Der Traum von Corona - Lutz Herrmann - E-Book

Der Traum von Corona E-Book

Lutz Herrmann

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Beschreibung

Wie sieht die Arbeitswelt der Zukunft aus? Wie löst man das Problem der Arbeitslosigkeit in Zukunft? Wird es noch Entlassungen geben? Werden die Renten sicher sein? Wohin mit den Alten? Wird die Erde ein Paradies sein oder liegt das Paradies ganz woanders? Antworten darauf geben die drei vorliegenden SF-Erzählungen.

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Seitenzahl: 50

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Lutz Herrmann

Der Traum von Corona

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

DER IRRTUM

DER TRAUM VOM FLIEGEN

CORONA

Impressum neobooks

DER IRRTUM

Vandenberg erhob sich von seinem Drehstuhl und trat ans Fenster. Von der doppelstöckigen Autobahn drang beständiges Rauschen durch das geöffnete Kippfenster. Er zog vorsichtig zwei Lamellen der Jalousie auseinander. Die Hauptstadt lag im aggressiven Sonnenlicht vor ihm. Sein Blick fiel auf die eleganten Seniorenresidenzen nahe den künstlich angelegten Flussauen. Hier lebten die wohlhabenden Pensionäre - viele von ihnen bereits jenseits der Hundert - vor Entführungen und Vandalismus geschützt. Ein Wildwasserkanal und elektrische Zäune trennten das Areal von der Umgebung. Vandenberg nahm die Brille ab und fixierte mit Besorgnisdie Bezirke am Stadtrand. Dort lagen die Wohnsilos, wo die anderen Alten mit staatlicher Unterstützung ihrem Ende entgegensahen.Zu welcher Gruppe werde ich wohl gehören?, fragte sich Vandenberg.Oder werde ich in einer anderen Welt leben, in einer vollkommen anderen Welt?

Er schloss einen Moment lang die Augen und überlegte. Dann setzte er die Brille wieder auf, ging zurück zum Schreibtisch und setzte seine Arbeit fort, einen umfangreichen Vorgang, den man ihm von hochrangiger Stelle anvertraut hatte. Der Direktor des Departments, in dem Vandenberg seinen Dienst tat, war in eine weit reichende Finanzaffäre verwickelt worden. Vandenberg hatte zusammen mit einer Gruppe anderer Revisoren die Aufgabe, den Direktor für den Vorstand des weltweit tätigen Pharmakonzerns in ein günstiges Licht zu rücken. Der Vorgang beschäftigte ihn schon seit geraumer Zeit. Fast täglich waren Anfragen des Direktionsassistenten Rapaport gekommen, wann mit einer Vorlage seines Konzepts zu rechnen sei. Nun drängte die Zeit. Der Assistent hatte ihn, schließlich ein wenig ungehalten, zu einer Abgabe am übernächsten Tag verpflichtet.

Vandenberg sprach stockend einige Gedanken in den Rechner; die Arbeit fiel ihm heute schwerer als gewöhnlich, er hatte Mühe sich zu konzentrieren.

Etwas später betrat Deckert das Zimmer, ein schweigsamer Mann, dem Vandenberg normalerweise nur wenig Aufmerksamkeit schenkte.

Über ihn wusste er so gut wie nichts. Abgesehen von einer Sache, die sich vor einiger Zeit herumgesprochen hatte:Deckert war bei dem Versuch gescheitert, sich selbstständig zu machen. Die Kollegen hatten es hinter der Hand erzählt, nicht ganz ohne Spott.

Deckert trug einen Scanner unter dem Arm und grüßte knapp. Dann begann er mit der Installation.

"Der ist nur provisorisch", sagte er, auf dem Boden kniend. "Morgen bekommen Sie einen fabrikneuen."

"Wie lange kennen wir uns eigentlich schon?", fragte ihn Vandenberg nach kurzer Überlegung.

Deckert drehte sich zu ihm um. Jetzt erst sah er Vandenberg an.

"Weiß nicht genau ... Zehn Jahre … Zwanzig Jahre …?"

"Und doch haben wir nie mehr als das eine oder andere dienstliche Wort gewechselt", sagte Vandenberg.

"Ich muss mich ranhalten, um meine Arbeit zu schaffen", entgegnete Deckert. "Und ich nehme an, es geht Ihnen ähnlich."

"Da haben Sie Recht", sagte Vandenberg. "Eben dieser Umstand ist doch beklagenswert."

"Ihr Rechner erkennt den Scanner sofort." Deckert kam mühsam aus der Hocke. "Die Initialisierung erfolgt automatisch."

Vandenberg bedankte sich und lächelte ihm zu.

"Wenn einer da oben erfährt, dass ich während der Arbeit Privatgespräche führe, bin ich schneller draußen, als ich denken kann", sagte Deckert.

"Aber so kann es doch nicht weitergehen!", meinte Vandenberg und machte eine Handbewegung.

"Vielleicht haben wir bald Gelegenheit, uns in Ruhe über unsere Hobbys zu unterhalten", sagte Deckert.

"Sie meinen das Gerede, das man auf den Gängen hört?"

"Wenn es nur Gerede wäre", sagte Deckert.

Er nahm den defekten Scanner unter den Arm, verabschiedete sich und zog die Tür hinter sich zu.

Vandenberg wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Gegen Mittag hörte er, wie jemand auf dem Gang einen Witz erzählte. Der Erzähler selbst und andere lachten. Vandenberg sah auf die Uhr. Er wusch sich die Hände und verließ den Raum. Um diese Zeit vermied es Vandenberg, den Aufzug zu nehmen, weil er schnell überlastet war und sich dann nicht mehr von der Stelle bewegte. Es gab jedes Mal Diskussionen darüber, wer den Lift verlassen sollte.

Einen Stock tiefer betrat auch Deckert das Treppenhaus. Er nickte Vandenberg zu. "Auf dem Weg zur Kantine?", fragte Deckert.

"Ich hab' den Speiseplan verlegt", sagte Vandenberg. "Vielleicht ist etwas für mich dabei."

"Bratwurst mit Sauerkraut oder Bohneneintopf", sagte Deckert.

Vandenberg verlangsamte seinen Schritt und verzog das Gesicht. "Dann lieber nicht." Er strich sich über die Magengegend.

Als sich die beiden vor der Kantine trennten, wünschte ihm Vandenberg einen guten Appetit.

Vor dem Bürogebäude empfing ihn die warme Mittagssonne. Er überquerte die Hauptstraße mit schnellen Schritten.

Im Vorgarten des kleinen Bistros bestellte er eine Portion Couscous.

"Keine scharfen Gewürze bitte", sagte er zu der jungen Afrikanerin.

"Ich weiß", erwiderte sie.

Vandenbergs Blick wanderte von ihren geflochtenen Haarzöpfen hoch zur Direktionsetage. Die Sonne spiegelte sich in den Scheiben und blendete ihn. Er hielt sich eine Hand vor die Augen, wandte dann seinen Blick ab und sah der Afrikanerin zu, wie sie Blumen auf den Nachbartisch stellte.

"Bitte nehmen Sie Platz, Rapaport." Der Direktor wies seinem Assistenten einen Platz an. "Kommen wir gleich zur Sache. Unser Department hat im internen Vergleich, freundlich gesagt, ziemlich kläglich abgeschnitten. Die Zentrale hat mich deshalb angewiesen, für deutliche Personaleinsparungen zu sorgen. Und das so schnell wie möglich."

Rapaport setzte sich zurecht. "Es ist also etwas dran an den Gerüchten der letzten Tage."

Der Direktor beugte sich ein Stück über den Schreibtisch. "Die Konkurrenz ist nicht kleiner geworden und sie schläft auch nicht; die Auftragslage ist verheerend." Der Direktor lehnte sich wieder im Sessel zurück. "Der Urlaub hier ist länger als überall auf der Welt, die Arbeitszeit kürzer, die Löhne sind höher. Und so weiter ... Dauernd macht jemand blau, die Quacksalber schreiben jeden Simulanten krank."

Rapaport strich sich durchs Haar. "Mit Verlaub, Herr Direktor. Ich darf auf meine Statistiken hinweisen. Danach ist der Krankenstand deutlich zurückgegangen. Und kaum noch jemand beantragt eine Regenerationstherapie."



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