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Für ihren Traum riskiert sie im fernen Madagaskar alles Madagaskar 1880: Paula träumt seit ihrer Kindheit davon, auf der magischen Insel Madagaskar das Parfümerbe ihrer Großmutter Mathilde fortzuführen und den perfekten Duft zu kreieren. Nun ist sie nach dem dramatischen Ende ihrer Ehe auf der Insel angekommen und bereit, für ihr Ziel alles zu geben. Doch der Weg zur Vanilleplantage ihrer Großmutter führt durch den unerbittlichen Dschungel – eine Welt voll exotischer Schönheit und betörender Düfte – und unsichtbarer Gefahren. Gemeinsam mit vier Reisegefährten, darunter der unnahbare Arzt Villeneuve und sein charismatischer Assistent Lázló, wagt sich die mutige Paula immer tiefer in das Herz der Insel. Es ist der Beginn einer unvergesslichen Reise, die nicht nur ihr Leben verändert, sondern auch die Geister der Vergangenheit heraufbeschwört … Wird Paula es schaffen, ihren Traum auf der mystischen Insel zu verwirklichen? »Ein perfektes Sommerbuch, weil es in eine exotische und aufregende Welt entführt.« – Frauenzeitschrift tina Ein ebenso fesselnder wie atmosphärischer Love and Landscape Roman für Fans von Janet MacLeod Trotter Begeisterte LeserInnen: »Ich konnte die Gefährlichkeit des Tropenwaldes und die schwül-feuchte Hitze spüren, mich aber auch an der Schönheit der Pflanzen- und Tierwelt erfreuen – das schönste Kopfkino!« – Amazon-Rezensentin »Zauberhafte Story. Spannend, mystisch, mitreißend.« – Amazon-Rezensentin
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Seitenzahl: 576
Veröffentlichungsjahr: 2025
Widmung
Motto
Kapitel 1 Angelica
Kapitel 2 Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Kapitel 3 Anis
Kapitel 4 Mathildes Brief
Kapitel 5 Bergamotte
Kapitel 6 Campher, Kampfer
Kapitel 7 Mathildes Brief
Kapitel 8 Cascarill
Kapitel 9 Citronella
Kapitel 10 Wenn man eine Sau in Gold kleidete, so legte sie sich doch in den Kot
Kapitel 11 Elemi
Kapitel 12 Mathildes Brief
Kapitel 13 Flieder
Kapitel 14 Was hilft ein goldener Galgen, so man daran hängen muss?
Kapitel 15 Geranium
Kapitel 16 Jasmin
Kapitel 17 Mathildes Brief
Kapitel 18 Kuro-moji
Kapitel 19 Um das Goldene Kalb tanzen
Kapitel 20 Lavendel
Kapitel 21 Mathildes Brief
Kapitel 22 Linaloe
Kapitel 23 Moschuskörner
Kapitel 24 Mathildes Brief
Kapitel 25 Myrrhe
Kapitel 26 Mathildes Brief
Kapitel 27 Nelke, Gewürznelke
Kapitel 28 Gold läutert man im Feuer, Menschen im Leide
Kapitel 29 Opoponax
Kapitel 30 Mathildes Brief
Kapitel 31 Orangenblüte, Neroli
Kapitel 32 Perubalsam
Kapitel 33 Der Esel hat lieber Stroh denn Gold
Kapitel 34 Rose
Kapitel 35 Dem fliehenden Feinde baue goldene Brücken
Kapitel 36 Santal
Kapitel 37 Mathildes Brief
Kapitel 38 Storax, frz. Styrax
Kapitel 39 Tolubalsam
Kapitel 40 Mit Gold nicht aufzuwiegen
Kapitel 41 Tuberose
Kapitel 42 Vanille
Kapitel 43 Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
Kapitel 44 Veilchenwurzel
Kapitel 45 Verbena
Kapitel 46 Vetiver
Kapitel 47 Ylang-Ylang
Kapitel 48 Eau de Madagascar
Was wahr und was unwahr ist ... statt eines Nachwortes
Glossar
Bibliographie
Lesetipps
Über dieses Buch:
Madagaskar 1880: Paula träumt seit ihrer Kindheit davon, auf der magischen Insel Madagaskar das Parfümerbe ihrer Großmutter Mathilde fortzuführen und den perfekten Duft zu kreieren. Nun ist sie nach dem dramatischen Ende ihrer Ehe auf der Insel angekommen und bereit, für ihr Ziel alles zu geben. Doch der Weg zur Vanilleplantage ihrer Großmutter führt durch den unerbittlichen Dschungel – eine Welt voll exotischer Schönheit und betörender Düfte – und unsichtbarer Gefahren. Gemeinsam mit vier Reisegefährten, darunter der unnahbare Arzt Villeneuve und sein charismatischer Assistent Lázló, wagt sich die mutige Paula immer tiefer in das Herz der Insel. Es ist der Beginn einer unvergesslichen Reise, die nicht nur ihr Leben verändert, sondern auch die Geister der Vergangenheit heraufbeschwört … Wird Paula es schaffen, ihren Traum auf der mystischen Insel zu verwirklichen?
Über die Autorin:
Beatrix Mannel studierte Theater- und Literaturwissenschaften in Erlangen, Perugia und München und arbeitete dann zehn Jahre als Redakteurin beim Fernsehen. Danach begann sie – auch unter ihrem Pseudonym Beatrix Gurian – Romane für Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu schreiben, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Für ihre aufwändigen Recherchen reist sie um die ganze Welt. Außerdem gründete sie gemeinsam mit einer Kollegin 2016 die Münchner Schreibakademie.
Die Website der Autorin: www.beatrix-mannel.de/
Die Autorin auf Instagram: @gurianbeatrixmannel
Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre Romane »Der Zauber der Vanilleblüte«, »Der Duft der Wüstenrose«, »Das Flüstern der Südsee« und »Die Hexengabe«.
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eBook-Neuausgabe April 2025
Dieses Buch erschien bereits 2013 unter dem Titel »Die Insel des Mondes« im Diana Verlag.
Copyright © der Originalausgabe 2013 by Diana Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Copyright © der Neuausgabe 2025 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung eines Motives von drewdrew / Adobe Stock sowie mehrerer Bildmotive von © shutterstock / shutterstock AI
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)
ISBN 978-3-98952-970-0
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Beatrix Mannel
Der Zauber der Vanilleblüte
Historischer Roman
dotbooks.
Widmung
Motto
Kapitel 1 Angelica
Kapitel 2 Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Kapitel 3 Anis
Kapitel 4 Mathildes Brief
Kapitel 5 Bergamotte
Kapitel 6 Campher, Kampfer
Kapitel 7 Mathildes Brief
Kapitel 8 Cascarill
Kapitel 9 Citronella
Kapitel 10 Wenn man eine Sau in Gold kleidete, so legte sie sich doch in den Kot
Kapitel 11 Elemi
Kapitel 12 Mathildes Brief
Kapitel 13 Flieder
Kapitel 14 Was hilft ein goldener Galgen, so man daran hängen muss?
Kapitel 15 Geranium
Kapitel 16 Jasmin
Kapitel 17 Mathildes Brief
Kapitel 18 Kuro-moji
Kapitel 19 Um das Goldene Kalb tanzen
Kapitel 20 Lavendel
Kapitel 21 Mathildes Brief
Kapitel 22 Linaloe
Kapitel 23 Moschuskörner
Kapitel 24 Mathildes Brief
Kapitel 25 Myrrhe
Kapitel 26 Mathildes Brief
Kapitel 27 Nelke, Gewürznelke
Kapitel 28 Gold läutert man im Feuer, Menschen im Leide
Kapitel 29 Opoponax
Kapitel 30 Mathildes Brief
Kapitel 31 Orangenblüte, Neroli
Kapitel 32 Perubalsam
Kapitel 33 Der Esel hat lieber Stroh denn Gold
Kapitel 34 Rose
Kapitel 35 Dem fliehenden Feinde baue goldene Brücken
Kapitel 36 Santal
Kapitel 37 Mathildes Brief
Kapitel 38 Storax, frz. Styrax
Kapitel 39 Tolubalsam
Kapitel 40 Mit Gold nicht aufzuwiegen
Kapitel 41 Tuberose
Kapitel 42 Vanille
Kapitel 43 Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
Kapitel 44 Veilchenwurzel
Kapitel 45 Verbena
Kapitel 46 Vetiver
Kapitel 47 Ylang-Ylang
Kapitel 48 Eau de Madagascar
Was wahr und was unwahr ist ... statt eines Nachwortes
Glossar
Bibliographie
Lesetipps
Der Zauber der Vanilleblüte widme ich allen Großmüttern und ganz besonders diesen:
Elisabeth Becker, in deren Friseursalon ich schon als Kind von geheimnisvollen Düften umweht wurde.
Mathilde Mannel, die ich leider nie kennengelernt habe.
Elisabeth Kalasz, der sanftmütigsten Schwiegeroma der Welt.
Wenn ich lächele,
ist der Himmel grün!
Wenn du lächelst,
ist der Himmel blau!
Wenn wir zusammen lächeln,
ist der Himmel glücklich!
Und wenn ich dann allein lächele,
ist der Himmel sehr weit:
Der Himmel ist grau!
J. R. Randri Asamimanana,Dichter aus Madagaskar
Wenn ich Edmond nicht getroffen hätte und nicht Bescheid wüsste, dann würde ich Madame Kellermann auch alles glauben. Und es erstaunt mich, wie gut sie es schafft, über ihre wahren Absichten Stillschweigen zu bewahren. Meines Wissens ist es für Frauen fast unmöglich, ein Geheimnis für sich zu behalten, aber ihr gelingt es mühelos. Dabei redet sie nicht etwa auffallend wenig, nein, sie ist schlau und schafft es, auf die anderen ganz unverfänglich zu wirken. Das ist natürlich auch gut für mich, denn wenn niemand weiß, was hier wirklich gespielt wird, dann vertrauen uns die anderen leichter.
Zweimal schon habe ich ihr Gepäck durchsucht, unglaublich viel Gepäck, und ich war sicher, dass ich darin etwas finden müsste. Ihre Großmutter muss doch Aufzeichnungen hinterlassen haben. Aber von den zwei Truhen war nur eine voller Frauenkram, in der anderen waren seltsame Gerätschaften: Kupferkessel, Metallröhren, Gasbrenner, Glaskolben, leere dunkelbraune Flaschen mit geschliffenen Glasstöpseln, Glasplatten in Holzrahmen. Fläschchen mit Ölen, Tinkturen, Flaschen mit Essenzen, parfümierte Pomaden. Welcher Mensch, der einigermaßen bei Geiste ist, reist in ein Land wie Madagaskar mit Glasflaschen und Glasplatten?
Sie ist eine Meisterin der Tarnung, wie ich widerwillig zugeben muss. Niemand würde vermuten, dass sie nicht genau das zu tun beabsichtigt, was sie behauptet.
Bei meiner bisherigen Suche habe ich also nichts von Bedeutung gefunden, offensichtlich ist sie schlauer, als ich dachte. Ich muss mir die Truhe mit den Gerätschaften noch einmal gründlicher vornehmen, dabei hätte ich mir mehr Zeit lassen sollen. Oder sie hat etwas in der Ledertasche versteckt, die sie neben der Wasserflasche an einem Riemen über der Schulter trägt und nie aus den Augen lässt. Aber ich kann es mir auf keinen Fall leisten, erwischt zu werden, auch nicht von den Trägern. Zu groß ist das Risiko, dass mich jemand verrät. Und wer weiß, wozu sie fähig ist, wenn sie herausfindet, dass ich Bescheid weiß über ihre elende Großmutter, deren Gebeine, wie ich hoffe, in der Hölle schmoren.
Ein paar Mal schon habe ich überlegt, ob sie wohl reden würde, wenn ich ihr eine Ladung Rum in den Zitronengrastee mische, doch ich fürchte, sie würde es bemerken, ihr Geruchssinn ist außergewöhnlich gut entwickelt. Das muss sie von Mathilde geerbt haben.
Pimpinella anisium, das Anisöl ist farblos oder hellgelb, von intensivem Anisgeruch und verharzt sich schnell an der Luft. Das beste stammt aus dem Gouvernement Woronesch in Russland.
Das Lager hatte Noria zusammen mit den Trägern neben einem kleinen Felsvorsprung aufgebaut, in der Nähe des Flusses. Der Ikopa war sehr breit und rauschte vielversprechend laut. Vielleicht war dieser Fluss endlich tief und sauber genug, dass Paula hier ein Bad nehmen konnte. Sie lief weiter zu ihrem Zelt, das die Träger schon errichtet hatten. Wie jeden Abend wurde es mit einem Schlag stockfinster, das ganze Lager war nur von dem Flackern des stark rauchenden Feuers erhellt, das tapfer mit dem feuchten Holz kämpfte.
Lázlô und Morten traten zu ihr und überschütteten sie mit Fragen, denen Villeneuve dann mit seinem Auftauchen ein jähes Ende setzte. »Madame Kellermann gefiel es, ein Schlammbad zu nehmen«, erklärte er den beiden. Mit einem Ächzen ließ er sich auf einer der rund um das Feuer ausgebreiteten geflochtenen Matten aus Palmwedeln nieder. Sobald er saß, trat Noria zu ihm, reichte ihm einen Emaillebecher und goss dann aus einer Blechkanne Zitronengrastee hinein, dessen Duft den bitteren Rauch des Feuers so köstlich überlagerte, dass Paula kurz versucht war, sich zu den beiden zu gesellen, aber dann entschied sie sich dafür, erst im Fluss zu baden.
Sie lief hinüber zu ihrem Zelt und kniete sich vor ihre Kleidertruhe. Als sie den Deckel hochklappte, genoss sie den Duft von Lavendel, der ihr entgegenschlug wie eine vertraute Umarmung, aber sie hielt sich nicht lange auf, sondern kramte nach ihren Ersatzschuhen.
»Hier, das wird Ihnen guttun.« Sie drehte sich überrascht um, Morten war völlig geräuschlos in ihr Zelt gekommen. Der Norweger reichte ihr einen Becher mit Tee und lächelte sie so freundlich an, dass sie sein Lächeln unwillkürlich erwiderte. Das war ein Fehler, sein Mitgefühl schwächte sie. Plötzlich schossen ihr Tränen in die Augen, und ihr war auf einmal viel elender zumute als vorhin allein auf dem Baumstamm.
Sie trank einen großen Schluck und tat dann so, als kämen ihr die Tränen, weil sie sich den Mund verbrannt hatte.
Morten betrachtete sie so wohlwollend, als trüge sie eine prächtige Ballrobe und nicht diesen schlammverschmierten Rock, der an ihren Beinen klebte wie eine alte Decke. Paula wollte gar nicht wissen, wie ihr störrisches Haar aussah oder ihr Gesicht, und sie war dankbar für das schummrige Licht.
»Sie sind eine starke Frau, genau das, was ein Missionar in diesem Land braucht.« Beim Sprechen vernuschelte er sehr stark das S, sodass es sich etwas schleppend und lispelnd anhörte, was jeden seiner Sätze charmant machte, ganz egal, was er sagte, Hauptsache, es war ein S oder Sch darin. Sein Haar war zwar blond und struppig, so wie Paula sich Norweger immer vorgestellt hatte, doch seine Augen waren dunkelbraun, und seine Haut nahm in der Sonne einen goldolivfarbenen Ton an, den Paula verführerisch fand, obwohl Männer sie nicht mehr interessierten. Außerdem strahlte sein harmonisches Gesicht etwas unglaublich Argloses aus. Meistens wirkte er auf sie wie ein übermütiger Bär, der noch nie mit seiner Nase an eine Distel geraten war. Obwohl er sicher auch schon deutlich älter als dreißig sein musste, weckte er etwas in ihr, was sie unter anderen Umständen als Muttergefühle bezeichnet hätte. Aber aus ihrer allerersten Begegnung wusste sie, dass er natürlich kein Kind mehr war.
»Ist alles in Ordnung mit Ihrem Fuß?«, fragte er.
»Ich denke schon.« Sie nickte ihm zu und trank den Tee aus. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, ich möchte zum Fluss. Danach komme ich zu Ihnen.«
Morten senkte wortlos den Kopf, nahm ihr die leere Tasse ab und trottete zurück zum Feuer, um das die anderen schon saßen.
Paula entzündete den Kosmosbrenner ihrer Petroleumlampe, suchte nach einem Handtuch und ihrer Seife, dann fand sie endlich auch die anderen Schuhe und frische Kleider zum Wechseln.
Sie überlegte, ob sie die Lampe mit zum Ikopa nehmen sollte, entschied sich dann aber dagegen, da das Licht nur noch mehr Insekten anlocken würde. Stattdessen gewöhnte sie ihre Augen an die Dunkelheit, während sie langsam Richtung Felsen lief. Je näher sie kam, desto lauter wurde das Gluckern und Fließen des Wassers.
Sie stieg langsam die Böschung hinunter, spürte dabei noch leichte Schmerzen von ihrem Sturz und tastete sich an das Ufer heran, wo sie einen großen, flachen Felsen am Wasser entdeckte, der wie ein heller Fleck in der Dunkelheit leuchtete. Sie wünschte, die Wolken würden den Mond freigeben, damit sie einen Blick auf den Fluss werfen könnte. Immerhin roch das Wasser frisch, und es ging eine leichte Brise, die ihr die Mücken etwas vom Leib hielt.
Eine gute Gelegenheit, sich von Kopf bis Fuß vom Schmutz zu befreien, hoffte sie und begann hastig den Rock aufzuknöpfen, der von der aufgesogenen und jetzt getrockneten Erde viel schwerer war als am Morgen.
Kaum hatte sie ihn mit einem erleichterten Seufzen abgestreift, hörte sie lautes Plätschern, das sich ihrem Felsen näherte. Sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, und erkannte dann Lázlô, der mit kräftigen Zügen zu der Felsplatte schwamm, auf der sie, nur noch mit Leibchen und Hosen bekleidet, stand.
Es war zu spät, um sich wieder anzuziehen, und wegzurennen wäre höchst albern gewesen. Schließlich, so beruhigte sie sich selbst, war sie nicht nackt. Leider fühlte sie sich aber genauso, und das behagte ihr gar nicht. Seit ihrer Scheidung hatte niemand sie mehr en déshabillé gesehen, und so sollte es auch bleiben.
Lázlô allerdings war nackt, doch er wirkte in seiner Nacktheit so selbstverständlich, als wäre er vollständig angekleidet. Nicht ein Streifen Stoff verbarg seinen breiten Männerkörper, als er sich mit Schwung auf seine kräftigen Arme stützte, sich aus dem Wasser hievte und seine langen hellbraunen Haare, die nass über seinem Gesicht klebten, nach hinten strich und sie anlächelte. »Das Wasser ist herrlich«, keuchte er und schüttelte sich wie ein Hund. Wassertropfen spritzten in Paulas Gesicht und verstärkten ihr Unbehagen. Unwillkürlich ging sie ein paar Schritte zurück.
»Baden ist das einzig Vernünftige«, sagte Lázlô, »ich verstehe gar nicht, warum sich nicht alle hier drin tummeln.« Nun grinste er so breit, dass seine Zähne im Dunklen aufblitzten.
Fassungslos starrte Paula auf seinen Körper, der sie an italienische Marmorstatuen erinnerte, die sie auf ihrer Hochzeitsreise in Florenz gesehen hatte. Hör auf, ihn anzustarren, befahl sie sich, du benimmst dich wie eine dumme Jungfrau und nicht wie eine geschiedene Frau. Es kam ihr immer wieder merkwürdig vor, dass dieser gut gelaunte Adonis wirklich der Assistent des griesgrämigen Villeneuve sein sollte, sein Forschungsassistent!
Entschlossen reichte sie ihm ihr Handtuch, was der Ungar sofort und ohne Dank annahm, als wäre sie nur deshalb gekommen. Doch anstatt es sich um die Hüften zu winden, was Paula gehofft hatte, frottierte er sich kräftig damit ab. Und sie konnte nicht anders, als ihm dabei zuzusehen. Ihre Augen hatten sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt, und sie erkannte jede Einzelheit. Der Ungar war nicht nur groß und kräftig von Gestalt, dachte sie mit einem leichten Schaudern, alles, wirklich alles an ihm war von mächtigen Ausmaßen. Und dann wurde ihr klar, warum sie an die Marmorstatuen gedacht hatte. Es waren nicht nur die Muskeln, sondern auch die Tatsache, dass er nicht ein einziges Haar an seinem Körper hatte. Seine Haut glänzte wie glatt polierter Stein, und trotzdem entströmte ihr etwas Sinnliches, das in Paula den Wunsch weckte, ihn anzufassen. Ein Wunsch, der sie erschreckte und den sie sofort aus ihrem Denken verbannte. Du weißt doch, was passiert, wenn man sich mit Männern einlässt, mahnte sie sich.
Er reichte ihr das nasse Handtuch zurück und ging mit schnellen Schritten hoch ans Ufer, wo er seine Kleidung zurückgelassen hatte, was Paula wohl zuvor wegen der Dunkelheit entgangen war.
»Das Bad wird Ihnen guttun, wollen Sie, dass ich Wache halte? Brauchen Sie Hilfe mit dem Korsett?«, rief er ihr zu, nachdem er sich angekleidet hatte, während Paula mit dem nassen Handtuch in der Hand immer noch sprachlos dastand. Männer sollten in ihrem Leben keine Rolle mehr spielen. In keiner Form!
Seine Fragen brachten sie endlich wieder zu sich und erinnerten sie daran, dass sie fast nackt hier herumstand. Sie trug kein Korsett, denn sie war so dünn, da gab es einfach nichts zu schnüren. Außerdem hatte sie sich vor ihrer Reise schlaugemacht und herausgefunden, dass ein Korsett für Alleinreisende so praktisch war wie weiße Glacéhandschuhe zum Abortreinigen.
»Nein«, widersprach sie und erwartete eine heftige Reaktion, denn der Ungar konnte ein Nein sonst nicht ertragen, weshalb es oft zu Spannungen unter den Männern kam. Doch dieses Mal zuckte er nur gleichgültig mit den Schultern, verschwand, und Paula blieb endlich allein zurück.
Unwillkürlich hob sie das Handtuch an ihre Nase und roch daran. Eine Holznote, eine Mischung von Tabak und etwas irritierend Sinnlichem. Das hatte sie schon einmal gerochen. Verblüfft inhalierte sie dieses Aroma erneut. Unfassbar! Es war eindeutig der Geruch von schwarzer Ambra, die so selten wie teuer war und deren Duft sie noch nie an einem Menschen wahrgenommen hatte. Wie war das möglich? Dieser Mann kam soeben aus dem Wasser, und doch verströmte das Handtuch nun diesen animalischen Duft. Verdutzt steckte sie ihre Nase tiefer in das nasse Handtuch und nahm dann noch einen Hauch von Seegras wahr, aber das kam sicher vom Wasser. Jetzt war ihr auch klar, dass dieser Wunsch, ihn anzufassen, nicht nur von seiner makellosen Schönheit, sondern auch von diesem Geruch ausgelöst worden war. Ihre Nase hatte auf winzige Spuren davon reagiert. Obwohl ihr Handtuch nun nass war, steigerte es ihre Lust auf einen Sprung ins Wasser nur noch weiter. Lázlô hatte wie neugeboren auf sie gewirkt, und so wollte sie sich nun auch gern fühlen. Sie war froh, dass ihr älterer Bruder Johannes-Karl ihr schon sehr früh in einer der elenden Ferienwochen bei Großmutter Josefa heimlich das Schwimmen beigebracht hatte. Das war eines von unzähligen Geheimnissen, die sie mit Jo geteilt hatte. Ihr unschuldigstes Geheimnis waren die Namen, die sie sich gegeben hatten, wenn sie allein gewesen waren. Er wurde dann zu Jo-Jo und sie zu Pippa. Damals hatte sie noch nicht gewusst, welche furchtbare Kraft Geheimnisse entfalten konnten. Ein Schauer lief über ihren schlanken Körper, für den ihr Ehemann nur Hohn und Verachtung übriggehabt hatte. Sie verbot sich jeden weiteren Gedanken an ihre Vergangenheit, sie war jetzt hier. Und wie aus Trotz gegen alles, wofür ihre Vergangenheit stand, knöpfte sie ihr Leibchen auf und streifte dann entschlossen ihre Hosen ab. Nur das Lederband mit der kleinen Duftöl-Phiole legte sie niemals ab.
Sie beschwerte ihre Kleider mit einem Stein, damit die Abendbrise sie nicht davonwehte, und stieg, nur mit einem Stück ihrer Lieblingsseife bewaffnet, in den Fluss, der zu ihrer Überraschung nicht so kalt war, wie sie gefürchtet hatte.
Sie genoss das frische Wasser, schäumte sich mit der von ihr kreierten Santal- und Orangenblütenseife ein, tauchte sogar unter, um den verkrusteten Schlamm aus ihren viel zu langen Haaren abzulösen, und fühlte sich zum ersten Mal, seit sie von Nosy Be aufgebrochen waren, wieder wohl. Morgen würden sie hoffentlich endlich Ambohimanga im Osten von Antananarivo erreichen. Dort residierte die amtierende Königin Ranavalona II. in ihrem Sommerpalast, weil Ambohimanga noch etwas höher lag als die Hauptstadt Antananarivo und es deshalb dort kühler war.
Niemals hätte Paula gedacht, dass sie so viele Monate auf der Insel Nosy Be vor der Nordwestküste Madagaskars würde ausharren müssen, um Reisebegleiter nach Antananarivo zu finden. Ihr Plan hatte vorgesehen, gleich nach ihrer Ankunft im Juli, dem madagassischen Winter, zu der Vanilleplantage ihrer Großmutter, irgendwo im Nordosten von Madagaskar, weiterzureisen. Leider hatte ihr niemand sagen können, ob es diese Plantage überhaupt noch gab und ob sie bewirtschaftet wurde, denn ihre Mutter hatte es kategorisch abgelehnt, sich mit Mathildes Erbe zu befassen. Über zwanzig Jahre hatte sich anscheinend niemand darum gekümmert. Deshalb kam es eigentlich auf ein paar Tage mehr oder weniger auch nicht an, aber Paula wurde trotzdem mit jeder Stunde, die sie auf Nosy Be warten musste, unruhiger. Außerdem schrumpften ihre Ersparnisse viel schneller dahin, als sie sich das vor ihrer Abreise aus dem Kaiserreich vorgestellt hatte, und sie war gezwungen, Geld zu verdienen. Sie hatte alles dabei, was sie brauchte, um Parfüms und Duftwasser herzustellen, denn ihr Plan war es, auf dem Grundstück ihrer Großmutter neben der Vanille auch Blumen anzupflanzen, die sich zur Herstellung von Parfüm eigneten. Seit ihrem vierzehnten Geburtstag, dem Lapislazulitag, war kein Tag vergangen, an dem sie nicht in den Rezepturen ihrer Großmutter geblättert hatte. Und jedes Mal, wenn sie das Buch in die Hand genommen hatte, war es ihr so vorgekommen, als wäre zwischen den vergilbten Seiten mit der verblassten Schrift noch etwas anderes verborgen, doch sie konnte nicht herausfinden, was.
Paula träumte davon, ein ganz besonderes Parfüm zu kreieren, einen Duft, der Frauen nicht nur schmücken, sondern auch heilend auf ihr Gemüt und ihren Körper wirken sollte. Wie sehr hatte sie sich gewünscht, so etwas für Jo zu haben, der gerade in dem Jahr gestorben war, in dem sie einen Vertrauten am bittersten nötig gehabt hätte. Mit ihm war der einzige Mensch, mit dem sie reden konnte, verschwunden. Jo hätte sie sicher ermutigt, nach Madagaskar zu fahren, vielleicht wäre er sogar mitgekommen und hätte ihr geholfen, mit ihrer Ungeduld umzugehen.
Aber sie war allein und schon fast am Ziel, doch nun wurde sie dazu gezwungen auszuharren, während ihr Geld knapp wurde. Und mit Parfüm war auf Nosy Be absolut kein Geld zu machen, denn es gab nur wenige Damen, die welches benutzten.
Die richtige Idee war ihr schließlich gekommen, als sie am Fluss war, um ihre Wäsche zu waschen. Eine Idee, auf die sie schon viel früher hätte kommen können, wenn sie nicht immer nur mit sich selbst beschäftigt gewesen wäre.
An diesem Tag waren ungewöhnlich viele Menschen am Fluss, Männer und Frauen, und es wurde eine verblüffend große Menge an Wäsche gewaschen. Während sie dabei zusah, fiel ihr zum ersten Mal auf, dass die Madagassinnen gar keine Seife verwendeten, sondern allein mit Muskelkraft die Flecken aus den Kleidern, meistens waren es Lambas, große viereckige Stofftücher, schrubbten.
Sie hatte ihren Mut zusammengenommen, sich zu einer Gruppe Frauen gesellt und sie begrüßt: »Manao aohana tompoko.« Wie geht es Ihnen? Ihre zaghaften Versuche, Madagassisch zu sprechen, wurden mit schallendem Gelächter begrüßt, doch sie antworteten ihr freundlich: »Tsara far misaotra tompoko«, danke, gut. Als sie den Frauen ihr Stück Seife hinhielt, wurde es ohne Scheu wie ein willkommenes Geschenk angenommen, mit Begeisterung herumgezeigt, berochen und dann wurde damit gewaschen. Es war klar, dass die Madagassinnen Seife sehr wohl kannten und schätzten, auch wenn sie sich diese offensichtlich nicht leisten konnten. Dann reichte man Paula ein paar sehr schmutzige Hosen zum Waschen, und gerade als Paula ob dieser Zumutung kopfschüttelnd ablehnen wollte, flüsterte ihr eine der Frauen auf Deutsch zu, dass das eine schwere Beleidigung wäre. Und dann erklärte ihr die Fremde, dass Paula gerade das Waschfest zu Ehren eines kürzlich Verstorbenen gestört hatte, was an sich schon sehr unhöflich war. Jetzt eine Einladung zum Waschen dieser Hose abzulehnen sei ein absolutes Fady.
Während Paula sich mit hochrotem Gesicht daranmachte, die Hose zu schrubben, erläuterte ihr die Frau immer noch flüsternd, dass es hier Tradition sei, sich nach dem Tod des Verstorbenen am Vanasana, dem Waschplatz, zu treffen und gemeinsam die Wäsche zu waschen, um den Toten zu ehren. Ein Fady war ein heiliges Tabu, das zu brechen gefährlich war und das je nach der Schwere des Vergehens sogar mit dem Tode bestraft werden konnte.
Die hilfsbereite Frau hieß Noria und begleitete sie jetzt auf ihrer Reise. Neben Deutsch sprach sie auch Französisch und Englisch, weil sie bei Missionaren aufgewachsen war.
Paula legte die Seife zurück auf den hellen Felsen, glitt wieder ins Wasser, drehte sich auf den Rücken, bewegte träge ihre Füße und sah in den Himmel, der jetzt von den Wolken nur noch leicht verschleiert wurde und so den Mond durchschimmern ließ. Diesen prächtigen, so nah scheinenden Mond.
Jedes Mal, wenn sie hier nachts den Mond sah, dachte sie daran, dass die Araber Madagaskar als die Insel des Mondes bezeichnet hatten, was Paula absolut passend fand, denn ihr kam es so vor, als wäre der Mond für diese Insel viel bestimmender als die Sonne. Und sie war immer noch erstaunt, wenn sie den Halbmond auf dem Rücken liegen sah, wie ein großes U. U, wie Unglück, fiel ihr ein, Ungnade, Unterleib, Unbilden, Ungeheuer. Eine Gänsehaut überlief sie. Unfug, dachte sie, U wie Unfug. Sie drehte sich um und schwamm mit einigen kräftigen Zügen zurück zum Felsen. Dort kletterte sie aus dem Wasser und trocknete sich ab, ohne der wulstigen Narbe, die von ihrem Nabel bis zum Schambein verlief, auch nur die leiseste Beachtung zu schenken. Sie blieb noch einen Moment stehen und genoss das sanfte Streicheln des Windes um ihren nackten Körper, dann ging sie in die Hocke und roch an der nassen Seife. Diese hatte sie für Madame Rivet gemacht, weil sie unbedingt eine mit orientalischer Anmutung haben wollte. Ihre Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Grinsen. Es würde ihre Mutter umbringen, wenn sie auch nur ahnen könnte, wie sie sich auf Nosy Be über Wasser gehalten hatte. Mit Großmutters Seifenrezepten und nur durch Kundinnen wie Madame Rivet.
Die Seife hatte ihr zwar finanziellen Aufschub verschafft, aber ihre Ungeduld nicht verringert. Bis zum Sommer hatte sie trotzdem noch warten müssen.
Sie erhob sich wieder und begann sich anzuziehen. Erst Anfang November waren sie schließlich abgereist, zuerst durch den staubtrockenen Westen der Insel mit seinen beeindruckenden Baobab-Alleen. Doch in den letzten Tagen hatten sie erste Bekanntschaft mit der feuchten Hitze des Regenwaldes gemacht, und sie war froh, dass sie jetzt im Hochland waren, wo das Klima erträglicher war. Mora-Mora, davon hatte sie in den Wartemonaten wirklich reichlich gehabt.
Deshalb hatte sie nicht einen Moment gezögert, mit den drei Männern aufzubrechen, auch wenn ihr klar gewesen war, dass es ihren Ruf ruinieren würde. Welchen Ruf denn, sag mir, welchen Ruf, hatte die Stimme in ihrem Kopf gekichert.
Sie hatte sich eingebildet, vieles über das Wetter und die Landschaft von Madagaskar zu wissen, ebenso wie über Männer, aber nichts und niemand hatte sie auf das Abenteuer vorbereitet, mit drei derart störrischen und selbstverliebten Männern durch den kargen und trockenen Westen in das Hochland Madagaskars zu reisen.
Während sie die Knöpfe an den Manschetten ihrer Bluse schloss, fragte sie sich, was ihre Großmutter zu ihren Reisegefährten gesagt hätte. Paula war sicher, dass sie eine starke Frau gewesen sein musste, und sie wünschte sich einmal mehr, jemanden zu treffen, der Mathilde gekannt hatte. Immer öfter unterhielt sie sich in Gedanken mit ihr. Ihre Großmutter war in ihren Gesprächen natürlich dafür gewesen, nach Madagaskar zu reisen, schließlich befand sich Paulas Erbe hier auf der Insel. Vor den drei Männern hatte Mathilde sie jedoch strengstens gewarnt, was Paula ignoriert hatte, da sie endlich vorankommen wollte. Lázlô hatte sie zuerst kennengelernt, schwer verwundet im Lazarett von Nosy Be, wohin sie ihre Seifenreste gebracht hatte. All das, was sie bei Madame Rivet und den Wäscherinnen am Fluss nicht losgeworden war.
Sie kletterte die Böschung wieder hinauf und ging zurück zum Lager, wo Noria mit dem Kochen schon fast fertig war.
Noria musterte sie mit diesem durchdringenden Blick, den Paula nicht einordnen konnte und der sie jedes Mal verunsicherte, worüber sie sich dann wiederum maßlos ärgerte. Und das, obwohl Norias Haut so angenehm wie eine Mischung aus Oregano, nassem Sand und Zitronengras roch. Niemand sollte mehr die Macht haben, sie durcheinanderzubringen. Nicht nach allem, was sie durchgemacht hatte.
Manchmal befürchtete sie, Noria könnte sie so seltsam anstarren, weil sie spürte, wie hässlich Paula sie fand. Paula wollte nicht von derart unfreundlichen Gedanken heimgesucht werden, schließlich hatte Noria sie am Fluss mit den Frauen vor einem schlimmen Fehler bewahrt. Aber sie schaffte es nicht, diese Gedanken abzustellen, deshalb schämte sie sich und mochte Noria nur noch weniger.
Norias Gesicht war flach, mit einer dominanten, breiten Nase darin, als ob man ihr eine Pfanne ins Gesicht geschlagen hätte. Ihre Augen standen sehr eng zusammen, was ihr den Ausdruck von jemandem verlieh, der ständig missbilligend die Augenbrauen zusammenzog. Deshalb hatte sich Paula eigentlich vorgenommen, nur noch auf ihren angenehmen Geruch und ihren Mund zu achten, der sehr hübsch geschwungen und voll war und die Farbe von eingemachten Schattenmorellen hatte. Ihre Haut war deutlich heller als die vieler Madagassen, was darauf hinwies, dass sie von den Merina abstammte. Morten hatte ihr erklärt, dass die Merina, die das Hochland beherrschten, stolz darauf waren, eine hellere Haut zu haben als die anderen Bewohner Madagaskars. Alle Könige und Königinnen von Madagaskar entstammten den Merina.
Von Morten hatte Paula auch noch mehr über die Fadys der Insel gehört. Die Tabus, die man strengstens einhalten musste und deren Missachtung schwer und manchmal sogar mit dem Tode bestraft werden konnte, woran auch die amtierende Königin, die Christin Ranavalona II., noch nichts hatte ändern können. Obwohl die Königin hart daran arbeitete, unchristliche Sitten wie die Polygamie abzuschaffen, war es ihr noch nicht gelungen, die uralten Bräuche der Madagassen abzuschaffen oder auch nur infrage zu stellen.
Paula setzte sich zu ihren Reisegefährten auf eine der Matten am Feuer. Dabei spürte sie, dass sie blaue Flecken von ihrem Sturz davongetragen haben musste, aber sie hätte sich lieber die Zunge abgebissen, als zu stöhnen.
Sie griff nach der Teekanne und goss sich noch einen Becher Zitronengrastee ein. Die Männer waren schon zu billigem Rum übergegangen. Lázlô reichte ihr die Flasche, aber sie lehnte ab. Rum stieg ihr viel zu schnell in den Kopf, und es wäre sehr unklug gewesen, die Kontrolle über sich zu verlieren. Sie blieb beim Tee und verzichtete auch auf das traditionelle Reiswasser, Ranovola, das die Träger und Noria zum Essen tranken. Dazu wurde der angebrannte Bodensatz, der beim Kochen des Reises entstand, mit einer extra Portion Wasser aufgekocht und dann noch warm zum Essen getrunken.
Wie jeden Tag gab es Reis. Vary. Und dazu eine Suppe aus Kräutern, die Noria unterwegs gesammelt hatte. Morgens wurde der Reis mit viel Wasser zu Brei aufgekocht, zu Vary sosoa, und manchmal servierte Noria ihn auch mit in Salzwasser gekochten Kokosspänen darin. Mittags gab es entweder eine Suppe mit Reis oder in Kokosmilch gekochten Reis mit gestampften Maniokblättern und klein gehackten Tomaten, was Paula nicht besonders mochte, da die Maniokblätter die Konsistenz von mehligem Gras hatten. Trotzdem schmeckte alles sehr gut, weil Noria reichlich von dem rauchigen madagassischen Pfeffer verwendete. Außerdem wurde zu jedem Essen eine Paste aus Ingwer, Knoblauch, Chili und Limonenfleisch gereicht, die auch noch die fadeste Suppe in eine Köstlichkeit verwandelte.
Paula aß zwei große Teller Suppe mit Reis und war immer noch nicht satt, aber sie spürte den Blick von Noria auf sich, die nur kleinste Mengen verzehrte, und kam sich vor wie zu Hause, wenn ihre Mutter sie ermahnte, wie eine Dame zu essen und nicht wie ein Bierkutscher.
Immerhin hatte Noria noch ein Bündel Afintsa für sie alle, köstliche kleine, in der Sonne getrocknete Bananen.