Der wunde Punkt - Wayne W. Dyer - E-Book

Der wunde Punkt E-Book

Wayne W. Dyer

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Beschreibung

«Ich bin zu dick. Keiner liebt mich. Ich bin ein Versager.» Jeder Tag im Leben wird zur Qual, wenn man so wenig von sich hält. Hier liegt unser eigentlicher «wunder Punkt». Wir haben nur unzureichend gelernt, selbst für uns die Verantwortung zu übernehmen. Allzu leicht lassen wir unsere Umgebung bestimmen, was für uns gut und richtig ist, übernehmen Normen und Verhaltensweisen, an denen wir uns ängstlich ausrichten. Und hier setzt auch die «Therapie» von Dr. Dyer ein. In seinen zwölf «Beratungsstunden» erfahren wir viel über uns selbst. Er nimmt uns schrittweise und behutsam unsere Angst, uns auf uns selbst einzulassen, uns mit unseren Schwächen und Stärken zu akzeptieren. Wir begreifen am Ende seiner Behandlung, wie befreiend es für uns – und unsere Mitmenschen – sein kann, wenn wir selbst gelassen die Verantwortung für unsere individuelle Person übernehmen können.

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Wayne W. Dyer

Der wunde Punkt

Die Kunst, nicht unglücklich zu sein Zwölf Schritte zur Überwindung unserer seelischen Problemzonen

Deutsch von Lieselotte Mietzner

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

«Ich bin zu dick. Keiner liebt mich. Ich bin ein Versager.» Jeder Tag im Leben wird zur Qual, wenn man so wenig von sich hält.

Hier liegt unser eigentlicher «wunder Punkt». Wir haben nur unzureichend gelernt, selbst für uns die Verantwortung zu übernehmen. Allzu leicht lassen wir unsere Umgebung bestimmen, was für uns gut und richtig ist, übernehmen Normen und Verhaltensweisen, an denen wir uns ängstlich ausrichten.

Und hier setzt auch die «Therapie» von Dr. Dyer ein. In seinen zwölf «Beratungsstunden» erfahren wir viel über uns selbst. Er nimmt uns schrittweise und behutsam unsere Angst, uns auf uns selbst einzulassen, uns mit unseren Schwächen und Stärken zu akzeptieren. Wir begreifen am Ende seiner Behandlung, wie befreiend es für uns – und unsere Mitmenschen – sein kann, wenn wir selbst gelassen die Verantwortung für unsere individuelle Person übernehmen können.

Über Wayne W. Dyer

Wayne W. Dyer, geboren am 10. Mai 1940 in Detroit (Michigan). Psychotherapeut, Autor und Redner zu Fragen der Selbstfindung und Selbstverwirklichung.

Dyer veröffentlichte über 30 Bücher, im deutschsprachigen Raum ist er vor allem durch den Klassiker der Lebenshilfe-Literatur «Der wunde Punkt» bekannt geworden.

Inhaltsübersicht

WidmungMottoEine persönliche VorbemerkungI. In eigener VerantwortungIhr Intelligenzquotient und das GlückEntscheiden Sie selbst, wie Sie sich fühlen wollenDie Kunst, nicht unglücklich zu seinSie brauchen Ihr Glück nicht zu suchen, entscheiden Sie sich einfach dafürFlucht in die KrankheitInnere Lähmungen – wie man sie vermeidetLeben Sie im Jetzt und Hier!Seelisches Wachstum bedeutet LebenII. Die erste LiebeWas Liebe auch bedeuten kannDie ersten Schritte in Richtung SelbstbejahungLernen Sie, Ihren Körper zu liebenPositivere SelbstbilderSich selbst bejahen bedeutet, auf Klagen zu verzichtenSelbstliebe kennt keinen HochmutSelbsterniedrigung und was sie Ihnen antutSelbstliebe ist erlernbarIII. Ob die anderen Sie gut finden, ist nicht entscheidendWie das Bedürfnis nach Bestätigung entstehtEin Erziehungsprodukt: der Drang nach BestätigungBestätigungssignale im Bereich der SchuleBestätigungssignale aus anderen InstitutionenDas Bestätigungsstreben Schritt für Schritt die Treppe hinunterlockenVerhaltensweisen, die Bestätigung förmlich heraufbeschwörenWas Ihnen die Jagd nach Bestätigung einbringtWas die ständige Suche nach Bestätigung so paradox machtVerhaltensstrategien, um das Bestätigungsbedürfnis zu beseitigenIV. Vergangenes auf sich beruhen lassenDie Ursprünge der «Ich bin …»-LitaneiNeun typische «Ich bin …»-Formeln und ihr neurotischer GewinnDer «Ich bin …»-KreislaufWie man sich von der Vergangenheit und leidigen Etiketten befreitEinige SchlussgedankenV. Schuldgefühle und Sorgen: Emotionen, die nichts bringenSchuldgefühle aus der Nähe betrachtetDie Ursachen der SchuldgefühleKlassische Bereiche und Reaktionen, wo Schuldgefühle auftretenMit Liebes- und Ehepartnern verbundene SchuldgefühleWie Kinder Schuldgefühle auslösen könnenDie Schule erzeugt SchuldgefühleSchuldgefühle, die von der Kirche ausgehenDurch Institutionen erzeugte SchuldgefühleSchuldgefühle wegen Ihres SexualverhaltensDie psychischen Entschädigungen für die Wahl von SchuldgefühlenWie man seine Schuldgefühle loswerden kannSorgen ändern nichtsDer «Sorgenerhebungsbogen»Der seelische «Gewinn» bei der Wahl von SorgenWie man seine Sorgen loswerden kannVI. Die Lust am UnbekanntenSich für neue Erfahrungen öffnenStarrheit contra SpontaneitätDie «Handle stets nach Plan»-FalleSicherheit ist eine Legende!Sie können nicht «versagen»Der Drang nach PerfektionismusDie Angst vor dem UnbekanntenDas seelische Korsett, mit dem Sie sich vor dem Unbekannten schützenWie man das Geheimnisvolle und Unbekannte beim Schopf packtSie brauchen wirklich keine Angst vor dem Unbekannten zu habenVII. Schluss mit den KonventionenDie Abhängigkeit von äußeren NormenBeschuldigungen und HeldenverehrungDie «Richtig contra Falsch»-FalleDie Ursachen der Unentschlossenheit«Ich sollte …», «Ich müsste …» und «Eigentlich …»Sie brauchen keinen KniggeBlinde Befolgung von Regeln und GesetzenSetzen Sie sich gegen sinnlose Konventionen zur WehrTypische ZwangsritualeEin Blick auf die gebräuchlichen Gewinne der MusterbationEin paar Strategien zur Beseitigung Ihrer SollsBauen Sie auf sich selbst und nicht auf Ihre SollsVIII. Die GerechtigkeitsfalleDer falsche Sinn für GerechtigkeitEifersucht: die Gelbsucht der SeeleStereotype Forderungen nach GerechtigkeitGerechtigkeit und SelbsttäuschungWie man der Gerechtigkeitsfalle entgehtIX. Das ewige Auf-die-lange-Bank-SchiebenHoffen, Wünschen und «Vielleicht»Untätigkeit als LebensprinzipDie Funktion des AufschiebensLangeweile – eine Folge des AufschiebensDinge, die man meistens vor sich herschiebtGründe, auch weiterhin aufzuschiebenHandeln, anstatt nur zu klagenX. Demonstrieren Sie Ihre Unabhängigkeit!Abhängigkeiten in Kindererziehung und FamilieAbhängigkeit und Unabhängigkeit innerhalb von FamilienAbhängigkeiten in der EheEine typische EheDie anderen behandeln Sie so, wie sie es von Ihnen gelernt habenVerhaltensweisen, die Abhängigkeiten unterstützenDer seelische «Abhängigkeitsgewinn»Machen Sie Schluss mit den AbhängigkeitenXI. Der Ärger hört auf – für immerHumor ist der Sonnenschein der SeeleDer Ärger «am Werk»Ärger hat viele GesichterWie Sie sich für Ihren eigenen Ärger belohnenEin paar Vorschläge, wie man den Ärger aus der Welt schaffen kannXII. So lebt man nach der Abkehr von seinen seelischen Problemzonen

Für Tracy Lynn Dyer

 

Ich liebe dich auf die besondere Art, von der ich in diesem Buch geschrieben habe

Die ganze Theorie des Universums ist unfehlbar auf einen einzigen Menschen ausgerichtet – nämlich auf dich.

Walt Whitman

Eine persönliche Vorbemerkung

Der Mann am Rednerpult vor einer Gruppe von Trinkern war entschlossen, seiner Zuhörerschaft ein für alle Mal schlagend zu beweisen, dass der Alkohol das schlimmste aller Übel sei. Er hatte zwei Glasgefäße vor sich aufgebaut, die scheinbar beide die gleiche durchsichtige Flüssigkeit enthielten. In dem einen Glas sei klares Wasser, verkündete der Redner jedoch, im anderen reiner Alkohol. Darauf tauchte er einen kleinen Wurm in das erste Glas. Alle sahen zu, wie der Wurm alsbald zum Rand hinschwamm und seelenruhig daran hochkroch. Nun setzte der Mann den Wurm in das Gefäß mit Alkohol. Vor aller Augen zerfiel das Tier. «Also!», sprach der Mann. «Was sehen wir daraus?» Von der Rückwand des Raumes her sagte eine Stimme ganz deutlich: «Völlig klar – trink Alkohol, und du kriegst bestimmt keine Würmer!»

In diesem Buch hier sitzt an allen möglichen Stellen «der Wurm drin» – das soll heißen, dass Sie nur das hören und aufnehmen werden, was Sie entsprechend Ihren jeweiligen Wert- und Vorurteilen, Ihren Überzeugungen und Ihrer persönlichen Vorgeschichte hören wollen. Über selbstschädigende, also die eigenen Absichten und Wünsche durchkreuzende Verhaltensweisen schreibt es sich nicht ganz problemlos, genauso wenig wie über die Mittel und Wege, solches Verhalten zu überwinden. Wenn Sie vielleicht auch beteuern, Ihnen wäre wohl an einer gründlichen Erforschung Ihrer selbst im Hinblick auf mögliches Sichändern gelegen, so spricht doch Ihr Verhalten oftmals eine andere Sprache. Nur wenn Sie eine Ausnahme bilden von der großen Mehrheit der Menschen, werden Sie nicht zutiefst vor der harten Anstrengung zurückscheuen, die Gedanken in sich auszumerzen, auf denen Ihre Gefühle und Verhaltensweisen der Selbstaufgabe aufbauen.

Zwar bin ich nicht dafür, Fragen der geistigen und seelischen Gesundheit in leichtem Ton zu behandeln, doch sehe ich andererseits auch keinen Grund, warum daraus ein tristes, humorloses Geschäft, das sich hinter einem geheimnistuerischen Fachjargon versteckt, werden sollte. Ich habe mich vor allem deswegen bemüht, besonders ausgeklügelte Erklärungen zu vermeiden, weil mir das «Glücklichsein» durchaus nicht als komplexes Problem erscheinen will.

Gesundsein ist ein natürlicher Zustand; die Mittel, ihn zu erreichen, liegen in Reichweite eines jeden von uns. Die Grundvoraussetzungen eines erfüllten Lebens stecken meiner Ansicht nach in einer wohldosierten Mischung aus harter Arbeit, klarem Denken, Humor und Selbstvertrauen. Wenig sinnvoll erscheinen mir dagegen Patentrezepte oder gar historische Streifzüge zurück in Ihre Vergangenheit, um aufzudecken, dass Sie «eine unnachsichtige Sauberkeitserziehung durchgemacht» haben und dass demnach andere für Ihr Unglücklichsein verantwortlich sind.

Dieses Buch will einen vergnüglichen Weg zum Glücklichsein aufzeigen, einen Weg, der auf der Verantwortlichkeit und Verpflichtung sich selbst gegenüber beruht, auf der Lebenslust und dem Bedürfnis, alles das zu sein, wofür man sich im jeweiligen Augenblick entschieden hat. Das ist der unkomplizierte Weg des gesunden Menschenverstandes. Wenn Sie ein gesunder, glücklicher Mensch sind, schießt Ihnen vielleicht jetzt der Gedanke durch den Kopf: «Ich hätte das Buch genauso schreiben können!» Da haben Sie recht. Die Grundzüge eines erfüllten Lebens versteht man auch ohne beruflichen Hintergrund als Therapeut und ohne den Doktortitel in einer der Sozialwissenschaften. In der Schule oder aus Büchern lernt man darüber nichts, wohl aber, wenn man sich das eigene Wohlergehen zu Herzen nimmt und auch etwas dafür tut. An dieser Aufgabe arbeite ich jeden Tag, während ich zugleich anderen Menschen helfe, die gleiche Entscheidung zu treffen.

Jedes Kapitel dieses Buches ist wie eine Beratungsstunde aufgebaut, um so viel Gelegenheit zur Selbsthilfe wie nur möglich zu bieten. Dabei wird jeweils eine seelische Problemzone oder eine spezifische Art selbstzerstörerischen Verhaltens erforscht sowie auf ihre historischen Ursprünge innerhalb unserer Kultur – und damit auch in Ihrer Psyche – abgeklopft. Der Hauptakzent liegt darauf, Ihnen zum Verständnis der Gründe zu verhelfen, die Sie in der selbstschädigenden Zone festhalten. Danach werden die Verhaltensweisen, die in die betreffende seelische Problemzone fallen, im Einzelnen aufgeschlüsselt. Bei den Verhaltenstypen, über die wir hier sprechen, geht es um oberflächlich gesehen durchaus annehmbares Alltagsagieren, das in Wirklichkeit das eigene Wohlbefinden jedoch stark beeinträchtigt. Klinische Fälle, also Persönlichkeiten mit schweren psychischen Störungen, werden wir hier nicht behandeln, vielmehr all die neurotischen Signale, die jeder von uns tagtäglich aussendet. Nachdem wir uns also die Verhaltensweisen in der jeweiligen seelischen Problemzone angesehen haben, gehen wir weiter zur Prüfung der Frage, warum Sie an Verhaltensweisen festhalten, die Sie keineswegs glücklicher machen. Dazu ist es erforderlich, dem psychischen Stabilisierungssystem einige Aufmerksamkeit zu schenken, das Sie eigens zu dem Zweck errichtet haben, um für Sie selbst nachteilige Verhaltensmuster lieber weiterzuschleppen, anstatt sich davon zu befreien. Mit diesem Abschnitt sollen die Fragen «Was erreiche ich eigentlich durch mein Verhalten? Warum gebe ich es nicht auf, obwohl es mir selbst schadet?» beantwortet werden. Wenn Sie alle seelischen Problemzonen der Reihe nach daraufhin untersuchen, wird Ihnen zweifellos auffallen, dass jeder der «Entschädigungssektoren» ähnliche Schlüsse ermöglicht. Sie werden entdecken, dass es quer durch alle Grauzonen unterschiedslos die gleichen Gründe sind, aus denen neurotische Verhaltensweisen beibehalten werden. Für das Individuum ist es grundsätzlich sicherer, an einer einmal erworbenen Reaktion festzuhalten, selbst wenn diese selbstzerstörend wirkt. Solange die seelischen Problemzonen unangetastet bleiben, kann auch die Notwendigkeit, sich zu verändern und Verantwortung zu übernehmen, unterlaufen werden. Die inneren Entschädigungen an Sicherheit und Geborgenheit lassen sich durch das ganze Buch hindurch verfolgen. Sie werden nach und nach einsehen, dass Ihr psychologisches Stabilisierungssystem dem Zweck dient, Verantwortlichkeit von sich abzuwehren und die Anstöße zur Veränderung in Grenzen zu halten. Die Tatsache, dass sie zahlreiche gegen sich selbst gerichtete Verhaltensweisen aus ebendiesen Gründen beibehalten, rückt die Möglichkeit zu uneingeschränkter Entfaltung nur näher in Ihre Reichweite. Beseitigen Sie diese Gründe und Sie machen damit zugleich Ihren seelischen Problemzonen ein für alle Mal den Garaus.

Am Schluss jedes Kapitels finden Sie einige konkrete Handlungsstrategien, die Ihnen dabei helfen sollen, jene Verhaltensweisen, durch die das eigene Selbst negiert wird, abzubauen. Auf diese Weise bewegen wir uns genau im Rahmen einer Beratungsstunde, das heißt also: Erforschen der betreffenden Schwierigkeit und der Stellen, wo sie als selbstschädigendes Verhalten zutage tritt, Einsicht in die Hintergründe der Verhaltensweisen und direkte Strategien zur Beseitigung der seelischen Problemzone.

Ab und zu werden Sie sich des Gefühls nicht erwehren können, dieses Verfahren stecke voller Wiederholungen. Das ist ein gutes Zeichen – ein Zeichen wirkungsvollen Denkens! Ich habe lange genug als Therapeut gearbeitet, um zu wissen, dass effektives Denken – Gedankenarbeit, die selbstzerstörerisches Verhalten zu ändern vermag – nicht bloß dadurch in Gang kommt, dass etwas einmal gesagt wird. Eine neugewonnene Einsicht muss unermüdlich ein ums andere Mal wiederholt werden. Erst wenn Sie sie vollkommen akzeptiert und verstanden haben, fangen Sie an, Ihr Verhalten zu ändern. Deshalb müssen manche Themen in diesem Buch wieder und wieder deutlich gemacht werden, genau wie sie in aufeinanderfolgenden Beratungsstunden immer und immer wieder behandelt werden müssen.

Zwei zentrale Themen ziehen sich durch das gesamte Buch. Das erste ist Ihre Fähigkeit, über Ihre eigenen Gefühle zu bestimmen. Versuchen Sie, Ihr Leben im Licht der Entscheidungen zu sehen, die Sie getroffen oder aber unterlassen haben. Dadurch fällt die ganze Verantwortung dafür, wer Sie sind und wie Sie sich fühlen, nur Ihnen zu. Glücklicher und erfüllter leben heißt, die Wahlmöglichkeiten, die Ihnen offenstehen, bewusster wahrzunehmen. SIESINDDASPRODUKTIHRERENTSCHEIDUNGEN, und ich scheue mich nicht davor zu behaupten, dass Sie mit entsprechend starker Motivation und ausreichendem Einsatz werden können, was immer Sie wollen.

Das zweite große Thema, um das es im Folgenden geht, ist das Ihrer Verantwortlichkeit für den gegebenen Augenblick. Dieser Begriff wird noch viele Male wiederkehren. Er spielt eine wesentliche Rolle bei der Beseitigung Ihrer seelischen Problemzonen und der Schaffung von Glück und Wohlbefinden. Nur einen einzigen Moment gibt es, in dem Sie etwas erleben können, und das ist jetzt; trotzdem wird ein Großteil der Zeit mit dem Beharren auf vergangenen oder zukünftigen Erlebnissen vergeudet. Auch im Jetzt die größte Erfüllung zu erleben ist der Prüfstein intensiven Lebens, und die gegen das eigene Selbst gerichteten Verhaltensweisen (seelische Problemzonen) sind samt und sonders nichts anderes als der Versuch, dem gegenwärtigen Augenblick aus dem Weg zu gehen.

Auf Entscheidungsmöglichkeit und gegenwartsbezogenes Leben wird fast auf jeder Seite dieses Buches Gewicht gelegt. Wenn Sie es sorgfältig lesen, werden Sie sich selbst bald Fragen stellen, die Ihnen bisher noch nie in den Sinn gekommen sind. «Warum entscheide ich mich jetzt dafür, mich zu ärgern?» – «Wie kann ich mein momentanes Sein noch intensiver gestalten?» Das sind die inneren Fragen eines Menschen, der die seelischen Problemzonen hinter sich lässt und sich auf ein Leben voller Selbstvertrauen und Glück zubewegt.

Am Schluss des Buches steht die knappe Schilderung eines Menschen, der sämtliche seelischen Problemzonen aus seiner Gefühlswelt und seinem Verhalten entfernt hat und nun in einer Empfindungswelt lebt, die nicht mehr außen-, sondern innengesteuert ist. Die folgenden fünfundzwanzig Fragen sollen dazu dienen, Ihre Fähigkeit zur Wahl von Glück und Erfüllung abzuschätzen. Gehen Sie die Fragen so objektiv wie möglich durch, prüfen Sie sich selbst und die Art, wie Sie Ihre gegenwärtigen Augenblicke leben. Bejahende Antworten zeugen von persönlicher Autonomie und wirkungsvoller Entscheidungsfähigkeit.

Glauben Sie, dass Ihr Kopf Ihnen allein gehört? (Kap. I)

Sind Sie imstande, Ihre Gefühle zu beherrschen? (Kap. I)

Werden Sie eher von inneren als von äußeren Beweggründen angetrieben? (Kap. VII)

Sind Sie von der Anerkennung anderer unabhängig? (Kap. III)

Stellen Sie sich selbst Ihre Verhaltensmaßregeln auf? (Kap. VII)

Sind Sie innerlich frei vom Wunsch nach Gerechtigkeit und Fairness? (Kap. VIII)

Können Sie sich selbst akzeptieren und auf Klagen verzichten? (Kap. II)

Sind Sie gegen Heldenverehrung gefeit? (Kap. VIII)

Sind Sie mehr aktiv Handelnder als kritischer Zuschauer? (Kap. IX)

Sind Sie offen für das Geheimnisvolle und Unbekannte? (Kap. VII)

Können Sie es vermeiden, sich selbst in absoluten Ausdrücken zu beschreiben? (Kap. IV)

Können Sie sich selbst unter allen Umständen lieben? (Kap. II)

Können Sie sich selbst innerlich Halt geben? (Kap. X)

Haben Sie sich aus allen Abhängigkeitsverhältnissen gelöst? (Kap. X)

Haben Sie alle Versuche, für jeden Fehler in Ihrem Leben einen Schuldigen zu finden, aufgegeben? (Kap. VII)

Haben Sie sich von allen Schuldgefühlen befreit? (Kap. V)

Schaffen Sie es, sich über die Zukunft keine Sorgen zu machen? (Kap. V)

Können Sie Liebe geben und empfangen? (Kap. II)

Können Sie lähmenden Ärger aus Ihrem Leben fernhalten? (Kap. XI)

Haben Sie das Hinausschieben von bestimmten Dingen als Lebensgewohnheit aufgegeben? (Kap. IX)

Haben Sie gelernt, wirkungsvoll Fehler zu machen? (Kap. VI)

Können Sie spontan und ohne vorgefassten Plan genießen? (Kap. VI)

Haben Sie Humor, und wissen Sie ihn auch bei anderen zu schätzen? (Kap. XI)

Werden Sie von den anderen so behandelt, wie Sie es sich wünschen? (Kap. X)

Lassen Sie sich eher durch Ihr Vermögen leiten, sich weiterzuentwickeln, als durch das Bedürfnis, Ihre Mängel auszugleichen? (Kap. I)

 

In jedem Augenblick Ihres Lebens haben Sie es in der Hand, alle diese Fragen mit ja zu beantworten, wenn Sie nur willens sind, zahlreiche mit «Ich müsste …» und «Eigentlich sollte ich ja …» beginnende Verhaltensregeln, die Sie Ihr ganzes Leben über gelernt haben, fallenzulassen. Es geht dabei um die grundlegende Entscheidung, entweder persönlich frei oder aber weiterhin an die Erwartungen, die andere an Sie richten, gekettet zu sein.

Nach dem Besuch einer meiner Vorlesungen schrieb mir eine Freundin, Doris Warshay, ein Gedicht mit dem Titel «Neue Wege»:

Ich will reisen so weit ich kann,

bis zu der Freude in meiner Seele,

will meine Grenzen weiter ziehen

und fühlen, wie ich wachse;

will leben, da sein, «sein»

und die Wahrheit in mir hören.

Ich hoffe zuversichtlich, dass dieses Buch Ihnen dabei helfen wird, mit sämtlichen Scheuklappen und «Würmern der Selbsttäuschung», die Ihnen befriedigende neue Erlebnisse vorenthalten könnten, fertig zu werden und Ihre eigenen neuen Wege zu entdecken und zu erwählen.

I.In eigener Verantwortung

Menschliche Größe besteht im Wesentlichen aus der Fähigkeit, sich in den Umständen, in denen andere den Irrsinn wählen, für persönliche Erfüllung zu entscheiden.

Wenn Sie über Ihre Schulter schauen, sehen Sie einen ständigen Gefährten. In Ermangelung eines besseren Namens wollen wir ihn «Ihren Tod» nennen. Vor diesem Besucher können Sie Angst haben; Sie können ihn aber auch zu Ihrem persönlichen Vorteil benützen. Die Entscheidung liegt bei Ihnen.

Einerseits die endlose Aussicht des Totseins, andererseits das atemberaubend kurze Leben vor Augen, fragen Sie sich: «Sollte ich eigentlich auf all die Dinge, die ich so gern tun möchte, verzichten? Sollte ich wirklich mein Leben nach den Vorstellungen anderer einrichten? Ist es wichtig, Besitz anzuhäufen? Ist das Aufschieben auf später die richtige Lebensweise?» Aller Wahrscheinlichkeit nach lassen sich Ihre Antworten ganz kurz zusammenfassen: Lebe … Sei du selbst … Genieße … Liebe.

Sie können also Ihren Tod vergeblich fürchten, Sie können ihn sich aber auch zunutze machen, um wirklich leben zu lernen. Denken Sie an Tolstois Iwan Iljitsch, wie er in Erwartung des großen Gleichmachers sein vergangenes Leben an sich vorüberziehen lässt, sein Leben, das gänzlich von anderen beherrscht wurde, in dem er auf Selbstbestimmung verzichtet hatte, um sich reibungslos einem bestimmten System anzupassen.

«Wie, sollte denn mein ganzes Leben verkehrt gewesen sein?» Auf einmal fiel ihm ein, dass es vielleicht doch wahr sein könnte, was ihm bisher immer vollkommen unmöglich erschienen war, nämlich dass er sein Leben nicht so gelebt haben könnte, wie er es eigentlich hätte tun sollen. Auf einmal fiel ihm ein, dass die kaum wahrnehmbaren Impulse, die er immer sogleich unterdrückt hatte, vielleicht das wirkliche Leben gewesen waren, und alles andere war falsch. Vielleicht waren seine Berufspflichten und die ganze Ordnung seines Lebens und die seiner Familie, alle seine sozialen und offiziellen Interessen falsch gewesen. Er versuchte, das alles vor sich selbst zu verteidigen, fühlte aber plötzlich, wie armselig es war, was er da verteidigte. Es gab nichts zu verteidigen …

Wenn Sie das nächste Mal wieder vor der Entscheidung stehen, ob Sie nun die Verantwortung für sich selbst übernehmen und Ihre eigene Wahl treffen sollen, dann legen Sie sich selbst eine gewichtige Frage vor: «Wie lange werde ich tot sein?» Von dieser Ewigkeitsperspektive her wird es Ihnen dann gelingen, Ihre persönliche Wahl zu treffen und alle Sorgen, Befürchtungen, Zweifel, ob Sie sich denn das auch wirklich leisten können, und alle Schuldgefühle denen zu überlassen, die ewig zu leben gedenken.

Falls Sie sich nicht zu diesem Schritt entschließen, müssen Sie sich auf ein Leben gefasst machen, in dem immer andere sagen werden «Du musst …!» Da Ihr Aufenthalt auf der Erde schon kurz genug ist, so sollte er doch wenigstens erfreulich für Sie sein. Mit einem Wort: Es geht um Ihr Leben; machen Sie daraus, was Sie wollen.

Ihr Intelligenzquotient und das Glück

Wenn Sie die Verantwortung für sich selbst in Ihre eigenen Hände nehmen, so heißt das gleichzeitig, einigen weitverbreiteten Legenden abzuschwören. Ganz oben auf der Liste steht die Ansicht, Intelligenz könne gemessen werden an der Fähigkeit, komplexe Probleme rasch zu durchschauen, bestimmte Lese-, Schreib- und Rechenleistungen zu erbringen und algebraische Gleichungen flott zu lösen. Von diesem Blickwinkel her betrachtet gelten das formale Bildungsniveau eines Menschen und sein theoretisches Bücherwissen als alleiniger Maßstab seiner Selbstverwirklichung. Dadurch wird der intellektuelle Dünkel bestärkt, der sich schon demoralisierend genug ausgewirkt hat. So halten wir jemanden für «intelligent», der über eine höhere schulische Ausbildung verfügt, der in einer der Wissensdisziplinen ein «Ass» ist – etwa in der Mathematik oder ganz allgemein den Naturwissenschaften, der über einen reichen Wortschatz verfügt, sich eigentlich überflüssige Fakten besonders gut merken kann oder vielleicht besonders schnell lesen kann. In den psychiatrischen Anstalten drängen sich jedoch neben den Kranken mit «normalem schulischem Werdegang» genauso viele Patienten, die über alle Zeugnisse der Gelehrsamkeit verfügen. Dagegen ist ein tatkräftiges, glückliches Leben, das jeden Tag und jeden einzelnen Augenblick eines jeden Tages auskostet, ein verlässlicherer Gradmesser für die Intelligenz des Einzelnen.

Wenn Sie sich glücklich fühlen, wenn Sie die Möglichkeiten des gegebenen Augenblicks voll ausschöpfen – dann sind Sie ein intelligenter Mensch. Das Lösen von Problemen kann außerdem zu Ihrem Wohlergehen beitragen; wenn Sie jedoch wissen, dass Sie, obwohl Sie eine bestimmte Schwierigkeit nicht zufriedenstellend lösen können, noch immer in der Lage sind, sich für ein glückliches Leben zu entscheiden oder sich zumindest nicht unglücklich fühlen müssen, dann sind Sie intelligent. Sie sind intelligent, weil Sie über die entscheidende Waffe gegen das ominöse NZB-Syndrom verfügen. Na? Aber klar doch: gegen den NervenZusammenBruch.

Vielleicht überrascht es Sie zu erfahren, dass es so etwas wie einen Nervenzusammenbruch gar nicht gibt. Nerven brechen nicht zusammen. Schneiden Sie doch mal jemanden auf und halten Sie Ausschau nach gebrochenen Nerven. Weit und breit nichts zu sehen! «Intelligente» Menschen erleiden keine Nervenzusammenbrüche, weil Sie die Verantwortung für sich selbst übernommen haben. Sie wissen, wie man statt der Depression das Glücklichsein wählt, weil sie mit den Problemen in ihrem Leben umgehen können. Beachten Sie bitte: Ich sagte nicht, dass sie ihre Probleme «lösen» können. Anstatt ihre Intelligenz nach ihrer Fähigkeit zum Lösen ihrer Probleme zu beurteilen, messen diese Menschen sie an ihrem Vermögen, sich stets glücklich und wertvoll zu fühlen, unabhängig davon, ob für die Probleme nun tatsächlich eine Lösung gefunden wird oder nicht.

Sie können dazu übergehen, die Gefühle, zu denen Sie sich angesichts widriger Umstände entscheiden, zum Kriterium Ihrer wahren Intelligenz zu machen. Wir alle haben so ziemlich mit den gleichen Problemen zu kämpfen. Jeder, der in irgendeiner Form sozialen Kontakt und Austausch mit anderen hat, sieht sich vor bestimmte, einander sehr ähnliche Schwierigkeiten gestellt. Meinungsverschiedenheiten, Konflikte und Kompromisse bilden einen festen Bestandteil unseres Lebens, genauso wie die Probleme praktisch aller Menschen sich in gleicher Weise um Geld, das Altwerden, um Krankheit, Todesfälle, Naturkatastrophen und Unfälle drehen. Manchen allerdings gelingt es, damit fertig zu werden, trotz solcher Umstände nicht in lähmende Niedergeschlagenheit und Trübsal zu versinken, während andere unter der Belastung nachgeben, unbeweglich und starr werden oder tatsächlich das Opfer eines Nervenzusammenbruchs werden. Die Menschen, die Probleme als einen Teil des menschlichen Lebens anerkennen und Glück nicht an einer mehr oder minder nur eingebildeten Problemfreiheit messen wollen, sind die intelligentesten Wesen, die wir kennen, und zugleich auch – die seltensten.

Wenn Sie lernen wollen, die volle Verantwortung für sich zu übernehmen, müssen Sie sich eine ganz neue Denkweise aneignen, mit der Sie es wohl nicht ganz leicht haben werden, weil allzu viele Kräfte in unserer Gesellschaft der individuellen Verantwortlichkeit entgegenwirken. Sie müssen auf Ihre Fähigkeit vertrauen, zu jeder Zeit die Emotionen empfinden zu können, die Sie tatsächlich empfinden wollen! Das ist eine radikale Anschauung. Vermutlich sind Sie im Glauben aufgewachsen, dass Sie Ihre Gefühle nicht beeinflussen können; dass Ihnen Ärger, Angst und Hass oder Liebe, Ekstase und Freude ohne eigenes Zutun widerfahren. Ein Mensch steuert seine Gefühle nicht, er nimmt sie hin. Wenn etwas Trauriges passiert, breitet sich ganz natürlich und von allein Kummer in Ihnen aus, und alles, was Ihnen übrigbleibt, ist, sich ein paar armselige Hoffnungen zu machen, es mögen bald fröhlichere Ereignisse nachfolgen, sodass Sie wieder guter Dinge sein können.

Entscheiden Sie selbst, wie Sie sich fühlen wollen

Gefühle sind nicht einfach Empfindungen, die vom Himmel fallen, sondern Reaktionen, die Sie gewählt haben. Wenn Sie über Ihre Gefühle bestimmen, brauchen Sie keine selbstschädigenden Reaktionen zu wählen. Sobald Sie einmal eingesehen haben, dass Sie fühlen können, was Sie fühlen möchten, sind Sie auf dem Weg zur «Intelligenz» – einem direkten Weg, von dem keine Abzweigungen in die Sackgasse des Nervenzusammenbruchs gehen. Dieser Weg wird Sie in unbekannte Regionen führen, denn Sie werden ein bestimmtes Gefühl nicht mehr als allgemeine Lebenstatsache, sondern als freie Entscheidung ansehen. Das ist das A und O persönlicher Freiheit.

Die Vorstellung, Sie seien für Ihre eigenen Gefühle nicht zuständig, können Sie mit Hilfe der Logik angreifen. Mit einem einfachen Vernunftschluss (einer Denkfigur in der Logik, bei der Sie von einer Haupt- und einer Nebenvoraussetzung ausgehen und durch die Übereinstimmung zwischen den beiden Voraussetzungen zu einer Schlussfolgerung gelangen) können Sie den Prozess, Eigenverantwortung zu erlernen, sowohl auf gedanklichem wie auf emotionalem Gebiet jetzt gleich beginnen:

Logischer Vernunftschluss

Hauptvoraussetzung:

Aristoteles ist ein Mann.

Nebenvoraussetzung:

Allen Männern wächst ein Bart.

Schlussfolgerung:

Dem Aristoteles wächst ein Bart.

Unlogischer Vernunftschluss

Hauptvoraussetzung:

Dem Aristoteles wächst ein Bart.

Nebenvoraussetzung:

Allen Männern wächst ein Bart.

Schlussfolgerung:

Aristoteles ist ein Mann.

 

Wenn Sie mit der Logik arbeiten, müssen Sie natürlich darauf achten, dass Ihre Haupt- und Nebenvoraussetzung miteinander vereinbar sind. Im zweiten Beispiel könnte Aristoteles genauso gut ein Orang-Utan oder ein Maulwurf sein. Hier ist eine Denkübung, die für alle Zeit mit der Anschauung aufräumt, dass Sie nicht die Verantwortung für Ihre eigene Gefühlswelt übernehmen könnten:

Hauptvoraussetzung:

Ich kann meine Gedanken steuern.

Nebenvoraussetzung:

Meine Gefühle stammen aus meinen Gedanken.

Schlussfolgerung:

Ich kann meine Gefühle steuern.

 

Ihre Hauptvoraussetzung ist klar: In Ihrer Macht steht es, alles zu denken, was Sie Ihrem Kopf aufzunehmen gestatten. Wenn Ihnen «ganz plötzlich ein Gedanke kommt» (Sie entschließen sich, ihn in Ihren Kopf einzulassen, obwohl Sie vielleicht gar nicht wissen, warum), haben Sie es immer noch in der Hand, ihn wieder zu verjagen. Die Kontrolle über Ihre geistige Welt liegt also immer noch bei Ihnen. Ich kann Ihnen zwar sagen: «Denken Sie sich eine rosa Antilope», aber Sie können sie in Gedanken grün einfärben, sie in ein afrikanisches Erdferkel verwandeln oder einfach an etwas anderes denken, wenn Ihnen der Sinn danach steht. Sie allein bestimmen darüber, was als Gedanke Zugang zu Ihrem Kopf erhält. Wenn Sie das nicht glauben können, dann beantworten Sie mir doch bitte die Frage: «Wenn Sie Ihre Gedanken nicht steuern, wer tut es dann?» Vielleicht Ihre bessere Ehehälfte, der Chef oder das Mamilein? Falls jene den Ausschlag dafür geben, was Sie denken, dann schicken Sie sie allesamt zur Therapie und Ihnen wird es sofort besser gehen! Aber in Wirklichkeit wissen Sie es ja doch besser. Sie, nur Sie allein steuern Ihren Denkapparat (außer unter extremen Bedingungen wie der «Gehirnwäsche» oder bei experimentellen Konditionierungsversuchen, die aber in Ihrem Leben keine Rolle spielen). Ihre Gedanken gehören Ihnen, nur Sie können sie beibehalten, ändern, mitteilen oder sich in sie versenken. Niemand anders kann in Ihr Gehirn eindringen und Ihre Gedanken so besitzen und erleben, wie Sie sie erleben. Ihre Gedanken steuern Sie, daran gibt es keinen Zweifel, und Ihnen steht es frei, von Ihrem Gehirn so Gebrauch zu machen, wie es Ihnen richtig erscheint.

Ziehen Sie die Ergebnisse der Forschung wie auch Ihren gesunden Menschenverstand zu Rate, und Sie werden sehen, dass auch die Nebenvoraussetzung schwerlich anzufechten ist. Ohne erst einen Gedanken gedacht zu haben, können Sie kein Gefühl (Emotion) verspüren. Ohne Ihr Gehirn ist auch Ihre Fähigkeit zu «fühlen» ausgelöscht. Ein Gefühl ist eine körperliche Reaktion auf einen Gedanken. Immer wenn Sie weinen, rot werden, wenn Ihr Herz schneller schlägt oder sonst eine der ungezählten Formen möglicher emotionaler Reaktionen bei Ihnen auftritt, haben Sie zuvor ein Signal aus Ihrem Gehirn empfangen. Ist Ihr Gehirn geschädigt oder «kurzgeschlossen», dann können Sie auch unter Umständen keine emotionalen Reaktionen mehr erleben. Bei bestimmten Gehirnschädigungen sind Sie sogar außerstande, körperlichen Schmerz zu empfinden; Sie könnten Ihre Hand auf einer Kochplatte förmlich braten, ohne dass es Ihnen im geringsten weh täte. Sie wissen, dass Sie Ihr Gehirn nicht umgehen und trotzdem irgendwelche Gefühle in Ihrem Körper empfinden können. Ihre Nebenvoraussetzung entspricht also der Wahrheit. Jedem Gefühl, das Sie haben, ist ein Gedanke vorausgegangen, ohne Gehirn können Sie nicht fühlen.

Ihre Schlussfolgerung ist ebenfalls unangreifbar. Wenn Sie Ihre Gedanken steuern und Ihre Gefühle wiederum aus Ihren Gedanken resultieren, dann können Sie auch Ihre Gefühle steuern, indem Sie nämlich die Gedanken beeinflussen, die ihnen vorausgehen. Einfach ausgedrückt: Sie meinen, manche Dinge oder manche Menschen würden Sie unglücklich machen; das stimmt aber nicht. Sie selbst machen sich unglücklich durch das, was Sie über die Menschen oder Dinge in Ihrem Leben denken! Ein freier, gesunder Mensch werden, das heißt lernen, anders zu denken. Wenn Sie erst Ihre Gedanken verändern können, werden bald Ihre neuen Gefühle zum Vorschein kommen, und damit haben Sie schon den ersten Schritt in Richtung auf Ihre persönliche Freiheit getan.

Um den Vernunftschluss auch einmal von der persönlicheren Seite her zu beleuchten, wollen wir uns dem Fall von Bernd Kalvin zuwenden, eines jungen Managers, der seine Zeit zum größten Teil damit zubringt, sich darüber zu grämen, dass sein Chef ihn für dumm hält. Bernd leidet sehr unter der niedrigen Einschätzung durch seinen Chef. Wäre er aber immer noch genauso niedergeschmettert, wenn er gar nicht wüsste, dass sein Chef ihn für unfähig hält? Natürlich nicht. Wie sollte er denn unter einer Sache leiden, von der er gar nichts weiß? Bernds Niedergeschlagenheit hat also gar nichts damit zu tun, was sein Chef denkt. Was Bernd selbst denkt, drückt ihn nieder. Außerdem macht er sich schwer damit zu schaffen, dass er sich selber weismacht, die Gedanken eines anderen seien wichtiger als seine eigenen.

Gleiches gilt logischerweise für alle Ereignisse, Sachen und die persönlichen Standpunkte der Leute. Nicht der Tod eines Menschen macht Sie unglücklich; Sie können erst traurig werden, wenn Sie davon erfahren haben – also ist es nicht der Tod selbst, sondern was Sie sich darüber vorsagen. Föhneinbrüche und Schlechtwetterperioden sind nicht deprimierend an sich; Depressionen sind eine rein menschliche Angelegenheit. Wenn schlechtes Wetter Sie deprimiert, haben Sie sich selbst Dinge eingeredet, die Sie niederdrücken. Das soll nicht heißen, dass Sie sich etwas vormachen und ein Unwetter genießen sollten, aber fragen Sie sich doch: «Warum sollte ich die Depression wählen? Hilft sie mir denn, besser damit fertig zu werden?»

Die Kultur, in der Sie aufgewachsen sind, hat Sie gelehrt, dass Sie für Ihre Gefühle nichts könnten, obwohl die Einsicht der Vernunft sagt, dass das noch nie gestimmt hat. Sie haben einen ganzen Wust von Redensarten gelernt, um sich gegen die Tatsache zur Wehr zu setzen, dass Sie eben doch Ihre Gefühle beherrschen. Hier folgt eine kurze Aufstellung solcher Äußerungen, die Sie immer wieder gebraucht haben. Achten Sie darauf, was Sie wirklich aussagen.

«Du tust mir weh.»

«Du machst mich traurig.»

«Ich kann nichts dafür, dass ich so empfinde.»

«Ich ärgere mich einfach, ich kann auch nicht erklären, warum.»

«Er geht mir auf die Nerven.»

«In großen Höhen bekomme ich immer Angst.»

«Du machst mich ganz verlegen.»

«Sie regt mich mächtig auf.»

«Ihr habt mich vor aller Augen blamiert.»

Diese Liste ließe sich unendlich fortsetzen. In jedem Satz ist die Versicherung eingeschlossen, dass man für seine Gefühle nicht selbst verantwortlich ist. Ändern Sie nun die Liste der Wahrheit entsprechend, sodass sie die Tatsache widerspiegelt, dass Sie Herr Ihrer Gefühle sind und dass Ihre Gefühle aus den Gedanken resultieren, die Sie sich über die Dinge machen.

«Ich hab mir selbst weh getan mit dem, was ich mir über deine Reaktion auf mich eingeredet habe.»

«Ich habe mich selbst traurig gemacht.»

«Es liegt an mir, was ich empfinde, aber jetzt im Augenblick möchte ich mich aufregen.»

«Ich habe mich dazu entschlossen, mich jetzt zu ärgern, weil ich normalerweise andere mit meinem Ärger manipulieren kann, da sie dabei das Gefühl haben, ich beherrschte sie.»

«Ich gehe mir selbst auf die Nerven.»

«In großen Höhen ängstige ich mich.»

«Ich selbst mache mich verlegen.»

«Immer wenn ich in ihre Nähe komme, bin ich erregt.»

«Ich bin mir selbst blamiert vorgekommen, weil ich eure Meinung über mich ernster genommen hab als meine eigene und weil ich gedacht habe, dass die anderen das auch tun würden.»

Vielleicht sind Sie der Ansicht, die Punkte der ersten Liste wären alle ganz normale Redewendungen, die weiß Gott nicht viel zu bedeuten hätten, sondern innerhalb unserer Kultur eben einfach von bloßen Redewendungen zu Klischees geworden seien. Wenn das Ihre vernunftgemäße Erklärung ist, dann fragen Sie sich doch einmal, warum dann die Aussagen der zweiten Liste nicht in gleicher Weise Gemeinplätze geworden sind. Die Antwort gibt unsere Kultur: Sie predigt die Denkweise, die sich in der ersten Liste zeigt, und unterdrückt die der zweiten.

Dabei ist die Sache doch eigentlich glasklar. Verantwortlich dafür, wie Sie sich fühlen, sind allein Sie! Sie fühlen, was Sie denken, und wenn Sie sich dazu entschließen, ganz anders zu denken, dann können Sie das lernen. Überlegen Sie sich, ob es sich wirklich auszahlt, unglücklich, niedergeschlagen oder verletzt zu sein. Beginnen Sie damit, gründlich nachzuforschen, was für Gedanken das eigentlich sind, die zu diesen hemmenden Gefühlen führen.

Die Kunst, nicht unglücklich zu sein

Auf neue Art zu denken ist nicht leicht. Eine Reihe bestimmter Grundgedanken und die sich daraus ergebenden hemmenden Gedanken sind Ihnen zur festen Gewohnheit geworden. Es bedarf einiger Anstrengung, um alle die Denkgewohnheiten, die Sie sich bis heute angeeignet haben, abzulegen. Glücklich sein ist einfach, aber lernen, nicht unglücklich zu sein, kann ungeheuer schwierig werden.

Glücklich sein ist ein natürlicher Zustand des Menschen. Bei kleinen Kindern können Sie das ganz leicht beobachten. Die große Schwierigkeit, wahrscheinlich weil es so ungewohnt ist, liegt im Verlernen der Gebote und Verbote, die Sie im Laufe der Zeit akzeptiert und sich zu eigen gemacht haben. Deswegen ist Bewusstwerdung der erste Schritt zur Selbstverantwortlichkeit. Zupfen Sie sich selbst am Ärmel, wenn Sie von sich selber so etwas hören wie: «Er hat mich verletzt.» Stoßen Sie sich noch im selben Augenblick mit der Nase darauf, was Sie da eigentlich tun! Um anders zu denken, müssen Sie sich zuvor der alten Denkschemata bewusst geworden sein. Sie sind an Denkmuster gewöhnt, die die Ursache für Ihre Gefühle außerhalb Ihrer selbst suchen. Diese Denkweise hat sich im Laufe der Zeit, über Tausende von Stunden, verfestigt; um die Waage ins Gleichgewicht zu bringen, werden ebenso viele Stunden des neuen Denkens notwendig sein, eines Denkens, das seine Verantwortlichkeit für Ihre Gefühle nicht leugnet. Eine knochenharte Aufgabe, sicherlich, aber was soll’s – das ist noch lange kein Grund, sich davor zu drücken.

Denken Sie an Ihre ersten Fahrversuche mit dem Auto. Sie standen damals vor einem scheinbar unlösbaren Problem: drei Pedale, aber nur zwei Füße, um sie zu bedienen. Als Erstes wurde Ihnen klar, was für eine komplizierte Sache das war. Die Kupplung langsam kommen lassen … Herrje, zu schnell, mörderisch, dies Rucken … Ganz vorsichtig Gas geben und die Kupplung laaangsam kommen lassen … Den rechten Fuß auf die Bremse, aber um Gottes willen die Kupplung nicht vergessen, sonst wird der Motor wieder abgewürgt … Eine Unzahl innerer Signale: unablässiges Bei-der-Sache-sein, mit dem Gehirn arbeiten. Was mache ich jetzt? Sich der Situation bewusst sein, und schließlich nach tausend Versuchen, Fehlern, neuen Anläufen kommt der Tag, an dem Sie sich in Ihren Wagen setzen und einfach losfahren. Kein Motorabwürgen, kein ruckhaftes Anfahren, kein Überlegen mehr. Das Autofahren ist Ihnen in Fleisch und Blut übergegangen. Und wie haben Sie das erreicht?! Mit sehr viel Mühe, mit sehr viel am gegebenen Augenblick orientiertem Denken, mit Überlegung und Anstrengung!

Sie können sich also auf solche körperlichen Anforderungen wie das Erlernen der Koordination von Händen und Füßen beim Autofahren einstellen. Der gleiche Prozess spielt sich im Bereich des Gefühlslebens ab, wenngleich er weniger bekannt ist. Ihre heutigen Gewohnheiten haben Sie erworben, indem Sie sie Ihr ganzes Leben hindurch eingeübt haben. Sie fühlen sich ganz automatisch unglücklich, ärgerlich, verletzt oder frustriert, weil Sie vor langer Zeit gelernt haben, in diesen Bahnen zu denken. Sie haben diese Verhaltensweisen akzeptiert und nie den Versuch gemacht, sie in Frage zu stellen. Genauso wie Sie diese selbstschädigenden Verhaltensweisen gelernt haben, können Sie auch lernen, sich nicht mehr unglücklich, ärgerlich, verletzt und frustriert zu fühlen.

So hat man Ihnen zum Beispiel beigebracht, ein Besuch beim Zahnarzt sei eine unangenehme, mit Schmerzen verbundene Sache. Schon immer war Ihnen der Zahnarztbesuch lästig, und Sie sagen sogar zu sich selbst: «Diesen Bohrer hass ich richtig!» Das sind alles nur erlernte Reaktionen. Sie könnten das Ganze so verändern, dass Sie sogar etwas davon haben, wenn Sie sich nämlich vornehmen, daraus eine vergnügliche, spannende Prozedur zu machen. Wenn Sie sich wirklich dazu entschlössen, Ihr Gehirn für sich arbeiten zu lassen, könnten Sie sich das Geräusch des Bohrers als Signal für ein aufregendes Liebeserlebnis denken, und jedes Mal, wenn es wieder losgeht – brrrrrrrrrrrrrrr –, Ihr Gehirn darauf trainieren, sich den orgiastischsten Augenblick Ihres Lebens auszumalen! Unter dem, was Sie früher Schmerz genannt haben, könnten Sie sich etwas anderes vorstellen und sich also auch dafür entscheiden, neue und angenehme Gefühle dabei zu empfinden. Wie viel amüsanter und befriedigender, das Heft selbst in die Hand zu nehmen und die Tücken Ihrer zahnärztlichen Umwelt selbst zu meistern, als weiter den alten Vorstellungen anzuhängen und alles passiv zu erdulden!

Vielleicht sind Sie skeptisch. Vielleicht wenden Sie ein: «Ich kann mir denken, was ich will, aber wenn er anfängt zu bohren, wird mir immer noch ganz flau im Magen.» Wie war es mit Kupplung, Gaspedal und Bremse? Wann haben Sie wirklich geglaubt, dass Sie fahren können? Ein Gedanke wird erst zur Überzeugung, wenn Sie wiederholt damit gearbeitet haben, nicht wenn Sie ihn ein einziges Mal ausprobieren und dann Ihr Anfängerpech als Vorwand zum Aufgeben benützen.

Für sich selbst Verantwortung übernehmen bedeutet mehr als das Ausprobieren neuer Denkungsarten. Es verlangt den Willen, glücklicher zu werden und jeden Gedanken, der lähmendes Unglücklichsein in Ihnen hervorruft, entschlossen zurückzuweisen und auszuschalten.

Sie brauchen Ihr Glück nicht zu suchen, entscheiden Sie sich einfach dafür

Wenn Sie immer noch glauben, dass es nicht Ihr eigener Entschluss ist, unglücklich zu sein, dann stellen Sie sich einmal folgende Entwicklung vor. Jedes Mal, wenn Sie sich unglücklich fühlen, werden Sie einer Behandlung unterzogen, die Ihnen unangenehm ist. Sei es, dass Sie über lange Zeiträume hinweg irgendwo allein eingesperrt, sei es, dass Sie in einen vollbesetzten Aufzug gequetscht werden, in dem Sie dann tagelang stehen müssen. Vielleicht wird Ihnen auch jegliche Nahrung entzogen, oder Sie müssen etwas essen, das Ihnen in tiefster Seele zuwider ist. Oder Sie werden gefoltert – körperlich gefoltert, nicht seelisch, wie Sie es ständig selbst tun! Stellen Sie sich also vor, eine dieser Strafen würde Ihnen so lange auferlegt, bis Sie Ihre Gefühle des Unglücklichseins verjagen. Was meinen Sie, wie lange Sie wohl noch weiter daran festhalten würden? Es ist anzunehmen, dass Sie die Kontrolle über die Situation ziemlich schnell in den Griff bekommen. Die Frage ist also nicht, ob Sie Ihre Gefühle beherrschen können, sondern ob Sie es auch tatsächlich tun. Wie viel müssen Sie ertragen, bevor Sie sich dazu durchringen? Es gibt Leute, die lieber verrückt werden als die Kontrolle über ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Andere geben einfach auf und nehmen mit einem elenden Leben vorlieb, weil ihnen der Gewinn an Mitleid dabei größer erscheint als die Belohnung, glücklich zu leben.

Es geht hier um Ihr Vermögen, in jedem einzelnen Augenblick Ihres Lebens das Glücklichsein zu wählen oder sich zumindest nicht für das Unglücklichsein zu entscheiden. Eine unerhörte Anschauung, mag sein, aber Sie sollten sie doch sorgfältig prüfen, bevor Sie sie ablehnen, weil das hieße, sich selbst aufzugeben. Diese Anschauung zurückweisen bedeutet gleichzeitig, von anderen zu erwarten, dass sie für Sie entscheiden. Aber es könnte vielleicht doch leichter sein, das Glück zu wählen, als manche der Dinge, mit denen Sie sich täglich das Leben schwermachen.

Ebenso wie es Ihnen freisteht, statt Niedergeschlagenheit inneres Wohlbefinden anzustreben, können Sie in den zahllosen Vorkommnissen des täglichen Lebens selbstverwirklichende Verhaltensweisen den selbstzerstörenden vorziehen. Wenn Sie heutzutage Auto fahren, werden Sie wahrscheinlich dann und wann in einen Verkehrsstau geraten und hoffnungslos festsitzen. Werden Sie dann ärgerlich, fluchen Sie auf die anderen Fahrer, schreien Sie Ihre Mitfahrer an, lassen Sie Ihre Gefühle blind an allem aus, was in ihrer Nähe ist? Rechtfertigen Sie Ihr Verhalten dann damit, dass Sie im Verkehr eben immer leicht außer sich geraten, dass es in einer solchen Situation eben einfach mit Ihnen durchgeht? Wenn ja, dann haben Sie feste Vorstellungen von sich und Ihrem Verhalten im Verkehr. Wie wäre es, wenn Sie dazu übergingen, diese Vorstellungen zu ändern? Wenn Sie stattdessen Ihren Verstand in für Sie selbst förderlicherer Weise gebrauchten? Es würde zwar ein bisschen Zeit beanspruchen, aber Sie könnten lernen, anders mit sich umzugehen, sich neue Verhaltensweisen anzugewöhnen wie Pfeifen, Singen, «akustische Briefe» auf einen Kassettenrecorder zu sprechen oder sich sogar darauf einzustellen, ihre Unmutsausbrüche um jeweils dreißig Sekunden zu verzögern. Dadurch haben Sie nicht gelernt, sich liebend gern ins Verkehrsgetümmel zu stürzen, sondern, wenn auch zunächst nur mühsam, neue Gedanken einzuüben. Sie haben die Entscheidung getroffen, sich nicht mehr die Laune verderben zu lassen. Sie haben sich dafür entschieden, die alten selbstschädigenden Gefühle in einem langsamen Prozess schrittweise gegen gesunde neue Gefühle und Gewohnheiten auszutauschen.

Sie haben die Wahl, jedes Erlebnis erfreulich und fruchtbar zu gestalten! Stumpfsinnige, langweilige Partys und Komiteesitzungen sind hervorragend geeignet, neue Gefühle anzusteuern. Wenn Sie sich langweilen, können Sie Ihren Geist in aufregender Weise arbeiten lassen, indem Sie dem Gesprächsthema durch eine gezielte Bemerkung eine entscheidende Wendung geben, das Anfangskapitel Ihres Romans schreiben oder Pläne entwerfen, in Zukunft solche Lebenslagen zu vermeiden. Aktiv von Ihrem Verstand Gebrauch machen heißt, die Menschen und Situationen, die Ihnen die meisten Schwierigkeiten bereiten, in Gedanken abzuschätzen und ständig Anstrengungen zu unternehmen, befriedigend mit ihnen zurechtzukommen. Wenn Sie zu den Leuten gehören, die sich im Restaurant häufig über die nachlässige und schlampige Bedienung ärgern, dann überlegen Sie sich doch erst einmal die Gründe, die dafür sprechen, sich nicht über irgendwelche Personen oder Dinge aufzuregen, die nicht Ihren Wünschen entsprechen. Sie sind zu wertvoll, um sich über jemand anderen zu ärgern, vor allem nicht über jemanden, der in Ihrem Leben praktisch keine Rolle spielt. Überlegen Sie sich dann Ihr weiteres Vorgehen, um die Umgebung zu verändern, verlassen Sie das Lokal oder tun Sie sonst etwas. Aber lassen Sie es nicht einfach bei bloßem Ärgern bewenden. Machen Sie Gebrauch von Ihrer Fähigkeit, die Situation in der Hand zu behalten, und Sie verfügen am Ende über die erstklassige Gewohnheit, sich nicht mehr aus der Ruhe bringen zu lassen, wenn etwas schiefgeht!

Flucht in die Krankheit

Sie haben es ebenfalls in der Hand, bestimmte körperliche Beschwerden, die nicht auf bekannten organischen Störungen beruhen, zu beseitigen. Solche wohlbekannten Beschwerden, die oftmals keine körperlichen Ursachen haben, sind zum Beispiel Kopf- und Rückenschmerzen, Magengeschwüre, zu hoher Blutdruck, Hautausschläge und -unreinheiten, Krämpfe, unregelmäßig auftretende Schmerzen und Ähnliches mehr.

Ich hatte einmal eine Klientin, die mir hoch und heilig versicherte, sie hätte seit vier Jahren jeden Morgen Kopfweh gehabt. Jeden Morgen um 6.45 Uhr wartete sie auf das Auftreten der Schmerzen, um dann ihre Tabletten einzunehmen. Überdies hielt sie alle ihre Freunde und Kollegen darüber auf dem Laufenden, wie sehr sie litt. Die Klientin wurde nun darauf hingewiesen, dass sie die Kopfschmerzen selbst wünschte und sie ganz gezielt als Mittel zur Erlangung von Aufmerksamkeit und Mitleid einsetzte. Dann wurde ihr behutsam klargemacht, dass sie lernen könne, diesen Mechanismus zu unterbrechen und dass sie sogar die Schmerzen von einem Punkt genau in der Mitte ihrer Stirn seitlich zu einer Stelle an der Schläfe hin verschieben könne. Durch dieses Verlagern des Schmerzes sollte ihr selbst klarwerden, dass sie in der Lage war, den Schmerz zu beherrschen. Am ersten Morgen erwachte sie um 6.30 Uhr und wartete im Bett auf die Kopfschmerzen. Als sie kamen, gelang es ihr, sie zu einer anderen Stelle ihres Kopfes hinzudenken. Sie hatte damit eine neue Entscheidung getroffen. Bald hatte sie gar keine Kopfschmerzen mehr.

Eine ständig wachsende Zahl von Beweisen spricht für die Auffassung, dass sogar Tumoren, Grippe, Arthritis, Herzbeschwerden, «Unfälle» sowie eine Reihe anderer Krankheiten, ja selbst Krebs, vom Betroffenen gewollt sind, obwohl sie seit jeher als Übel angesehen wurden, die den Menschen hinterrücks überfallen. Bei der Behandlung sogenannter «hoffnungsloser Fälle» sind Forscher zu dem Schluss gekommen, dass es ein Mittel zur Besserung des inneren Verfalls sein könnte, dem Patienten zu helfen, die Krankheit nicht zu wollen. In manchen Kulturen werden Schmerzen auf diese Art behandelt, indem nämlich der Mensch sein Gehirn vollkommen unter Kontrolle bringt, sodass Selbststeuerung gleichbedeutend wird mit der Steuerung des Gehirns.

Unser Gehirn, das aus zehn Billionen arbeitender Zellen besteht, verfügt über eine ausreichende Speicherkapazität zur Aufnahme von zehn neuen Informationen pro Sekunde. Die Informationsmenge, die das Gehirn vorsichtigen Schätzungen zufolge speichern kann, entspricht etwa 100 Billionen Wörtern, sodass jeder von uns offenkundig nur einen kleinen Bruchteil dieser Speicherkapazität ausnützt. Das Gehirn ist ein außerordentlich leistungsfähiges Instrument, das Ihnen ständig zur Verfügung steht und aus dem sich ungeahnter Nutzen ziehen lässt, obschon Sie sich das bisher nicht träumen ließen. Behalten Sie das im Auge, während Sie weiterlesen, und versuchen Sie, für neue Denkweisen offen zu sein.

Sie sollten eine solche Steuerung nicht vorschnell als «Quacksalberei» abtun. Die meisten Ärzte mussten sich schon mit Patienten beschäftigen, die eine körperliche Krankheit gewählt haben, für die man bisher keine medizinische Diagnose gibt. Nicht selten trifft man auf Menschen, die auf rätselhafte Weise krank werden, wenn sie sich vor ungünstige Umstände gestellt sehen, oder auf jemanden, für den es im Augenblick einfach «ausgeschlossen» ist, sich ins Bett zu legen, der die Auswirkungen der Krankheit, etwa Fieber, so lange zurückdrängt, bis das große Ereignis vorbei ist und er nachgeben kann.

Ich kenne den Fall eines sechsunddreißigjährigen Mannes, der in eine unerträgliche Ehe verstrickt war. Am 15. Januar beschloss er, seine Frau endgültig am 1. März zu verlassen. Am 28. Februar hatte er 39,9 Grad Fieber und Anfälle von krampfartigem Erbrechen. Das Ganze entwickelte sich zum Zwangsritual; jedes Mal, wenn er sich aufgerafft hatte, bekam er die Grippe oder eine schwere Magenverstimmung. Damit hatte er seine Entscheidung getroffen. Kranksein war bequemer als sich mit den mit der Trennung verbundenen Schuldgefühlen, den Ängsten und der Beschämung auseinanderzusetzen und sich auf Unbekanntes einzulassen.

Denken Sie an die Werbung im Fernsehen. «Ich bin Börsenmakler … Sie können sich denken, was dabei an Anspannung und Kopfschmerzen auf mich zukommt. Ich nehme diese Pille da, und sofort fühle ich mich wieder wohl.» Gemeint ist: Bei bestimmten Tätigkeiten (Lehrer, leitende Angestellte, Eltern) können Sie Ihr Befinden nicht selbst beeinflussen, also lassen Sie das doch andere für sich erledigen!

Jeden Tag erleben wir ein Trommelfeuer solcher Werbebotschaften. Was damit bezweckt werden soll, ist klar. Wir sind nichts als hilflose Gefangene, die andere Menschen oder Instanzen brauchen, die für sie handeln. QUATSCH. Nur Sie selbst können Ihre Lage verbessern oder Ihre Lebensfreude vermehren. An Ihnen ist es, die Steuerung Ihres eigenen Bewusstseins zu übernehmen und dann die neuen Gefühle und Verhaltensweisen einzuüben, für die Sie selbst sich entschieden haben.

Innere Lähmungen – wie man sie vermeidet