Der Weg des Tigers - Bernhard Moestl - E-Book
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Der Weg des Tigers E-Book

Bernhard Moestl

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Beschreibung

In seinem neuen Buch konfrontiert Bernhard Moestl den Leser mit spannenden Fragen: Worin bin ich richtig gut? Was sind meine Stärken? Was meine versteckten Talente? Vielen von uns gelingt es nicht auf Anhieb, solche Fragen zur eigenen Persönlichkeit zu beantworten. Zu ungewohnt ist es, sich im positiven Sinn zu hinterfragen. Doch wer sich und die eigenen Vorzüge kennt, kann seinen Standpunkt kraftvoll vertreten, der lässt sich nicht beeinflussen, der setzt sich durch. Schon die Shaolin-Mönche wussten um diesen Zusammenhang. Sie erkannten, dass alle Kraft von innen kommt – aus uns selbst. Diese asiatische Weisheit macht Bernhard Moestl für uns nutzbar, er zeigt, wie wir auch in der täglichen Hektik Zugang erhalten zu der Energie in uns. Damit wir mit gesundem Selbstwertgefühl im Alltag bestehen.

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Seitenzahl: 187

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Bernhard Moestl

Der Weg des Tigers

Erkenne und nutze deine innere Kraft

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

WidmungEinleitung1. Leere deinen Geist2. Begegne dir achtsam3. Überwinde Verlustangst4. Sei dir selbst König5. Schone deine Energie6. Begegne auf Augenhöhe7. Ertrage Konfrontation8. Weiche vor Druck9. Bewahre dir Demut10. Gehe deinen WegEpilogWem ich danke sagen möchte

Für Heidi,

die mich gelehrt hat, mich niemals zu fürchten

[home]

Wer einen Tiger reitet, kann nicht absteigen.

(aus China)

 

 

 

Einleitung

Wer einmal sich selbst gefunden hat, der kann nichts auf dieser Welt mehr verlieren.

(Stefan Zweig)

Wie dieses Buch funktioniert und Sie daraus den größten Nutzen ziehen

Herzlich willkommen. Schön, dass Sie da sind. Wenn ich mit Menschen rede, habe ich oft das Gefühl, dass nur den wenigsten bewusst ist, welche Kraft eigentlich wirklich in ihnen steckt. Viele hätten gerne so manches anders. Aber was, so meinen sie dann resignierend, kann denn ein Einzelner schon groß verändern? Erlauben Sie, dass ich Ihnen die Frage weitergebe? Was meinen Sie: Wie viele Menschen braucht es, um die Welt zu verändern? Hunderttausend? Eine Million? Eine Milliarde? Bitte überlegen Sie kurz Ihre Antwort, bevor Sie weiterlesen.

Wenn ich in die Geschichte zurückschaue, dann denke ich, dass die Kraft eines Einzelnen durchaus ausreicht. Auch wenn durchaus nicht alle von ihnen als Vorbild dienen können, waren es doch immer einzelne Menschen, die die Welt auf den Kopf gestellt haben. Wir müssen hier nicht nur an Adolf Hitler oder Josef Stalin denken, die ihre innere Kraft alleine dazu missbraucht haben, zu zerstören. Aber Jesus von Nazareth, Franz von Assisi, Henry Ford, Steve Jobs oder Michail Gorbatschow haben einiges bewegt. Ob wir gut finden, was sie bewirkt haben, steht hier nicht zur Debatte. Entscheidend ist allein, dass sich die Welt ohne die Kraft dieser Menschen wohl durchaus anders weiterentwickelt hätte. Natürlich auch für jene, die als Mitstreiter ihr Können und ihr Wissen in den Dienst der »großen Sache« gestellt haben und ohne die fraglos das meiste nicht möglich gewesen wäre. Aber ihren Ursprung hatten alle großen Veränderungen in der inneren Kraft und Entschlossenheit eines einzelnen Menschen.

Gehen Sie achtsam mit dem um, was in Ihnen steckt. Und denken Sie daran: Auch Sie können den Lauf der Welt verändern.

Bereits den alten Asiaten galten Drache und Tiger als die Beherrscher des Universums. Über die Lüfte herrschte nach Vorstellung der alten Meister der wendige Drache, über die Erde der kraftvolle, anmutige Tiger. Auch bei den legendären Kampfmönchen des chinesischen Klosters Shaolin waren die beiden Tiere angesehen. Hatte nach jahrelangem Training ein Mönch die berüchtigte Abschlussprüfung erfolgreich hinter sich gebracht, die für den Kandidaten durchaus tödlich verlaufen konnte, wurden ihm die Symbole des Klosters in die Unterarme eingebrannt: das Abbild von Drache und Tiger. Bis heute ist der einzelgängerische Tiger ein Symbol für Wachsamkeit, Eleganz und zielgerichtete Kraft. Tiger sind leise, schnell und aufgrund ihrer schier unglaublichen Kräfte so gut wie unbesiegbar. Wie alle Katzen leben Tiger im Augenblick, sie sind sich ständig dessen bewusst, was in ihnen steckt. Sie sind in jeder Sekunde bereit, zu hundert Prozent fokussiert einzusetzen, was die Natur ihnen gegeben hat. Tiger sind keine Herdentiere. Sie schulden niemandem Rechenschaft, hängen von niemandem ab und wissen, dass alles, was sie jemals erreichen werden, bereits in ihnen angelegt ist.

Wenn Sie es wirklich möchten, können Sie all das auch.

Selbst wenn Sie es sich im Moment vielleicht noch nicht vorstellen können, stecken die Kraft und die Möglichkeiten des Tigers auch in Ihnen.

Lassen Sie mich Ihnen das an einem Beispiel demonstrieren. Versetzen Sie sich dazu bitte in eine Situation zurück, in der Sie so richtig zornig waren. Es ist völlig gleichgültig warum, wichtig ist, dass Sie in Ihrem Zorn am liebsten alles kurz und klein geschlagen hätten. Sie waren so wütend, dass Ihnen kein Gegner zu groß oder zu stark gewesen wäre, um es mit ihm aufzunehmen. Auch wenn Sie an sich ein friedlicher Mensch sind, versuchen Sie bitte, einen solchen Augenblick zu finden, und kehren Sie in Gedanken dorthin zurück. Fühlen Sie die Kraft, die Ihnen dieser Wutausbruch plötzlich gegeben hat? Versetzen Sie sich mit aller Konzentration in Ihre damalige Lage zurück. Sind Sie dort? Dann stellen Sie sich vor, Sie hätten all diese Energie auf Abruf verfügbar. Natürlich nicht, um erneut zornig zu werden, das wäre ziemliche Verschwendung. Aber wie wäre es mit der Möglichkeit, dank dieser Energie ohne Anstrengung Veränderungen zu erreichen? Auch das ist nämlich möglich. Sie müssen Ihre Kraft nur aufspüren, sie sich bewusst machen, und dann – und das ist das Geheimnis des Tigers – gebündelt nutzen. Selbst Millionen Pferde, die ihre Stärke verteilen, laufen nicht schneller als ein einzelnes Tier. Die auf ein Triebwerk fokussierte Kraft von tausend Pferden aber lässt sogar ein Tonnen schweres Flugzeug abheben.

Zähmen Sie Ihren Tiger, und machen Sie ihn sich zum Gefährten. Sie werden erstaunt sein, wie viel in Ihnen steckt.

Da dieses Buch Sie auf Ihrem Weg unterstützen soll, gibt es noch etwas, das Sie wissen sollten: Es geht darin ausschließlich um Sie. Und da ich Ihnen recht wenig über Sie selbst erzählen kann, habe ich es als Arbeitsbuch gestaltet. Anders gesagt, brauche ich zeitweise Ihre Mithilfe in Form von Antworten auf Fragen, Selbsteinschätzungen oder Überlegungen. Da Sie genau wie ich wahrscheinlich nicht gerne in Bücher schreiben, benötigen Sie, bevor Sie mit der eigentlichen Arbeit beginnen, noch ein kleines leeres Buch oder Schreibheft. In dieses notieren Sie bitte alles, zu dem ich Sie auffordere. Auch wenn es Ihnen selbstverständlich frei steht, anders damit zu verfahren, ist das, was in Ihrem Heft steht, eigentlich ausschließlich für Sie gedacht. Ich betone das hier, weil es einerseits wichtig ist, dass Sie mit Ihren Antworten absolut ehrlich sind. Was aber nicht immer ganz einfach ist, wenn man das Gefühl hat, dass die eigenen Gedanken von Mitlesern kontrolliert werden. In so einem Fall neige ich nämlich auch dazu, nicht das zu schreiben, was Tatsache ist, sondern vielmehr das, was ich gerne hätte, das andere lesen. Vor anderen stark zu sein, dazu wird noch genug Zeit sein. Wenn Sie dieses Buch erst einmal durchgearbeitet haben, werden Sie mit Erstaunen erkennen, wie sich Ihre Ausstrahlung verändern wird und damit auch die Reaktion Ihrer Mitmenschen auf Sie. Aber um dahin zu kommen, braucht es zuerst einmal Ehrlichkeit. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Sie sich mit diesem Heft einen Raum schaffen, in dem Sie träumen können, phantasieren, probieren. »Herumspinnen« würden die anderen wohl sagen. Genau deshalb soll es allein Ihr Heft sein. Besorgen Sie sich also bitte ein schönes kleines Büchlein, zeichnen Sie unter Ihren Namen einen Tiger, und markieren Sie es als privat. Dieses Buch wird später nicht nur sehr viel von Ihnen wissen. Es wird vor allem Ihre persönliche Schatzkiste sein. Nehmen Sie es also ernst, und geben Sie gut darauf acht.

Möglicherweise fragen Sie sich jetzt, ob Sie die Fragen nicht genauso gut im Kopf beantworten und auf das Heft verzichten könnten. Sie sollten es nicht. Weil unser Gedächtnis nämlich, so kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, lange nicht so gut ist, wie wir es gerne annehmen. Ich selbst habe mir bereits vor Jahren angewöhnt, jede Idee, und sei sie noch so offensichtlich, sofort in ein kleines Notizbuch zu notieren, das ich immer bei mir trage. Nicht nur einmal habe ich bei der späteren Durchsicht dieser Notizen mit großem Erstaunen festgestellt, von wie vielen dieser so offensichtlichen Einfälle ich im Nachhinein rein gar nichts mehr gewusst hätte. Tun Sie sich also selbst den Gefallen und schreiben Sie Ihre Antworten auf. Wenn wir schon beim Thema sind: Auch wenn es das eine oder andere Mal den Lesefluss stört, beantworten Sie meine Fragen bitte immer dann, wenn ich Sie stelle. Lesen Sie also bitte nicht weiter, bevor Sie eine Antwort gefunden haben. Manchmal möchte ich Ihnen nämlich zeigen, dass Sie oft ganz anders denken oder handeln, als Sie glauben, dass Sie es tun. In diesen Fällen brächte Sie sofortiges Weiterlesen um den Überraschungseffekt.

Das Buch ist in zehn eigenständige Kapitel unterteilt, die aufeinander aufbauen. Das bedeutet, dass Sie immer wieder die Ergebnisse aus vorigen Kapiteln benötigen werden. Daher ist es sinnvoll, das Buch zuerst einmal in der vorgegebenen Reihenfolge durchzuarbeiten. Am Ende jedes Kapitels finden Sie als Übungen gekennzeichnete Fragen. Diese sollen Ihnen zeigen, wo Sie gerade stehen. Wenn Sie die Antworten in Ihr Heft notieren und sich diese ab und an wieder vornehmen, werden Sie beobachten, dass sich Ihre Selbstwahrnehmung auf eine erstaunliche Art und Weise verändert und dass Ihnen Ansichten, die heute noch unvorstellbar scheinen, bald selbstverständlich sein werden.

In diesem Buch geht es allein um Sie, um Ihr Selbstbewusstsein und Ihr Vertrauen in das, was Sie sind und was Sie können. Natürlich werden auch »die anderen« hin und wieder vorkommen und die Frage, wie man seine Ziele auch dann kampflos erreichen kann, wenn andere das unbedingt verhindern möchten. Doch im Grunde geht es hier um viel mehr: Sie sollen lernen, sich ernst zu nehmen und den eigenen Fähigkeiten, Vorstellungen und Wünschen jenes Gewicht zu geben, das Kampf verzichtbar macht. Mit Sicherheit ist Ihnen bekannt, wo ein dreihundert Kilogramm schwerer Gorilla schläft. Richtig. Wo er will. Wie ein Tiger übrigens auch.

Alle Kraft aber, so hat es die Natur bestimmt, kommt von innen.

Das bedeutet, wir können unsere Mitwesen zwar unterstützen, aber die Kraft für Selbstvertrauen und Veränderung müssen Sie am Ende alleine aufbringen. Da mache ich keine Ausnahme.

Stellen Sie sich einmal vor, Sie sehen in einer einsamen Gegend, weit entfernt von jedweder Zivilisation, am Straßenrand einen Menschen sitzen, der bitterlich weint. Als Sie auf ihn zugehen und ihn fragen, was sein Problem ist und wie Sie ihm helfen können, stellen Sie fest, dass Sie seine Sprache nicht verstehen, sich also nicht mit ihm verständigen können. Es bleibt Ihnen nur, Ihrem Gegenüber mit Gesten Halt zu geben, ihm Essen und Trinken zu bringen und ihm auf alle möglichen Arten zu signalisieren, dass Sie für ihn da sind. Vielleicht können Sie auch noch versuchen, ihm auf die Beine zu helfen. Ist er aber zu schwach, um alleine zu stehen, und sind Sie nicht stark genug, um ihn zu tragen, was können Sie dann tun?

Für uns bedeutet das, dass ich Ihnen einen Weg zeigen und Sie ein Stück weit begleiten kann. Gehen müssen Sie den Weg aber selbst. Und zwar auch dort, wo es schwierig wird. Dort, wo Sie beginnen, wieder an sich und Ihren Fähigkeiten zu zweifeln. Dort, wo Sie lieber umkehren oder einfach nur sitzen bleiben möchten. Wenn Sie an diesen Punkten vorbeikommen, dann öffnen Sie Ihr Heft und holen Sie sich Kraft aus dem Wunderbaren, das Sie darin über sich selbst finden. Der Weg geht nämlich weiter.

Mir bleibt zum Schluss noch ein sehr wesentlicher Punkt: Wenn Sie wirklich etwas an sich selbst und Ihrer Einstellung zu sich ändern möchten, dann ist die wichtigste Voraussetzung, dass Sie für sich auch wirklich offen sind. Ich meine damit, dass wir unsere gemeinsame Arbeit erst an dem Punkt beginnen sollten, an dem Sie selbst bereit sind zu akzeptieren, dass allein Sie entscheiden, wie weit Ihnen die Welt offensteht. Die meisten Veränderungen werden nämlich nicht, wie oft angenommen, von allen anderen verhindert, sondern ausschließlich von den Betroffenen selbst.

Der britische Staatsmann Benjamin Disraeli hat einmal gesagt: »Das Größte und Beste, das du für jemanden tun kannst, ist nicht, deinen Reichtum mit ihm zu teilen, sondern ihm vielmehr den Reichtum, der bereits in ihm liegt, zu offenbaren.« Und so möchte ich Sie jetzt auf eine Reise begleiten, die Sie auf einen Weg voller Stärke, Entschlossenheit und innerer Kraft führen wird. Auf den Weg des Tigers. Sind Sie bereit? Dann lassen Sie uns gehen.

[home]

Die Menschen sehen nur das, was sie erwarten zu sehen.

(Ralph Waldo Emerson)

 

 

 

1. Leere deinen Geist

Erfahrung ist wie eine Laterne im Rücken:

Sie beleuchtet immer nur das Stück des Weges, das wir bereits gegangen sind.

(aus China)

Lerne, dass du in jedem Augenblick von neuem beginnen kannst

In einem seiner Bücher erzählt der argentinische Schriftsteller Jorge Bucay von seiner Kindheit. Eine ganz besondere Faszination, so schreibt er, habe der Zirkus auf ihn ausgeübt, vor allem wegen des riesigen Elefanten. Es waren dieses ungeheure Gewicht, diese eindrucksvolle Größe und die Stärke, die das Tier zur Schau stellte. Doch bei aller Faszination blieb Bucay eines unverständlich: Vor der Vorstellung und auch in der Zeit danach war der Elefant mit dem Fuß an einen Pflock angekettet, der nichts weiter war als ein winziges Stück Holz, das kaum ein paar Zentimeter tief in der Erde steckte. Natürlich war die Kette mächtig und schwer, aber trotzdem gab es für Bucay überhaupt keinen Zweifel daran, dass ein Tier, das die Kraft hatte, einen Baum mitsamt der Wurzel auszureißen, sich mit Leichtigkeit hätte von einem solchen Pflock befreien und fliehen können. Warum aber, so fragte sich der kleine Jorge, tat er es nicht? Die Antworten, die der Junge von den Erwachsenen erhielt, waren unbefriedigend. So meinte einer, der Elefant fliehe nicht, weil er dressiert sei. Warum das Tier dann überhaupt angekettet werden musste, konnte er allerdings auch nicht erklären

Erst als Erwachsener fand Jorge Bucay die Lösung. »Der Zirkuselefant«, so meinte er, »flieht nicht, weil er schon seit frühester Kindheit an einen solchen Pflock gekettet ist.« Bucay schloss die Augen und stellte sich den wehrlosen neugeborenen Elefanten am Pflock vor. »Ich war mir sicher«, so schreibt er, »dass er in diesem Moment schubst, zieht und schwitzt und sich zu befreien versucht. Und trotz aller Anstrengung gelingt es ihm nicht, weil dieser Pflock zu fest in der Erde steckt. Ich stellte mir vor, dass er erschöpft einschläft und es am nächsten Tag gleich wieder probiert, und am nächsten Tag wieder, und am nächsten … Bis eines Tages, eines für seine Zukunft verhängnisvollen Tages, das Tier seine Ohnmacht akzeptiert und sich in sein Schicksal fügt. Dieser riesige, mächtige Elefant, den wir aus dem Zirkus kennen, flieht nicht, weil der Ärmste glaubt, dass er es nicht kann.« Allzu tief, so meint Bucay, habe sich die Erinnerung daran, wie ohnmächtig er sich kurz nach seiner Geburt gefühlt habe, in sein Gedächtnis eingebrannt. Und das wirklich Schlimme daran ist für Bucay, dass der Elefant diese Erinnerung nie wieder ernsthaft hinterfragt hat. Wohl aus diesem Grund ist das Tier geblieben, wo es war, und hat nie wieder versucht, seine Kraft auf die Probe zu stellen.

Eine traurige Geschichte. Auch weil der Elefant ja mit seinem Problem nicht alleine dasteht. Stellen wir uns nur vor, er wäre ein Mensch. Dann bliebe er nicht nur an seiner Kette. Er würde vielmehr die Unmöglichkeit, frei zu sein, noch verteidigen! »Wie stellen Sie sich das denn bitte vor?«, bekäme jeder zu hören, der ihn auf die Möglichkeit hinwiese, das Holzteil einfach auszureißen und abzuhauen. »Denken Sie nicht, dass ich daran auch schon gedacht habe? Sie dürfen mir glauben, ich habe es mehr als einmal versucht! Aber es geht eben nicht, und das muss man so akzeptieren.«

Auch wir Menschen hängen an solchen Pflöcken. Manche nehmen uns die Freiheit zu handeln, wie wir eigentlich möchten. Andere hindern uns daran zu tun, was wir eigentlich könnten. Wie der Elefant fixieren wir uns selbst an diese – für unsere Mitmenschen oft unsichtbaren – Halterungen im Boden. Natürlich unterstützt uns unser Umfeld gerne dabei, in den uns selbst auferlegten Schranken zu bleiben. Aber da die Pflöcke in unserem Denken stehen und damit in einem Bereich, zu dem niemand außer uns Zutritt hat, müssen wir uns auch selbst an sie gehängt haben.

Erschwerend kommt hinzu, dass wir nicht immer mangels besseren Wissens angekettet bleiben. Oftmals erscheint es uns auch einfach bequemer, gewisse Optionen gar nicht wahrzunehmen. Was ich nicht kann, so die verbreitete Meinung, muss ich auch nicht machen. Bei mir persönlich war es beispielsweise so, dass mir schon als Kind eingeredet wurde, ich sei fürchterlich ungeschickt. Unglücklicherweise trifft sich das ganz gut mit dem Umstand, dass mir handwerkliche Tätigkeiten tatsächlich wenig Freude machen. Folglich war ich sehr lange der festen Überzeugung, für alles und jedes in diesem Bereich Hilfe zu brauchen. Ich war gerne bereit, anderen den Vortritt zu lassen. Immer mit der überzeugenden Ausrede, dass meine Mithilfe ohnehin nur die doppelte Arbeit verursache. Am Ende war ich überzeugend unfähig. Schließlich hatte ich mir die eigene Unfähigkeit so lange eingeredet, dass sie mir zur selbstverständlichen Gewissheit geworden war. Ich hatte eben zwei linke Hände. Bis ich eines Tages vor dem dringenden Problem stand, ein Fotostudio renovieren zu müssen, aber gerade kein Helfer verfügbar war. In meiner Not beschloss ich, die gelernte Unfähigkeit zu vergessen und völlig unbefangen an die Sache heranzugehen. Ohne Druck, ohne Angst, einfach offen für etwas, das ich noch nie gemacht hatte. Und siehe da: Es funktionierte, und das Studio sah nachher richtig gut aus.

Wie ist das bei Ihnen? Nehmen Sie bitte Ihr Heft zur Hand. Schreiben Sie auf eine neue Seite: »Von mir unüberprüft akzeptierte Pflöcke.« Dann teilen Sie die Seite darunter mit einem Strich in drei Spalten. In der linken notieren Sie die fünf wichtigsten Bereiche, in denen Sie Ihre Ohnmacht oder Unfähigkeit oder wie immer Sie es nennen möchten akzeptieren. Schreiben Sie hier nicht irgendetwas, sondern nehmen Sie sich kurz Zeit zu überlegen, wo Ihre Pflöcke Sie wirklich behindern. Das kann die Zubereitung eines vermeintlich komplizierten Essens genauso sein wie der langgehegte Wunsch, sich beruflich zu verändern. In der mittleren Spalte beschreiben Sie den Pflock in Stichworten. Beispielsweise: »Ich versage schon bei einfachen Gerichten« oder »Ich wäre der neuen Aufgabe sicher nicht gewachsen«. Nicht vergessen: Bitte schreiben Sie ehrlich, was Sie denken. Lassen Sie unter jedem Eintrag so viel Platz, dass Sie später noch etwas einfügen können. Sobald Sie fünf Punkte gefunden haben, vermerken Sie bitte in der dritten Spalte, wann Sie das letzte Mal überprüft haben, wie fest dieser Pflock wirklich in der Erde steckt. Vor drei Tagen? Vor zehn Jahren? In Ihrer Kindheit? Überhaupt noch nie? Verstehen Sie mich richtig. Es geht bei dieser Übung nicht darum, sich Fähigkeiten einzureden, die tatsächlich nicht vorhanden sind. Der Elefant könnte schließlich auch keinen Stahlträger ausreißen, der tief in den Boden einbetoniert ist. Ich bin auch nicht der Meinung, dass man unbedingt alles können oder auch nur glauben muss, dass dem so sei.

Es ist aber eine Tatsache, dass wir dazulernen und uns weiterentwickeln.

Und dass wir heute vielleicht Dinge mit Leichtigkeit tun könnten, die uns vor zehn Jahren noch unmöglich gewesen wären.

Das beste Beispiel liefert uns auch hier der gefangene Elefant. Allerdings ist er in einer erheblich schlechteren Position als wir Menschen. Ihm fehlt nämlich dieser wunderbare »Reset-Knopf«. Diese Möglichkeit, hinter sich zu lassen, was gewesen ist. Diese Chance, einfach noch einmal von vorne zu beginnen.

Geht es nicht um uns selbst, ist das Entfernen von Altlasten ja gewissermaßen eine Selbstverständlichkeit.

Kämen Sie auf die Idee, in die Tasse, in der noch der Rest vom Frühstückskaffee steht, Orangensaft zu gießen? Natürlich nicht. Sie würden zuerst den Kaffee wegschütten, die Tasse auswaschen und erst dann Orangensaft einschenken. Jedes andere Verhalten empfänden Sie als eigenartig. Warum aber, so frage ich Sie, tun Sie das dann nicht auch bei Ihrem Denkverhalten? Warum haben Sie hier kein Problem, frische Möglichkeiten und Ideen auf die abgestandenen Annahmen und vermeintlichen Erfahrungen zu gießen, und wundern sich dann, wenn alles ungenießbar wird?

In Shaolin erzählt man sich die Geschichte von Meister Nan-in. Der empfing eines Tages den Besuch eines Universitätsprofessors, der etwas über Zen erfahren wollte. Nan-in servierte Tee. Er goss die Tasse seines Besuchers voll und hörte nicht auf, weiter zu gießen. Der Professor beobachtete schweigend, wie der Tee überlief, bis er sich nicht zurückhalten konnte. »Es ist übervoll. Mehr geht nicht hinein!«, rief er. »Genau wie diese Tasse«, sagte Nan-in, »sind auch Sie voll mit Ihren Meinungen und Spekulationen. Wie kann ich Ihnen Zen zeigen, bevor Sie Ihre Tasse geleert haben?«

Auf ganz ähnliche Weise sind auch Sie voll mit all dem, was Sie über sich selbst denken.

Sie sind erfüllt von Zweifeln, Ängsten und negativer Selbsteinschätzung. Verzeihen Sie, dass ich das so direkt anspreche. Aber gerade darum geht es mir: Solange Sie Ihren Geist nicht geleert haben, wird alles, was Sie an Gutem über sich erfahren, überfließen wie der Tee in der Tasse.

Das ist aber noch nicht alles.

Nicht nur ist ein voller Geist unfähig, Neues aufzunehmen. Vielmehr zieht es ihn gewissermaßen vorbelastet in eine Richtung.

Wollen Sie nun auf die andere Seite gehen, kostet das zusätzliche Energie. Schließlich müssen Sie nicht nur einen möglicherweise ohnehin schon mühsamen Weg einschlagen, sondern zusätzlich gegen den Gegenwind ankämpfen, der Ihnen aus dem eigenen Denken entgegenbläst.

Lassen Sie mich das an einem Beispiel zeigen. Damit dieses funktioniert, verfälschen Sie bitte Ihren Hefteintrag auch dann nicht, wenn Ihnen klar ist, worum es geht. Holen Sie etwas, mit dem Sie die Zeit messen können. Starten Sie die Zeitmessung, und schreiben Sie Ihre fünf schlechtesten Eigenschaften in Ihr Heft. Sobald Sie fertig sind, notieren Sie darunter, wie lange Sie für diese Aufgabe gebraucht haben. Setzen Sie jetzt die Stoppuhr zurück, und schreiben Sie fünf besondere Eigenschaften auf, Eigenschaften, die Sie so richtig auszeichnen und von denen Sie auch allen erzählen würden. Notieren Sie wieder, wie lange Sie gebraucht haben.

Wenn Sie jetzt die Ergebnisse vergleichen, werden Sie sehr wahrscheinlich feststellen, dass Sie für die zweite Aufgabe länger gebraucht haben. Aber warum das?

Kann es sein, dass Sie mehr Übung darin haben, über Ihre Fehler und Schwächen nachzudenken, als darüber, worin Sie wirklich gut und stark sind?

Weil Sie über die Schwächen schon oft nachgedacht haben? Sich darüber geärgert haben? Ihnen aber dort, wo es darum geht, sich selbst zu loben, Ihr eigener, übervoller Geist im Weg steht?

Alles, was wir oft tun, wird uns zur Gewohnheit.

Wollen wir dann einmal etwas anders machen, erfordert das eine unglaubliche Anstrengung. Wir müssen regelrecht gegen unsere Gewohnheiten ankämpfen.