Der Unbekannte in mir - Kai Beisswenger - E-Book

Der Unbekannte in mir E-Book

Kai Beisswenger

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  • Herausgeber: 110th
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2015
Beschreibung

Hans Driesch wacht auf, neben ihm ein Toter. Erst glaubt er zu träumen. Dann findet er sich in einer anderen Zeit und in einem fremden Körper wieder. Ist er ein Mörder? Er kann sich an nichts erinnern. Die Suche nach seinem Ich wird zum Höllentrip.

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Seitenzahl: 90

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Der Unbekannte in mir

von

Kai Beisswenger

Impressum:

Cover: Karsten Sturm-Chichili Agency

Foto: fotolia.de

© 110th / Chichili Agency 2015

EPUB ISBN 978-3-95865-536-2

MOBI ISBN 978-3-95865-537-9

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Prolog

Irgendwo im Jenseits beobachten zwei Totengeister eine Handlung im Diesseits.

Wie aus heiterem Himmel fragt der erste Geist den zweiten: „Siehst du den Typen, da unten?“ Der zweite Geist lässt sich viel Zeit. Offensichtlich interessiert ihn der Vorgang nicht besonders. „Ich sehe viele Männer, die in Autos sitzen und gedankenversunken über die Autobahn rasen. Aber ich erkenne auch Frauen am Steuer, die deutlich langsamer fahren.“ Es vergeht eine halbe Minute, bis der erste Geist sagt: „Frauen lassen wir mal außer Acht, konzentrieren wir uns auf die Männer, die haben es eher verdient.“ Diesmal reagiert der zweite Geist sofort. „Was meinst du damit?“ Weil der erste schweigt, fährt der zweite fort: „Du grinst so, was hast du vor? Willst du mal wieder Schicksal spielen?“

„Ja, mir ist langweilig.“ Jetzt schweigen beide. Geister scheinen lange zu überlegen, bevor sie sprechen. Schließlich sagt der erste Geist: „Ich habe den Mann mittleren Alters in der schwarzen Limousine ausgewählt. Hast du ihn inzwischen entdeckt?“

„Jawohl, hab ihn!“

„Sehr gut, den nehmen wir!“, sagt der erste Geist und dieses Mal entgegnet ihm der zweite schnurstracks: „Warum gerade diesen Durchschnittstypen? Ich finde, er hat so gar nichts Außergewöhnliches.“

„Ganz einfach“, doziert der erste Geist, „er ist mittelmäßig, aber fleißig, moralisch unauffällig, aber mit einer bewegten Vergangenheit.“ Darüber muss der zweite Geist erst einmal nachdenken. Nach einer Minute sagt er: „Hast du nichts Besseres zu tun, als Menschen zu ärgern?“

„Ich ärgere ihn doch nicht, ich werde ihm helfen.“

„Soso, wie letztens, als …“ Der erste Geist unterbricht ihn: „Ja, aber vorher muss er durch die Hölle gehen.“ Und wieder entsteht eine Pause, die Menschen im Allgemeinen unangemessen empfänden und die Frauen im Besonderen undenkbar lang erschiene. Endlich ringt der zweite Geist sich zu einer Antwort durch: „Ich wusste doch, die Sache hat einen Haken.“ Der erste Geist antwortet: „Was sagen die Menschen dazu? Ohne Fleiß, kein Preis! Ich werde ihm einen Streich spielen.“

„Und warum?“, sagt der zweite und der erste erwidert prompt: „Ich will herausfinden, ob er danach ein besserer Mensch wird.“

„Ha“, ruft der zweite Geist aus, „aber das haben wir doch schon so oft versucht.“ Darauf sagt der andere: „Stimmt, aber wir haben es immer nur mit den Auserwählten getan, jetzt nehmen wir uns einen Menschen vor, der in allen Belangen Durchschnitt ist.“ Nach einer Weile fährt er fort: „Gut, sagen wir gehobener Durchschnitt, passend zu seinem Auto.“

„Meinst du, das klappt?“ Nun überlegt der erste Geist einen Moment und sagt: „Ich glaube, er könnte es schaffen.“ Daraufhin kontert der zweite Geist: „Ich bin skeptisch und setze dagegen.“ Der erste antwortet wie immer über den Dingen stehend: „Ich habe nichts Anderes erwartet. Okay, dann wie beim letzten Mal. Der Gewinner erhält eine verletzte Seele!“ Worauf der zweite Geist bestätigt: „Topp, die Wette gilt!“

1. Der erste Tag im Anderswo (Mittwoch, 09.10.2013)

Die Welle riss mich nach oben und ein Wärmestrahl durchfuhr meinen Körper. Während ich ins Wellental hinabglitt, wurde mir kälter. Wie üblich hatte ich einen Augenblick später Margarete geküsst, doch anstatt einzuschlafen, wachte ich auf. Ein Schreck durchfuhr meinen Körper. Ich war nicht in meinem Schlafzimmer. Stattdessen lag ich auf einem Kanapee. Wo war meine Gattin? Warum war es so hell? Wo war ich? Ich schaute mich um und bemerkte einen Unbekannten, der auf dem Boden lag. Seltsame Kleider hatte er an, fuhr mir durch den Kopf. Eben war ich noch im Glücksrausch, jetzt hatte mich eine Höllenangst gepackt. Ich sprang auf, kniete mich hin, ergriff das Handgelenk des Mannes und fühlte seinen Puls. Sein Körper war noch warm, aber er lebte nicht mehr. Mein Herz klopfte. Träumte ich noch? Ich fasste an meine Nase. Nein, ich träumte nicht mehr. Dann sah ich mich im Raum um. Neben dem Sofa, auf dem ich eben noch gelegen hatte, stand ein Regal mit Büchern, daneben ein Sekretär. Vor mir war ein Tisch, auf dem Schreibutensilien lagen. Sah man von den Formen und den Farben ab, schien ich mich in einer Studierstube aufzuhalten. Dennoch war alles anders. Auf dem Schreibtisch stand ein Gebilde aus Plaste mit Knöpfen und einem matten Spiegel, auf dem sich unbekannte Symbole bewegten. Zwei Lampen strahlten so hell, dass mir die Augen schmerzten.

Ich fühlte mich wie ein Raumfahrer, der in einem Projektil um die Erde fliegt und gespannt darauf wartet, zum ersten Mal die Mondlandschaft zu sehen. Was ich gewahrte, als ich aus dem Fenster blickte, hätte sich nicht einmal Jules Verne vorstellen können. Mir stockte der Atem. Nein, das war nicht Heidelberg im Jahre 1902, ich war in einer anderen Welt, womöglich auch in einer anderen Zeit. Hatten mich Mondmenschen entführt? Ich zog kräftig an meiner Nase. Das schmerzte, ich träumte wirklich nicht. Draußen fuhren eigenartige Motordroschken fast lautlos herum. Eine Bahn, die aussah wie eine der neuen elektrischen und doch ganz anders, bimmelte. Alles da unten bewegte sich viel schneller als gewohnt, selbst Passanten gingen zügiger. Außerdem war es überall sehr hell, drinnen und draußen. Ich drehte mich um und entdeckte einen Spiegel. Als ich hineinblickte, traute ich meinen Augen nicht. Der nächste Schock. Wo war mein Bart geblieben? Meine Haare waren länger, mein Gesicht ovaler und ich trug komische Klamotten. Außerdem wirkte ich jünger als knapp 35 Jahre. Ich fasste zusammen: Ein Toter lag auf dem Boden. Ich selbst steckte in einem anderen Körper, der wiederum in einer anderen Zeit und in einer fremden Welt. Nein, das war zu viel für mich. Ich zitterte und dachte: Sofort raus hier. Unverzüglich öffnete ich die Tür und lugte nach draußen.

Hinter dem Tresen saßen zwei Damen in sonderbaren weißen Klamotten. Eine hatte eine Spange vor dem Mund und sprach mit sich selbst, die andere sah auf, lächelte und sagte: „Herr Schulze, das ging aber flott heute, haben Sie schon einen neuen Termin?“ Ich blieb wie angewurzelt stehen und brachte nur „Wie bitte?“ hervor. Wieso Schulze? Mein Name ist doch Hans Driesch und ich bin Privatgelehrter aus Heidelberg. Ich schaute mich im Vorzimmer um, aber es gab nur einen Herrn und der war ich. Sie blinzelte. „Ich weiß, Sie kommen immer mittwochs, also nächste Woche, um die gleiche Zeit?“ Ich war wie gelähmt. Sollte ich sagen: Drinnen liegt ein Toter! Ich weiß auch nicht, warum und noch weniger, weshalb ich hier bin? Ja, ich wusste noch nicht einmal, wo ich herkomme. Man würde mich sofort ins Zuchthaus stecken. Also sagte ich fast gar nichts. „Äh, Adieu.“ Ich lief an den Damen vorbei. Vor mir waren zwei Türen und ich wählte die falsche. „Halt, aber Herr Schulze, wo wollen Sie denn hin?“ Ich drehte mich um und bemühte mich um ein Lächeln. „Entschuldigung“, nuschelte ich in meinen abhanden gekommenen Bart. Die beiden lächelten mich mitleidig an. Ich eilte die Treppe hinunter und öffnete die Haustür. Es war noch greller, als ich erwartet hatte. Und laut. Aber es stank nicht nach Pferdemist. Merkwürdig. An der Haustür war ein Schild angebracht: Praxis Dr. Albertz, Facharzt für Psychiatrie. Ich stand vor dem Haus in der Fremde und schloss die Augen.

Habe ich etwas mit dem Tod des Mannes zu tun? Wo bin ich? Wer bin ich? Diese Fragen gingen mir nicht mehr aus dem Sinn. Inzwischen hatten mich zwei Fußgeher angerempelt. Ich stand im Weg. Wie ein geprügelter Hund taumelte ich über das Trottoir. Weder Pferde noch Droschken gab es in den Straßen, aber Hunderte dieser rasenden Automobile und überall stach mir Reklame ins Auge. Was für ein Firlefanz! Die Straßenschilder kannte ich nicht. Ich blieb stehen und hielt mich an einer Hauswand fest. Ein Mann sprach mich an und fragte, ob mir nicht gut sei. „Mir geht es gut, danke“, presste ich heraus und der Mann ging weiter.

Befand ich mich in einem zukünftigen Heidelberg? Oder war ich doch auf dem Mond oder auf einem weit entfernten Planeten gelandet? Aber dort spricht man doch nicht Deutsch? Ich erkannte nichts und niemanden. Es roch nicht, weder nach Unrat, noch stanken die Leute, die an mir vorüberliefen und fremdartig gekleidet waren. Vor mir tauchte ein Gebäude auf, wie aus einem Zukunftsroman. Über dem Eingang erblickte ich ein rotes Schild, auf dem ein seltsam geformtes gelbes M hervorstach. Ich blickte hinein und sah junge Leute beim Essen von Papptellern. Hier gab es wohl kein Porzellan mehr. Ich ging hinein und studierte die Prozedur, die ich schnell begriff. Serviermädchen gab es keine, man musste an einer Theke bestellen und sich selbst einen Platz suchen. Ich setzte mich erst einmal an einen freien Tisch. Im Hintergrund räkelte sich ein Backfisch auf einem großen Zauberspiegel und irgendwo aus einer Ecke ertönte Katzenmusik. Ich sah aber keinen Kinematographen. Gebannt starrte ich in den Spiegel. Die leicht bekleidete Göre quiekte lustlos vor sich hin und ihr Gehabe wirkte recht ordinär. Ein Gespräch am Nebentisch lenkte mich ab. Dort saßen drei Inder, die aber ganz anders Englisch sprachen, als ich das von meinen Reisen nach Indien und Ceylon gewohnt war. Viele Wörter kannte ich nicht. Aber war das jetzt wichtig? Nein, ich sollte meine Situation analysieren – so, wie ich es zu tun pflegte, nachdem ich Seeigeleier zerschnitten hatte. Was wusste ich genau?

Ich erinnerte mich, dass ich mesmerisiert worden war, allerdings nicht in Heidelberg, im Oktober des Jahres 1902, sondern in einer anderen Welt und wie ich mittlerweile bemerkt hatte, in einer anderen Zeit. Möglicherweise war das in dem Zimmer geschehen, in dem ich aufgewacht war. Was hatte der Tote damit zu tun? Hatte er mich verhext? Anscheinend war etwas schiefgelaufen, denn er lebte nicht mehr und ich war nicht mehr Hans Driesch, sondern ein Herr Schulze. Das konnte doch nicht wahr sein! Und an schwarze Magie glaubte ich schon gar nicht. Nein, die Grübelei brachte mich keinen Schritt weiter. Unverzüglich griff ich in meine Brusttasche. Dort war dieses Ding, das mindestens die Hälfte dieser jungen Leute im Restaurant benutzte. Sie sprachen damit oder schauten in den Spiegel des Geräts. Ich drückte auf einen Knopf. Der Spiegel flackerte auf und es erschien Uhrzeit und Datum: 12:47, 9. Oktober. Tageszeit und Jahreszeit entsprachen meinem Zeitgefühl. Aber nicht ganz. Warum wurde das Jahr nicht angezeigt? Ja, das war bestimmt der springende Punkt. Ich musste in der Zukunft sein, aber gewiss in Deutschland, vielleicht im Jahre 1950? Ich steckte den Apparat wieder ein und tastete meine Hose ab. Dabei fand ich in meiner hinteren rechten Hosentasche eine Geldbörse. Ich entdeckte mehrere Karten aus einem dieser Kunststoffe, die ich überall gesehen hatte, wahrscheinlich aus