Geheimbund Omega - Kai Beisswenger - E-Book

Geheimbund Omega E-Book

Kai Beisswenger

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  • Herausgeber: 110th
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Düsseldorf im Spätsommer 2017: Paul ist besessen von einer Frage, die ihn schon seit längerem beschäftigt: Was sind das für Träume, die ihn nachts heimsuchen? Sie erscheinen ihm so real, dass er nicht einordnen kann, ob er nicht doch nachts irgendetwas anderes tut, als zu schlafen. Um sicher zu gehen, dass er nicht verrückt wird, nimmt er sich im Schlaf mit einer Kamera auf und entdeckt Schreckliches. Dann überstürzen sich die Ereignisse. Vor seiner Haustür wird er hinterrücks betäubt...

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Seitenzahl: 110

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GEHEIMBUND OMEGA

 

 

 

 

Impressum:

Cover: Karsten Sturm, Chichili Agency

Foto: fotolia.de

© 110th / Chichili Agency 2014

EPUB-ISBN 978-3-95865-004-6

MOBI-ISBN 978-3-95865-005-3

 

 

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 

Kurzinhalt

Düsseldorf im Spätsommer 2017:

Paul ist besessen von einer Frage, die ihn schon seit längerem beschäftigt: Was sind das für Träume, die ihn nachts heimsuchen? Sie erscheinen ihm so real, dass er nicht einordnen kann, ob er nicht doch nachts irgendetwas anderes tut, als zu schlafen. Um sicher zu gehen, dass er nicht verrückt wird, nimmt er sich im Schlaf mit einer Kamera auf und entdeckt Schreckliches. Dann überstürzen sich die Ereignisse. Vor seiner Haustür wird er hinterrücks betäubt…

1

Düsseldorf, im Spätsommer 2017

Anna streckte sich und sprang aus dem Bett. Ich lag auf dem Rücken und starrte an die Decke. Sie ärgerte sich über mich, aber wie so oft, wusste ich nicht warum. Etwas war schiefgelaufen, denn sie hatte mich weder geküsst noch eines Blickes gewürdigt. So, wie sie die Badezimmertür zugeknallt hatte und wie sie gerade auf den Spülknopf drückte, konnte sie nur extrem sauer sein. Auf einer Skala von eins bis zehn, schätzte ich eine gute acht. Wenigstens auf mein schlechtes Gewissen konnte ich mich verlassen. Aber warum merkte ich immer erst nachher, dass ich mal wieder ins Fettnäpfchen getreten war? Warum nahm ich das nicht schon während des Fehltritts wahr? Hätte ich es sogar vorher erkennen können? Dann wäre ich jetzt Casanova und die Frauen würden mich lieben. Stattdessen hatte ich es mal wieder vermasselt. Wie so oft in meiner Karriere als bestenfalls mittelmäßiger Liebhaber.

Bisher hatten es nur drei Frauen länger als ein Jahr mit mir ausgehalten. Mit sechzehn war ich zum ersten Mal verliebt. Das Mädel gab mir nach einer Woche den Laufpass. Sie servierte mich ab, indem sie lapidar erklärte, ich sei zu jung gewesen. Mit neunzehn schaffte ich erstmals zwölf Monate. Als die Dame meines Herzens sich von mir trennte, meinte sie, ich könne nicht lieben, ich sei zu sehr auf mich selbst fixiert. Ich war dreißig, als mich erstmalig ein Gefühl für die große Liebe erfasst hatte. Fast zwei Jahre hielt sie es aus, daraufhin verließ sie mich mit der treffenden und ebenso zutreffenden Bemerkung, mir fehle der Mut zu einer tiefen Beziehung. Danach kam Anna. Nachdem wir das erste kritische Jahr recht gut gemeistert hatten, begann der immer bedrohlicher werdende Abstieg. Ich sei weder bindungsfähig, noch habe ich meinen Platz im Leben gefunden. Bezüglich meiner Ziele tappe ich im Dunkeln.

In der Küche pfiff die Kaffeemaschine. Wenigstens das klang so wie immer. Vielleicht sollte ich aufstehen und Brötchen holen. Doch dann würde sie mir mein schlechtes Gewissen vorwerfen. Besser, ich schleiche in die Küche und umarme sie von hinten, küsse ihren Hals und streichle ihren Bauch. Aber dann würde sie mir unterstellen, dass ich nur das eine von ihr wolle. Nein, ich sollte darüber nachdenken, woran es wieder hakt. Was war passiert letzte Nacht? Ich war schon im Halbschlaf, da schlüpfte sie unter die Decke. Sie kuschelte sich an mich und strich über meine Brust. Ich drehte mich um, nahm ihren Kopf zwischen die Hände und küsste sie. Dann streichelte ich über ihren Hals und ließ meine Hand über ihre Schulter bis zu den Hüften hinabgleiten. Unter meinen Fingern breitete sich Gänsehaut aus, über die ich sogleich mit den Lippen fuhr.

Stopp! Das Schwelgen in erotischen Erinnerungen blieb selten folgenlos, doch Anna, die womöglich gerade den Tisch deckte, mochte keine intensive Zärtlichkeit am frühen Morgen. Außerdem sollte ich mich besser auf das konzentrieren, was letzte Nacht nach dem Sex passiert war. Vielleicht rollte ich mich eine Idee zu schnell auf die Seite. Wäre ich nur einmal so cool gewesen wie die Machos in den B-Movies, dann hätte ich sie mit meinem Gesäusel eingesponnen und ihre Moleküle zum Tanzen gebracht. Als sie mich fragte, worüber ich nachdenke, antwortete ich unbedacht, aber ehrlich „Über meine Träume!“ Das brachte das Fass zum Überlaufen. Ich sei ein Eisblock, der nachdem er seine Nummer geschoben habe, seine Fickmaschine abstelle und sich mit seinem Ego beschäftige. Zu einer wahren Liebe sei ich nicht fähig. Nun sei sie am Punkt angelangt, an dem sie sich frage, ob ich überhaupt geeignet sei, eine richtige Beziehung zu führen. So ist das mit den Frauen: Lügst du sie an, merken sie es sofort. Sagst du die Wahrheit, entpuppst du dich als gefühlskaltes Monster. Und jetzt? Die Antwort wusste die Zimmerdecke auch nicht. Ich rappelte mich auf, ging kurz ins Bad und daraufhin in die Küche. Sie saß am Tisch, in der einen Hand eine Tasse Kaffee und in der anderen ein Toast. Ich goss mir eine Tasse ein und ließ mich in den Stuhl fallen. Anna ignorierte mich.

„Was machen wir heute?“ Sie tat, als ob die Lektüre der Zeitung wichtiger wäre als meine dumme Frage. „Hallo Erde an Anna, ich habe gefragt, was wir heute tun sollen?“ Sie blieb in der Zeitung vertieft, doch bequemte sie sich immerhin, meine Frage zu beantworten.

„Was du machst, weiß ich nicht! Ich trink meinen Kaffee aus und hinterher mach ich hier die Mücke!“ Ich verdrehte die Augen. Toller Start ins Wochenende!

„Wie bitte? Kannst du mir bitte erklären, was du meinst?“ Endlich schenkte sie mir einen kurzen Blick. Immerhin.

„Paul, es hat im Moment keinen Wert mit uns. Du interessierst dich nur fürs Vögeln, meine Gefühle sind dir doch völlig egal.“ Oha, wenn sie in Fahrt kam, konnte es heiter werden. „Ich will mein kostbares Wochenende nicht mit einem Träumer verschwenden. Ich gehe gleich, heute will ich dich nicht mehr sehen!“ So wie sie mich ansah, war klar, dass es keinen Sinn machte, auch nur an einen Bekehrungsversuch zu denken. Anna war stinksauer, damit war der Samstag verdorben. Meistens hielt das an, zumindest für eine Weile. Da ein klares ‚nie mehr‘ fehlte, gab sie mir noch eine Chance, aber vielleicht auch nur, weil sie mich nicht verletzen wollte. Sei’s drum, ein halber Herzschmerz lässt sich nicht dosieren und ich hatte es wieder einmal voll und ganz versiebt.

Ein Freund sagte mir einmal, man beginne eine Erzählung mit einer klaren Angabe von Raum und Zeit, damit der Leser sich schnell zurechtfinde. Stichworte Raum und Zeit, genau das ist mein Metier. Ich heiße Paul Löbig, bin Diplom Ingenieur, fünfunddreißig Jahre alt, wohne in Düsseldorf und arbeite als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Experimentalphysik der Heinrich-Heine-Universität. Die Frau meines Herzens, hoffentlich nicht bald schon meine Ex-Freundin, die in der Küche saß und sich über mich ärgerte, heißt Anna Sobeck, ist einunddreißig Jahre alt und arbeitet als Pädagogin im städtischen Ausländeramt, derzeitig abgestellt für ein Projekt im Integrationsausschuss. Sie hilft jugendlichen Migranten, eine Ausbildung zu finden und in den Beruf zu starten. Seitdem sie das macht, ist sie oft gestresst und schlecht gelaunt. Sie ist zart gebaut, mittelgroß und hat rotblonde Haare. Besonders auffällig sind ihre Grübchen und Sommersprossen. Wenn sie aufgemotzt ist, wirke ich im Vergleich zu ihr wie ein Penner. Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen, die im Schlabbershirt und in Jesuslatschen herumlaufen, ist sie immer tipptopp gekleidet. Mir fehlt das Faible für Designer-Klamotten, die meine 189 Zentimeter zum Glänzen bringen könnten. Die Bändigung meiner blonden Locken habe ich längst aufgegeben, ebenso wie den Verzicht auf mein ständiges Grinsen, das in ernsten Momenten alle meine Frauengeschichten zur Weißglut gebracht hat. Eins noch. Wir leben nicht zusammen, ich übernachte fast nie bei ihr, weil ich zuhause besser schlafen kann. Sie hingegen, nistet sich immer häufiger bei mir ein. Mittlerweile beansprucht sie über die Hälfte meines Kleiderschranks und mein Spiegelschrank ist gefüllter als die meisten, die in Bädern fünfköpfiger Familien hängen. Normalerweise bin ich nicht so ausschweifend, aber als ich vor vier Wochen ratlos in der Küche hockte, gingen mir tausend Gedanken durch den Kopf. Irgendwas Unangenehmes lag in der Luft.

Anna rührte lustlos im Kaffee und wartete auf eine Reaktion von mir. Vergeblich suchte ich nach den richtigen Worten.

„Ist das alles, was dir dazu einfällt? Kannst du nicht einmal sagen, es tut dir leid und dir liegt etwas an mir? Oder bin ich für dich nichts Anderes als eine Maschine, mit der du dich im Institut vergnügst?“

„Anna, du hast mich gefragt, was mich bewegt und bist sauer, wenn ich ehrlich antworte, das versteh ich nicht!“ Sie blickte noch nicht einmal auf und schüttelte bloß den Kopf.

„Erinnerst du dich an unser Gespräch gestern? Vorm Vögeln lagen wir im Bett und ich erzählte dir eine Geschichte über Schulabbrecher, die weder Deutsch richtig schreiben noch sprechen können, weder einen Job wirklich wollen, noch arbeitsreif sind. Es ist doch offensichtlich, dass das nie funktionieren kann, solange junge Migranten sich nicht integrieren wollen. Und wenn ich im Ausschuss meinen Mund aufreiße, starren mich alle nur feindlich an. Aber du bist auch nicht besser. Unangenehmen Dingen gehst du ebenso aus dem Weg!“ Ich schaute sie fragend an. Sie antwortete mit Wut im Bauch. „Gestern Abend beim Einkaufen mussten wir die Straßenseite wechseln, weil uns fünf aufgeblasene Machotypen entgegenkamen. Aber ich denke, das hast du bereits verdrängt.“ Wir schwiegen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit stand sie auf und ging ins Bad. Ich zählte die Sekunden und stellte mir jeden Schritt vor. Wie sie zwei Minuten Zähne putzte, anschließend sich anzog, ihren kleinen Handkoffer packte, ihn vor der Eingangstür abstellte, ihre Jacke von der Garderobe nahm und über den Arm legte. Sie öffnete die Tür und schaute mich eine halbe Minute lang mitleidig an. Ich blickte auf den Tisch, denn ich hasse es, wenn Frauen ihre emotionale Überlegenheit demonstrieren. Dann schüttelte sie den Kopf und verließ die Wohnung.

Wer die Geschichte eines tollen Hechts erwartet hat, sollte spätestens jetzt das Buch zuschlagen. Ich bin kein Teufelskerl und ich frage mich, ob es tatsächlich Helden gibt. Die Realität hat Ecken und Kanten. Helden sind nur ein Rettungsanker für Verlierer und Romantiker oder Leute, die sich gerne dafür halten. Hier, auf diesen Seiten, erfährt der Leser die fast ungeschminkte Wahrnehmung meiner Wirklichkeit. Manchmal zweifle ich, ob es eine objektive Realität überhaupt gibt. Vielleicht lebt jeder in seiner eigenen Welt. Ist nicht alles, was geschieht, völlig beliebig? Niemand weiß, wie es zum Zusammenbruch der Wellenfunktion kommt. Wann materialisiert sich die Wirklichkeit, die vorher nur einem unbestimmten Wellenmeer gleicht. Was passiert mit den anderen Möglichkeiten? Verschwinden sie im Nichts oder existieren sie in einer Parallelwelt? Wann und wie wählt der Zufall aus abertausenden Möglichkeiten? Genug philosophiert! Anna war weg und ich hatte das Gefühl, dass ein Teil von mir gegangen war. Dabei hatte ich mich auf einen gemeinsamen Samstag mit ihr gefreut. Weil ich sie gerne um mich hatte sowie ihre Frechheiten und ihre Direktheit so liebte. Auf ihre in den letzten Wochen immer häufiger gewordenen Wechselbäder konnte ich gut verzichten, doch in diesem Augenblick hätte ich auch das hingenommen, wenn sie nur bei mir geblieben wäre. Eine Leere überkam mich.

Ich musste mich ablenken und das sofort. Ein oder zwei Bier in meiner Stammkneipe würden mir bestimmt dabei helfen. Die T-Bar war zwei Straßen entfernt, zu Fuß gute zehn Minuten. Ich blickte kurz in den Spiegel, besprühte mich mit meinem Lieblingsduft und verließ die Wohnung. Im Treppenhaus roch es nach türkischen Gerichten und wie so oft, jodelte undefinierbare Musik aus einem Ghettoblaster. Frau Scholz, unsere Aufpasserin, die das Klischee des Hausdrachen professionell ausfüllte, fing mich im zweiten Stock ab. Das Einzige, was nicht ins Klischee passte, war ihr hessischer Dialekt, den sie nach vierzig Jahren Rheinland immer noch nicht ganz abgelegt hatte, vor allem dann nicht, wenn sie aufgeregt war.

„Könne die Kümmeltürke ned mal die Musik leiser stelle?“ Ich verdrehte die Augen. „Herr Löbisch, jetzt sachense aach mal was dadezu!“ Ich hob die Hände.

„Verehrte Nachbarin, ich klingle gleich bei Tandicis und sag dem Junior, er möge extra für Sie Florian Silbereisen auflegen.“ Ich schob mich an der verdutzten Witwe vorbei und war schon in der ersten Etage angelangt, als bei den Tandicis die Tür aufging. Der junge Tandici stand in der Tür. Ich nickte ihm zu und fragte „Was hörst du?“ Ahmed, wie immer freundlich, antwortete wie aus der Pistole geschossen

„Eko Fresh, Türkisch Rap. Komm‘ rein!“ Er zog mich in die Wohnung am Wohnzimmer vorbei, wo der Großbildschirm flimmerte. Bewaffnete Reiter stürmten eine Stellung in der Wüste. Ahmeds Vater saß vor der Glotze und winkte mir zu. Im Zimmer des jungen Tandici waren die Wände mit Porträts zugekleistert. Bushido und andere Rapper, die ich nicht kannte. Die Musik war ohrenbetäubend. „Und wie gefällt es dir?“ Ich wiegte den Kopf und unterstrich meine Zurückhaltung mit „Hm“.

Er lächelte und drückte auf eine Taste des Geräts.