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Die Trilogie einer Epoche. Mit Poesie, Menschenkenntnis und Humor schildert Erwin Strittmatter in seiner zwischen 1957 und 1980 entstandenen Trilogie den dornenreichen Weg eines Bäckergesellen zum Schriftsteller. Er schuf damit eines der großen und meistdiskutierten Werke der deutschen Literatur: Der letzte Band konnte erst nach einem langen Kampf mit der DDR-Zensur erscheinen. „Ich glaube doch, dass es in der Ordnung war, die Geschichte eines Dichters in unserer Zeit zu schreiben, zu beschreiben, wie arm er dran ist, und ich schreib das, obwohl ich weiß, dass der Dichter zu keiner Zeit ‚reicher‘ dran war.“ Erwin Strittmatter am 25. April 1978 in seinem Tagebuch
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Seitenzahl: 2257
Veröffentlichungsjahr: 2019
Erwin Strittmatter wurde 1912 in Spremberg als Sohn eines Bäckers und Kleinbauern geboren. Mit 17 Jahren verließ er das Realgymnasium, begann eine Bäckerlehre und arbeitete danach in verschiedenen Berufen. Von 1941 bis 1945 gehörte er der Ordnungspolizei an. Nach dem Kriegsende arbeitete er als Bäcker, Volkskorrespondent und Amtsvorsteher, später als Zeitungsredakteur in Senftenberg. Seit 1951 lebte er als freier Autor zunächst in Spremberg, später in Berlin, bis er seinen Hauptwohnsitz nach Schulzenhof bei Gransee verlegte. Dort starb er am 31. Januar 1994. Zu seinen bekanntesten Werken zählen sein Debüt »Ochsenkutscher« (1950), der Roman »Tinko« (1954), für den er den Nationalpreis erhielt, sowie die Trilogie »Der Laden« (1983/1987/1992).
Die Trilogie einer Epoche
Mit Poesie, Menschenkenntnis und Humor schildert Erwin Strittmatter in seiner zwischen 1957 und 1980 entstandenen Trilogie den dornenreichen Weg eines Bäckergesellen zum Schriftsteller. Er schuf damit eines der großen und meistdiskutierten Werke der deutschen Literatur: Der letzte Band konnte erst nach einem langen Kampf mit der DDR-Zensur erscheinen.
»Ich glaube doch, dass es in der Ordnung war, die Geschichte eines Dichters in unserer Zeit zu schreiben, zu beschreiben, wie arm er dran ist, und ich schreib das, obwohl ich weiß, dass der Dichter zu keiner Zeit ›reicher‹ dran war.« Erwin Strittmatter am 25. April 1978 in seinem Tagebuch
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Erwin Strittmatter
Der Wundertäter
Roman-Trilogie
Inhaltsübersicht
Erwin Strittmatter
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Erster Band
I Wenn die Bäckervögel singen …
1 Stanislaus kommt in Waldwiesen zur Welt, verbraucht vor seiner Geburt teures Winterholz, und sein Vater Gustav verprügelt die Hebamme
2 Stanislaus erhält den Namen eines Glasfressers. Der Pastor umsorgt seine Seele und versetzt Mutter Lena in Teufelsangst
3 Stanislaus erhält reiche Patinnen, wird abgetauft, erstickt und wieder ins Leben gerufen
4 Stanislaus ißt täglich dreizehn Läuse und nasführt den Tod
5 Stanislaus erzürnt einen Vogt, weilt ein Weilchen beim Tode und bringt die Büdner-Leute um die Winterkartoffeln
6 Stanislaus verschlingt einen Rehkopf, und Lehrer Klügel wächst von innen her über seine Ränder hinaus
7 Stanislaus verbessert die Geschichte des Jünglings zu Nain, und Lehrer Gerber wittert einen Heiligen auf evangelischer Seite
8 Stanislaus prophezeit seiner Schwester Elsbeth ein Kind und treibt seinen Eltern leise Schauer über die Rücken
9 Stanislaus hilft einen Mord klären und wird fortan für einen Hintergesichtigen gehalten
10 Stanislaus zähmt die Vögel unter dem Himmel, wundert sich über die Gewohnheiten reicher Leute und wird von der Gräfin zum Millionär gemacht
11 Die Büdner-Kinder fliegen aus. Stanislaus wird konfirmiert und scheintötet die Hühner seines Vaters
12 Stanislaus heilt ein altes Weib von der Kreuz-Pein, soll einem Manne das Augenmuckern vertreiben, stößt dabei auf den Gendarmen und prophezeit den Verlust eines Säbels
13 Stanislaus’ Säbelprophezeiung trifft ein. Der Graf läßt ihn aus Waldwiesen vertreiben
14 Stanislaus erlernt die Backkunst und den Zentralen Blick. Er zaubert Schaben auf den Buckel einer Magd
15 Stanislaus heilt einen Bäckerlehrling von der Rauchsucht und hext einem Meisterweibe die Geilheit an den Leib
16 Stanislaus begegnet einem weißen Fürsten, überwacht vergeblich die Polizei und erhält einen Brief der Großindischen Elefantenpost
17 Stanislaus wird ein Bote des Himmels und kommt mit einer bleichen Heiligen ins Gespräch
18 Stanislaus wird fromm und eines Engels ansichtig
19 Der Engel führt Stanislaus in den Stadtwald und heißt ihn mehrere Wunder verbringen
20 Stanislaus wird von der Menschheit verkannt und bereitet sich auf das Kreuzopfer vor
21 Stanislaus wird verschachert. Der Heilige Geist der Dichtkunst beginnt aus ihm zu sprechen, und seine Leidenszeit beginnt
22 Der Geist der Dichtkunst fährt fort, aus Stanislaus zu sprechen, und eine Versucherin sucht ihn in seiner Kammer zu versuchen
23 Stanislaus weint über seine Unwissenheit und leistet einem Meisterweibe Liebesdienste
24 Stanislaus wird eines theologischen Kamels ansichtig. Seine Dichtkunst wird von der bleichen Heiligen verschmäht, und er wünscht sich den Tod
25 Stanislaus wird einer Gasleiche ansichtig, wird von seiner Todessehnsucht geheilt und kann den Sinn von Gespenstern nicht begreifen
26 Stanislaus spricht mit einem Agenten Gottes und übt sich in Ergebenheit
27 Stanislaus geht auf Wanderschaft, wird auf Leberflecke abgeprüft und trifft einen verliebten Heiligen
28 Stanislaus schreibt letztmals an die bleiche Heilige. Er studiert die Liebe, aber das Leben spottet seiner Bücherweisheit
29 Stanislaus wird eines menschlichen Schmetterlings ansichtig und tritt den Geist der Ergebenheit mit Füßen
30 Stanislaus kleidet eine Sünderin. Gott läßt ihn züchtigen und lähmt ihn
31 Stanislaus studiert die Geschichten der Heiligen und wundert sich über die Gottesehe der Nonne Vineta
32 Stanislaus trifft auf den Herrn der Salzstangen, dringt in die Geheimnisse der Urnebel und verstößt ein Taubenmädchen
33 Stanislaus erzürnt den Herrn der Salzstangen, begegnet einem Seidenbandgemüt und hält sich eine Meisterswitwe mit einem Hammer vom Leibe
34 Stanislaus trifft einen Schüttler, flieht vor seinem Mitleid und wird über den höheren Sinn der Dichtkunst belehrt
35 Stanislaus stößt auf Gustav unter der Hutkrempe, staunt über die Vielverwendbarkeit von Kleie und wundert sich über einen Menschen ohne Papiere
36 Stanislaus bezahlt die Hochzeit eines Denkmalbenässers, erkennt Gustav unter der Hutkrempe und erlernt die höhere Kunst des Kartenspiels
37 Stanislaus steht kopf vor Freude, verliert seinen wirklichen Vater, fällt in Einsamkeit und beschließt, cand. poet. zu studieren
38 Stanislaus lernt, die Welt mit Hilfe der Wissenschaft zu zerstückeln, wird vom Kommißbrot-Mephisto heimgesucht und verführt, alsdann aber von einem Meisterweibe gerettet
39 Stanislaus erfährt das Versagen der Götter der Gelehrsamkeit, huldigt aufs neue der Dichtkunst, und ihm erscheint das Rehmädchen in der Holzmehlwolke
40 Stanislaus kommt zum Vater des Rehmädchens, schaut in die Winkel einer Dichterseele und stürzt sich durch Küsse in einer Küche in neue Leiden
41 Stanislaus wird eifersüchtig auf einen Mann mit weißen Handschuhen und beschließt, Ordnung in sein Gedankenleben zu bringen
42 Stanislaus kämpft vergeblich gegen die Unordnung in seinem Gedankenleben, marschiert unter der Brezelfahne und wird von einem Mondgesicht zum Zittern gebracht
43 Stanislaus verarbeitet seinen Kummer zu Gedichten, beschließt, ein Buch mit goldenen Rosen zu machen, und wird wieder in die Liebe zurückgerissen
44 Stanislaus wird, wie der Papagei der Gräfin, an einen goldenen Ring gefesselt, in einen Familienkäfig gestopft und feilt an der Munition der goldenen Rosen
45 Stanislaus’ Schuß mit den goldenen Rosen geht nach hinten los. Er studiert die alkoholischen Dünste, gibt einer Mädchenlaune nach und mischt sich unter die Marschierer
II Mancher ist lange unterwegs …
Vorspiel, worin von Männern die Rede ist, mit denen Stanislaus künftig sein Leben und Leiden verbringt
1 Stanislaus soll sich bei den stolzen Reitern selbst beschimpfen, verweigert es und wird mit Mauersteinen gewalkt
2 Stanislaus übersteht die Malträtiererei, wird dafür in den Karzer gesteckt, erhellt das Karzerdunkel mit einem Liebeslämpchen und hofft auf die Einsicht eines preußischen Rittmeisters
3 Stanislaus trifft einen wahren Kameraden und erkennt ihn nicht. Seine Liebe erstirbt an einem Drahtzaun, und seine Liebste wird von einem gespornten Ochsen gefressen
4 Stanislaus sucht nach der Menschenfreiheit, wird von seinem Kameraden Weißblatt auf die schneeigen Höhen des Geistes gezerrt und schaut von dort auf die Moraste des Lebens
5 Stanislaus muß einen Zigarrenstummel anbeten, macht Bekanntschaft mit dem Vater des Übermenschen und schwört den Weibern ab
6 Stanislaus kämpft mit Gespenstern, sucht nach dem Übermenschen und wird zu einem Junghabicht ohne Beinfedern
7 Stanislaus wird vom Kriege überfallen, läßt sich ein Schicksal anfertigen und erlebt das Wunder der Fernzeugung
8 Stanislaus wird ein Sechstel Pferd, erkennt die Unzulänglichkeit menschlicher Begriffe und trifft auf eine Gottbetrügerin
9 Stanislaus rettet einen brennenden Mann, wird für seine Guttat bestraft und beschließt, sich das Herz mit einer Heirat zu erwärmen
10 Stanislaus wartet auf seine Hochzeit, spickt einen Schreiber und erfährt, daß er fernverheiratet werden soll
11 Stanislaus wird von einem Mörder getraut und feiert sein Hochzeitsfest auf merkwürdige Weise in einer Lehmgrube
12 Stanislaus fährt aus der Fremde in die Fremde, soll sich über das Kind seines Feldwebels freun und fühlt, wie sich das große Nichts vor ihm auftut
13 Stanislaus friert vor Einsamkeit in der großen Stadt Paris, zitiert den Wein-Neck und rettet aus Zorn auf die Feldwebel ein Liebespaar
14 Stanislaus sucht nach neuen Lebenszielen, bezweifelt die Zulänglichkeit der Philosophen und wird in die Niederungen der Kleinkunst gestoßen
15 Stanislaus wird ein weitgereister Magier, beköstigt fünf Feldwebel mit Wasser und erhält Beifall für seine Kleinkunst
16 Stanislaus betrachtet die Frauen aus philosophischen Höhen und sieht einen gipsernen Engel zur Erde fahren
17 Stanislaus heißt den Tod willkommen, wird vom Beinernen verschmäht und durch ein merkwürdiges Liebespaar wieder dem Leben zugeführt
18 Stanislaus zweifelt an seiner Dichtermission und geht in die Gilde der verhinderten Dichter
19 Stanislaus reist durch eine Feldwebelseele, erhält eine Kostprobe Krieg und wird eines Verrückten ansichtig
20 Stanislaus bekommt Ehrfurcht vor einem noch nicht geschriebenen Buch, wird in ein Geheimnis eingeweiht und in Zweifel gestürzt
21 Stanislaus hilft August Bogdan eine Hexe binden, enttäuscht seinen väterlichen Freund Rolling und macht aus ihm eine Sumpfleiche
22 Stanislaus erhält einen Brief aus dem Himmel, ertappt sich bei Haßgedanken und sieht seinen Schützling, den Dichter, ins Verderben rennen
23 Stanislaus zaubert einen Zettel in das Brot eines Todeskandidaten, vollbringt eines seiner einfachen Wunder und entfacht einen Kleinkrieg zwischen zwei hochstehenden Männern
24 Stanislaus läßt gegen seinen Willen dem Kameraden Kraftczek die Mutter Gottes erscheinen und wird von seinem Freund Weißblatt über die Voraussetzungen aufgeklärt, die nötig sind, um ein Buch zu schreiben
25 Stanislaus macht Bekanntschaft mit dem Kriege, kriecht einem großen Weinen nach und entdeckt, daß die Kriegführer sich selber bekriegen
26 Stanislaus verwandelt sich zu Zittergras und zweifelt leise an der Mission seines Dichterschützlings
27 Stanislaus nimmt Abschied von seinem Pferd und wird auf die glückseligen Inseln des Odysseus verschlagen
28 Stanislaus hält sich für einen Kadaver, der auf Umwegen zu Grabe getragen wird. Der Geist der Dichtkunst übermannt ihn unerwartet, und sein Leben lichtet sich
29 Stanislaus spricht mit einem fremden Priester, faßt Liebe zu einem fremden Mädchen und verhindert, daß zwei fremde Hirten verhöhnt werden
30 Stanislaus sieht seine Geliebte entfahren, seine Hoffnungen entfallen, und seine Worte werden bitter wie Aloe
31 Stanislaus erfährt, daß Menschlichkeit nicht unbelohnt bleibt, verwandelt sich in einen Mönch und wandert neuen Wandlungen entgegen
Zweiter Band
Vorspiel Zwei fremdländische Männer betreten die Stadt Dinsborn; der eine segnet, der andere treibt schwarzen Handel und entpuppt sich als Sohn einer Prinzipalin
1 Zwei nackten Männern werden die Gewänder von einem Mädchen genommen; und das Mädchen wird dafür mit der Lust gestraft, einen der Männer zu küssen
2 Ein Expriester träumt von den Küssen zweier Frauen, ein anderer promeniert wie Adam vor einem Mädchen und wird von einem sagenhaften Weibe bespien
3 Stanislaus sucht nach dem Sinn des Lebens und entwickelt ein Selbstunterrichtssystem für die Dichtereiarbeit, um in dieses Handwerk einzuwachsen
4 Stanislaus kämpft gegen seine fallsüchtige Hose, bekommt die antike Götterwelt erklärt und erlebt den Start eines holzenen Raumschiffs
5 Stanislaus denkt über den Sinn des Lebens und fehlende Hosenträger nach und trifft auf einem Zementplatz einen Engel, der durch Leihjacken hindurchsieht
6 Ein Prinzipal sucht Bedürfnisse zu erwecken, aber die Bedürfnishäuschen läßt er zunageln, und er selber hat Bedürfnis nach einem Nachfolger
7 Ein Mädchen namens Rosa, das die Naslöcher bläht wie eine Ziege, braucht die Erlaubnis seines Onkels, um sich von Stanislaus für beschaffte Hosenträger entlohnen zu lassen
8 Stanislaus stellt fest, daß der Rhein aus einem Ei schlüpft, und Rosa muß ihm den Lohn für gelieferte Hosenträger entreißen
9 Stanislaus wird von einem unbeweisbaren Wesen heimgesucht, beschließt herauszufinden, wozu er lebt, und giert nach dem Mädchen Rosa
10 Stanislaus soll in die ZEMENTBESORGE eingeweiht werden und gelangt über den DENKER von Rodin zu merkwürdigen Denkergebnissen über den Prinzipal
11 Stanislaus sieht eine Liebespostkarten-Dame, wird von ihr »musikalisch umrahmt« und plantscht in der Bibliothek eines Edelhofes
12 Stanislaus wird die Arbeitswilligkeit von unbekannten Mächten verübelt; er durchsucht eine Kirche vergeblich nach Rosa und tröstet sich bei der Herstellung eines Hilfsschemas zur Klassifizierung der Menschheit
13 Weißblatt entdeckt den »weltgänzlichen Übersinn«, gründet den Santorinischen Bruderorden und macht sich zum Popignore Johannis I
14 Stanislaus lernt den Nacherfinder des Stehenden Seiles kennen, wird ein Arbeitnehmer von Arbeitnehmern und erfährt vom Popignore Johannis I., daß er Essays geschrieben hat
15 Stanislaus betrifft Rosa mit einem Jack-London-Doppelgänger, baut sich eine Gedichthöhle, wird aber von Rosa in eine Bücherhöhle und in Peinlichkeiten gestoßen
16 Stanislaus wird in ein Büro betoniert, kämpft gegen die Geruchsstrahlen von Schwefel und soll von einer Papiermücke verführt werden
17 Der Popignore stößt beim Durchgrasen von Zeitungen auf seine vormalige Gespielin, und Stanislaus erscheint zum zweiten Male auf dem Edelhof, um über einen Zitronenfalter zu referieren
18 Rosa erfährt, daß die Kunst ein überflüssiges Rad am Weltwagen ist. Stanislaus spaziert mit einer Papiermücke und demütigt Rosa
19 Der Popignore und der Prinzipal plaudern an einem Heimspringbrunnen über einen hohen Geldbetrag. Stanislaus wird zum Anlaß eines mißglückten Selbstmordes, und es erscheint ihm eine nixenbeinige Rosa
20 Der Popignore trifft auf eine Adelsdame und das Nachtleben von Düwelsheim. Er versucht zwei Damen zu expropriieren. Von Stanislaus wird berichtet, daß er erbschleicht
21 Stanislaus fertigt Linealstriche und symbolträchtige Gedichte und geht zum Stelldichein mit einer Papiermücke, das vom Prinzipal zu einem Entlassungsgespräch umgeformt wird
22 Stanislaus verläßt in angenehmer Gesellschaft die WEISSBLATTSCHE BETONBAU PP., hört die Sommernacht reden und wird von Rosa degradiert
23 Stanislaus wird vom Meisterfaun auf die ewigen Gesetze der Kunst aufmerksam gemacht und stellt aus Protest Trümmerlyrik her. Rosa erstattet Osero Falschbericht
24 Stanislaus, der Edelhofhausdichter, verweilt beim Buchstaben A, stellt ein alogiales Gedicht her und eignet sich Kenntnisse über den Zündkerzenfunken an
25 Rosa erwägt, ob Kommunarden einander fürchten dürfen. Stanislaus wird zum Diener degradiert, macht Bekanntschaft mit der hyperprogressiven Dichtkunst und soll Ordensdichter werden
26 Stanislaus hat wieder eine Präsidiumssitzung mit dem Meisterfaun. Er soll Rosa wiedersehen und greift voll Dankbarkeit darüber zu Rilkeschen Praktiken
27 Stanislaus trachtet zu erforschen, inwieweit es im Leben vorangeht, zwei Männer verhandeln über Rosa, und Frau Mautenbrink beraumt eine Herbstbeginning-Party an
28 Stanislaus sieht, wie sich auf einer Edelhof-Party Froschzehen recken, sieht Julia auf der Bühne und Rosa neben sich
29 Stanislaus tanzt zum ersten Male mit Rosa, wird eingeladen, für die Bühne zu dichten, wird von Schaman Rishi aufs neue beleidigt und nimmt Rache
30 Stanislaus erlebt die plötzliche Ernüchterung einer Unbetrunkenen und soll im Anschluß an eine MEDIALREISE vergewaltigt werden, entfleucht aber
31 Stanislaus mischt sich unters fahrende Volk und versucht sich in der Maßkonfektion von Theaterstücken
32 Stanislaus verlegt seine Dichtereiwerkstatt ins Bett und wird von seiner Mitarbeiterin unvorteilhaft beeinflußt
33 Stanislaus meditiert über die Austauschbarkeit des Menschen, streicht Geld ein, das er mit »eigenem Kopfe« verdiente, und wird über das »proletarische Element« aufgeklärt
34 Stanislaus erkauft sich schreibgünstige Ruhe mit einem Mantel und wird als Blinder einer Erscheinung ansichtig, die Rosa gleicht
35 Stanislaus beheizt einen Kanonenofen mit einer Kriminaltragödie, entheiratet sich mit der Lund und beunflatet den Meisterfaun
36 Stanislaus läßt die literarischen Geister Staniro und Rosaria erscheinen, und der Autor des Romans teilt sich den Damen vom Theater mit
37 Stanislaus erlebt, was Gestalten, die er anfertigte, unter den Menschen ausrichten; Rosa erscheint ihm, doch er wird von anderen Damen gehindert, sich ihr beizugesellen
38 Stanislaus durchsucht eine Winternacht nach Rosa und empfängt die ersten Nadelstiche öffentlicher Kritik
39 Stanislaus wird wieder seßhaft, rutscht wie ein DÄUMLING in die Eingeweide eines Riesenschafes und wird dort zu einem Pampel
40 Stanislaus lehrt seine Finger das Sehen und lernt beim Warten auf einen Brief von Rosa eine eigene Dichtereiarbeit auswendig
41 Stanislaus wird von einem kleinen Gott beobachtet. Der Popignore verunglückt bei einer Expropriierung und enttitelt sich
42 Stanislaus singt in vielen Tonlagen, spricht in fremden Sprachen und macht aus einer Anakonda eine Ringelnatter
43 Stanislaus wird von Rosa in die Spezies der Affen eingereiht, während er entdeckt, daß er bisher ein Erdchauvinist war
44 Stanislaus wird in eine Maschine eingebaut und trifft einen »guten Menschen«; er wird der sehende Anführer einer Blindenbrigade und trifft auf einen karelischen Bekannten
45 Stanislaus erscheint in seiner Heimat Waldwiesen, macht seinen Künstlerhut zum Kartoffelkorb und sieht, wie seine Essays verbrennen
46 Stanislaus bringt seinen Eltern einen Koffer voll Nichts, kleidet seinen Bruder und wird zum Erfinder von Gedankenflugzeugen
47 Stanislaus soll eine Advokaterei mit Zahnarztstuhl betreiben, doch er will Kammer-Romanschreiber werden
48 Stanislaus erhält von seinem Vater Gustav ein »Dichtungsbüro«, schreibt über sieben weiße Hühner und wird auf neue Weise wundertätig
49 Stanislaus feiert ein Frühlingsfest und erfährt dort, daß er verarmt und der Onkel eines Franzosenjungen ist. Er hat einen unzulässigen Traum
50 Stanislaus’ Dichtkunst läßt ihn für das Amt eines Gemeindesekretärs geeignet erscheinen. Er wird um Kuhmilch mit dem Tode durch Erstechen bedroht
51 Stanislaus soll mit Schweineschinken vom Wege der Gerechtigkeit gelockt werden. Er besiegt seine Furcht und zieht gegen ein nackthinteriges Bauernweib in den Kampf
52 Stanislaus wird vom Bürgermeister zum Eintreten eingeladen. Er wirkt brechreizend auf seine Mutter Lena und macht ein Fahrrad zur Aktentasche
53 Stanislaus wird von seiner Schwägerin eines unkeuschen Lebenswandels und von seiner Mutter der Eselei bezichtigt. Seine Dichtkunst stößt mit einer Klistierspritze zusammen
54 Stanislaus wird gewahr, daß er fünfundsiebzig Papierseiten mit Tinte ornamentierte, verdächtigt den Meisterfaun geheimer Hurerei und macht sich auf, seine Kindheit zurückzuholen
55 Stanislaus wird von Stangenbiel bis zum Wecken beurlaubt, schlägt einem Kreissekretär vertraulich aufs Knie und beweist ihm, daß ein Künstler, der die Wahrheit sagt, leicht zuschanden werden kann
56 Stanislaus trifft mit seinem Abrieb zusammen, erfährt, daß er eine Leiche ist, wird überraschenderweise von seiner Frau geküßt, dann aber ideologisch verdammt
57 Stanislaus erfährt, daß er über Großnichten verfügt, und wird von Reinhold gewarnt, auszusprechen, was er denkt
58 Stanislaus liebt unter den Sternen dahin, überwacht das Kuhausmelken und erhält das Versprechen, daß man ihn nach seiner Beerdigung besonders ehren wird
59 Stanislaus kommt in den Geruch eines Radikalen, versucht ein bleiches Mädchen unter drei Birken zu trösten und wird mit dem Dienstgrad eines Heiratsschwindlers belehnt
60 Stanislaus wird in Lilians Parteiliebe eingeschlossen und in die Kaste der Bäcker zurückgestuft. Er wird der Meister eines weiblichen Gesellen, aber es gefreut ihn nicht
61 Stanislaus wird vom Glück gelullt, soll dafür aber Alimente zahlen. Er wird von einem sanften Weibe aus seiner Schreibhöhle verwiesen, und ein kleiner Versucher versucht ihn in die Gefilde der Ehrsamkeit zu locken
62 Der parteilose Stanislaus erhält beim Brotwirken einen Parteiauftrag, seine Schwester nimmt ihn nicht ernster als einen Züchter von Grashüpfern, und er erhält den ersten seiner achtundsiebzig Fragebogen
63 Stanislaus erfährt von Gustav, daß in seinem Roman zuwenig Regenbögen auftreten, erkennt die Zweckmäßigkeit des Buddhismus und weigert sich, ein Widerstandskämpfer gewesen zu sein
64 Stanislaus hilft einem weiblichen Schiff seinen Hafen finden, wird von Sitzungen besessen gemacht und läßt zum ersten Male Spiritistengeister aus sich reden
65 Der Parteischüler Stanislaus belehrt eine Krankenschwester über Zigeuner, wird von seinem einstigen Eheweibe aufs neue verleumdet, trifft eine Totgeglaubte und wird »Referendar«
66 Stanislaus trinkt aus den Wissensquellen und versucht sich in der »Erstellung« eines Gedichtes, mit dem er aus dem Rahmen einer »kulturellen Umrahmung« fallen will
67 Stanislaus fertigt eine Präambel und wundert sich etwas zu spät über den Dichter Jo Ostra. Er wird eines Frauenräubers ansichtig und für einige Dozenten in den Adelsstand erhoben
68 Stanislaus entdeckt die Unzulänglichkeit der Eisenbahnbenutzer und erkennt seinen Heimatort Waldwiesen nicht wieder. Er kämpft mit einer Ziege um ein Flugzeug und versieht seinen Romanhelden mit Ostereierfarben
69 Stanislaus findet eine schönere, aber noch rätselhaftere Rosa, gibt sein Jawort zu Katharinas Verheiratung und lernt seinen ersten Sohn kennen. Er weiß verschiedene Rätsel nicht zu deuten, doch er nimmts von neuem mit dem Leben auf
Dritter Band
Vorspiel Büdner geht unter die Zeitungsmacher, tauft sich Stabü, vergeht sich an Goethes »Faust« und politisiert das Belecken von Zuckerschnecken
1 Büdner gebärdet sich wie ein Hofhahn, mißfällt einem Theatermann und einigen Stadtvätern und bemerkt erstaunt, wie sich ein Zuckerschneckenbelecker infolge Zeitungskritik zum Halsabsäufer entwickelt
2 Ein »prickelndes Novum« wird von einem Intendanten geschmäht und von einer Ärztin gerühmt. Der Meisterfaun warnt, der Klassenfeind belästigt Büdner, aber der läßt eine Taube gen Himmel fliegen
3 Büdner heilt einen Sprach-Stolperer, fertigt ein unjarowisiertes Gedicht an und wird einer Selbstkritik enthoben, weil Goethe pressefeindlich war
4 Büdner politisiert eine Bettlerfigur, erfreut sich eines nicht lispelnden Othello und wird zur Anfertigung eines Braunkohlenhelden herangezogen
5 Büdner wird vom Klassenfeind geschmäht, von Waker-Leuten »hoch eingeschätzt«; der Versucher erscheint ihm in Gestalt einer Doktorin, und der Nimbus eines Braunkohlenhelden wird von einem Invaliden-Gehstock zertrümmert
6 Büdner bezweifelt die Unerschöpflichkeit der Erde, wird dafür gerügt, erfährt, daß er unerwünscht auf Erden wandelt, und fürchtet Verständigungsschwierigkeiten mit Welt-Raum-Menschen
7 Büdner singt auf einer Weihfeier rund, gewahrt, wie Menschen sich hinter Liedern verstecken, entdeckt den kleinen Tod in seiner Mutter, wird mit Sommerstrümpfen beladen und trifft auf die Fata Morgana seines Weibes Rosa
8 Büdner lernt die liebreiche Romantheorie seines ehemaligen Dorfbräutleins kennen, berichtet von einem Prügelkonto, soll geküßt werden, treibt eine Sekretärsgattin auf einen Tisch und wird zu einer Maus mit Stirnglatze
9 Büdner versieht die Frau seines Bezirkssekretärs mit einem imaginären Kind, erfindet das jus primae question, mischt sich durch einen Briefkasten in die Angelegenheiten großer Politiker und verhindert die Ausbreitung von Seuchenkäfern im Volksblatt
10 Zwei Damen bringen Büdner in zwei verschiedenen Ausführungen aus dem Gleichgewicht; er wird eines Ehe-Krach-Opfers ansichtig und »findet« sich mit einer Doktorin auf einem Salonfußboden
11 Büdner wird vom Meisterfaun über sozialistischliberale Misch-Ehen aufgeklärt, erfährt, daß Formkanäle weder im Walde wachsen noch in der Zeitung erscheinen dürfen, und stellt fest, daß ein geheimnisvolles Es beim Romanschreiben mitwirkte
12 Büdner erfährt, daß auch die heißeste Ideologie zugunsten von Handel und Wandel zurückgestellt werden kann. Er macht einen Kulturredakteur zu seinem West-Onkel und leistet Beihilfe zur Entführung gefüllter Schnellhefter
13 Büdner lernt den Segen des Vorglücks kennen, erwirbt im Wachtraum das »Buch der gelösten Lebensrätsel«, und hinter den Kulissen seines Lebens wird neues Schicksal für ihn angefertigt
14 Büdner schreibt eine Geschichte gegen Selbstbetrug und Taschenlügnerei, verwirft sie, da ihm Schmeichelhaftes widerfährt, wird der eifrigste Leser seiner selbst und erlebt, wie ihm ein Vorglückstraum zerschellt
15 Büdner stürzt seinen Kreissekretär in literaturtheoretische Schwierigkeiten, verhilft einem anderen Sekretär unbeabsichtigt zu einem Necknamen und erwirbt sich dessen treue Feindschaft
16 Büdners Roman beschäftigt die Leser, die Leser beschäftigen sich mit seinem Roman, und er wird geschmäht. Vater Gustav stellt fest, daß sein Sohn Stanislaus trotzdem kein Imperialist ist
17 Büdner wird durch sein berufsfremdes Tun vor das Tribunal seiner Kollegen gebracht. Er verurteilt sich selber und wird durch eine zufällige Ansammlung von Friedensfreunden zu der Erkenntnis gebracht, daß es sich bei seinem Roman, der ihn leiden macht, um eine lächerliche Privatsache handelt
18 Büdner erwartet einen Knall und erfährt, wie sich ein Kreissekretär durch das Buch eines Kaisers trösten ließ. Eine Versucherin stürzt Büdner in neue Konflikte; er sucht ihrer durch einen Mordversuch am Meisterfaun Herr zu werden
19 Büdner soll Lebenshilfe und neuerlei Schulung von seinem Bezirkssekretär werden, doch das großzügige Hilfsanerbieten kommt zu spät
20 Büdner wird von seiner Wirtsfrau zum schreibwütigen, doch einigermaßen brauchbaren Menschen erklärt; ein von ihm angefertigter Held sagt gut für ihn aus; ein Kreissekretär spricht ihm die Merkmale des Genies ab
21 Büdner dringt ins Erd-Innere, ist dort aber nicht gern gesehen. Er legt sich in eine Grube, arbeitet an seinem eigenen Begräbnis, zapft das Kräfte-Reservoir der Heiligen an, gelangt halbtot nach über Tage und wird eines Schutz-Engels ansichtig
22 Büdner soll seine wunden Hände mit Dachsfett behandeln, behandelt sie aber mit eigener Tinktur; seine Dichter-Antennen fahren wieder aus; er wird von seinem Arbeitskollegen für den Abgesandten einer ausländischen Stadt gehalten
23 Büdner hört die Erde auf ihrem Tropfenklavier spielen, vernimmt, daß sein neuer Arbeitskollege einen Drachen als Haustier hält, und erfährt von seiner Kostfrau ein Geheimnis, das jeder in Finkenhain kennt
24 Kleinermann sucht einen Vermißten und entschuldigt sich wider die Norm bei einem Parteimitglied. Büdner entgeht der Trunksucht und der Gefahr, in ein neues Fiebertraum-Kapitel hineingezogen zu werden
25 Büdner geht zu Katharinas Geburtstag, erlebt einen Zigarettenbagger und eine Genossin, die der Verbannung entgeht. Er wird von seiner ehemaligen Dorfgespielin überrumpelt und verzürnt sich mit Reinhold
26 Büdner verfällt der Schreibsucht wieder, wird vom Meisterfaun verwarnt, eilt, seine Mutter zu begraben, wird vom Vater des »verfehlten« Romans wegen in das siebente Glied des Trauerzuges verwiesen und erfährt, daß die Kunst ein Wunder ist
27 Lekasch wird nach Finkenhain geladen; er kommt, küßt die Finkenhainer und macht sich mit Büdner bekannt. Es wird eine große Versammlung anberaumt und musikalisch eingeleitet, um Lekasch wieder auszuladen
28 Lekasch liegt mit Schuhen im Bett und macht Lenka Meura an seinem Dichtertum zweifeln. Lekasch und Kleinermann zeigen einander die »schwarzen Flecke« ihrer Parteileben; Büdner widerfährt trotz allem Freude
29 Büdner befindet sich wieder im schwebenden Zustand, trifft auf seinen verschütteten Freund Friede, versucht ihm zu helfen, der Tiefbau-Geist tatzt auch nach ihm, und er erhält einen weißen Boxhandschuh
30 Büdner erfährt, daß der Tod die Rückseite des Lebens ist, hält Audienzen ab, hilft seiner Schwester, durch den Verlust von zwei Fingern, ihren Geliebten zu ehelichen, und wird von Katharina entbunden
31 Büdner wird ein Haspler; Zufriedenheits-Kristalle schießen in ihm an, doch er fertigt sich zwei Ersatzfinger und treibt neuen Unruhen entgegen
32 Büdner ist vom Leben der Zarobas angetan. Er frönt seiner Eitelkeit, liest die Geschichte von Risse vor drei Leuten, doch sein dritter Zuhörer verschwindet
33 Büdner wird von einem Geheim-Genossen des Umgangs mit einem Agenten der Reichen beschuldigt, und der Meisterfaun rät ihm, von Risse abzustehen
34 Büdner blickt ins vertrackte Leben eines polnischen Hunteschmierers. Friede Zaroba sucht zu erfahren, was die Bäume denken, und zu verhindern, daß sein Haus zu einer unzuverlässigen Herberge gemacht wird
35 Die Kunde vom Tode eines Weltvaters gelangt zu den Unterirdischen. Ein schwarzer Platz wird in einen roten Platz verwandelt
36 Büdners Roman kommt als Buch zu ihm und bringt verschiedene Leute in Verlegenheit. Der Autor hält eine Morgen-Lob-Rede auf die Schönheit der Welt, und ein Ringeltäuber stimmt ihm zu
37 Büdner wird seiner Parteistrafe auf merkwürdige Art ledig; Wummer kommt ihm mit Pferdehändlermanieren; Vater Gustav läßt sich von ihm die Dichter-Vaterschaft bescheinigen; Lenka Meura erhöht sein Kostgeld, und er steigt wieder in eine Schicksalskutsche
38 Büdner macht das Kinogehen zu seinem Beruf, läßt sich einen Windsorknoten binden und läuft Gefahr, von einer Autogrammjägerin erlegt zu werden
39 Büdner schreibt einen Film-Fahrplan. Ein Sekretär bietet ihm sein Leben »zwecks schriftstellerischer Auswertung« an
40 Büdner soll einen angehenden Filmhelden revolutionieren; speist in einem Restaurant für Schlipsträger, schluchzt im Theater und übernachtet im Hotel Adlon
41 Büdner verliert den Meisterfaun, soll mit Sturmwind und Gespenstern für eine wilde Ehe gekirrt werden und wird eines marmornen Engels ansichtig
42 Büdner erhält Auftrieb vom marmornen Engel, erwartet vergeblich dessen zweites Erscheinen und muß sich mit einem Brief seines ehemaligen Bräutchens nottrösten
43 Büdner dringt in fremde Häuser und Küchen, versucht den Geist der Wahrheit zu verbreiten und empfängt selber Belehrung mancher Art
44 Büdners Herz wird von der Sawade überwacht; seine Kindheit ein zweites Mal veröffentlicht. Er küßt Rosa vor Raswan, und Katharina nutznießt von seinem Ruhm
45 Büdner wird verführt, im Schriftstellerverband über Kartoffelpreise zu reden, und findet damit Anklang beim großen Lukian List
46 Büdner versäumt durch ein rüpeliges Telegramm seiner Schwester, Lukian List zu besuchen; sein toter Vater Gustav beschäftigt zwei Redner; Katharina bezichtigt ihn und Reinhold des Brahmanentums
47 Büdners Fehltod wird entdeckt. List setzt ihn den Verführungen des Klassen-Satans aus und macht ihn mit der Theorie der Bedürfnislosigkeit bekannt
48 Büdner wird von eineiigen Zwillingen umbuhlt und von Lukian List zum Teilhaber einer Romanfabrik gekürt
49 Wie die Leisegang sich hinter dem angsthäsigen Weißblatt versteckte und barocke Holz-Heilige fand, und wie Weißblatts Betrieb für die Herstellung von Pseudo-Literatur Konkurs machte
50 Weißblatt erfindet eine Nachnahme, wird vom ehemaligen Fräulein Mück gespeist, von seiner ehemaligen Gespielin abgespeist und von John Samsara bevorschußt
51 Büdner entdeckt seinen dritten Blickwinkel und bekommt Kenntnis vom »Jüngsten Gericht«
52 Büdner erlebt eine menschliche Kernspaltung, und es widerfahren ihm zwei Wunder
53 Rosa bricht Ehe, läßt sich schein-interviewen und nimmt an einer Theaterpremiere in Halle teil, die in der Großmeister-Allee stattfindet
54 Büdner erfährt, daß das Leben ein Schnittmusterbogen ist, und Katharina fragt ihn, wo die Tage hingeklungen sind
55 Büdner schüttelt sich vor Glück über gelungene Verhandlungen, und Rosa schraubt ohne Gebrauchsanweisung am Schicksals-Chronometer
56 Büdner erfährt, daß es lohnt, als Leiche noch umzusiedeln, daß ein toter Liebhaber seine Geliebte noch glücklich zu machen vermag und daß es ein Glück sein kann, als Millionär für einen Kontrolleur gehalten zu werden
57 Rosa teilt ihrem staunenden Vater mit, daß er von Besitzenden regiert wird, beschafft Unschuldsbeweise und verstrickt sich in Schuld
58 Osero empfängt Rosa mit Statuten, und Rosa versucht, ihn in einem erdachten Gespräch zu belehren; zwei Männer sprechen von ihr, als wäre sie ein Kind
59 Lukian List wird an ein Gedicht über rüchige Weibsfüße erinnert, wird »schlesischer Barbar« geschimpft und macht sich zum Belehrer seines Lehrers in der Weltwissenschaft
60 Büdner befristet einen Trauerbrief wie eine Nachnahme, wird gerockt und gerollt, sieht Rosa reden und hört nicht
61 Büdner spielt einen Bettler und einen Weisen, bekommt den »dialektischen Punkt« gezeigt und verschickt eine Warnung
62 Büdner stößt auf die Gefährlichkeit von Ersatz-Göttern, wird um seine Meinung gebeten, hat keine und produziert Gerbsäure
63 Büdner entwirft ein Rasse-Gretchen; Reinhold läßt ihn auffordern, wieder einzutreten; ein List-Zwilling macht sich mit ihm verwandt
64 Lekasch trinkt auf Büdners »Rasse-Töchter«, aber Haupt-Amts-Leute schütteln sie hin und her, und sie fallen durchs Sieb
65 Raswan korrigiert historische Gesichtspunkte; Rosa befragt ihn peinlich, macht journalistische Entdeckungen und mißtraut der »Zange der Dialektik«. Büdner wird der Gleichmacherei bezichtigt
66 Büdner wird von einer Kassandra für schreibunfähig, von Lukian List zum Metaphysiker erklärt und wirft seine Postbotenmütze ins Nachtdunkel
Nachspiel
Impressum
Für Eva
Stanislaus kommt in Waldwiesen zur Welt, verbraucht vor seiner Geburt teures Winterholz, und sein Vater Gustav verprügelt die Hebamme.
Der Herr der Wälder hob die Hand. »Halt!« Die hagere Hand pendelte zwischen den Baumzweigen wie eine gespenstische Frucht. Der Mann mit dem Handwagen blieb stehn. Furcht duckte ihn, er sah auf das Waldgras vor seinen Füßen. Den blinkenden Tau an den Halmen sah er nicht. Der Kuckucksruf wehte ungehört an seinem Ohr vorüber.
Der Förster verließ sein Fichtenversteck und ging auf den Mann zu. Seine Blicke schienen das Leseholz auf dem Handwagen auseinanderzukratzen. Der Mann war der Glasmacher Gustav Büdner; der Handwagen gehörte ihm und enthielt seine letzte Leseholzfuhre für jenes Jahr.
Der Förster entdeckte unter dem Leseholz einen zersägten Trockenstamm. Nun zog er sein Notizbuch und schrieb etwas hinein. Gustav Büdner starrte auf den langen Nagel am Zeigefinger des Försters. Wozu braucht ein Mensch einen so langen Fingernagel? Braucht er ihn zum Ausräumen seiner Baumelpfeife? – Der Förster ging bis zu einem Baum am Waldrand, bückte sich dort und ritzte mit dem langen Fingernagel ein Kreuz auf den Waldboden. »Hier abladen!«
Es kam ein Strafschein über einen Taler: »… wegen des Versuchs, aus den gräflich Arnimschen Waldungen ein Viertel Klafter Nutzholz zu entwenden … Waldwiesen, 12. July 1909. Der Amtsvorsteher: Duckmann.« – Auf Nimmerwiedersehn, du liebes Talerstück!
Der Straftaler brachte die schmale Haushaltskasse der Büdners in Unordnung. Es konnte keine Erlaubnis zum Blaubeerensammeln von der gräflichen Forstverwaltung gekauft werden. Lena, die Frau, mußte die drei Mark in der Blaubeerzeit mit täglichem Angstschweiß bezahlen. Sie fürchtete den schnüffelnden Forsteleven, und dabei pochten zwei Herzen in ihrem Leibe.
Sollte Gustav Büdner den Taler ohne Zucken und Mucken rollen und das Holz des Trockenstammes, die letzte Fuhre Leseholz liegenlassen, wo sie lag? Nein. Gustav spielte an einem Sonntag mit den Kindern Auto. Jedes Kind schnurrte in einer anderen Tonart. Gustav war der Herr, der die Autos in alle Welt aussandte. Er ließ sie zu einer ganz bestimmten Stelle schnurren, zu der Stelle, an der der Förster mit langem Fingernagel ein Kreuz in die Erde geritzt hatte. Jedes ausgesandte Auto mußte einen Knüppel Leseholz von dort mitbringen. Für die Sägstücke des Trockenstammes stellte Gustav sogar ein Lastauto, ein kräftiges Lastauto aus zwei Kindern, zusammen. Er mußte das den Kindern lange erklären; sie hatten das hochrädrige Auto des Grafen, aber noch kein Lastauto gesehen. Solche Wirrnis um das Winterholz, solche Ungelegenheiten!
Der Mensch Gustav Büdner hing durch eine Reihe lebenskräftiger Väter wie durch eine gute Nabelschnur an der Welt. Sein Vater, Gottlob Büdner, hatte Gustavs Großmutter, die eine Magd war, zu früh zur Kindsfreude hingestoßen. Sie war noch nicht reif für diese Freude, noch nicht bemannt, noch nicht auf Muttersorgen gerichtet gewesen. Deshalb sollte und sollte er nicht sein. Er aber trotzte den giftigen Absuden, die sie trank, dem heißen Rotwein mit Nelken, den Sprüngen vom Melkschemel im Kuhstall und selbst dem kühnen Griff der Abtreibemuhme.
Er kam in diese Welt und ließ sich nicht zurückhalten.
Der Vater des Gottlob Büdner trotzte sein Leben dem preußischen Prügelstock des Grafen Arnim ab. Er entsprang dem Sterbelager, auf das ihn gräfliche Ziemerhiebe geworfen hatten, mit einem Humpelbein.
Der Großvater des Gottlob Büdner entrann den Pocken mit einem narbigen Gesicht, und dessen Vater hinwiederum steuerte sein hartholzenes Lebensboot durch die Pestwogen. Kurzum, die Büdners trotzten Tod und Verderben wie die Unkräuter am Wegrand, deren Lebenskraft der Stunde ihrer Entdeckung und Verwendung zuharrt.
Drei Wochen nach dem Einbringen der letzten Leseholzfuhre hastete Gustav Büdner eines Abends von der Arbeit. Fünf schnelle Schritte, dann ein Sprung! So kam er aus dem Wald in die Feldmark. Der Waldweg war schattig, auf dem Feldweg glitzerte der Sand in der Sonne. Büdner kniff die Augenlider zusammen und sah zu seinem Kartoffelstück hinüber, einem Streifen Sandland, auf dem die Stauden kümmerten. Am Feldrand sollte ein beladener Handwagen stehn. Büdner wollte ihn heimzerren. Es stand kein Handwagen dort. Seine Lena hatte kein Unkraut für die Ziegen gerupft! Im Walde hatte Gustav noch ein dummes Liedchen gepfiffen: »Ein Vogel singt vor Lust und Lieb, doch ist sein Nest erst voll Gepiep, ists mit dem Singen aus …« Jetzt aber nistete sich der Ärger wie eine schwarze Waldspinne zwischen seinen Gedanken ein.
Da lag das Vorwerk – fünf Häuser stark –‚ und bei jedem Haus in einem Nest von Bäumen ein kleineres, ein Hausjunges, der Stall. Aus dem Schornstein auf Büdners Hausdach stieg eine zerzauste Qualmwolke. Die Lena verpraßte also das Winterholz, das teure, umständlich erworbene Winterholz! Die schwarze Ärgerspinne übernetzte Gustavs Gedanken ganz und gar. Am liebsten wäre er wie ein Tier auf allen vieren getrabt, um schneller daheim zu sein. Wie oft hatte er Lena anbefohlen, die Futterkartoffeln mit dem Mittagbrot zusammen abzukochen. Wieder hatte sie es unterlassen und kochte nun volldämpfig, um ihre Nachlässigkeit zu verbergen. Oh, die verdammte Nähfummelei! Ach, die verfluchte Lesewut seiner Frau! Er hatte nichts gegen das Nähen. Es mußte sein. Der Mensch konnte nicht mit bläkenden Löchern in seinen Kleidern unter dem hellen Himmel einhergehen. Er hatte auch nichts gegen das Lesen. Das Lesen half zuweilen die zwickenden Nöte vergessen. Er hatte aber gegen Nähen und Lesen etwas, wenn es am Tage geschah. Nähen war eine Ausruhbeschäftigung für den Abend, und den nagenden Nöten konnte man am Tage durch strenge Arbeit entkommen. – Der Zorn lag Gustav wie ein praller Sack im Rücken. Er stolperte auf dem glatten Fußsteig, da rief eine dunkle Kinderstimme: »Brauchst nicht zu sputen; er ist noch nicht da!«
Seine Tochter Elsbeth saß in der Wildfliederhecke. Gustav hielt so plötzlich ein, daß der Rest Gerstenkaffee in der Rucksackflasche gluckste. »Wer ist nicht da?«
»Der Neue.«
»Welcher Neue?«
»Ich hab die Tante Schnappauf holen müssen. Sie wartet mit der Mutter auf den Storch.«
Gustav lief schon wieder. War auf die Weiber Verlaß? Lena hatte auch den Decktag der jungen Ziege nicht aufgeschrieben.
Geschrei und Gekreisch. Gustav fuhr herum wie ein Wetterhahn bei Sturm. Hinter ihm trappelten seine sechs Kinder und schubsten einander; jedes wollte den neuen Jungen zuerst sehn. Herbert plumpste in den Mahlsand und schrie. Paul stolperte über ihn und kreischte. Elsbeth rannte zu Hilfe und barmte. Gustav fuchtelte. »Zurück, zurück zum Flieder! Erst wenn ich pfeife, kommt ihr!«
»Was wirst du pfeifen?«
»Der Jule hat sein Geld verjuxt …«
Das Hoftor breit auf, die Gartenpforte breit auf.
»Das sieht nach Zwillingen aus. Gott, sei ein Kerl und steh mir bei!« räsonierte Gustav.
Die Viehkartoffeln lagen gekocht im Futtertrog. Aus dem Schornstein qualmte es fort und fort. Man siedete das Badewasser. Gustav raffte rohe Kartoffeln ein. Weshalb sollten nicht auf der gleichen Glut Viehkartoffeln für den nächsten Tag kochen? Den Topf vorn, den Rucksack hinten – so ging Gustav in die Küche und der Geburt eines weiteren Kindes entgegen.
Der Schlüssel knirschte im Schloß. Die Hebamme kam aus der Schlafstube. Sie war dick und rotgesichtig – die Gesundheit selber –‚ eine Mutter des Lebens. »Ein schöner Junge wieder, Gustav!«
Für Gustav war die Hebamme mit dem Totengräber verwandt. Anderer Leute Leid – ihre Freud. Hebamme und Totengräber arbeiteten auf die Länge des Lebens Hand in Hand; sie holte die Menschen in die vertrackte Welt, jener schaffte sie hinaus. Bezahlen mußten die anwesenden Weltbewohner. – Gustav rückte die Töpfe auf dem Herd zurecht und sah die Zubringerin des Grabgräbers nicht einmal an. »Geh mir los, Windelhexe!«
Die Hebamme plantschte lustig im dampfenden Wasser. »Neun Pfund der Junge diesmal, Gustav!«
Gustav fuhr sich mit einem ausgebrochenen Kamm durch seinen Haarstutz. »Gib zu, daß dich die kleinen Leute nähren!«
Die Hebamme trocknete sich die Hände ab. Ihr Gesicht glich dem eines Pferdehändlers, der gut verkauft hat. »Jeder Erdenmensch dankt Gott, schenkt der ihm Kinder mit gesunden Gliedern.«
Gustavs Hand zitterte. Der Scheitel in seinem Haarklecks über der Stirn wurde schief. »Gesteh, daß dich die kleinen Leute fröhlich machen!«
Das Gesicht der Hebamme wurde purpurn. »Nein!« Sie warf ihre Instrumente hastig in die Tasche.
»Dann zahlen andre besser, hä?«
»Ich weiß von keinen andren. Halt das Maul!«
»Ich meine die, die schon im zweiten Monat nach dir schicken.«
An der Nasenwurzel der Hebamme erschien ein Zornwulst. Gustav kämmte vor Aufregung sogar sein Bärtchen. »Bekenne, daß du Engel und Menschen aus Weiberleibern holst, je wann man dich bezahlt, früh oder spät.«
Die Hebamme streifte die Ärmel wieder hoch. »Wie meinst du das?«
»Bar auf der Hand ersetzt den Verstand. Von kleinen Leuten wird Verstand verlangt, aus deinen Bündelkindern rechte Menschen herzurichten.«
Die Hebamme packte Gustav. Gustav packte die Hebamme. Sie rangen miteinander, bis an der Hebammenjacke die Knöpfe absprangen. Die dicken Brüste der Wehmutter quollen aus dem Hemdlatz.
»Das schreckt mich nicht!« schrie Gustav und packte das dralle Weib bei den Hüften. Die Wehfrau krallte sich blauwütig in Gustavs frischgesträhltes Haarbüschel. Geächz und stummes Ringen – ein Wassereimer schepperte zu Boden. Das kalte Wasser beschwappte die Kugelwaden der Wehmutter. Sie kreischte: »Dank deinem Gott, daß ich von Amts wegen keine langen Fingernägel nicht haben darf!«
Die Schlafstubentür sprang auf. Lena erschien bei den Raufenden, Lena – zitternd mit wäschebleichem Gesicht. Gustav und die Hebamme flogen wie Kampfhähne auseinander. Die Hebamme fuhr zerzaust in ihre Amtsobliegenheiten. »In dein Bett, Lena! Mit dem da werd ich fertig, zur Leiche dresch ich ihn!«
Lena weinte nicht. Es war keine Träne mehr in ihr. Sie wrang die Hände; ihre ausgelaugten Lippen zitterten. Gustav packte sie, bevor sie umsank.
Der zerkratzte Mann saß auf dem Bettrand bei der Wöchnerin. »Man wird doch noch die Wahrheit sagen dürfen.«
»Nicht immer.«
»Immer nicht?«
»Die Wahrheit braucht ein gares Feld zum Keimen.«
»Woher nun diese Weisheit wieder, Frau?«
»Aus einem Buch.«
»In Büchern ist das Leben zahnlos.« Gustav streichelte die Hand seines Weibes. Sein Daumen hatte einen Hornbuckel. Das Blasrohr in der Glashütte hatte ihn herausgefordert. »Wie halten wir’s jetzt mit der Taufe?«
Lena schloß die Augenlider. Aus ihrem blutleeren Körper kam Musik. Nur für sie. Gustav hockte wie ein Holzklumpen auf der karierten Zieche und dachte. Er konnte nicht denken, ohne zu reden. »Taufe, Taufe … wozu muß ein Mensch getauft sein, hä? Damit sich andre bei der Feier vollfressen? Ich hab einen gekannt, den hatte kein Pfarrer aus dem Taufstein benäßt. Er hatte nicht mehr zu leiden als unsereiner. Er stand mit mir in der Fabrik und kam aus Polen oder da woher. Man hatte ihn vergessen abzutaufen. Er war sogar von Gott begünstigt und fraß Glas. Sobald er einen sitzen hatte, ernährte er sich spielend. Vorspeise meist ein Schnapsglas, die Hauptmahlzeit ein Bierglas. Die Gaffer zahlten ihm die Gasthauszeche. So sparte er sich manches Mittagessen.«
Lena kam wieder zu sich. Sie schaute ihren Mann an, wie wohl Mütter in aller Welt nach Geburten ihre Männer anschaun: Er war ein Zauberer, ein Wind, der in den Kirschbaum fährt und die staubbedeckten Leiber der Bienen an die Blütenpollen drückt. Ein Wind, der große Veränderungen bewirkt.
Gustav versuchte es noch einmal. »Es gibt ganze Völker, die sind nicht abgetauft. Sie haben keine Kosten.«
Lena versuchte sich aufzurichten. »Wir nehmen reiche Paten!«
»Wenn das gelänge!«
Gustav ging vor die Tür und pfiff: »Der Jule hat sein Geld verjuxt …« Aus der Wildfliederhecke flatterten die Kinder. Er stampfte mit dem Handwagen zum Kartoffelacker. Für vierzehn Tage mußte er die Arbeit seines Weibes mit vertilgen.
Die Hebamme kam nicht mehr. Das Geburtsgeld trieb der Gemeindediener für sie ein.
Stanislaus erhält den Namen eines Glasfressers. Der Pastor umsorgt seine Seele und versetzt Mutter Lena in Teufelsangst.
Die Büdners berieten den Namen des neuen Jungen. Vater Gustav zählte seine Söhne. Sein Daumen hieß Erich, sein Zeigefinger Paul, Artur der Mittelfinger, der Gold- und der Kleinfinger hießen Willi und Herbert.
»Jetzt brauchen wir einen Stanislaus«, sagte er.
»Ich hätte an einen Bodo gedacht«, sagte Lena.
»Bodo? Ein großer Hund könnte zur Not Bodo heißen.« Gustav schaukelte den vierjährigen Herbert auf dem Schoße.
»Stanislaus heißt kein Mensch in der Welt. Wir brauchen einen Günther. Alle Leute haben schon Günthers.« Elsbeth, die Älteste, stemmte die Hände in die Hüften.
Gustav sprang auf, setzte den Jungen ab und marschierte mit baumelnden Hosenträgern in der Küche hin und her. »Handelt es sich um deinen Jungen? Wie alt bist du überhaupt?«
»Dreizehn.«
»So! Stanislaus, das war ein Glasfresser!«
Lena versuchte es noch einmal mit Bodo. »Er war ein Geigenkünstler.«
»Wo?«
»Im Buch, das mir die Vogtsfrau gab. Er strich dreimal über die Geige, und alle Frauen tanzten.«
Gustav trat sich auf die Hosenträger. »Und die Männer?«
»Sie haßten ihn.«
»Da hast du’s. Bodo geht nicht. Der hier wird Stanislaus heißen und kein Gramm weniger!«
Elsbeth verkroch sich in der Herdecke. »Sie werden ihn Laus rufen. Stangenlaus werden sie ihn beniemen.«
Gustav starrte auf eine Fliege an der Küchenwand und sagte: »Bloß bis er anfängt, Glas zu fressen!«
Der Standesbeamte schob die Brille hoch. Eine große bläuliche Warze auf seiner Stirn sorgte dafür, daß sie nicht zurückrutschte. »Stanislaus? Ist das nicht ein bißchen zu polnisch?«
Gustav Büdner fuchtelte mit der Mütze. »Stanislaus steht im Kalender!«
»Wär Wilhelm nicht ein Name für dein Kerlchen? Schon seitenlang kein Wilhelm im Register.« Der Standesbeamte putzte die Schreibfeder an der Löschwiege.
Gustav wurde unleidlich. Alle Welt hatte etwas gegen seinen Stanislaus. »Wilhelm kann jeder Popanz heißen. Der meine, der heißt Stanislaus. Du hast ihn nicht gemacht.«
Der Standesbeamte rieb sein wulstiges Ohrläppchen. »Bei den Sozialdemokraten bist du nicht, Büdner, wie?«
»Geh mir mit Spezialkameraden! Ich bin, der ich bin, und Stanislaus wird Stanislaus und ein Glasfresser sein!«
»Und du weißt nicht, wer Wilhelm heißt?«
»Der Name steht nicht im Kalender.«
Der Standesbeamte schrieb widerwillig ins Register: »… ein Kind auf den Namen Stanislaus …«
Gustavs Gruß blieb unbeachtet, als er ging.
Mit der Taufe sollte gewartet werden. Die Haushaltskasse!
Ein halber Wartemonat war herum, da klopfte der Pastor leise und heilig an Büdners Tür. Gustav hockte mit halb eingeseiftem Rasiergesicht vor dem zerschrundenen Familienspiegel. Der Pastor trampte auf blanken Lederschuhen in die Küche. Eine emaillierte Kindertasse mit dem Bild vom Kaiser Wilhelm rutschte Lena aus der Hand. Die Emaille splitterte. Kaiser Wilhelm hatte keinen Stehbart mehr, aber ein großes Maul. Der Pastor nestelte am Kragen seines schwarzen Rockes. Er steckte den dicken Zeigefinger hinter den weißen Stehkragen und leitete auf diese Weise seiner bebenden Brust etwas Frischluft zu. Auf dem gestärkten Kragen saß sein hochroter Kopf, ein Rotkohlkopf, und darauf ein schwarzer Hut. Der Himmelsgesandte plumpste auf einen Küchenstuhl und mit dem heiligen Gesäß fast in die Waschschüssel. »Der Frie…‚ der Friede sei mit euch, Gottes Segen auch!«
Gustav fuhr sich mit der Hand über die beseifte Wange und warf die Rasiersahne zum Fenster hinaus. Lena band ihre Schürze ab, wendete die innere Seite nach außen und band sie wieder um.
»Bist du es, die Lena, die Nähterin auf dem Schloß war?«
»Diese bin ich, Herr Pastor.«
»Daß wir uns so lang nicht sahn, mein Kind.«
»Man hat sein Getu. Sieben Kinder, Herr Pastor.«
»Der Herr segnet euch. Sieben Kinder, sagst du, mein Schaf Lena? Habe ich sie alle oder hat anderswer eins weggetauft? Mich deucht, ich hätte sechs von den deinen, sechs und nicht mehr getauft.«
»Zu dienen, Herr Pastor, das siebente ist noch ein Frischling.«
Der Pastor sah Gustav an. »Wer bist du, mein Sohn?«
»Er ist mein Mann, Herr Pastor.« Lena schob trockenes Holz, zweimal gestohlenes Holz, für ein Kaffeefeuer ins Herdloch.
Der Pastor ließ kein Auge von Gustav. »Mein Sohn, reich mir die Hand!«
Gustav tat, wie ihm befohlen. Der Pfarrer sah auf die am Herd kniende Lena herab. »Ist er ein Heide, dein Mann? Ich sah ihn nie in der Kirche.«
»Ein Heide ist er nicht, Herr Pfarrer.«
»Wie alt ist dein Jüngstes, mein Pfarrkind Lena?«
»Zwei Wochen und einen Tag.«
»Wie wird es heißen?«
»Es wird Stanislaus heißen, Herr Pastor.«
»Stanislaus? Nicht genug, daß es zwei Wochen alt und immer noch ein Heide ist, auch noch Stanislaus?«
»Der Name steht im Kalender.« Gustav sagte es drohend.
»Schäm dich, neunmalgescheite Seele! Stanislaus, ein katholischer Name und so gut wie heidnisch.« Der fromme Mann patschte sich mit den Würstchenfingern das rote Gesicht ab. »Lena, wie lang warst du Nähterin auf dem Schlosse?«
»Sieben Jahre, Herr Pastor.«
»Und weißt nicht, daß die gnädige Frau, die den Christus in der Kirchvorhalle aufbessern und anstreichen ließ, unsere ehrenwerte gnädige Frau, daß sie zu Gottes Lobe weder große noch kleine Heiden zuläßt?« Der Pastor war außer Atem gekommen. Er mußte gegen das Mahlgeräusch von Lenas Kaffeemühle anpredigen. Lena schüttete den Gerstenpuder in einen Topf. »Ich weiß es, Herr Pastor, aber …«
Der Pastor knipste ein Marienkäferchen von seinem Rock. »Laß mich kein Aber hören, Störrische! Richte dein Kind auf nächsten Sonntag her, daß ich es taufe und mit Gnaden aufnehme in die Familie der Christen. Ich halt mich bereit; so du aber nicht zur festgesetzten Stunde mit deinem Bündelkind am Taufstein erscheinst, wird Gott mich strafen, wenn ich fürder meine segnende Hand über dich und das Kind halte.«
Die letzten Worte sagte der Geistliche schon im Hausflur. Der Geruch des Armenkaffees trieb ihn hinaus. Er ging rückwärts und predigte. Lena begleitete ihn mit gesenktem Kopf. Gustav gab dem frommen Mann kein Geleit. Er nahm den Schürhaken und hieb auf die Herdringe. Diese Heiligkeit war widerlicher als Soff!
Lena rannte noch am gleichen Tage in die Blaubeeren. Mühsam füllte sie ein Eimerchen mit raren Augustbeeren für den Taufkuchen. Der Zorn des Himmels sollte sie nicht treffen. Sie dachte an schlimmes Weibergeschwätz: Einem zu spät getauften Kinde sei auf dem Schenkel ein Mausfell gewachsen. Es hatte schon begonnen, ein Tier zu werden. Einen anderen Spättäufling habe der Teufel mit einem Pferdefuß bebürdet. Ein dritter Taufsäumling sei gar lebenslang ein Bettnässer geblieben. Das heilige Wasser, das ihn zu spät erreicht habe, sei fort und fort als unreines Hexenwasser von ihm gewichen.
Stanislaus erhält reiche Patinnen, wird abgetauft, erstickt und wieder ins Leben gerufen.
Patinnen wurden: die Frau des Gutsvogtes, deren Blusen Lena, die Nähterin, noch immer weiten mußte; die Frau des Dorfkrämers, die anschrieb, wenn Büdners Wochenlohn nicht reichte; die Frau des Bauern Schulte, der ab und an sein Pferd für kleine Leute herlieh. Patin sollte auch die Frau des Dorfschusters werden. Gustav dachte an Gratissohlen für die Winterschuhe. Lena war dagegen. »Die Schustersche ist katholisch. So etwas laß ich nicht an meinen Jungen!« Sie schlug die Frau des Försters vor. Gustav schüttelte sich wie ein Hund im Regen. Er dachte an den langen Fingernagel des Försters. Man einigte sich auf die Frau des Lehrers: eine Beamtenfrau.
Es wurden ein Blaubeerkuchen und ein Zuckerkuchen gebacken. Gustav schlachtete drei Kaninchen. Vier Wochen fehlten ihnen an der Mast. Die Eile des Pastors! Gustav brachte die zerlegten Kaninchen in die kleine Speisekammer und sog mit geblähten Nüstern den Kuchenduft ein. Lena stand, die Schürze schützend ausgebreitet, vor den gebräunten Fladen. Ihre Brüste strämmten den Blusenkattun. »Du Kater sollst nicht an den Kuchen!«
Gustav setzte eine Theorie in die Welt: »Wir haben Stachelbeerwein die Fülle. Laß die Paten davon trinken. Wer viel trinkt, der viel singt. Wer singt aber, kann nicht kauen.« Lena nahm sein Schlachtmesser und schnitt ihm ein Stück Blaubeerkuchen herunter. Gustavs Kiefer knackten. In der rechten Hand hielt er das Kuchenstück, mit der Linken streichelte er die Frau, und er drückte seinen Blaubeermund gegen ihre pralle Brust. Lena schüttelte sich, da legte Gustav das Kuchenstück beiseite und umschlang sein Weib mit beiden Armen. »Ich hätt fast Lust, dir noch ein Kind zu machen.«
Lena juchzte auf. Die Kinder kamen vom Hof getrappelt. Gustav griff nach seinem Blaubeerkuchen. Er schmatzte wie ein Igel. Den Rest starrten ihm die Kinder aus der Hand.
Sonntag. Tauftag. Die Klaräpfel im Garten färbten sich gelblich. Die Futtersaat grünte auf den Schäläckern. Die Hühner flogen aus dem Schlupfloch, auf Büdners Hof wurde es lebendig. Als der Hahn auf dem Torweg den Tauftag einkrähte, rasselte Lena schon mit den Herdringen, und Gustav verschnitt sich mit der großen Schneiderschere den Schnurrbart. Sorgsam schnipperte er sich die überständigen Haare aus den Naslöchern. In der Schlafstube rekelten sich die Kinder. Auf der Stalltür zwitscherten die Schwalben.
Acht Uhr, und die erste Patenfrau kam. Es war die Frau des Gutsvogtes. Lena sollte ihr die Festbluse weiten. Das Dickweib zog die Bluse aus. Sein Schweißgeruch vermischte sich mit dem Kochdunst. Gustav betrachtete die wabbeligen Oberarme des fremden Weibes. Begehren glomm in ihm auf. Lena sah seinen Gierblick. »Du kannst die Kinder anziehn und betun!«
Gehorsam schlurfte Gustav in zerlappten Tuchpantoffeln davon. Bei der Tür drehte er sich noch einmal um. Solche Arme aber auch! Er konnte sich nicht satt sehn. Die Vogtsfrau näselte, sie war so dick und traurig. »Was wird er denn schon sehn, wenn ich so sitze: ein bißchen mehr Fleisch als bei Ihnen. Mein Mann hats nicht ungern.« Sie legte die weißen Wabbelarme auf den Küchentisch. »Hättet ihr ein Krümchen zu essen für mich? Ich bin nüchtern von daheim weg.«
Lena kam aus der Speisekammer mit zwei Stückchen Zuckerkuchen. Ihr Gesicht war blaß. Die Vogtsfrau schob ein Kuchenstück bis zur Hälfte in den breiten Mund. »Ist Ihnen nicht gut, Frau Büdner?«
»Das sind so Nachwehn.« Lena schlüpfte auf den Flur, dort rief sie leise nach dem Mann. Gustav erschien mit einem Bündel Kinderhemden.
»Nur noch ein Rest vom Zuckerkuchen.« Lena taumelte.
»Was Zuckerkuchen?«
»Weg.«
»Die Katze!«
»Mit einem Messer?«
»Nun denkst du, ich?«
»Gustav!«
»Nie und nimmer.«
Die Kinder schrien durcheinander, eines beschuldigte das andere. Gustav warf das Hemdbündel auf die Dielen. »Kein Wort mehr, wir sind so genug blamiert!«
Die Alten standen in der Speisekammer und betrachteten den gezehntelten Kuchen. »Er wird nicht hin und her reichen!« Sie kamen überein, Elsbeth nach dem kirchlichen Taufakt um Plinsenmehl und Zucker auszuschicken. Den Kindern keinen Kuchenkrümel mehr! Gustav wollte Plinsen für sie backen. Beim Dorfkrämer konnte das Plinsenmehl nicht geholt werden. Die Frau war Patin! Also sollte Elsbeth nach Schleifmühle rennen. Nach der Taufe, mit dem Eingebinde, versteht sich.
In der Küche leckte die Vogtsfrau die Kuchenkrümel vom Teller. »Plagt Sie der Hunger auch so? Ich wäre imstande, den ganzen Kuchen zu vertilgen.«
»Herrliches Wetter«, sagte Lena.
Die Frau des Lehrers kam. Sie trug ein strenges Gesicht durch die Welt und war Besitzerin eines verkniffenen Mundes. Ihre Schotennase schleppte einen Kneifer. Gustav brachte sie in die ausgeräumte Stube und schenkte ihr Stachelbeerwein ein.
»Bitte, nicht auf nüchternen Magen.« Die strenge Dame wehrte sich. »Ich ging ungesättigt von daheim.«
»Man vergißt oft das Wichtigste«, sagte Gustav.
Die Kinder kamen und begrüßten die Lehrerdame mit eindressierten Dienern und Knicksen.
Die Frau des Krämers tappte heran, eine magere Frau. In ihrem blassen Gesicht klebte ein süßes Lächeln; eine chronische Krankheit, die sie sich im Verkehr mit der Kundschaft zugezogen hatte. Gustav überfiel auch sie mit Stachelbeerwein. Die Krämersfrau nippte. Der Wein war sauer und kratzig. Die Krämersfrau lächelte. Sie schüttelte sich innerlich.
Poltern im Flur. Die Frau des Bauern Schulte war eingetroffen. »Stachelbeerwein? Du bist verrückt, Gustav!«
Die Frau des Gutsvogtes kratzte sich in der Küche die nackten Arme. »Die Leute sagen, sie hälts mit dem Knecht. Sie schläft im Pferdestall bei ihm!«
In der Taufstube rümpfte die Lehrersfrau die Nase. Ihr Kneifer stieß an die Augenbrauen. »Eine drastische Person, die Schulte!«
Die Krämersfrau lächelte.
Glockentöne kullerten über den Hügel. Im Bachtale glitzerten die Wiesen. Grummetschober standen als graue Kleckse darin. Die Schwalben fuhren zwischen Baumwipfeln und Blauhimmel dahin. Im Taufhause bündelte Lena den Täufling. Elsbeth rannte nach Kuchen für die Vogtsfrau. Sie rannte gern.
Die Bäuerin Schulte packte das Taufbündel und wischte sich am Steckkissen die Nase. Wie am Abflußrohr der Dorfpumpe hing an ihrer pockigen Nase stets ein kleines Wartetröpfchen. Lena brachte vier Stauden Phlox als Schmuck und Abzeichen für die Paten.
Bis die Taufgesellschaft aus der Kirche kam, trippelten Gustav und Lena wie Meerschweinchen im Hause umher. Sie empfingen die zurückkehrenden Paten vor der Haustür.
»Der Pastor hat ihn Stanislausus abgetauft.« Elsbeth triumphierte. Stanislausus schrie, daß das Steckkissen wackelte. Gustav schenkte ein. »Ein Glas vor der Haustür, alte Sitte, auf die Gesundheit des Kindes!« Die Bäuerin Schulte trank ihr Glas wie ein Mannsbild auf einen Hieb leer. »Simm, simm, der putzt den Rachen.« Sie ächzte wie ein Saufaus.
Die Lehrerdame nahm das Glas mit zwei Fingern und schüttelte sich im voraus. Die Schulte gab ihr einen Puff. »Trink, trink nur, Lehrersche, dann gehts auf dem Herzhäuschen wie geschmiert!«
Die Lehrersfrau trank mäkelig wie eine Ziege. Die Frau des Krämers lächelte beim Trinken. Die Vogtsfrau klagte über Hunger und schlürfte den Wein wie ein Kalb. Die Paten gingen in die Stube. Gustav war wieder heran. »Ein Glas vor dem Hinsetzen, alte Sitte, auf die Milch der Wöchnerin!«
»Mir gleich zwei!« schrie die Schulte. »Zwei Brüste – zwei Schoppen.« Sie kippte den kratzigen Wein Hieb bei Hieb hinunter. Die anderen Frauen tranken mit Widerstreben.
Lena windelte den Täufling um. Gustav hütete in der Küche den Braten. Gleich mußte sich herausstellen, wie hoch das Eingebinde der Paten war. Die Küchentür flog auf. Die Bäuerin Schulte zog Gustav am Hosenträger. »Eingebunden habe ich nichts, Nachbar.«
Gustav trampelte aufgeregt hin und her. Die Schulte betrachtete ihn. »Das macht der Wein. Er fährt dir in die Blase!« Die Schulte teilte mit, daß Gustav sich statt des Eingebindes heuer dreimal ein Schultesches Pferd für die Feldarbeit ausborgen dürfe. Gustav stopfte sich eine Kaninchenleber in den Mund und verschluckte mit ihr seine Enttäuschung. Die zweite Kaninchenleber grapschte sich die Schulte. »Oh, Susanna, wie ist das Leben doch so schön …«‚ sang sie.
Lena kam mit einem Bausch Windeln. Gustav riß die Augen auf. »Wieviel?«
»Fünf Mark.«
»Sie werden unterwegs vom Geld verloren haben. Die verrückte Schulte hat mit dem Steckkissen geschlenkert.«
Die großen Kinder wurden ausgeschickt, den Weg abzusuchen. Elsbeth wand sich vor Hunger.
»Geh, geh, geh, sonst sucht wer anders das Geld aus dem Wegstaub!«
»Wenn die Störchin hungrig ist, frißt sie grüne Frösche …«‚ sang die Schulte in der Taufstube. Gustav rannte mit der Weinflasche zu den Patinnen. »Vor der Taufmahlzeit ein Glas, alte Sitte, auf das Wachstum des Kindes!« Nur die Schulte überwand sich und trank.
Noch waren die Kinder nicht von der Patengeldsuche zurück, da wußten Gustav und Lena, daß kein Pfennig verlorengegangen war. »Eingebunden habe ich nichts«, flüsterte die Vogtsfrau. »Mein Mann schickt euch nach dem Dreschen ein Säckchen Hühnerfutter. Geld ist so unpersönlich.«
»Sie werden sich wundern, daß wir nichts einbanden«, sagte die Frau des Krämers und lächelte. »Man kann nicht so, wie man möchte. Ihre Schulden haben wir gestrichen. Jetzt ist reiner Tisch.«
»Ich habe leider nur fünf Mark einbinden können«, mäuselte die Frau des Lehrers und schwankte ein wenig. »Wie das so ist – kurz vor dem Monatsersten!«
Elsbeth rannte mit fünf Mark Patengeld nach Schleifmühle um Plinsenmehl, Zucker und etwas Schnaps für den enttäuschten, ach, so enttäuschten Gustav.
Am Spätnachmittag knisterten die Plinsen im Tiegel. Gustav versuchte, die Hungermäuler der Kinder zu stopfen. Jedesmal, wenn er eine goldgelbe Plinsenscheibe auskippte, zerrissen sie die Kinder in sechs Teile und schlangen. In der Taufstube sang die Schulte Schnadahüpfeln. Sie pochte dazu mit den Fäusten auf den Tisch. Die Kaffeetassen klirrten.
»Ham Kuchen gegessen, die Schnauze ist blau,
jetzt ist er wohl alle, man weiß nicht genau.
Holladrio, holladrihochhochhoch …«
Lena schnitt den letzten Blaubeerkuchen auf. Es dunkelte. In der Küche knisterten immer noch Plinsenscheiben. Der Öldunst durchzog die Räume des kleinen Hauses. Es kamen zwei Männer: Der Dorfkrämer und der Lehrer holten ihre Frauen ab.
»Das hat noch gefehlt!«
»Immer ruhig wie ein Belgierpferd!« Gustav überflog seinen Weinbestand und sah den Rest in seiner Schnapsflasche an.
Der Lehrer war ein hagerer Mann. Wo die Wölbungen der Wangen hingehörten, waren Mulden in seinem Gesicht. Wenn er staunte, blies er diese Mulden auf. »Sie entschuldigen den – wie soll man sagen – Überfall. Es ist … meine Frau ängstigt sich bei Nacht im Walde. Ich habe darüber nachgelesen: Angst ist eine Sache der Nerven … der Nerven, ja, wenn dann noch ein gewisses Gefühl der Be…«
Die Schulte schnitt ihm das Wort ab. »Komm rein, Schulmeister, und friß was!«
Der Dorfkrämer schaute Dinge und Menschen an, als ob er beständig auszurechnen hätte, was sie kosten könnten, wenn er sie kaufen müßte. Sein Gesicht war ein Feld von Pickeln und Pusteln, es erinnerte an Erde am Frühlingsmorgen mit den Bohrhäufchen der Regenwürmer. »Hätt ich gewußt, daß der Lehrer geht, wär ich daheim geblieben. Ein Mann genügt für das bißchen Weiberangst.«
Die Schulte schob ihm ein Glas Stachelbeerwein zu. »Sauf eins mit mir, Krämer! Deine Alte verträgt nichts.« Sie begann wieder zu singen:
»Hat der Mensch den Soff erfaßt,
sauft er aus dem Jauchefaß …«
In der Küche buk jetzt Elsbeth die Plinsen. Sie buk sie nicht so dünn wie der Vater. Die Kinder schlangen und rülpsten.
Der Lehrer hatte nach einem Wein zwei Schnäpse getrunken und wurde schwermütig. »Am besten, man geht in die Kolonien. Dort hat man – wie soll man sagen – Aussichten. Hier kommt man nicht vorwärts.«
Seine Frau schüttelte sich. »Ich laß mich nicht von den Wilden kochen!«
Die Bäuerin Schulte packte die Lehrersfrau. »Dich fressen sie nicht, du hast nichts auf den Rippen, Lehrersche. Komm, tanz ein Stückchen!« Die Schulte schob die Widerwillige durch die Stube und sang:
»Puppchen, du bist mein Augenstern,
Puppchen, hab dich zum Fressen gern …«
Die Fledermäuse huschten um die Hausecken. In der Küche sirrten die Fliegen und letzten sich an Plinsenresten. Die kleinen Kinder hockten sich in den Herdwinkel und schliefen ein.
In der Taufstube rückte der Krämer zum Lehrer. »Haben Sie sich überlegt, was das kostet?«
»Wie meinen?«
»Was das kostet – die Überfahrt in die Kolonien schon. Nachher brauchen Sie einen weißen Helm und ein Mückennetz.«
Dem Lehrer traten Tränen in die Augen, große Schuljungentränen. »Ich habe gelesen, die Neger sollen verrückt nach deutschen Schulmännern sein. Der Deutsche hat etwas an sich – wie soll man sagen –‚ etwas Unwiderstehliches …«
Ein Schrei durchgrellte das Haus. »Der Junge, der Juuunge!« Lena stürzte mit dem Säugling ins Taufzimmer. Die Gesellschaft erstarrte, als sollte sie photographiert werden. Die Katze hatte sich auf den Jungen gelegt. Alle Gäste betasteten das schweißnasse Köpfchen des Kindes. Die Schulte entriß Lena das Steckkissen. Sie zog den krampfstarren Säugling heraus, packte ihn bei den Beinen und schlenkerte ihn kopfunter. Lange, lange kein Laut – dann ein leises, leises Quäken. Die Schulte drehte das Kind um und schüttelte es, daß die kleinen Glieder flogen. »Das Leben, das Leben kommt wieder!«