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Was braucht es, um zu einer klimagerechten Gesellschaft zu kommen? Wie sollen wir auf die Klima- und Umweltkrise reagieren? Fragen, denen die Umwelthistorikerin Verena Winiwarter nachgeht. Klimagerechtigkeit bedeutet einen Umgang mit Ressourcen, der zwischen den Generationen, aber auch innerhalb der jetzt lebenden Menschen für faire Lebensbedingungen sorgt. Als Umwelthistorikerin zeigt Verena Winiwarter, dass ein anderer Umgang mit fossiler Energie den Kern der Klimagerechtigkeitsdebatte bildet. Sie argumentiert, dass die derzeitige Gesellschaft, weil sie nicht an Daseinsvorsorge orientiert ist, die Menschenrechte massiv verletzt und schlägt einen Verfassungskonvent vor, der mit einer klimagerechten Verfassung die Grundlage für eine klimagerechte Gesellschaft legt.
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Seitenzahl: 58
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wiener vorlesungen
Band 205
Vortrag
am 3. Februar 2022
verena winiwarter
sieben schritte in eine nachhaltige zukunft
picus verlag wien
Copyright © 2022 Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien
Alle Rechte vorbehalten
Grafische Gestaltung: Dorothea Löcker, Wien
ISBN 978-3-7117-3025-1
eISBN 978-3-7117-5480-6
Informationen zu den Wiener Vorlesungen unter
www.wienervorlesungen.at
Informationen über das aktuelle Programm
des Picus Verlags und Veranstaltungen unter
www.picus.at
die wiener vorlesungen
vorbemerkung
bestandsaufnahme
schritt 1: daseinsfürsorge
schritt 2: daseinsvorsorge
schritt 3: rechtsstaat, grundrechte, menschenrechte
schritt 4: drei gründe, warum die klimakrise ein heimtückisches problem ist
schritt 5: umweltgerechtigkeit ist die basis aller gerechtigkeit
schritt 6: dichte begriffe, starke institutionen, klima und gerechtigkeit
schritt 7: starke institutionen für frieden und gegen korruption: ein verfassungskonvent
statt eines achten schrittes ein lichtblick: vom ende einer sucht
literatur
die autorin
Nur eine aufgeklärte Öffentlichkeit, die freien Zugang zu validen Informationen und aktuellen Wissenschaftskonzepten hat, ist in der Lage, sich differenziert mit den gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit auseinanderzusetzen. Mit dem unverwechselbaren Wissenschaftsformat Wiener Vorlesungen leistet die Stadtregierung nun bereits seit mehr als drei Jahrzehnten einen wertvollen demokratiepolitischen Beitrag. Offen für alle, niederschwellig und zugleich hochkarätig werden hier die neuesten Erkenntnisse, Ideen und Fragestellungen aus Wissenschaft und Forschung präsentiert und diskutiert.
Als Forschungsstandort und Universitätsstadt hat die Stadt Wien eine Spitzenposition im mitteleuropäischen Raum inne und sieht es auch in ihrer Verantwortung, Impulsgeberin für aktuelle und zukunftsrelevante Auseinandersetzungen zu sein. So beziehen die Wiener Vorlesungen die Öffentlichkeit in den wissenschafts- und technologiepolitischen Diskurs mit ein und verhandeln Themen, die für die Stadt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner besonders relevant sind.
Neu in der langen Geschichte ist das Format Wiener Vorlesungen online – geschuldet natürlich den mit der Covid-19-Pandemie einhergehenden Einschränkungen. Doch aus der Not wurde hier eine Tugend: Mittlerweile sind alle Veranstaltungen jederzeit nachträglich abrufbar und es kann somit auch zeitversetzt an der Diskussion aktuellster Fragestellungen partizipiert werden. Denn gerade in der Krise wurde sichtbar, welche Bedeutung vertrauenswürdige Konzepte der Wissensvermittlung während des Überangebots an Meldungen haben, das allzu oft von Halbwissen, Unwissen und Falschwissen geprägt ist. Das zeitgemäße Veranstaltungsformat trägt dazu bei, Dimensionen abzuschätzen, Fragen zu bewerten und schlussendlich Entscheidungen für das eigene Handeln zu treffen. Eine fundierte Informationsbereitstellung und der öffentliche Diskurs über die Voraussetzungen und Folgen von Forschung ist gerade heute von zentraler Bedeutung.
Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist die breite Diskussion des Nicht- beziehungsweise Noch-nicht-Wissens geworden, das gute Wissenschaft auszeichnet und zu ihrem Selbstverständnis zählt. Mit dieser Ungewissheit des Nicht-Wissens bewusst umzugehen und diese mit der Gesellschaft zu teilen, ist ein weiteres wichtiges Anliegen der Wiener Vorlesungen.
An unterschiedlichen Schauplätzen – denn auch bei ausschließlichen Online-Vorlesungen sollen verschiedene Orte der Stadt zu Stätten der Bildung werden – lädt das Dialogforum prominente Denkerinnen und Denker, den Nachwuchs der Wissenschaft und insbesondere Wissenschaftlerinnen ein, ihre Erkenntnisse und Einsichten über Fachgrenzen und Generationen hinweg mit der Bevölkerung zu teilen.
Um von den Wiener Vorlesungen zu profitieren, ist kein Studium nötig! Das ideale Publikum zeichnet sich durch große Wachheit und unbändige Neugier auf das Unbekannte und brennende gesellschaftliche Fragen aus. Bei kontrovers zu diskutierenden Themen ist dies umso entscheidender. Wenn hier individuelle Echokammern aufgebrochen werden, die ansonsten zu einer Engführung der Wahrnehmung führen können, hat das niederschwellige Wissenschaftsformat sein Ziel erreicht und den demokratiepolitischen Auftrag aufs Beste erfüllt.
In diesem Sinne freue ich mich, dass die Wiener Vorlesungen mit dieser Publikation nun auch schriftlich vorliegen und einen noch weiteren Adressat*innenkreis erreichen.
Veronica Kaup-Hasler
Stadträtin für Kultur und Wissenschaft
der weg zur klimagerechten gesellschaft
Dieser Text verdankt sich der Einladung, bei einer Wiener Vorlesung zu sprechen, am ersten Abend einer Serie zu Nachhaltigkeitsthemen, die die Stadt Wien 2022 veranstaltete. Ich schulde Stadträtin Veronika Kaup-Hasler und Daniel Löcker Dank für die Einladung, noch mehr aber dafür, dass sie sich des Überlebensthemas »Nachhaltigkeit« in allen seinen Facetten angenommen haben. Entsprechend meinem fachlichen Hintergrund habe ich mich dem Thema Klimagerechtigkeit aus umwelthistorischer Perspektive angenähert. Die Sachlage bedurfte aber eines interdisziplinären Zugangs, der weit über die Grenzen der Geschichtswissenschaft hinausgeht. Der Text ist als Anregung zur weiteren Beschäftigung mit den Themen gedacht, als Beitrag zu einer Debatte, die geführt werden sollte, und nicht als letztgültiger Abschluss einer solchen. In sieben Schritten werden die folgenden Überlegungen zur Klimagerechtigkeit führen und dabei in unterschiedlicher Detailtiefe Phänomene, die unsere Zukunft gefährden, wie etwa Korruption, Umweltkriminalität und strukturelle Ungleichheit, berühren. Klimagerechtigkeit (die noch zu definieren ist) ist als Ziel 13 in die Nachhaltigkeitsagenda 2030 (SDGs, Sustainable Development Goals) einbezogen und für den Erfolg der in der Agenda 2030 vorgedachten Transformation unabdingbar. Ziel 16, das mit Frieden, Gerechtigkeit und starken Institutionen ebenso zentral ist, wird öffentlich weniger thematisiert. Doch Rechtsstaat, demokratische Teilhabe und freie und unabhängige Medien sind Voraussetzung für das Erreichen aller Nachhaltigkeitsziele ebenso wie der Klimagerechtigkeit.
Alles wissenschaftliche Wissen ist situiert, es ist in einem spezifischen zeitlichen und persönlichen Zusammenhang entstanden und durch Auseinandersetzung mit dem, was der jeweiligen Autorin verfügbar war, geschärft. Ich erlaube mir daher zu Beginn, einige Bemerkungen zu meiner Person zur Verfügung zu stellen, die Leserinnen und Lesern eine Einschätzung meiner Situiertheit, meiner »Brille«, professionellen Deformationen, Filter, oder wie auch immer die Tatsache, dass kein Subjekt, das schreibt, objektiv sein kann, genannt wird, ermöglicht.
Wien ist das Zentrum meines Lebens, immer, wenn ich eine Zeit lang nicht in Wien war, bin ich gerne zurückgekommen. Als Ingenieurin für Technische Chemie durfte ich einige Jahre lang an der Technischen Universität Wien in der großartigen Umweltanalytik-Gruppe von Hans Puxbaum an der Erforschung von saurem Regen und Waldsterben mitarbeiten. Zunächst nebenbei und später hauptsächlich studierte ich ab 1986 Geschichte und Publizistik. Nach Diplom und Dissertation in Geschichte beim Mediävisten Karl Brunner wurde ich auf Basis eines Hertha-Firnberg-Projekts des FWF unter der Ägide des biologischen Anthropologen Horst Seidler an der Universität Wien für das Fach Humanökologie habilitiert. Meine Tätigkeit am Institut für Soziale Ökologie der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der Universität Klagenfurt seit 1992 hat mich geprägt. Persönlichkeiten wie Marina Fischer-Kowalski und Roland Fischer waren für meinen interdisziplinären Zugang wichtig. Ebenso prägend für mich waren die Jahre als Dekanin dieser Einrichtung, die 2018 stark verkleinert und auf mehrere Universitäten aufgeteilt wurde. Als wirkliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften leite ich dort seit 2016 die Kommission für interdisziplinäre ökologische Studien. Ich bringe meine umwelthistorische Expertise als Vorsitzende des Rates der Sachverständigen für Umweltfragen der Stadt Wien in eine hoffentlich nachhaltige Zukunft meiner Heimatstadt ein. Als Mitglied von Scientists for Future Austria versuche ich, an der Schnittstelle von Wissenschaft und Öffentlichkeit dazu auch persönlich beizutragen. Dem Verein WILPF (Women’s International League for Peace and Freedom) gehöre ich aus pazifistischer Überzeugung an.
2022 bin ich knapp über 60 Jahre alt, habe dunkle Erinnerungen an den »Sechstagekrieg«, der bei meinen Eltern zu immer wieder aufflammender Sorge hinsichtlich