Der Verständigungsschlüssel zum Hund - Barbara Ertel - E-Book

Der Verständigungsschlüssel zum Hund E-Book

Barbara Ertel

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Beschreibung

Stellen Sie sich vor, Sie sind auf der Suche nach einem Welpen, wenden sich an einen Züchter und dieser erklärt Ihnen, Sie müssten erst bei ihm alles über Hunde lernen, bevor er bereit wäre, Ihnen einen seiner Welpen anzuvertrauen. Genau dies ist mir, Barbara Ertel, im Juni 1968 passiert, als ich mich an den Züchter Karl Werner im hessischen Niederwalluf wandte, um dort meinen ersten Welpen zu kaufen… Auf dem mir von ihm dann ganz praktisch vermittelten Erfahrungswissen baute ich mein ganzes Leben mit Hunden auf, die ich über Jahrzehnte in Rudeln und Teilrudeln hielt. Erst über 40 Jahre später erkannte ich, wie unbekannt dieses Wissen um die Gemeinschaftsstruktur in seiner Gesamtheit selbst unter erfahrenen Hundehaltern, Wissenschaftlern, Trainern und Züchtern tatsächlich ist. Das ist einerseits erstaunlich, angesichts dessen, dass dieses Wissen in jedem einzelnen Hund angelegt ist, und gleichermaßen sein Bedürfnis und seine Fähigkeit definiert, sich auf eine bestimmte Weise in eine Gemeinschaftsstruktur einzubinden. Andererseits erklärt diese Unkenntnis aber auch die meisten der Probleme, die Hunde heutzutage im Zusammenleben mit dem Menschen haben. Ich danke allen Kritikern, deren Ignoranz gegenüber ihren Hunden mich so wütend machte, dass ich begann über mein Wissen und meine Lebenserfahrungen mit strukturierten Hunden zu schreiben, weil Hunde, so intelligent sie auch sind, nun mal nicht für sich selbst schreiben können, um damit auf ihr angeborenes Grundbedürfnis nach vererbter Struktur aufmerksam zu machen.

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Seitenzahl: 164

Veröffentlichungsjahr: 2013

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© 2012 Barbara Ertel

Autor: Barbara Ertel, Silke W. Wichers

Umschlaggestaltung, Illustrationen: Barbara Ertel, Terry Glasner, Sandy Herzog, Ulrike Dreihäupl, Paige, Thorsten, Anne Kathrin Dietrich

Lektorat, Korrektorat: Kristin Lemke, Indira C. Singh

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN: 978-3-8495-0216-4

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

In Erinnerung

Danksagungen

1 Einleitung

1.1 Historie

1.2 Erklärung des Begriffs „vererbte Rudelstellungen“

2 Formen der Sozialstruktur bei Haushunden

2.1 Strukturierte Rudel

2.1.1 Aufbau und Funktion eines strukturierten Rudels

2.1.2 Strukturierte Erweiterung des Rudels

2.1.3 Arbeit an der Gemeinschaft

2.2 Lose Verbände

2.3 Einzelgänger und strukturierte Kleingruppen

2.4 Bewertung

2.5 Ein anderer Blick

3 Beschreibung der Stellungen

3.1 Erkennen der Geburtsstellung

3.2 Vorrang-Leithund (VLH)

3.3 Vorrangiger 2. Bindehund (V2)

3.4 Vorrangiger 3. Bindehund (V3)

3.5 Mittlerer Bindehund (MBH)

3.6 Nachrangiger 2. Bindehund (N2)

3.7 Nachrangiger 3. Bindehund (N3)

3.8 Nachrang-Leithund (NLH)

3.9 Einzelgänger

Bildblock 1

4 Hundehaltung unter Beachtung der Rudelstellung

4.1 Stellungsfähigkeit

4.2 Einzelne Aspekte der Hundehaltung

4.2.1 Bewertungssystem der Hunde

4.2.1.1 Bewertung anderer Hunde

4.2.1.2 Bewertung von Menschen

4.2.1.3 Bewertung durch den Menschen

4.2.2 Tabuzonen

4.2.3 Die spielen so schön…

4.2.4 Reparaturzwang

4.2.5 Fremdhundbegegnungen

4.2.6 Arbeitshunde, Sport und Freizeitaktivitäten

4.2.7 Erziehung

4.3 Welpen und Junghunde

4.3.1 Allgemeine Hinweise

4.3.1.1 Sicherung und Begrenzung

4.3.1.2 Tabuzonen beim Welpen

4.3.1.3 Kontakt mit Artgenossen

4.3.1.4 Kommunikation und Konditionierung

4.3.2 Besonderheiten der einzelnen Stellungen

4.4 Einzelhundehaltung

4.4.1 Leithunde

4.4.2 Bindehunde

4.5 Mehrhundehaltung

4.5.1 Strukturierter Aufbau des Hausbestandes

4.5.2 Fehlstellungen auffüllen

4.5.3 Zuwendungen und Zuständigkeiten

4.6 Senioren

4.7 Aufnahme verhaltensauffälliger Hunde

Bildblock 2

5 Zucht

5.1 Wurfkategorien

5.2 Verpaarung und Umgang mit den Welpen

5.3 Welpenentwicklung – Professionalisierung

5.3.1 Perfekter Wurf

5.3.2 Akzeptable Würfe

5.4 Fehlentwicklungen

Bildblock 3

6 Bestandsaufnahme und Ausblick

Nachwort einer Züchterin und Hundehalterin

Bildblock 4

Anhang

Glossar

In Erinnerung

Karl Werner *04.06.1902 † 14.05.1977

Ich bin dem Züchter Karl Werner bis heute dankbar dafür, dass er mir das Wissen um die vererbten Rudelstellungen ganz praktisch vermittelte und mich so Verständnis, Achtung und Gemeinschaft für das Wesen Hund lehrte.

Ihm und seinem Vater und Großvater, die ihm dieses Wissen überliefert hatten, möchte ich an dieser Stelle ein ehrendes Andenken bewahren.

Dass dies in dieser Form überhaupt möglich ist, verdanke ich vor allem Frau Anja Martin, der Nachkommin von Karl Werner, die sich die Mühe macht, für mich auf Spurensuche zu gehen und mir die Fotos der Herren Werner zusandte.

Aus den Erzählungen von Karl Werner während unserer Fahrten zu den Züchtern und aus den Urkunden an den Wänden seines Büros weiß ich sicher, dass jedenfalls schon sein Großvater, der 1810 in Rauenthal geborene Winzer Philipp Werner, arbeitsfähige Hunderudel zusammengestellt und verkauft hat.

Philipp Werner *23.02.1810 †unbekannt

Nach seinem Tod, dessen Datum mir unbekannt ist, führte sein Sohn Josef Werner, der außerdem einen Gärtnereigroßhandel betrieb, dieses Geschäft mit arbeitsfähigen Rudeln fort.

Dieses Foto zeigt ihn in jüngeren Jahren:

Josef Werner * 01.04.1862 † 11.10.1940

Sein Sohn, der 1902 geborene Karl Werner, war dann der letzte Spross der Familie. Die Tradition des Verkaufs von Rudeln setzte er bis zum 2. Weltkrieg fort. Danach widmete er sich der Zucht von Hunden und gilt heute als einer der Pioniere der Eurasierzucht.

Die obige Aufnahme von ihm stammt aus den 1970er Jahren. Kurz darauf ist er 1977 tödlich verunglückt.

Karl Werner war Gärtnermeister in Niederwalluf, wo ich ihn 1968 kennen lernte. Damals war ich 19 Jahre alt und sehr beeindruckt von den vielen Dankschreiben und Dokumenten, die bis auf das Jahr 1844 zurückgingen und an den Wänden seines Arbeitszimmers hingen. In Erinnerung ist mir vor allem noch, dass sich der Dank stets auf die Harmonie und leichte Führbarkeit der Rudel bezog.

Ebenfalls erinnere ich mich an eine ganze Reihe schwarzer Kladdenbücher mit Aufzeichnungen, beschrifteten Skizzen von liegenden Welpen sowie Informationen zu Züchtern und ihren Würfen. Sie waren handgeschrieben, zum großen Teil in Sütterlin.

Diese Unterlagen befinden sich anscheinend nicht im Nachlass. Aus heutiger Sicht ist das sehr schade, weil vor allem im Bereich Zucht die Bücher einen einmaligen Erfahrungsschatz beinhalten, der heutzutage mehr als nützlich wäre.

Deshalb hoffe ich, dass diese Unterlagen noch irgendwo existieren und eines Tages wieder zugänglich werden.

Für ihre Hilfe bei den Nachforschungen bedanke ich mich außer bei Frau Martin auch bei Herrn Michel, dem Heimatpfleger der Gemeinde Walluf, Frau Lippert, ebenfalls Gemeinde Walluf und Herrn Guhrmann, dem Präsidenten des Zuchtverbandes ProEurasier e.V.

Danksagungen

Ich danke allen Kritikern, deren Ignoranz gegenüber ihren Hunden mich so wütend machte, dass ich begann über mein Wissen und meine Lebenserfahrungen mit strukturierten Hunden zu schreiben, weil Hunde, so intelligent sie auch sind, nun mal nicht für sich selbst schreiben und damit ihr angeborenes Grundbedürfnis nach vererbter Struktur durchsetzen können.

Außerdem danke ich allen Hundehaltern und Züchtern, egal wie weit sie bereits in der Realisierung nach Struktur für Ihre Hunde sind für das zur Verfügung gestellte Bildmaterial.

Weiterhin gilt mein Dank der Arbeitsgruppe „Buch“.

Schließlich bedanke ich mich bei allen Usern des Forums von www.rudelstellungen.eu,

die sich mit ihren individuellen Begabungen für ihre Hunde und die Verbreitung des Wissens einsetzen.

Silke W. Wichers bedankt sich darüber hinaus bei Alexandra Bruns.

Die Einnahmen aus dem Verkauf dieses Buches kommen nach Abzug der Kosten dem von mir und Christiane Nagel gegründeten Verein „vererbte Rudelstellung der Hunde e.V.“ zu Gute.

Babara Ertel, Baunach im November 2012

1 Einleitung

S tellen Sie sich vor, Sie sind auf der Suche nach einem Welpen, wenden sich an einen Züchter und dieser erklärt Ihnen, Sie müssten erst bei ihm alles über Hunde lernen, bevor er bereit wäre, Ihnen einen seiner Welpen anzuvertrauen.

Genau dies ist mir, Barbara Ertel, im Juni 1968 passiert, als ich mich an die Zuchtstätte Pflänzerland im hessischen Niederwalluf wandte, um dort meinen ersten Welpen zu kaufen.

Als damals 19-jährige junge Frau wollte ich unbedingt einen Hund und erklärte mich deshalb einverstanden, mich von dem Züchter Karl Werner (1902-1977) unterrichten zu lassen, nicht wissend, wie entscheidend das, was ich dort lernen würde, meine Sicht auf Hunde prägen würde, und noch viel weniger ahnend, dass ich selbst über 40 Jahre später anderen dieses Wissen vermitteln und ein Buch darüber schreiben würde.

In diesem Buch geht es nicht um eine Theorie sondern um das reine gelebte Erfahrungswissen der männlichen Linie der Familie Werner. Diese besaß einen Schlüssel für das Verständigungssystem von Hunden, den sie als vererbte Rudelstellung bezeichnete.

Außerdem geht es um die Erfahrungen, die ich mit der praktisch gelebten Anwendung dieses Wissens in 44 Jahren Hundehaltung gemacht habe und um die Erkenntnisse, die ich seit dem Sommer 2011 über die Folgen der Nichtberücksichtigung dieses Wissens gewonnen habe.

Mein Entschluss, über die vererbten Rudelstellungen zu schreiben, entstand aus dem Wunsch, dieses Wissen zu bewahren und zum Wohl von Hunden zu verbreiten.

Der Begriff „vererbte Rudelstellung“ bietet dabei in der heutigen Zeit einige Angriffsflächen, die sich durch eine zeitgemäßere Wortwahl wie etwa „natürlich angelegte Position im Verband“ vermeiden ließen.

Die Weigerung, diesem Zeitgeist sprachlich zu folgen, hat zwei Gründe.

Zum einen sollen damit der Mensch und seine Vorfahren gewürdigt werden, denen ich dieses Wissen verdanke, der Züchter Karl Werner, dessen Vater und Großvater.

Zum anderen erscheint es mir unangemessen, meine Sprache an die von Menschen anzupassen, deren - angeblich wissenschaftlich fundierte - Ausdrucksweise dazu dient, Hundeleid zu verleugnen, um damit ausgerechnet bei diesen nicht anzuecken.

So soll schon zu Beginn erwähnt werden, dass einige der hier verwendeten Begriffe bisher der Allgemeinheit unbekannt waren. Diese wurden mir so von Karl Werner überliefert. Andere Begriffe werden hier anders verwendet als man es aus Wissenschaft und Hundeliteratur gewohnt ist. Das liegt schlicht daran, dass ich mich nie aus theoretischer Sicht mit dem Thema Hund befasst und so einfach Worte aus meiner Sprachwelt gewählt habe, um Hundeverhalten zu beschreiben und zu erklären.

Alle diese Begriffe sind im Glossar am Ende des Buches und an passender Stelle im Text erklärt.

Nach dem folgenden Abschnitt über die Entstehungsgeschichte dieses Buches werden zunächst die wichtigen grundlegenden Begriffe erläutert, bevor im 2. Kapitel dann die verschiedenen Formen des Gemeinschaftsgefüges von Hunden vorgestellt werden. Das 3. Kapitel besteht aus einer Beschreibung der sieben Geburtsstellungen und im 4. Kapitel gibt es Hinweise zur Haltung und Führung von Hunden unter Berücksichtigung der Rudelstellung für Einzel- und Mehrhundehalter. Kapitel 5 ist verschiedenen Aspekten zum Thema Zucht gewidmet. Das Buch endet mit einer kurzen Darstellung des derzeitigen Zustandes von Haushunden aus Sicht des Wissens um die vererbten Rudelstellungen.

1.1 Historie

Es ist unbekannt, wann und wo das Wissen über die vererbten Rudelstellungen entstand, wie weit verbreitet es einmal war und wo es vielleicht – unter welchem Namen auch immer - noch genutzt wird.

Teile des Wissens werden zumindest von einigen Jagdhund-Meuteführern auf der iberischen Halbinsel genutzt. Dort ist unter anderem ein System bekannt, bei dem Hundegruppen aus sechs verschiedenen Rängen zusammengesetzt werden, die im Wesentlichen1 den hier beschriebenen Stellungen entsprechen.

In die deutschsprachige wissenschaftliche Literatur scheint das Wissen jedenfalls in seiner Gesamtheit bisher keinen Eingang gefunden zu haben.

Die einzige mir bekannte Quelle für dieses Wissen ist Karl Werner.

Schon Philipp Werner, der 1810 geborene Großvater von Karl Werner, kaufte Welpen von solchen Züchtern ein, die sich bei der Aufzucht nach seinen Empfehlungen richteten. Diese Welpen vergesellschaftete er zunächst nach Kriterien, die er als „vererbte Rudelstellung“ bezeichnete, in Gruppen und bildete diese Lebensgemeinschaften dann für ihre zukünftigen Aufgaben für Jagd, Landwirtschaft und menschliche Gesellschaft aus. Schließlich wurden diese Hunde nach Einweisung der dortigen Hundeführer den neuen Eigentümern als arbeitsfähige Rudel oder Teilrudel übergeben.

Nach Philipp Werner, dessen Todesdatum unbekannt ist, übernahmen dessen Sohn, Josef Werner (1862-1940) und später der Enkel, Karl Werner, dieses Geschäft, das, bis es im 2. Weltkrieg zum Erliegen kam, wohl recht erfolgreich war. Jedenfalls erinnere ich mich an zahlreiche Dokumente und Dankesschreiben an den Wänden des Arbeitszimmers von Herrn Werner. Sie reichten bis ins Jahr 1844 zurück und stammten von verschiedenen Adelshäusern und anderen, teilweise bekannten Persönlichkeiten aus ganz Europa, die ihre Zufriedenheit mit den harmonischen und hervorragend zu führenden Rudeln äußerten.

Bisher verliefen die Recherchen über den Verbleib dieser Dokumente und auch der Aufzeichnungen der Herren Werner über das Wissen zur vererbten Rudelstellung leider erfolglos.

Nach dem 2. Weltkrieg züchtete der Gärtnermeister Karl Werner selbst Hunde. Er gilt als einer der Pioniere der Eurasierzucht.

Im Juni 1968 wandte ich mich an ihn, weil ich einen Welpen suchte. Nachdem ich mich auf seine Forderung, von ihm sein Wissen über Hunde zu lernen, eingelassen hatte, begleitete ich ihn bis September 1969 zu zahlreichen Zuchtstätten verschiedener Rassen, die dieser damals in Hessen, Rheinlandpfalz, dem nördlichen Baden Württemberg und in Nord-Westbayern betreute.

Anhand von fast 60 Würfen, die ich regelmäßig mehrfach über Tage beobachtete, lernte ich, wie man die Geburtsstellung eines Hundes erkennen kann. Jeder Hund ist mit einer von sieben Geburtsstellungen zur Welt gekommen, die er sein Leben lang behält, ähnlich, wie er auch unveränderbar sein Geschlecht behält.

Dadurch, dass ich die Welpen von der Geburt bis zu ihrer Abgabe wiederholt beobachten durfte, konnte ich die kontinuierliche Entwicklung aus der jeweiligen Geburtsstellung der Tiere verfolgen und mir so die Merkmale einprägen, die ein Erkennen der Stellung ermöglichen.

Hierbei hatte ich den Vorteil, nicht nur von einem erfahrenen Züchter angeleitet und korrigiert zu werden, sondern vor allem konnte ich an Würfen lernen, die aus Rudelstellungssicht perfekt bzw. akzeptabel waren.2 Herr Werner erklärte mir, wie Würfe anhand der vorhandenen Stellungen zu bewerten und einer von drei Kategorien zuzuordnen sind. Außerdem erfuhr ich, welche Stellungen man am besten verpaart, und was Züchter in den ersten Wochen beachten müssen, damit die Welpen nach der Geburt nicht durcheinander gebracht werden und sich optimal, ihrer Stellung entsprechend, entwickeln können.

Nachdem ich meine Lehrzeit erfolgreich absolviert hatte, bekam ich schließlich im September 1969 meinen Welpen, einen Nachrang-Leithund, den ich Wolf nannte, aus dem, wie ich heute weiß, letzten Wurf des Züchters Karl Werner. Der Präsident des Zuchtvereins ProEurasier e.V., Herr Guhrmann, hat freundlicherweise für mich in den alten Zuchtbüchern nachgelesen. Demnach begann Karl Werner 1963 mit der Zucht der Rasse Eurasier. Sein erster Wurf ist dort allerdings als E-Wurf eingetragen, woraus zu schließen ist, dass Herr Werner bereits vorher schon gezüchtet hatte. 1969 meldete Karl Werner dem Verband die Auflösung der Zucht.

Fasziniert vom Wesen Hund und seinem strukturierten Gemeinschaftsgefüge, baute ich mir, ausgehend von diesem Welpen, sehr schnell ein komplettes Rudel aus sieben Hunden verschiedener Geburtsstellungen auf, das ich über Jahrzehnte aufrecht erhielt, indem ich, wenn ein Hund verstarb, ihn wieder durch einen Hund derselben Stellung ersetzte. Hierbei handelte es sich um verschiedene Rassen.

Außerdem beobachtete ich zwischen 1970 und 1989 in Spanien, Rumänien, Bulgarien und der Türkei verwilderte Straßenhundpopulationen in der freien Natur, wo ich wiederholt Bestätigungen für die Richtigkeit des von Herrn Werner gelehrten Wissens erhielt.

Für mich ist dieses rein praktische Wissen die Basis meines gesamten Lebens mit Hunden. Es hatte sich während meines Berufslebens kaum eine Gelegenheit ergeben, mich mit anderen Hundehaltern über die vererbten Rudelstellungen auszutauschen. Gründe dafür waren unter anderem, dass ich selbst weder wegen meiner Hunde noch mit ihnen jemals Probleme hatte, und, dass ich aufgrund meiner Begegnung mit Karl Werner ganz selbstverständlich annahm, dass dieses Wissen in Fachkreisen bekannt sei.

Erst als ich wegen veränderter Lebensumstände nur noch einen Hund halten konnte und den Wohnort wechselte, suchte ich auf einer Internetplattform für Hundehalter nach passenden Kontakten für meinen Einzelhund. Nach und nach wurde mir beim Lesen der vielen Themen über die verschiedenen Probleme mit und wegen Hunden allmählich klar, dass das Wissen über die vererbte Rudelstellung bei Haushunden anscheinend nicht nur unbekannt war, sondern als befremdlich wahrgenommen und teilweise sogar als Unfug abgetan wurde.

Gleichzeitig begannen sich jedoch auch Hundehalter, Trainer und Züchter näher für das Wissen zu interessieren und es in dem ihnen möglichen Rahmen für ihre Hunde umzusetzen.

Das machte mir Mut und ich beschloss, einen Weg zu finden, dieses Wissen zu bewahren und zu verbreiten, um zukünftig Hunden das Leben zu erleichtern.

Hierzu habe ich im Mai 2012 eine Internetpräsenz geschaffen und einen Verein gegründet, dessen Ziel neben dem dauerhaften Erhalt der Dokumentationen auf der Homepage vor allem die Schaffung und Erhaltung eines strukturierten Rudels als Lehr- und Anschauungsobjekt für alle Interessierten ist.

Dieses Buch ist ein weiterer Schritt, das Wissen allgemeinverständlich weiterzugeben.

Hierzu erscheint es nötig, zunächst den Begriff „vererbte Rudelstellung“ zu erläutern.

1.2 Erklärung des Begriffs „vererbte Rudelstellungen“

Der Begriff „vererbte Rudelstellungen“ wurde von den Herren Werner als Bezeichnung für eine Art Verständigungsschlüssel verwendet, der auf der Unterscheidung von sieben Hundetypen, den vererbten Geburtsstellungen, beruht, die jeweils optimal nur genau einen von sieben bestimmbaren Aufgabenbereichen innerhalb der sozialen Gemeinschaft ausfüllen können und wollen.

Diese Gemeinschaft wurde von den Herren Werner als Rudel bezeichnet.

Der Begriff Stellung hat hierbei praktisch kaum etwas mit einer Rangordnung im Sinne veralteter Dominanztheorien zu tun, sondern bezeichnet lediglich sowohl die zu besetzende Position als auch den Hund, der diese einnimmt. Hierbei hat jede Stellung bestimmte Aufgaben und alle Stellungen sind prinzipiell gleichwertig und gleich wichtig.

Die Aufgaben beziehen sich auf das soziale Miteinander, vornehmlich die Kommunikation, Einbindung in die Gemeinschaft, gegenseitige Führung und Sicherung, sowie die Verteilung von Aufgaben, deren Erledigung überlebenswichtig für die Gemeinschaft ist, wie Jagd und Verteidigung.

Hunde, die ihre Gemeinschaft aus einer solchen Grundstruktur mit sieben verschiedenen Geburtsstellungen aufbauen, haben gegenüber anders zusammengesetzten Verbänden große Vorteile.

Durch das hohe Maß an Koordination und Disziplin werden Konflikte aggressionsarm und ohne Verletzungsabsicht und - gefahr gelöst. Hierdurch werden Energie und andere Ressourcen gespart, die so vermehrt in eine effiziente Nahrungsbeschaffung, Verteidigung und Aufzucht des Nachwuchses gesteckt werden können.

Vererbte Rudelstellung bedeutet demnach vor allem die Fähigkeit zur und das Bedürfnis nach Einbindung in eine bestimmte Gemeinschaftsstruktur. Diese besondere Struktur scheint bisher von der Wissenschaft in ihrer Komplexität nicht vollständig thematisiert worden zu sein. Zwar werden immer wieder einmal einzelne Phänomene dieser Struktur beschrieben, sie erfährt in ihrer Gesamtheit aber meines Wissens bisher keine Würdigung. Ebenso finden sich Beschreibungen von Verhaltensweisen, die aus der Geburtsstellung resultieren. Diese werden in der Regel aber als Ausdruck individueller Begabungen oder Charaktereigenschaften gedeutet, was meiner Meinung nach eine unzutreffende Interpretation darstellt, die auf der Nichtberücksichtung des Gemeinschaftswissens aus der vererbten Rudelstellung beruht.

Die Rudelstellung steht nicht nur neben anderen Merkmalen, wie Rasse, Geschlecht, individuelle Begabungen und Eigenschaften, sondern überlagert diese, wann immer es um die Bildung und Aufrechterhaltung der Gemeinschaftsstruktur geht.

Die Herren Werner sind über Generationen davon ausgegangen, dass die Stellungen vererbt sind. Wählt man bestimmte Stellungen als Elterntiere und hat im Hausbestand entsprechende Voraussetzungen geschaffen,3 lässt sich weitaus häufiger, als es durch Zufall erklärbar wäre, vorhersagen, welche Stellungen geboren werden.

In solchen Würfen ist eine eindeutige Zuordnung eines Welpen zu einer Stellung in der Regel kurz nach der Geburt4 möglich, also schneller als die Feststellung der Rasse und ebenso eindeutig wie die des Geschlechts. Ein Hund behält lebenslänglich erkennbar die Stellung, in die er hineingeboren wurde.

Es würde mich freuen, wenn die Wissenschaft eine plausible Erklärung für die Entstehung der jedenfalls bei der Geburt vorhandenen Stellungen findet. Bis dahin halte ich – auch um den Herren Werner ein würdiges Andenken zu bewahren - an der Formulierung „vererbte Rudelstellung“ fest.

2 Formen der Sozialstruktur bei Haushunden

In diesem Kapitel sollen die verschiedenen Möglichkeiten beschrieben werden, wie Hunde sich miteinander vergesellschaften. Dies betrifft in erster Linie natürlich Tiere, die z.B. als Straßenhunde frei leben. Alles hier Geschriebene lässt sich entsprechend aber auch auf Hunde übertragen, die sich in Menschenhand befinden.

Zunächst wird in Abschnitt 2.1 dargestellt, wie sich ein im Sinne der vererbten Rudelstellungen strukturiertes Rudel zusammensetzt und funktioniert. Im Anschluss daran werden in den Abschnitten 2.2. bis 2.4 die anderen, real häufiger vorkommenden Varianten beschrieben und bewertet. Der letzte Abschnitt des Kapitels befasst sich mit dem anderen Blick auf das Gemeinschaftsgefüge von Haushunden.

2.1 Strukturierte Rudel

2.1.1 Aufbau und Funktion eines strukturierten Rudels

Die folgende Skizze gibt einen Überblick über die Funktionsweise eines strukturierten Rudels, das in seiner Stamm- oder Grundstruktur aus sieben Hunden besteht, und zwar aus je einem

- Vorrang-Leithund (VLH),

- vorrangigen 2. Bindehund (V2),

- vorrangigen 3. Bindehund (V3),

- Mittleren Bindehund (MBH),

- nachrangigen 2. Bindehund (N2),

- nachrangigen 3. Bindehund (N3),

- Nachrang-Leithund (NLH).

Blau= Führung außerhalb der Gemeinschaft bei Jagd und Verteidigung Gelb,grün,rot= innerhalb der strukturierten Gemeinschaft

Die Reihenfolge, in der die Hunde von links nach rechts abgebildet sind, entspricht der Reihenfolge von vorne nach hinten, in der ein solches Rudel beim Wandern, z.B. bei Erkundungen oder auf dem Weg von und zum Jagdgebiet (nicht bei der Jagd selbst) wie an einer Schnur aufgereiht läuft, wobei die Leithunde einen Abstand zur mittleren Gruppe halten. Die Hunde verlassen ohne Freigabe ihre Laufposition nur kurz, um zu schnüffeln oder sich zu lösen.

Diese strukturierte Art des Wanderns ist kein Selbstzweck, sondern ermöglicht ein energiesparendes, entspanntes Laufen und schafft ein hohes Maß an Sicherheit für das Rudel, da durch die Ortungsfähigkeit (1,5 bis 2 km, 360 Grad um das Rudel herum) vom vorweg gehenden VLH und dem nach hinten sichernden NLH alle potentiellen Gefahren für das Rudel von weitem wahrgenommen werden und entsprechend darauf reagiert werden kann. Das ist vermutlich auch ein Grund dafür, dass es kaum Dokumentationen über strukturierte Rudel gibt, da ein solches frühzeitig ausweicht und nur schwer zu entdecken ist.

Der Abbildung kann man die Kommunikationswege und Aufgabenverteilung, also das wesentliche Regelwerk einer strukturierten Gemeinschaft, entnehmen. Hierbei fällt auf, dass der Vorrang-Leithund (VLH) und der Nachrang-Leithund (NLH) jeweils von einem Bindehund gesichert werden, während der Mittlere Bindehund (MBH) von zwei Hunden gesichert wird. Dies unterstreicht die immense Bedeutung, die der Mittlere Bindehund (MBH) für das Funktionieren des Gemeinschaftsgefüges hat. Er erfüllt mehrere Aufgaben. So trennt und verbindet er Vorrang und Nachrang, führt dominant seine beiden Sicherungshunde (Führung in gelb) und hat in Absprache mit den beiden Leithunden die Verantwortung für das Gesamtrudel. Der Mittlere Bindehund ist gleichzeitig ein Bindehund und ein Leithund. Die Leithunde und der Mittlere Bindehund (MBH) werden auch als Eckhunde bezeichnet, wenn es allgemein um die Abgrenzung zu den Bindehunden geht.

Unter dominanter Führung ist nicht zu verstehen, dass der Bindehund blind gehorcht, wenn der Eckhund Befehle erteilt. Vielmehr wird er sich weigern, Dinge zu tun, die aus Sicht seiner Stellung sinnlos sind, ebenso wie kein in Stellung lebender Eckhund unsinnige Forderungen an seinen Bindehund stellt.

Die Beziehung zwischen einem Eckhund und seinem Bindehund wird nicht durch die dominante Führung aufrecht erhalten und gefestigt, sondern über eine gleichberechtigte Unterordnung aller Hunde unter die erforderliche Disziplin in einer funktionierenden Gemeinschaftsstruktur, ähnlich wie in menschlichen Demokratien.

Je nach Gesichtspunkt lassen sich innerhalb der Struktur verschiedene Teilgruppen bestimmen.

Nach ihrer Funktion im Gemeinschaftsgefüge kann man zwischen den eben erwähnten Eckhunden und Bindehunden unterscheiden. Die Bezeichnungen erscheinen passend, weil die Eckhunde wie Eckpfeiler die strategisch wichtigen Positionen besetzen und über die Bindehunde wie durch Leitungen miteinander verbunden sind.

Innerhalb der Bindehunde kann man nach ihren Aufgaben zwischen den 2er und den 3er Stellungen unterscheiden. Die 3er Stellungen, also der vorrangige dritte Bindehund (V3) und der nachrangige dritte Bindehund (N3), dienen als Sicherungshund des in der Abbildung jeweils folgenden Eckhundes (Mittlerer Bindehund (MBH) für den V3 und Nachrang-Leithund (NLH) für den N3). Sie werden von den vor ihnen laufenden 2er Stellungen bei Außenaufgaben geführt (Arbeitsführung in blau). Dementsprechend werden diese Stellungen auch als Wächter bzw. Führhunde bezeichnet. Diese