem anderen Ansatz. „Aber Daniel, wie in aller Welt sollen wir uns das leisten können, ohne dass du anfängst, wie der Rest der New Yorker Polizei mit beiden Händen Bestechungsgelder anzunehmen?“

Jetzt starrten uns die Leute definitiv an. Daniel blickte sich beschämt um. „Molly, um Himmels willen, sprich leiser“, sagte er. Sein Ton verriet mir, dass er mich für die Unvernünftige hielt. Das machte mich wütend.

„Das werde ich nicht tun! Nicht ehe du mir erklärst, wie wir uns vom Gehalt eines Police Captain ein Haus in der 5th Avenue leisten können.“

„Ich werde dir alles erklären, aber bitte senke deine Stimme.“ Er packte grob die Griffe des Kinderwagens und drehte ihn abrupt, als wir die 10th Street überquerten. Liam brach in Tränen aus.

„Jetzt schau dir an, was du getan hast“, hob ich wütend an. Mir war selbst nach weinen zumute. Ein Automobil fuhr hinter uns vorbei und ich beeilte mich, hinter den beiden den Bürgersteig zu erreichen. Daniel hielt an, hob Liam aus dem Wagen und ließ ihn an seiner Schulter weinen. Dieser Anblick dämpfte meine Wut ein wenig. Daniel ist ein guter Mann, sagte ich mir. Gib ihm wenigstens die Gelegenheit, sich zu erklären. „Lass uns Liam nach Hause bringen. Er hat keine Lust mehr stillzusitzen“, sagte ich in der ruhigsten Stimmlage, die ich zustande brachte. Wir liefen einige Minuten lang schweigend weiter, doch schließlich war ich zu ungeduldig, als dass ich noch einen Schritt hätte gehen können, ohne mehr zu erfahren. „Könntest du mir jetzt bitte erklären, was los ist?“

„Molly, ich habe nie verschwiegen, dass ich mir etwas Besseres für unsere Familie wünsche.“ Daniel schien seine Worte mit Bedacht zu wählen. „Ich habe hier eine Gelegenheit. Und sie kommt vom Police Commissioner; ich kann also meine Stelle zurückbekommen, wenn es nicht klappt.“ Ich wollte ihn unterbrechen, doch er bremste mich mit einem Blick und fuhr fort: „In Ordnung, du brauchst ein paar politische Hintergrundinformationen. Du weißt, dass Hearsts Independence Party Stimmen von Tammany abgräbt und die beiden Parteien um Kontrolle über die Polizei und die Docks ringen.“ Ich nickte. Davon hatte ich in der Zeitung gelesen.

„Big Bill, dass ist der Mann, der im Moment bei Tammany Hall die Fäden zieht, braucht einen Tammany-Kandidaten für das Amt des County-Sheriffs. Sollte ein Hearst-Kandidat gewinnen, könnte der Tammany das Leben schwer machen. Aber wie ich dir schon erzählt habe, wurde der ursprüngliche Kandidat in einen Skandal verwickelt und musste die Stadt verlassen, um die Sache auszusitzen. Big Bill – also, so wird er zumindest von allen genannt, sein wirklicher Name lautet William McCormick – will jemanden, der die Polizei mit ins Boot holt, also hat er den Police Commissioner gebeten, einen Kandidaten vorzuschlagen, und der kam zu mir.“ Er hielt inne und lud mich damit dazu ein, eine Frage zu stellen.

„Wie kann der Lohn für ein solches Haus reichen? Und selbst wenn die Bezahlung enorm wäre, wie können wir das Haus bezahlen, noch bevor du gewählt wurdest?“ Ich passte mich Daniels ruhiger Stimmlage an.

„Das Haus gehört Big Bill. Er stellt es Kandidaten zur Verfügung, die er unterstützen möchte. Soweit ich verstanden habe, bezahlt er sogar die Bediensteten. Er hat es uns für sechs Monate angeboten und sagt, wenn ich gewinne, können wir uns danach über Preise unterhalten.“

„Ich verstehe nicht ganz, wie es Mr. McCormick hilft, wenn du Sheriff bist. Inwiefern profitiert er davon?“

„Er saß früher im Stadtrat und plant, als Bürgermeister zu kandidieren. Die Independence und die Republican Party drohen, sich gegen ihn zu verbünden. Wenn sie sich das Amt des Sheriffs sichern, werden sie alle möglichen Wege finden, um Tammany-Wähler von der Wahlurne fernzuhalten.“

„Aber Daniel.“ Meine Stimme wurde wieder lauter. „Genau so arbeitet Tammany, und das weißt du. Jemand tut dir einen Gefallen und dann bist du einen Gefallen schuldig. Jemand mit einem Gehalt von eintausend Dollar im Jahr hat plötzlich zwanzigtausend Dollar auf der Bank. Was, wenn sie von dir verlangen, die Wahlurnen zu manipulieren oder Wähler der Gegenseite fernzuhalten? Du hast seit jeher gegen diese Art von Korruption angekämpft. Wir müssen uns nicht auf diese Weise einen Vorteil erschleichen. Wir kommen gut zurecht.“

„Ich weiß, wie die Sache läuft, und habe nicht vor, irgendwelche Bestechungsgelder anzunehmen. Dieses Haus gehört Mr. McCormick und er bezahlt die Bediensteten. Ich habe das überprüft und es ist alles legal.“ Er schien sich unbehaglich zu fühlen. „Wie ich schon erwähnte, gibt es ein paar Dinge, die ich dir nicht sagen kann, aber vertrau mir: Ich stehe auf der richtigen Seite.“

„Vergiss nicht, wie schnell sich das Police Department gegen dich gewandt hat, als man glaubte, du hättest Bestechungsgelder angenommen“, sagte ich wütend. „Damals war ich die Einzige, die zu dir gehalten hat.“ Wir hielten inne, sahen einander an und erinnerten uns beide an die schreckliche Zeit, die Daniel im Gefängnis verbracht hatte, während wir nicht gewusst hatten, wie wir seine Unschuld hätten beweisen sollen. Die Hochbahn über der 6th Avenue donnerte vorüber.

„Das werde ich nie vergessen, Molly.“ Daniel senkte die Stimme. Nach dem Krach der Hochbahn schien es plötzlich sehr still zu sein. Wir warteten, bis wir die 6th Avenue überqueren konnten. „Ich werde immer für dich da sein. Ich möchte die Korruption in Tammany Hall ausmerzen, und das hier ist mein Weg, um dieses Ziel zu erreichen. Vertraust du mir?“

Ob ich Daniel vertraute? Ich schätze, darauf lief alles hinaus. Immerhin verlangte er nicht von mir, in eine Mietskaserne oder den Wilden Westen zu ziehen. Er wollte mich in einem noblen Haus an der 5th Avenue einquartieren, mit sämtlicher Unterstützung, die ich mir nur wünschen könnte. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass er naiv war; dass er mit dem Feuer spielte und sich verbrennen würde. Doch er hatte bei jedem meiner närrischen Pläne zu mir gehalten. Ich musste in diesem Fall hinter ihm stehen, selbst wenn alles schiefgehen sollte.

„Dann ziehe ich mir morgen meine blau-weiß-rote Schärpe an und begleite dich zu deiner politischen Versammlung?“ Mit meinem Lächeln ließ ich Daniel wissen, dass der Streit beendet war … vorerst. „Ich werde dir vertrauen. Doch wenn du feststellen solltest, dass du dich übernommen hast, dann denk daran, dass ich nicht die Frau eines hochtrabenden Sheriffs sein muss, um glücklich zu sein.“

„Das ist gut, denn noch habe ich das Amt nicht.“ Daniel setzte Liam, der sich in der Zwischenzeit beruhigt hatte, wieder in den Kinderwagen. „Und nein, eine politische Versammlung ist kein Ort für eine Frau. Aber danke für das Angebot.“

Es wurde voller auf dem Bürgersteig, als wir uns dem Jefferson Market näherten. Wir liefen in kameradschaftlicher Stille weiter, doch meine Gedanken rasten. Ich war fest entschlossen, Sid und Gus auszuquetschen, sobald wir wieder zu Hause wären. Daniel mochte diesem Bill McCormick vertrauen, doch ich würde mir selbst ein Bild von ihm machen.

Als wir in den Patchin Place einbogen, war Liam in seinem Kinderwagen eingeschlafen. Er hatte den Daumen im Mund und sein verweintes Gesicht sah jetzt beinahe engelsgleich aus. Ich blieb kurz stehen und ließ die Szenerie auf mich wirken. Meine stille, kleine Seitenstraße hatte nie einladender ausgesehen. Es ist kaum mehr als eine Gasse – eine schmale Straße mit Kopfsteinpflaster und je zehn Häusern auf beiden Seiten – und bei den Häusern handelt es sich um schlichte Ziegelbauten. Doch heute leuchteten die rotbraunen Ziegel im Licht der späten Nachmittagssonne. Neben einer der Haustüren stand ein Topf mit gelben Chrysanthemen. Es sah friedlich und sicher aus … geradezu perfekt. Ich spürte einen Kloß im Hals.

Wir sprachen an diesem Abend nicht mehr über das Thema. Jedes Mal, wenn mir eine weitere Frage einfiel, die ich stellen wollte, entschied ich mich dagegen, die Ruhe eines Sonntagnachmittags damit zu stören. Der letzte Sonntagabend in meinem kleinen Haus, dachte ich wehmütig. Ich weihte nicht einmal Bridie ein, als wir beim Abendessen zusammensaßen. Sie hatte in ihrem Leben genug Aufruhr erfahren und ich beschloss zu warten, bis ich meine Gedanken geordnet hatte, ehe ich ihr alles erklärte.

Drei

Montag, 7. Oktober

Daniel verließ gleich nach dem Frühstück das Haus. „Ich treffe mich mit dem Police Commissioner, und dann steht die Besprechung bei Tammany an“, sagte Daniel. Er gab mir zögerlich einen Kuss auf die Wange, als befürchtete er, ich könnte ihn wieder anfahren. Dazu hatte er auch allen Grund. Ich versuchte immer noch zu verarbeiten, was er mir gesagt hatte, und seine aktuellen Pläne und Bestrebungen mit dem Mann in Einklang zu bringen, den ich jetzt seit sechs Jahren kannte und liebte. Er war ein anständiger Mann; ein Mann, der sich von Politik oder Macht weder einschüchtern noch korrumpieren ließ.

„Möchtest du ein Abendessen, wenn du zurückkommst, oder werden dich deine Tammany-Bosse ins Delmonico’s ausführen?“, fragte ich mit reichlich Sarkasmus. Ich sah, dass er leicht zusammenzuckte.

„Ich fürchte, ich werde heute Abend außer Hause essen – nicht im Delmonico’s natürlich – aber bei dem Empfang bei Mr. McCormick wird auch Essen serviert. Du musst also nichts für mich aufheben.“

„Wenn wir bald eine Köchin haben, könnte das unsere letzte Chance auf ein anständiges Mahl sein“, rief ich ihm nach, als er die Tür schloss. Nachdem Daniel fort war, konnte ich nur noch daran denken, zu Sid und Gus hinüberzugehen, sobald Bridie sich auf den Weg zur Schule gemacht hatte. Ich hoffte, von ihnen Informationen über Big Bill und Tammany Hall zu erhalten.

Doch während ich Liam fertigmachte, fiel mir wieder ein, dass sie an diesem Vormittag außer Haus waren. Ich würde bis zum Nachmittag warten müssen. Dann waren sie üblicherweise zu Hause, um für Bridie Kaffee zu kochen und sie über ihren Tag auszufragen. Bridie hatte im September angefangen, eine edle, neue Akademie für junge Damen zu besuchen, dank Sids und Gus’ Großzügigkeit. Seitdem hatte sie es sich zur Gewohnheit gemacht, erst bei den beiden vorbeizugehen, um zu berichten, was sie am Tag gelernt hatte. Ich verbrachte also den Tag damit, ungeduldig zu putzen, die Teppiche auszuklopfen und die Böden zu schrubben. Doch ich fürchte, statt mich zu beruhigen, machte mich die Arbeit nur immer wütender. Sobald ich bemerkte, dass sie zu Hause waren, nahm ich Liam an der Hand, eilte über die Straße und klopfte an ihre Haustür.

Sid öffnete. Heute trug sie ein Männerhemd mit offenem Kragen und eine Pumphose, und sie hatte sich ein leuchtend violettes Tuch um die kurzen, schwarzen Haare gebunden.

„Molly!“, rief sie. „Komm rein und trink einen Kaffee mit uns. Bridie erzählt uns gerade von ihrem Tag. Geht es dir gut? Du siehst ein wenig rot aus.“

„Ich habe die Teppiche ausgeklopft und darüber nachgedacht, dasselbe auch mal mit meinem Ehemann zu tun“, sagte ich, während ich meinen Umhang auszog und ihn an einen der Haken im Eingangsbereich hängte.

„Das klingt nicht gut. Was in aller Welt ist passiert?“, fragte Sid.

„Mein Kopf explodiert gleich“, antwortete ich. „Daniel hat mir gerade die größte Überraschung meines Lebens beschert.“

Sie ging vor in Richtung Küche. „Komm mit, trink eine Tasse Kaffee und erzähl uns alles.“

Ich folgte ihr und trat in die große, luftige Küche, in der es verführerisch nach Kaffee duftete, und nach den Gewürzen des Gerichts, das in einem großen Topf auf dem Herd köchelte. Es war exotisch und roch intensiv – vielleicht ein marokkanisches Gericht, denn das Land war die neuste Faszination der beiden. Meine Nachbarinnen, deren echte Namen Augusta und Elena lauteten, stürzten sich beim Kochen immer wieder mit ganzem Herzen in neue Experimente, nur um ihrer nach wenigen Wochen schon wieder überdrüssig zu werden. Zum Glück hatten sie ihr Wohnzimmer noch nicht in ein Beduinenzelt verwandelt.

Gus und Bridie saßen am Kiefernholztisch und schauten uns erwartungsvoll an, als wir eintraten.

„Schau, wer hier ist, Bridie“, sagte Sid. „Und sie bringt bedeutende Neuigkeiten, nicht wahr, Molly?“

„Bedeutende Neuigkeiten? Bist du wieder schwanger?“, fragte Gus, während ich Bridie umarmte.

„Ich wünschte, das wäre es“, sagte ich. „Dann würde ich strahlen, statt dass mir der Dampf aus den Ohren zischt.“

„Also ist es keine schöne Überraschung“, sagte Gus, während Sid mir aus der Kanne auf dem Herd eine Tasse Kaffee eingoss und dann einen Teller mit Pfefferkuchen in meine Richtung schob. „Trink das. Dann wird es dir besser gehen. Kaffee heilt alle Leiden.“

„Vielleicht braucht sie einen Schuss Brandy im Kaffee, so wie sie aussieht“, sagte Gus.

Ich schüttelte den Kopf. „Keinen Alkohol, danke. Damit würde ich mich nur noch mehr aufregen und den armen Daniel womöglich in Stücke reißen.“

Sid warf Gus einen besorgten Blick zu. „Was hat Daniel denn getan, um sich diesen Zorn zuzuziehen?“

„Das werdet ihr mir nie glauben“, sagte ich. „Ich kann es selbst kaum fassen.“

„Molly, spann uns nicht länger auf die Folter“, sagte Sid. Sie setzte sich neben mir auf einen Hocker. „Atme einmal tief durch und erzähl uns ganz in Ruhe, wie Daniel dich so wütend gemacht hat.“

Ich versuchte, dem zu entsprechen: „Er hat mir plötzlich eröffnet, dass wir umziehen werden“, sagte ich. „Wir verlassen den Patchin Place.“

Gus schenkte mir ein mitfühlendes Lächeln. „Nun ja, ich schätze, das musste irgendwann so kommen. Ich weiß, dass Präsident Roosevelt höchstpersönlich ihn nach Washington holen wollte und Daniel in Erwägung zog, sich als Chief of Police in White Plains zu bewerben. Er ist ambitioniert, und das aus gutem Grund, Molly.“

„Wir ziehen um? Nein!“, rief Bridie mit einem entsetzten Gesichtsausdruck. „Wir gehen fort von hier? Nein. Das geht nicht.“

„Zum Glück ziehen wir an keinen so fernen Ort“, sagte ich. „Wir werden in einem Stadthaus in der 5th Avenue leben.“

„Du liebe Güte!“, sagte Gus. „Er muss zu Geld gekommen sein.“

„Ich wünschte, es wäre so einfach“, antwortete ich. „Er scheint einen wohlhabenden Gönner zu haben, der uns das Haus anbot, nachdem der vorherige Bewohner wegen eines kleinen Skandals eilig die Stadt verlassen musste.“

„Und warum sollte dieser wohlhabende Gönner Daniel ein Haus anbieten?“, fragte Gus.

„Der Plan ist, dass Daniel für Tammany als Sheriff von New York County kandidiert.“

„Als Sheriff? Was ist das für ein Amt?“ Sid hob die Augenbrauen. „Meinst du, er wird Zugräubern nachstellen oder die armen Bauern von Nottingham unterdrücken?“

„In etwa das Gleiche habe ich auch gesagt“, pflichtete ich ihr bei. „Ich habe noch nie von einem Sheriff in New York gehört.“

„Ich werd nicht mehr“, rief Gus und schüttelte dabei den Kopf. „Ich dachte immer, dass Daniel sich von Tammany fernhalten würde – dass er diese Leute gar verachtet.“

„Ich auch“, sagte ich. „Deshalb ergibt die ganze Sache für mich überhaupt keinen Sinn. Ich glaube langsam, dass Daniel den Verstand verloren hat. Es passt so gar nicht zu ihm, mich mit diesem Umzug zu überrumpeln oder sich auf ein Amt zu bewerben, ohne mich nach meiner Meinung zu fragen. Es fühlt sich fast so an, als würde ich gar keine Rolle mehr spielen; als dürfte ich bei den Plänen für meine Zukunft kein Wörtchen mitreden.“

„Nun ja, so ergeht es den meisten Ehefrauen“, sagte Sid und warf Gus einen vielsagenden Blick zu. „Im Staat New York hat eine Ehefrau rechtlich gesehen kein Mitbestimmungsrecht über ihr Leben, wie du sehr gut weißt. Du bist Besitz deines Ehemannes. Er darf dich schlagen, alles verkaufen, was du mit in die Ehe gebracht hast, und dich in eine Nervenheilanstalt stecken, wenn ihm danach ist. Und wenn du dich dazu entscheidest, ihn zu verlassen, hast du keinerlei Anrecht auf die Kinder. Das ist einer der Gründe, warum Gus und ich so inbrünstig mit der Suffragettenbewegung zusammenarbeiten. Nichts wird sich ändern, ehe nicht die Frauen das Wahlrecht erhalten.“

„Aber Daniel war noch nie so“, sagte ich. „Er hat sich immer so verhalten, als wüsste er meine Meinung zu schätzen. Er hat immer …“ Ich konnte nicht weitersprechen. Die Worte blieben mir im Halse stecken und mir kam ein Schluchzen über die Lippen. „Entschuldigt“, sagte ich und legte mir verlegen eine Hand an den Mund.

Sid nahm mich sofort in den Arm. „Schon in Ordnung, Molly. Weine ruhig, wenn du möchtest. Manchmal muss das einfach sein.“

„Aber ich hasse es, vor anderen zu weinen“, sagte ich zwischen den Schluchzern. „Ich habe fast noch nie …“

Ich verstummte und suchte nach meinem Taschentuch. Ich hielt es mir an den Mund, während ich versuchte, mein Schluchzen im Zaum zu halten. Die anderen warteten schweigend. Meine beiden Freundinnen schauten mich mitfühlend an, Bridie mit Entsetzen, da sie mich noch nie so erlebt hatte. Ich sammelte mich mit großer Mühe und wischte mir über die Augen. „Das tut mir wirklich leid“, wiederholte ich. „Es ist nur so, dass ich so schockiert war, als ich erfuhr …“

„Natürlich warst du schockiert“, sagte Gus. „Aber sieh es mal so, Molly: Es ist nicht das Ende der Welt oder Timbuktu. Du kannst uns für eine kleine Plauderei hier besuchen, wann immer dir danach ist. Und wir können dich in der 5th Avenue besuchen – in unserer besten Garderobe natürlich.“

„Das ist noch so eine Sache: die Kleidung“, sagte ich, als mir der Gedanke kam. „Wie soll ich denn mit meiner Garderobe bei Daniels Spendenveranstaltungen oder politischen Kundgebungen auftauchen? Ich hatte ohnehin nie viel Kleidung, und das was ich besaß, wurde zweimal vollständig zerstört.“

„Du darfst jederzeit unsere Kleiderschränke plündern“, sagte Gus. „Und wir kennen eine wundervolle jüdische Schneiderin, die dich im Handumdrehen ausstattet.“

„Aber neue Kleidung ist teuer“, sagte ich.

„Molly, wenn Daniel von dir verlangt, in ein neues Haus zu ziehen und einen neuen Lebensstil anzunehmen, dann wäre es doch das Mindeste, seinen Tammany-Gönnern etwas Geld für Kleidung abzuknöpfen.“ Sid schüttelte den Kopf, sodass ihr violettes Tuch in der Luft tanzte. „Aber ich wüsste gern, warum es ausgerechnet Daniel sein muss. Es gäbe doch bestimmt andere Kandidaten, die sich leichter Tammanys Willen unterwerfen würden, oder?“

„Das habe ich auch schon gedacht“, sagte ich. „Daniel meinte, sie hätten den Police Commissioner um Vorschläge gebeten, und dabei sei sein Name gefallen. Soweit ich das verstehe, sieht er es als eine noble Herausforderung. Er wird die Aufsicht über die Gefängnisse und die Docks haben und kann Reformen durchsetzen.“

„In Wirklichkeit will Tammany nur den Einfluss auf die Hafenarbeiter und Gefängnisse festigen. Vermutlich hofft man, dass er eine willige Marionette wird“, sagte Gus und suchte bei Sid nach Bestätigung. „Aber warum dieses plötzliche Interesse? Was hat sie zu diesem schnellen Handeln gedrängt?“

„Du kennst den Grund, oder?“, fragte Gus. „William Randolph Hearst.“

„Den Namen hat Daniel auch genannt“, stimmte ich zu, „aber ich verstehe es nicht.“

„Er ist sehr ambitioniert und hat die Absicht bekundet, als Bürgermeister zu kandidieren. Er sammelt mächtige Unterstützer und hat das Ziel, Tammany zu vernichten. Einen solchen Herausforderer hat die Partei seit Jahren nicht erlebt.“

„Aber die Bürgermeisterwahl findet erst in über einem Jahr statt“, sagte Sid.

„Ja, aber sie wollen beeinflussen, welche Kandidaten dieses Jahr in die niedrigeren Ämter gewählt werden“, sagte ich. „Und das Amt des Sheriffs ist eines davon. Außerdem kandidiert einer der Tammany-Bosse, ein Mann namens Big Bill McCormick, als Bürgermeister. Er steckt hinter alledem.“

„Oh, wir haben in der Times schon viel über Big Bill gelesen, nicht wahr, Sid?“, fragte Gus. „Er hat an vielen Stellen die Hände im Spiel. Ihm gehören Schiffe, nicht wahr? Oder waren es Docks?“

„Beides“, sagte Sid. „Ein Fährservice und auch größere Schiffe, glaube ich. Und er hat irgendwas mit den Lagerhäusern und Docks zu tun. Er wurde erwähnt, als diese Schläger einen Streik am Chelsea Pier niederprügelten.“

„Natürlich will Hearst dann gegen ihn antreten“, sagte Gus. „Er steht für alles, was Hearst verachtet.“

„Sag mir nicht, dass Hearst sich zu fein für Korruption ist.“ Sid lachte verärgert.

„Nicht wirklich. Aber in diesem Fall geht es für ihn um eine persönliche Vendetta, nicht? Weißt du noch, was Frederica Walker uns beim Treffen der Suffragetten erzählt hat? Über ihren Bruder?“

Was kommt jetzt?, fragte ich mich. Diese ganze Angelegenheit wurde von Minute zu Minute komplizierter.

„Stimmt.“ Sid nickte, was das Tuch erneut flattern ließ. „Ihr Bruder ist ein Journalist, der für Hearsts Zeitung arbeitet – oder besser gesagt: Er war ein Journalist. Er hat zu einer Sache recherchiert, die mit den Docks und Hafenarbeitern zu tun hatte, und ist verschwunden. Er wurde nie gefunden. Seine Leiche liegt vermutlich bei den Fischen.“

„Oh nein“, sagte ich. „Das ist ja schrecklich. Wo ist Daniel da nur hineingeraten?“

„Man sollte annehmen, dass Daniel weiß, was er tut, und genug einflussreiche Freunde hat, die ihn beschützen“, sagte Gus. „Außerdem wird er unter dem Schutz von Big Bill stehen, oder nicht?“

Nichts davon hörte sich in meinen Ohren sonderlich beruhigend an. Wir würden im Haus eines Mannes wohnen, der ungestraft Gesetze brach, und Daniel würde ihm verpflichtet sein. Ich wollte erst wieder über das Thema sprechen, wenn ich Daniel noch einmal damit konfrontieren konnte. Also wandte ich mich an Bridie: „Es tut mir leid, dass wir dich so vernachlässigt haben. Ich habe mich noch nicht einmal danach erkundigt, wie dein Schultag war. Akzeptieren die Mädchen dich so langsam?“

Bridies neue Schule war für die Töchter der Eliten bestimmt, und ich befürchtete, Bridie könnte sich dort fehl am Platz fühlen oder einen Blick in eine Zukunft werfen, die sie nie würde haben können. Doch meine Nachbarinnen hatten sich dem Ziel verschrieben, Bridie an die Vassar zu bringen, die Alma Mater der beiden, und darauf wollten sie Bridie vorbereiten. Also war es die Briarwood Schule für junge Damen geworden, die von einer weiteren Vassarabsolventin und ihrer Schwester geleitet wurde. Bridie sollte dort Latein und Französisch lernen, sowie eine Mathematik, die über die einfache Arithmetik an öffentlichen Schulen hinausging. Außerdem würde sie den Umgang mit jungen Frauen lernen, die gesellschaftlich über ihr standen.

Sie hatte keinen guten Start gehabt. Die Schulleiterin hatte sofort Bridies Potenzial und Lernbereitschaft erkannt, wodurch sie sich sogleich einen Ruf als Lehrers Liebling eingehandelt hatte. Dazu kam die Feindseligkeit der Mädchen, die kein Interesse daran hatten, irgendetwas zu lernen, weil man ohnehin eine gute Ehe für sie arrangieren würde. Es gibt nichts Grausameres als ein Rudel junger Mädchen, die eine schwache Außenseiterin wittern – und das kann ich bezeugen, da ich selbst zusammen mit den Töchtern des Grundbesitzers unterrichtet worden war. Die beiden hatten mir bei jeder Gelegenheit gezeigt, dass ich nicht zu ihnen gehörte, und ich vermutete, dass es Bridie jetzt ähnlich erging.

„Ein paar der Mädchen sind in Ordnung“, sagte Bridie. „Aber die hochnäsigen … die schauen mich an, als sollte ich ihnen lieber die Schuhe putzen. Eine von ihnen – ein Mädchen namens Blanche – fragte mich heute, warum ich die ganze Woche dasselbe Kleid getragen habe. ‚Hast du keine anderen Kleider?‛, fragte sie. Ich erklärte ihr, dass meine Familie möchte, dass ich mich in der Schule schlicht kleide, damit ich mich auf den Unterricht konzentrieren kann.“

„Gute Antwort. Genau richtig“, sagte Sid mit einem Lächeln.

„Aber dann sagte sie: ‚Ich würde lieber sterben, als derart langweilige Kleider zu tragen. Die sehen aus, als kämen sie aus der Almosenkiste.‛“

„Ignorier sie“, sagte Gus. „Sie ist nur neidisch, weil sie weiß, dass du viel klüger bist.“

„Aber sie muss nicht klug sein“, sagte Bridie. „Ihre Familie ist sehr reich.“ „Nun ja, du musst aber klug sein, um deinen Platz in der Welt zu finden, meine Liebe“, sagte Sid. „Gus und ich haben in der Schule ganz ähnliche Dinge durchgemacht. Es gab andere Mädchen, die es als unnatürlich empfanden, gerne zu lernen. Doch wenn du an die Vassar kommst, wirst du feststellen, dass sich dort alle so leidenschaftlich für Literatur und Wissenschaften interessieren wie du.“

Bridie brachte ein schwaches Lächeln zustande, als würde sie das nicht so recht glauben.

„Du weißt, dass wir jederzeit bereit sind, mehr Kleider für dich machen zu lassen, Bridie; auch aufwändige, falls du das Gefühl hast, nicht mithalten zu können.“

Ehe sie antworten konnte, schritt ich ein: „Wir haben uns alle darauf geeignet, dass Schulkleidung schlicht und einfach sein sollte, oder? Sie hat ohnehin schon das große Glück, mittlerweile mehrere Kleider zu besitzen. Das ist mehr, als die meisten Mädchen haben.“

„Ein anderes Mädchen, Helen, hat mir erzählt, dass sie zu Hause ein eigenes Zimmer nur für ihre Kleider hat“, sagte Bridie. „Sie ist noch gemeiner als Blanche.“

„Du solltest mich lieber von diesen Mädchen fernhalten“, sagte ich. „Ich wäre zu sehr versucht, ihnen mal die Meinung zu sagen.“

„Oh je“, sagte Bridie. „Ich fürchte, du wirst sie bald kennenlernen. Für diesen Freitag ist ein Ausflug geplant. Wir werden uns die Freiheitsstatue anschauen.“

„Die Freiheitsstatue? Steht die nicht auf einer Insel?“, fragte ich.

„Genau. Einem der Väter gehört ein Schiff. Das wird bestimmt witzig. Es ist auf jeden Fall besser, als den ganzen Tag im Klassenzimmer herumzusitzen. Und ich muss eine Begleitperson mitbringen.“

„Du weißt, dass wir gerne aushelfen“, sagte Sid, ehe ich antworten konnte. „Molly würde sich bestimmt nicht allzu wohl damit fühlen, mit Liam auf ein Schiff zu steigen.“

Ich glaubte kurz, Bridie würde dieses Angebot freudig annehmen, und ich würde nichts dagegen einwenden können, ohne kleinlich zu wirken. Die alte Eifersucht stieg wieder in mir auf, doch Bridie sagte: „Danke, Tante Sid. Das ist sehr nett, aber ich möchte wirklich gern Molly dabeihaben.“ Sie drehte sich zu mir. „Du wirst doch mitkommen, oder, Mama? Vorausgesetzt wir finden jemanden, der sich um Liam kümmert.“

„So wie es aussieht, wird Liam dann schon ein begeistertes, junges Kindermädchen haben, das ihm jeden Wunsch von den Augen abliest, und wir werden unser neues Zuhause bezogen haben“, sagte ich. „Also begleite ich dich liebend gern. Und dann sorge ich dafür, dass dich diese kleinen, verwöhnten Damen anständig behandeln.“

In Bridies Gesicht zeichnete sich deutlich die Erkenntnis ab, dass sie einen Fehler gemacht haben könnte, als sie sich für mich statt für unsere Nachbarinnen entschied. „Du wirst doch nicht grausam sein, oder? Denn ich muss ihnen jeden Tag unter die Augen treten.“

„Nein, ich werde sie nur wissen lassen, dass mein Ehemann für ein bedeutsames politisches Amt kandidiert und wir in der 5th Avenue wohnen“, sagte ich. „Das sollte reichen.“

Ich lächelte zufrieden.

Vier

Es war schon spät, als ich endlich beschloss, zu Bett zu gehen. Ich fand nicht die Ruhe, um noch etwas zu lesen. Bridie saß am Küchentisch, brütete über mehreren Texten und übte gewissenhaft in ihrem Schönschreibheft. Ich lauschte auf die Tür, während ich auf Daniels Rückkehr wartete.

„Komm schon, Liebes. Geh nach oben ins Bett“, sagte ich um elf.

„Ich kann nicht!“ Bridies Gesichtsausdruck wirkte angespannt. „Diese Lateinübersetzung muss morgen fertig sein, sonst bekomme ich einen Tadel.“

„Man wird doch gewiss nicht von dir erwarten, die ganze Nacht wach zu bleiben, oder?“ Mir fielen die dunklen Ränder unter ihren Augen auf. „Du brauchst deinen Schönheitsschlaf.“

„Doch, genau das erwartet man von mir. Die Lateinlehrerin ist sehr streng. Wahrscheinlich brauchen nicht alle so lang. Die anderen Mädchen haben schon seit Jahren Unterricht in Latein, Französisch und Mathematik. Ich habe diesen Frühling mit Tante Sid und Tante Gus angefangen, Latein zu lernen, doch dann beschlossen sie, dass wir uns mit den französischen Impressionisten befassen sollten. Ich muss jedes zweite Wort im Wörterbuch nachschlagen.“

„Dabei kann ich dir leider nicht helfen. Ich habe als junges Mädchen ein wenig Lateinunterricht gehabt, aber alles wieder vergessen. Immerhin hast du einen guten Verstand.“ Ich strich ihr übers Haar und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Ich sage dir was: Ich mache dir eine Tasse Tee und leiste dir Gesellschaft.“ Ich machte den Tee und stellte zusammen mit der dampfenden Tasse die Keksdose auf den Tisch. „Nimm dir einen, zur Stärkung.“ Bridie lächelte dankbar und machte sich dann wieder an die Arbeit, wobei sie gründlich darauf achtete, nicht in ihr Heft zu krümeln. Ich war nicht glücklich mit der Belastung, die mit dieser neuen Schule einherging. Natürlich hatten die anderen Mädchen eine Vorbildung erfahren, die nicht von der örtlichen Schule und den Launen von Sid und Gus beeinträchtig worden war. Ich fragte mich erneut, ob Daniel das Richtige tat. Und wie ich so an Daniel dachte, wirbelten mir wieder die Gedanken durch den Kopf. Ich konnte unmöglich stillsitzen. Ich nahm meine Tasse und lief im Haus auf und ab, bis ich mich schließlich im hinteren Wohnzimmer niederließ, meinen Tee schlürfte und ins Feuer starrte.

Ich musste eingeschlafen sein, denn ich erwachte und fror. Das Feuer war heruntergebrannt und die Küche lag im Dunkeln. Bridie musste ihre Aufgaben beendet haben und ins Bett gegangen sein. Ich wollte gerade Kohle aufhäufen und selbst zu Bett gehen, als ich draußen Stimmen hörte. Der Schlüssel wurde im Schloss herumgedreht. Ich erhob mich und trat gerade in den Flur, als Daniel zur Haustür hereinkam.

„Was ist das denn für eine Zeit, um nach Hause zu kommen?“ Ich hörte, wie die Worte meiner Mutter meinen Mund verließen, ehe ich es verhindern konnte. Wie oft hatte ich sie das zu meinem Vater sagen hören, wann immer er zur Tür hereingetorkelt gekommen war? Ich hatte Daniel gegenüber noch nie so einen Ton angeschlagen. Dabei hatte ich schon oft gewartet, bis er zu später, kalter Stunde von der Polizeiarbeit heimgekehrt war. Doch vermutlich war ich nach den Überraschungen des Tages immer noch wütend. „Ging dein Treffen bis in die frühen Morgenstunden?“

„Du hättest nicht aufbleiben müssen, Molly.“ Daniel machte das Licht im Eingangsbereich an und ich sah, dass er nicht allein war. Der Mann im Türrahmen war groß und muskulös. Als er ins Licht trat, sah ich die Mütze eines Hafenarbeiters, Stiefel und den traditionellen Haken der Hafenarbeiter an seinem Gürtel. „Kommen Sie herein“, lud Daniel ihn ein. „Bleiben Sie nicht in der Tür stehen, Mann. Sie beißt nicht, ganz egal, wie sie klingen mag. Molly, darf ich dir Brendan Finnegan vorstellen? Finn, darf ich Ihnen meine Ehefrau vorstellen.“

„Erfreut, Sie kennenzulernen, Mrs. Sullivan.“ Finn sprach mit einem angenehmen, irischen Akzent und seine Stimme klang überraschend sanft.

„Wollen Sie nicht hereinkommen, Mr. Finnegan?“, bot ich peinlich berührt an, nachdem ich vor einem Fremden mein Temperament zur Schau gestellt hatte. „Im hinteren Wohnzimmer brennt noch ein Feuer.“

„Nein, danke, Mrs. Sullivan. Ich möchte nicht stören.“ Er sah mich an und fasste sich an die Mütze. Diese altmodische Geste machte ihn mir augenblicklich sympathisch.

„Sie müssen hereinkommen“, beharrte Daniel. „Ziehen Sie den Mantel aus, kommen Sie rein und trinken Sie was.“ Finnegan ließ sich Mantel und Mütze abnehmen und wir begaben uns ins hintere Wohnzimmer, wo ich rasch mehr Kohle ins Feuer legte. Daniel holte eine recht staubige Flasche Whiskey und zwei Gläser aus dem Schrank und schenkte ein. Er reichte Finnegan eines der Gläser.

„Sláinte.“ Daniel hob sein Glas in Finnegans Richtung.

„Zum Wohl“, prostete er zurück und trank mit einem großen Schluck aus.

„Mr. Finnegan, waren Sie auch bei der politischen Versammlung?“, fragte ich, während Daniel ihm einen weiteren Schluck einschenkte und ihm bedeutete, sich auf einen der Sessel am Feuer zu setzen. Daniel nahm den anderen und ich machte es mir auf seiner Armlehne gemütlich.

„Bitte nennen Sie mich Finn. Mr. Finnegan ist mein Vater.“ Er lachte. „Ja, ich war einer der Männer, die Ihren Ehemann offiziell für die Wahlliste der Demokraten nominiert haben. Das ist auch der Grund dafür, dass ich Sie so spät noch belästige.“

„Finn hat mich nach Hause begleitet, um für meine Sicherheit zu sorgen“, erklärte Daniel. „Tammany-Kandidaten scheinen gelegentlich Probleme zu bekommen, nachdem sie die Versammlung verlassen.“

„Vielen Dank dafür.“ Ich musterte Finns Gesicht und mir gefiel, was ich sah: ein wettergegerbtes Gesicht mit Sommersprossen. Seine Nase sah aus, als wäre sie einst gebrochen und schlecht gerichtet worden. Interessanterweise machte das sein Gesicht nicht unattraktiver. Er erinnerte mich ein wenig an meine Brüder: groß und herzlich. „Das war sehr gütig.“

„Es ist meine Aufgabe, Mrs. Sullivan. Big Bill würde mir das Fell über die Ohren ziehen, sollte Captain Sullivan irgendetwas zustoßen. An der Straßenecke hält ein junger, kräftiger Kerl Wache und Sie werden Tag und Nacht jemanden vor dem Haus haben. Pfeifen Sie einfach, wenn Sie etwas brauchen. Ich kann in zehn Minuten hier sein.“

„Ist das denn nötig?“ Bei all den Sorgen, die ich mir den Tag über gemacht hatte, war mir unsere körperliche Unversehrtheit nicht in den Sinn gekommen.

„Vermutlich nicht“, er klang nach einem starken Mann, der eine kleine Dame beruhigen wollte, „aber es ist besser, auf Nummer sicher zu gehen. Sobald Sie in dem Stadthaus wohnen, kann Ihre Köchin die Einkäufe übernehmen, aber bis dahin geben Sie mir bitte Bescheid, damit ich Ihnen eine Begleitung zur Seite stellen kann.“

Ich funkelte Daniel mit einem Blick an, der sagte: „Nie und nimmer!“ Doch meine Neugier ließ mich fortfahren. „Mr. Finnegan.“ Ich hielt inne, als er mit dem Finger wedelte. „Finn, meine ich. Woher wissen Sie von dem Stadthaus? Sind bei Tammany Hall alle über unsere häuslichen Umstände informiert?“

Er gluckste. „Nein, durchaus nicht. Nur ich. Wissen Sie, es ist mein Bezirk, also auch meine Verantwortung. Sie erwarten doch nicht, dass der Oberhäuptling sich persönlich um Wohnsituationen kümmert, oder?“

„Der was?“