Der Weisse Dominikaner - Gustav Meyrink - E-Book

Der Weisse Dominikaner E-Book

Gustav Meyrink

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Beschreibung

In "Der Weiße Dominikaner" entführt Gustav Meyrink seine Leser in eine geheimnisvolle Welt, in der das Übernatürliche und Mystische unvermischt auf faszinierende Art und Weise mit der Realität verwoben werden. Der Roman spielt im mittelalterlichen Wien und thematisiert die Suche nach Identität, Wahrheit und Erlösung, während er mit seinem charakteristischen, symbolistischen Stil die tiefsten Abgründe der menschlichen Psyche beleuchtet. Meyrinks prägnante und poetische Sprache zieht den Leser in einen Strudel aus Mystik und philosophischen Überlegungen, der den historischen Kontext seiner Zeit kritisch reflektiert und dabei eine austarierte Balance zwischen Menschlichkeit und Mystik findet. Gustav Meyrink, ein österreichischer Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts, war stark von dem Okultismus und der Theosophie seiner Zeit beeinflusst. Seine eigenen Erfahrungen, einschließlich seines häufigen Aufenthalts in spirituellen und esoterischen Kreisen, prägten die Themen seiner Werke. "Der Weiße Dominikaner" zeigt nicht nur sein Interesse an mystischen Strömungen, sondern auch seine tiefe Vertrautheit mit der Kulturgeschichte Wiens, das er als Schauplatz für seine philosophischen Ergründungen wählt. Leser, die sich für die Verschmelzung von Mystik, Geschichte und Philosophie interessieren, werden in "Der Weiße Dominikaner" tiefgründige Einsichten und faszinierende Erzählstränge finden. Meyrinks meisterhafte Erzählweise schafft eine fesselnde Atmosphäre, die das Buch sowohl zu einem literarischen Genuss als auch zu einem bedeutenden Werk in der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts erhebt. Ein Muss für alle Liebhaber von tiefgründiger, symbolistischer Literatur. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine prägnante Einführung verortet die zeitlose Anziehungskraft und Themen des Werkes. - Die Synopsis skizziert die Haupthandlung und hebt wichtige Entwicklungen hervor, ohne entscheidende Wendungen zu verraten. - Ein ausführlicher historischer Kontext versetzt Sie in die Ereignisse und Einflüsse der Epoche, die das Schreiben geprägt haben. - Eine gründliche Analyse seziert Symbole, Motive und Charakterentwicklungen, um tiefere Bedeutungen offenzulegen. - Reflexionsfragen laden Sie dazu ein, sich persönlich mit den Botschaften des Werkes auseinanderzusetzen und sie mit dem modernen Leben in Verbindung zu bringen. - Sorgfältig ausgewählte unvergessliche Zitate heben Momente literarischer Brillanz hervor. - Interaktive Fußnoten erklären ungewöhnliche Referenzen, historische Anspielungen und veraltete Ausdrücke für eine mühelose, besser informierte Lektüre.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Gustav Meyrink

Der Weisse Dominikaner

Bereicherte Ausgabe. Ein düsteres Labyrinth aus Geheimnissen und Okkultismus
In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen
Bearbeitet und veröffentlicht von Good Press, 2023
EAN 8596547787969

Inhaltsverzeichnis

Einführung
Synopsis
Historischer Kontext
Der Weisse Dominikaner
Analyse
Reflexion
Unvergessliche Zitate
Notizen

Einführung

Inhaltsverzeichnis

Zwischen nüchterner Alltagswahrnehmung und schwindelerregender Innerwelt entfaltet Der Weisse Dominikaner die Spannung eines Menschen, der in Symbolen, Zufällen und leisen Erschütterungen die heimliche Architektur seines Schicksals erkennt und sich, tastend und doch unwiderruflich, auf einen Weg der Wandlung begibt, bei dem jede vertraute Grenze—zwischen Ich und Welt, Wachen und Traum, Wissen und Glauben—durchlässig wird, während eine kaum greifbare Gestalt oder Idee, der titelgebende weisse Dominikaner, weniger als Figur denn als Magnet der Bedeutung wirkt und den Blick des Lesers darauf lenkt, wie Erkenntnis als Erfahrung des Unwahrscheinlichen entsteht und als Bewegung der inneren Freiheit vernehmbar wird.

Der Roman gehört zur deutschsprachigen phantastischen Literatur mit stark esoterischer Färbung und lässt sich zugleich als initiatorischer Bildungsroman lesen. Sein Schaugefühl ist mitteleuropäisch: bürgerliche Interieurs, Straßen und Gärten einer Stadt, Räume der Abgeschlossenheit und der Übergänge, die in Visionen aufreißen. Entstanden und veröffentlicht wurde das Werk Anfang der 1920er Jahre, in einer Epoche, die nach dem Krieg Sinnhunger, Skepsis und geistige Experimente bündelte. In dieser Konstellation knüpft Meyrink an romantisch-symbolistische Traditionen an und treibt sie in eine Moderne, die Suggestion, Satire und metaphysische Erkundung miteinander verschaltet, ohne je vollständig in allegorischer Eindeutigkeit zu erstarren.

Am Anfang steht keine große Katastrophe, sondern ein kaum merklicher Riss im Gewohnten: ein Gefühl von Fremdheit im eigenen Leben, ein Bild, das sich einprägt, eine Begegnung, deren Sinn erst nachhallt. Aus dieser leisen Verstörung erwächst die Bewegung des Romans. Der Erzähler – von Sehnsucht nach Klarheit und von Skepsis zugleich getrieben – folgt Spuren, die zugleich zufällig und zwingend erscheinen. Orte verwandeln ihre Bedeutung, Alltagsgegenstände werden zu Zeichen, und eine Ordnung hinter der sichtbaren Ordnung tritt andeutungsweise hervor. So entsteht eine Reise ins Innere, die ohne große Gesten auskommt, aber stetig an Sog gewinnt.

Meyrinks Prosa verbindet scharf konturierte Beobachtung mit traumwandlerischer Bildkraft. Sätze ziehen feine Fäden zwischen Sinneseindruck, Assoziation und Gedankensprung; Szenen kippen, ohne Effekthascherei, in Visionen, die eher suggestiv als explikativ wirken. Der Ton bleibt abwechselnd ernst, spöttisch und meditativer Ruhe verpflichtet, als würde eine innere Stimme die Oberfläche des Erzählten permanent befragen. Dabei entwickelt der Roman eine Rhythmik aus Wiederkehr und Variation, die die Lektüre wie ein Labyrinth erfahrbar macht: man erkennt Muster, verliert sich, entdeckt plötzlich einen Durchgang. Dieser kontrollierte Schwebezustand ist keine Unschärfe, sondern das Mittel, Erkenntnis als tastende Bewegung zu zeigen.

Ein zentrales Thema ist die Frage nach Identität als Aufgabe, nicht als Besitz. Was als Ich erscheint, zerlegt sich in Rollen, Spiegelbilder und Erwartungen, hinter denen eine Möglichkeit von Freiheit aufscheint. Ebenso wichtig ist der Gegensatz von Schicksal und Entscheidung: Zeichen scheinen vorzugeben, doch erst das Lesen und Handeln verleiht ihnen Richtung. Der Roman befragt Autorität und Tradition, indem er Rituale, Lehrsätze und Symbole zeigt, ohne sie zu dogmatisieren. So entsteht ein Bild geistiger Schulung, das kein Programm liefert, sondern Erfahrung inszeniert. Wirklichkeit und Einbildung werden nicht verwechselt, sondern als wechselwirkende Kräfte einer umfassenderen Wahrnehmung sichtbar.

Heute wirkt das Buch wie ein Resonanzraum für Menschen, die zwischen rationaler Analyse und dem Wunsch nach Sinnvermittlung stehen. Es zeigt, wie Orientierung nicht im Vorrat an Informationen liegt, sondern im geschärften Blick für Zusammenhänge, die man nicht erzwingen kann. In Zeiten algorithmischer Aufmerksamkeiten und sanfter Dauerablenkung gewinnt die Idee einer inneren Disziplin an Gewicht, die weder asketische Verweigerung noch naive Esoterik ist. Meyrinks Darstellung innerer Prüfungen, des Umgangs mit Angst, Verlockung und Selbsttäuschung, spricht Erfahrungen an, die psychologisch plausibel bleiben, auch wenn ihre Symbolik aus älteren Traditionen schöpft und gerade dadurch eine produktive Fremdheit entfaltet.

Der Weisse Dominikaner ist damit weniger Rätselbuch als Übungsraum des Lesens: Er fordert Aufmerksamkeit, Geduld und die Bereitschaft, Mehrdeutigkeit nicht sofort zu schließen. Wer sich darauf einlässt, findet eine literarische Form, die existentielle Fragen nicht beschwichtigt, sondern präzise verschärft. Meyrink zeigt, wie die Arbeit am eigenen Blick die Welt verwandelt, ohne ihr zu entfliehen. Das macht den Roman aktuell: Er drängt nicht zu einer Botschaft, sondern kultiviert eine Haltung. Sie erlaubt, Unsicherheiten auszuhalten, Staunen zu bewahren und Wirklichkeit als ein Feld von Möglichkeiten zu erfahren, in dem Verantwortung und Freiheit untrennbar verbunden sind.

Synopsis

Inhaltsverzeichnis

Gustav Meyrinks Roman Der Weisse Dominikaner erschien 1921 und gehört zu seinen esoterisch geprägten Werken der fantastischen Literatur. Die Handlung setzt bei einem sensiblen jungen Mann ein, der in einer engen, konventionellen Welt aufwächst und früh an die Grenzen des Naheliegenden stößt. Verstörende Zufälle, Visionen und das Gefühl einer verborgenen Bestimmung verdichten sich zu einem inneren Auftrag. Als Leitmotiv taucht immer wieder die rätselhafte Gestalt eines in Weiß gekleideten Dominikaners auf, nicht als historische Figur, sondern als Zeichen einer möglichen geistigen Souveränität. Der Protagonist beginnt, Herkunft, Identität und die Gültigkeit gesellschaftlicher Bindungen zu hinterfragen.

Aus verstreuten Hinweisen und überlieferten Fragmenten gewinnt er die Ahnung, dass sein Leben in größere Zusammenhänge eingebettet ist, als er bisher vermutete. Der Verdacht fällt auf die eigene Familie, auf alte Verstrickungen und die Macht unsichtbarer Einflüsse. Begegnungen mit merkwürdigen Mentoren, Scharlatanen und stillen Helfern stellen vertraute Gewissheiten in Frage. Rationalistisches Denken und geheimnisvolle Lehren prallen aufeinander, ohne einander einfach aufzuheben. Aus dieser Spannung erwächst der Entschluss, das Vertraute zu verlassen und den Ursprung der rätselhaften Zeichen zu suchen. Die Suche wird weniger Reise im Raum als Bewegung nach innen, begleitet von Zufällen, die wie gezielte Prüfungen wirken.

In einer größeren Stadt, deren Alltagsgeräusch sich mit Traumlogik verschränkt, dringen Visionen in die Wahrnehmung ein und zerlegen die Oberfläche des Gewohnten. Räume kippen in Gleichnisse, Begegnungen nehmen den Charakter von Prüfungen an. Eine besondere Frauengestalt spiegelt dem Protagonisten sowohl Verlangen als auch das Versprechen eines tieferen Gleichklangs, wodurch die Frage nach Bindung und Verzicht neu gestellt wird. Symbole und Wiederholungen markieren Stationen eines inneren Lehrwegs. Zugleich schärft sich sein Blick für die Komik und Grausamkeit sozialer Masken. Erkenntnisse blitzen auf, verflüchtigen sich jedoch, sobald er sie festhalten will.

Ein erster entscheidender Wendepunkt entsteht, als der Protagonist in Kreise gerät, die mit Okkultismus, pseudowissenschaftlichen Systemen und politischer Scharlatanerie spielen. Hinter den Schauern und Sensationen erkennt er den Sog nach Macht und Zugehörigkeit. Die Erscheinung des weißen Dominikaners tritt nun in Schlüsselmomenten hervor, nicht als Befehl, sondern als stumme Maßgabe innerer Lauterkeit. In diesem Spannungsfeld lernt er, zwischen echter Schulung und geschickter Täuschung zu unterscheiden. Er wendet sich von äußerer Magie ab und richtet den Blick auf eine strenge, unspektakuläre Disziplin des Bewusstseins, die Einsamkeit und Ausdauer verlangt.

Die folgende Phase ist von Rückzug geprägt: Abseits der lärmenden Welt konzentriert sich der Protagonist auf Übungen der Sammlung, der Entsagung und der wachen Aufmerksamkeit. Ein Lehrer, der eher durch Paradoxien als durch Anweisungen wirkt, konfrontiert ihn mit den Mechanismen des Ichs. In der Zuspitzung einer inneren Krise durchlebt er Angst, Versuchung und die Verlockung, Abkürzungen zu suchen. Erst das Durchstehen von Ohnmachtserfahrungen öffnet den Blick auf Mitgefühl und eine Haltung zweckfreier Tat. In kurzen Durchbrüchen ahnt er ein Gesetz, das jenseits persönlicher Berechnung wirkt und Freiheit erst möglich macht.

Der zweite große Wendepunkt geschieht in der Rückkehr in die Welt, wo sich das Erarbeitete bewähren muss. Alte Bindungen melden sich, Gestalten aus der Vergangenheit verdichten sich zu einer Gegenmacht, die den mechanischen Willen, das kalte Kalkül und die Gewalt des Scheins verkörpert. In einer sinnbildlichen Prüfung, die Züge eines gerichtlichen oder rituellen Schauplatzes trägt, ist der Protagonist gezwungen, ohne Hass zu handeln und auf die innere Maßgabe zu vertrauen. Entscheidungen fallen, deren Tragweite über sein persönliches Schicksal hinausreicht. Die konkreten Folgen bleiben zurückhaltend angedeutet und werden nicht in allerletzter Konsequenz aufgelöst.

Der Roman bündelt Groteske, Satire und Gleichnis zu einer Initiationsgeschichte, die weniger Rätsel auflöst als Bewusstsein schärft. Leitend sind die Fragen nach Selbstkenntnis, Überwindung blinder Determination und der Unterscheidung zwischen echter Erkenntnis und imitierter Esoterik. Der weiße Dominikaner erweist sich als Symbol eines souveränen, von Institutionen unabhängigen Gewissens. Vor dem Hintergrund der Krisenerfahrung der frühen 1920er Jahre wirkt das Werk als Gegenentwurf zu modischen Heilslehren: Erlösung wird als innere Arbeit verstanden. Die nachhaltige Wirkung liegt in der Einladung, Schwellen zu erkennen und sie aufmerksam zu überschreiten, ohne das Geheimnis zu verraten.

Historischer Kontext

Inhaltsverzeichnis

Der weiße Dominikaner erschien 1921 im deutschsprachigen Raum, in einer Umbruchszeit zwischen dem Ende der Habsburgermonarchie und der frühen Weimarer Republik. Der Autor Gustav Meyrink (1868–1932) hatte lange in Prag gelebt und arbeitete als deutschsprachiger Schriftsteller in einem mitteleuropäischen Kulturraum, der von Mehrsprachigkeit und starker katholischer Prägung gekennzeichnet war. Prägende Institutionen der Epoche waren die kaiserlich-königliche Verwaltung der Donaumonarchie (bis 1918), die Universitäten in Prag, Wien und München, die römisch-katholische Kirche mit ihren Orden, sowie Vereine und Zirkel der esoterischen Bewegung, darunter die Theosophische Gesellschaft und Freimaurerlogen, die in den Großstädten an Einfluss gewannen.

Um 1900 erlebte Europa eine weitreichende okkulte und spirituelle Erneuerungswelle. Die 1875 gegründete Theosophische Gesellschaft gewann im deutschen Sprachraum seit 1902, als Rudolf Steiner die Leitung der deutschen Sektion übernahm, zahlreiche Mitglieder; 1913 spaltete er sich ab und begründete die Anthroposophie. Parallel belebten sich Rosenkreuzer-Traditionen, Alchemie-Studien und Yoga-Interessen in städtischen Milieus. Diese Strömungen verbanden sich mit Symbolismus und Décadence der Kunst, die Metaphern des Erwachens, der Initiation und des „inneren Sehens“ bevorzugten. Meyrinks Roman greift solche Motive nachweislich auf und ordnet sie in eine Erzählform ein, die nicht realistisches Abbild, sondern geistige Wandlung und erkenntniskritische Stationen ins Zentrum stellt.

Der Erste Weltkrieg (1914–1918) zerstörte politische Ordnungen und beschleunigte die Auflösung der Donaumonarchie; 1918 entstand die Tschechoslowakei, während Österreich und Ungarn eigenständige Staaten wurden. Millionen Toter, Heimkehrer mit Traumata und die wirtschaftliche Destabilisierung prägten die frühen Nachkriegsjahre. Im Deutschen Reich entstand 1919 die Weimarer Republik; im Verlauf der frühen 1920er Jahre führten Reparationen, Arbeitslosigkeit und Währungsverfall zu Unruhe. In dieser Atmosphäre der Sinnsuche und Umorientierung erschien 1921 Meyrinks Roman. Seine Konzentration auf Läuterung, Prüfung und Umkehr steht im Kontext einer breiteren, zeitgenössischen Hinwendung zu alternativen Weltbildern, die Antworten jenseits der kompromittierten Ideologien von Militarismus und Nationalstaatlichkeit suchten.

Prag war um 1900 ein Zentrum deutschsprachiger Literatur in Böhmen, geprägt vom Nebeneinander deutscher, tschechischer und jüdischer Kulturen. In diesem Milieu arbeitete Meyrink, dessen Roman Der Golem (1915) das Prager Ghetto literarisch verarbeitete und ihm breite Bekanntheit brachte. Auch spätere Werke verbinden urbane Topografie, Volksglauben und jüdisch-christliche Mystik zu phantastischen Szenarien. Der weiße Dominikaner knüpft an diese mitteleuropäische Erfahrungswelt an, ohne sich an einen exakt kartierten Schauplatz zu binden. Die Erzählung nutzt stattdessen allegorische Räume, Kloster- und Gebirgsbilder sowie Visionen, die an religiöse und alchemische Symbolik anschließen, um mentale und gesellschaftliche „Grenzgänge“ der Zeit erfahrbar zu machen.

Der weiße Dominikaner wurde 1921 in Buchform publiziert, nachdem Meyrink mit Der Golem (1915), Das grüne Gesicht (1916) und Walpurgisnacht (1917) bereits massenhaft Leser erreicht hatte. Die deutschsprachige Literaturbewegung der 1910er und frühen 1920er Jahre war von Expressionismus, Symbolismus und einer Öffnung zur phantastischen Moderne geprägt. Verlage und Zeitschriften der Zentren Leipzig, München, Berlin und Wien verbreiteten experimentelle Prosa, während die Zensur nach 1918 spürbar gelockert war. In diesem Umfeld fand Meyrinks Mischung aus Groteske, Satire und esoterischer Allegorie Resonanz bei einem Publikum, das gleichermaßen unterhalten und weltanschaulich herausgefordert werden wollte.

Zeitgleich veränderten neue Wissensordnungen das intellektuelle Klima. Sigmund Freuds Die Traumdeutung (1900) und nachfolgende psychoanalytische Schriften etablierten Träume, Fehlleistungen und das Unbewusste als ernstzunehmende Gegenstände. C. G. Jung distanzierte sich 1913 von Freud und entwickelte Konzepte wie Archetypen und Individuation, die in der Kulturdebatte der 1920er Jahre breite Rezeption fanden. Parallel diskutierten Gelehrte und Laien Phänomene des Spiritismus und der „psychischen Forschung“, was Grenzgänge zwischen Wissenschaft und Esoterik begünstigte. Meyrinks Roman spiegelt dieses Klima, indem Vision, Symbol und innere Stimme als Erkenntniswege erscheinen, ohne sich in zeitgenössische Fachterminologien zu verflüchtigen.

Religiöse Institutionen spielten in Mittel- und Süddeutschland sowie in Österreich weiterhin eine sichtbare Rolle. Der Dominikanerorden, seit dem 13. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum präsent, war als Prediger- und Lehrorden eng mit scholastischer Tradition verbunden. Unter Papst Pius X. verschärfte die katholische Kirche 1907–1910 den Kurs gegen den Modernismus; seit 1910 war ein Antimodernisteneid für Kleriker vorgeschrieben. Diese Auseinandersetzungen prägten das intellektuelle Milieu, in dem Forderungen nach kirchlicher Autorität mit individuellen Suchbewegungen kollidierten. Bereits der Romantitel ruft diese historische Institution als kulturelles Signum auf und kontrastiert sie mit Initiationserzählungen, die auf persönliche Erkenntnis und innere Wandlung zielen.

Vor diesem Hintergrund lässt sich Der weiße Dominikaner als literarische Reaktion auf eine Epoche der Krisenerfahrung, Neuordnung und Sinnsuche lesen. Der Roman bündelt esoterische Renaissance, religiöse Debatten und psychologische Fragestellungen in einer Form, die die Grenzen zwischen Realitätserfahrung und innerer Schau bewusst verwischt. Ohne tagespolitische Agenda ergreift das Buch Partei für die Möglichkeit individueller Wandlung als Antwort auf kollektive Erschütterungen. Damit kommentiert es das frühe Zwischenkriegsdeutschland und das nachkaiserliche Mitteleuropa: eine Kultur, die zwischen institutioneller Autorität und experimenteller Spiritualität oszillierte und in der Literatur ein Labor neuer Deutungsmuster fand und nachhaltige Wirkung auf die Fantastik entfaltete.

Der Weisse Dominikaner

Hauptinhaltsverzeichnis
Einleitung
Kapitel 1. Christopher Taubenschlags erste Kundgebung
Kapitel 2. Die Familie Mutschelknaus
Kapitel 3. Die Wanderung
Kapitel 4. Ophelia
Kapitel 5. Das Gespräch um Mitternacht
Kapitel 6. Ophelia
Kapitel 7. Das mennigrote Buch
Kapitel 8. Ophelia
Kapitel 9. Einsamkeit
Kapitel 10. Die Bank im Garten
Kapitel 11. Das Medusenhaupt
Kapitel 12. Jener muß wachsen, ich aber schwinden
Kapitel 13. Gegrüßt seist Du, Königin der Barmherzigkeit
Kapitel 14. Die Auferstehung des Schwertes
Kapitel 15. Das Nessoshemd

Einleitung

Inhaltsverzeichnis

"Herr X oder Herr Y hat einen Roman geschrieben"—was heißt das?

Nun, sehr einfach: "Er hat mit Hilfe seiner Phantasie Personen geschildert, die in Wirklichkeit nicht existieren, hat ihnen Erlebnisse angedichtet und sie miteinander verwoben."—So ungefähr lautet, weitläufig gefaßt, das allgemeine Urteil.

Was Phantasie ist, glaubt jedermann zu wissen, daß es aber höchst merkwürdige Kategorien der Einbildungskraft gibt, ahnen nur sehr wenige.

Was soll man sagen, wenn zum Beispiel die Hand, dieses scheinbar so willfährige Werkzeug des Gehirns, sich plötzlich weigert, den Namen des Heldens der Geschichte niederzuschreiben, den man sich ausgedacht hat, und statt seiner hartnäckig einen andern wählt? Muß man da nicht unwillkürlich stutzig werden und sich fragen: "Schaffe" ich tatsächlich oder—ist meine Einbildungskraft am Ende nur eine Art magischer Empfangsapparat? Etwa das, was auf dem Gebiete der drahtlosen Telegraphie eine Antenne genannt wird?

Es hat Fälle gegeben, daß Menschen nachts im Schlaf aufstanden und schriftliche Arbeiten, die sie abends, übermüdet von den Anstrengungen des Tages, unfertig hatten liegen lassen, vollendeten und Aufgaben besser lösten, als sie es im Wachsein vermutlich imstande gewesen wären.

Dergleichen liebt man mit den Worten zu erklären: "Das für gewöhnlich schlummernde Unterbewußtsein ist zu Hilfe gekommen."

Geschieht so etwas in Lourdes, so heißt es: "Die Mutter Gottes hat geholfen."

Wer weiß, vielleicht sind Unterbewußtsein und die Mutter Gottes ein und dasselbe.

Nicht, als ob die Mutter Gottes nur das Unterbewußtsein wäre, nein, das Unterbewußtsein ist die "Mutter"—"Gottes".

In dem vorliegenden Roman spielt ein gewisser Christopher Taubenschlag die Rolle eines lebenden Menschen.

Ob er jemals gelebt hat, gelang mir nicht ausfindig zu machen; meiner Phantasie ist er sicherlich nicht entsprungen, das glaube ich fest; ich sage das rund heraus, auf die Gefahr hin, daß man mich für jemand halten wird, der sich interessant machen will. Genau zu schildern, auf welche Weise das Buch zustande kam, liegt hier kein Anlaß vor; es genügt, daß ich nur in Streiflichtern knapp skizziere, was sich begeben hat.

Man möge entschuldigen, daß dabei in einigen Sätzen von mir selbst die Rede ist, ein Übelstand, der sich leider nicht vermeiden läßt.

Ich hatte den Roman in allen Umrissen fertig im Kopfe und begann ihn niederzuschreiben, da bemerkte ich—später erst, beim Durchlesen der Niederschrift!—, daß sich der Name "Taubenschlag", ohne daß es mir sogleich bewußt geworden wäre, eingeschlichen hatte.

Doch nicht genug damit: Sätze, die ich mir vorgenommen hatte, zu Papier zu bringen, änderten sich unter der Feder und drückten etwas ganz anderes aus, als ich sagen wollte; es entspann sich ein Kampf zwischen mir und dem unsichtbaren "Christopher Taubenschlag", in dem dieser schließlich die Oberhand behielt.

Ich hatte geplant, eine kleine Stadt zu schildern, die in meinem Gedächtnis lebt: es wurde ein völlig anderes Bild daraus, ein Bild, das heute schärfer vor mir steht als jenes wirklich erlebte.

Es blieb mir schließlich nichts anderes übrig, als dem Einfluß, der sich Christopher Taubenschlag nennt, seinen Willen zu lassen, ihm, sozusagen, meine Hand zur Niederschrift zu leihen und alles aus dem Buche zu streichen, was meinen eigenen Einfällen entstammte.

Setzen wir den Fall: Jener Christopher Taubenschlag sei ein unsichtbares Wesen, das auf rätselhafte Weise imstande ist, einen Menschen bei klarem Bewußtsein zu beeindrucken und nach seinem Willen zu lenken, so stellt sich die Frage ein: warum hat er mich denn benutzt, um seine Lebensgeschichte zu schildern? Aus Eitelkeit?—Oder damit ein "Roman" zustande kommt?

Möge jeder sich selbst die Antwort geben.

Meine eigene Aussicht will ich für mich behalten.

Vielleicht steht mein Fall bald nicht mehr vereinzelt da; vielleicht ergreift jener "Christopher Taubenschlag" morgen die Hand eines andern.

Was heute ungewöhnlich erscheint, kann morgen alltäglich sein! Vielleicht ist die alte und doch ewig neue Erkenntnis auf dem Wege:

"Jedwede Tat, die hier geschieht, Geschieht nach dem Naturgesetz; Ich bin der Täter dieser Tat— Ist selbstgefälliges Geschwätz."

Und die Figur des Christopher Taubenschlag ist nur ihr Vorbote, ist ein Symbol, ist die als Persönlichkeit sich gebärdende Maske einer gestaltlosen Kraft?

Für die Siebengescheiten, die da so überaus stolz sind auf ihr "Hausherrentum", mag freilich der Gedanke widerwärtig sein, daß der Mensch nur eine Marionette ist.

Als ich von ähnlichen Empfindungen erfaßt, eines Tages mitten im Schreiben war, kam mir plötzlich der Gedanke: Ist dieser Christopher Taubenschlag vielleicht nur so etwas wie ein von mir abgespaltenes Ich? Eine vorübergehende, zu selbständigem Leben erwachte, in mir unbewußt gezeugte und geborene Phantasiegestalt, wie es bei Leuten vorkommen soll, die zeitweilig Erscheinungen zu sehen glauben und sich mit ihnen sogar unterhalten?

Als hätte jener Unsichtbare in meinem Gehirn gelesen, unterbrach er sofort den Lauf der Erzählung und streute, meine schreibende Hand benützend, wie in Parenthese die sonderbare Antwort ein:

"Sind Sie"—(es klang wie Spott, daß er mich 'Sie' und nicht 'Du' nannte)—"Sind Sie, wie alle Menschen, die sich gleich Ihnen einbilden, Einzelwesen zu sein, vielleicht etwas anderes als eine 'Ichspaltung'?—Abspaltung jenes großen Ichs, das man Gott nennt?"

Ich habe seitdem oft und viel über den Sinn dieses merkwürdigen Satzes nachgedacht, denn ich hoffte in ihm den Schlüssel zu dem Rätsel, das Christopher Taubenschlags Daseinsbedingungen für mich umgibt, zu finden. Einmal glaubte ich bei meinen Grübeleien bereits ein gewisses Licht entdeckt zu haben, da verwirrte mich ein ähnlicher "Zuruf":

"Jeder Mensch ist ein Taubenschlag, aber nicht jeder ist ein Christopher. Die meisten Christen bilden es sich nur ein. Bei einem echten Christen fliegen die weißen Tauben aus und ein."

Von da an gab ich die Hoffnung auf, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, und verwarf gleichzeitig jede Spekulation, ich könnte am Ende—die antike Theorie, der Mensch verkörpere sich mehrmals auf Erden, vorausgesetzt —einst jener Christopher Taubenschlag in einem früheren Leben gewesen sein!

Am liebsten wäre mir, ich dürfte glauben: jenes Etwas, das mir die Hand führte, ist eine ewige, freie, in sich selbst ruhende und von jeglicher Gestaltung und Form erlöste Kraft; aber, wenn ich des Morgens nach traumlosem Schlafe erwache, sehe ich zuweilen zwischen Augapfel und Lid das Bild eines alten, weißhaarigen, bartlosen Mannes, hochgewachsen und jugendlich schlank, wie eine Erinnerung der Nacht vor mir, und der Eindruck erfüllt mich für den Tag mit dem nicht loszuwerdenden Gefühl: das muß Christopher Taubenschlag sein.

Oft hat sich mir dabei der merkwürdige Gedanke zugesellt: Er lebt jenseits von Zeit und Raum und tritt das Erbe eines Lebens an, wenn der Tod nach dir die Hand ausstreckt. Doch wozu solche Erwägungen, die Fremde nichts angehen!

Ich bringe nunmehr die Kundgebungen Christopher Taubenschlags, so wie sie erfolgten, in der oft abgerissenen Form, ohne etwas hinzuzufügen oder wegzulassen.

Kapitel 1. Christopher Taubenschlags erste Kundgebung

Inhaltsverzeichnis

Solange ich denken kann, behaupten die Leute in der Stadt, ich hieße Taubenschlag[1q].

Wenn ich als kleiner Junge mit einer langen Stange, an deren Spitze ein Docht brannte, in der Abenddämmerung von Haus zu Haus trabte und die Laternen anzündete, marschierten die Kinder der Gasse vor mir her, klatschten im Takt in die Hände und sangen: Taubenschlag, Taubenschlag, Taubenschlag, Trarara Taubenschlag.

Ich ärgerte mich nicht darüber, wenn ich auch selbst nie mitsang.

Später griffen die Erwachsenen den Namen auf und redeten mich mit ihm an, wenn sie etwas von mir wollten.

Anders steht es mit dem Namen Christopher. Er hing mir, auf einem Zettel geschrieben, am Halse, als man mich als Säugling, nackt, eines Morgens vor der Türe der Marienkirche liegen fand.

Den Zettel wird wohl meine Mutter geschrieben haben, als sie mich damals ausgesetzt.

Es ist das einzige, was sie mir mitgegeben hat. Darum habe ich von je den Namen Christopher als etwas Heiliges empfunden. Er hat sich mir in den Körper eingeprägt, und ich habe ihn wie einen Taufschein—ausgestellt im Reiche des Ewigen—, wie ein Dokument, das niemand rauben kann, durchs Leben getragen. Beständig wuchs und wuchs er wie ein Keim aus der Finsternis empor, bis er als der wieder erschien, der er von Anbeginn an gewesen, sich mit mir verschmolz und mich geleitete in die Welt der Unverweslichkeit. So, wie da geschrieben steht: es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich.