Des Lebens fünfter Akt - Volker Hage - E-Book

Des Lebens fünfter Akt E-Book

Volker Hage

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Beschreibung

Liebe, Literatur und Leid: Arthur Schnitzlers letzte Lebensjahre

Er ist auf dem Gipfel seines Ruhms. Seine Werke sind gesucht, er verkehrt mit Künstlern wie Hugo von Hofmannsthal, Thomas Mann, Gerhart Hauptmann oder Stefan Zweig, und die Frauen umschwärmen ihn auch in seinem fortgeschrittenen Alter noch. Eigentlich hat der 66-jährige Arthur Schnitzler im Sommer des Jahres 1928 alles erreicht. Doch dann begeht seine erst 18 Jahre alte Tochter Lili in Venedig Selbstmord, und mit ihr verliert Schnitzler jenen Menschen, der ihm auf eigentümliche Weise am nächsten stand.

Volker Hages biografischer Roman ist ein intimes Porträt Arthur Schnitzlers, dessen letzte Jahre von Unsicherheiten und widersprüchlichen Gefühlen geprägt waren: von tiefer Melancholie ebenso wie vom Glück einer späten Liebe.

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Zum Buch

Er ist auf dem Gipfel seines Ruhms. Seine Werke sind gesucht, er verkehrt mit Künstlern wie Hugo von Hofmannsthal, Thomas Mann, Gerhard Hauptmann oder Stefan Zweig, er wird von Hollywood umworben, und die Frauen umschwärmen ihn auch in seinem fortgeschrittenen Alter noch. Eigentlich hat der 66-jährige Arthur Schnitzler im Sommer des Jahres 1928 alles erreicht. Doch dann begeht seine erst 18 Jahre alte Tochter Lili in Venedig Selbstmord, und mit ihr verliert Schnitzler jenen Menschen, der ihm auf eigentümliche Weise am nächsten stand.

Was ihm nun noch bleibt und was sein ganzes Leben bestimmt hat, das ist die Anziehungskraft auf Frauen. Die Liebe, die ihm bis zu seinem Tod angetragen, bisweilen aufgedrängt wird, stützt und bestürzt ihn gleichermaßen. Sie wird ihm bis zum letzten Atemzug erhalten bleiben. Da ist Olga Schnitzler, die frühere Ehefrau, die gerne wieder mit ihm zusammenleben möchte, gerade nach dem Verlust der gemeinsamen Tochter; da ist Clara Pollaczek, die Schriftstellerin, für die er nach fünf Jahren Partnerschaft nur noch Freundschaft empfindet; da ist die junge Hedy Kempny, mit der ihn über ein Jahrzehnt hin eine erotisch aufgeladene »Komplizenschaft« verbindet – und da ist schließlich Suzanne Clauser, seine Übersetzerin ins Französische, 36 jünger als er und in diesen letzten Jahren seines Lebens seine wahre Vertraute.

Intensiv hat Volker Hage die Tagebücher Schnitzlers und seiner Tochter sowie zahlreiche Zeitdokumente studiert. Sein biografischer Roman zeichnet ein intimes Porträt des Erfolgsschriftstellers, dessen letzte Jahre von Unsicherheiten und widersprüchlichen Gefühlen geprägt waren: vom Glück einer späten Liebe ebenso wie von tiefer Melancholie. Und er entwirft zugleich ein Panorama Wiens am Vorabend der nationalsozialistischen Machtübernahme.

Zum Autor

VOLKER HAGE, 1949 in Hamburg geboren, zählt zu den renommiertesten deutschen Literaturkritikern. Seine journalistische Laufbahn begann er als Kulturredakteur der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, danach arbeitete er als Literaturchef der »Zeit« und später des »Spiegel«. Er schrieb Titelgeschichten über Friedrich Schiller, Franz Kafka, Thomas Mann, Günter Grass und Marcel Reich-Ranicki und ist Autor biographischer Werke über Max Frisch, Walter Kempowski, Philip Roth, John Updike und andere sowie des international beachteten Standardwerks »Zeugen der Zerstörung. Die Literaten und der Luftkrieg« (2003). Darüber hinaus lehrte er als Gastprofessor an deutschen und amerikanischen Universitäten. 2015 erschien bei Luchterhand sein erster Roman »Die freie Liebe«.

Volker Hage

Des Lebens fünfter Akt

Roman

btb

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Genehmigte Ausgabe Oktober 2021

btb Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Copyright © 2018 Luchterhand Literaturverlag, München

Covergestaltung: semper smile

Covermotiv: Gustav Klimt Fruit Trees XIXth - XXth century/The Artchives / Alamy Stock Photo

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-22938-2V003

www.btb-verlag.de

ERSTER TEIL

Tod in Venedig(1928)

Mit jenem Julitag war mein Leben doch zu Ende.Die andern wissens nicht – und manchmal ich selber auch nicht.

Arthur Schnitzler (Tagebuch)

1

Der Juli, der sich dem Ende zuneigte, war extrem heiß gewesen. Über Wien hatten sich heftige Gewitter entladen und manche Donnerschläge, von Blitzen eher begleitet als angekündigt, das Haus in der Sternwartestraße regelrecht erzittern lassen. Nichts aber, wie auch, hatte den Schriftsteller auf das vorbereitet, was an diesem Tag über ihn hereinbrechen würde.

Er war am Morgen in guter Stimmung erwacht. Die Hitze hatte endlich nachgelassen, was ihm wohltat. Vor wenigen Wochen war er 66 geworden. Eine schöne, fast elegante Zahl, wie er fand, und er kam sich nicht wirklich alt vor, auch wenn sein Körper ihn bisweilen im Stich ließ, vor allem was das Gehör betraf, sein altes Leiden.

»Therese« schien in jeder Hinsicht ein Erfolg zu werden. Selbst sein Verleger Samuel Fischer äußerte sich nur in den höchsten Tönen über den Roman, fast freundschaftlich gab er sich neuerdings wieder am Telefon. Es wurde nachgedruckt, die Buchhändler waren beglückt, die Kritiker überraschend wohlwollend.

Dabei hatte er sich nie als Romanautor verstanden. Er war der Verfasser von Novellen, so kannte man ihn, und natürlich war er immer noch ein Dramatiker, auch wenn sich die Bühnen schon lange nicht mehr um seine Stücke rissen. Ein Mann, der schreibt, sagte er gern von sich. Kein Dichter. Am liebsten war ihm ohnehin sein Tagebuch. Da war er ganz bei sich, unbehelligt von Urteilen und Kritik. Seit Jahrzehnten hatte er kaum einen Tag ausgelassen. Vielleicht war das Tagebuch überhaupt sein wichtigstes Werk. Es sollte bewahrt und nach seinem Tod vollständig veröffentlicht werden, ohne jede Kürzung. So hatte er es im Testament verfügt. Bisweilen schien es ihm beim Schreiben, als würde er zu Freunden sprechen, die noch gar nicht geboren waren.

Ein Kollege, der in diesem Haus schon Gast gewesen war und wahrhaftig etwas vom Romanschreiben verstand, hatte auf die Übersendung des Widmungsexemplars überaus freundlich reagiert. »Therese« habe er in »inniger Lektüre in sich aufgenommen« und dabei die Konzeption des Romans sehr bewundert, das »Große, Einfache, durchaus Lebensgemäße«, ebenso die »dauernde Stille« und »tiefe Erschütterung durch das Menschliche«. Der gute Thomas Mann: fein formuliert war das und wie stets von ausgesuchter Höflichkeit.

Vor wenigen Tagen hatte ihm nach langer Zeit auch Hofmannsthal wieder einmal geschrieben, voll des Lobes über den Roman. Er, Hugo, war der wahre Dichter. Und ein wahrer Freund, auch wenn sie einander siezten und der andere um so vieles jünger war. Beglückend allein diese eine Formulierung: Dass sich in »Therese« die rhythmische Kraft zum Zauberhaften entfalte. Wie hätte man es schöner sagen können?

Und ein Brief seiner Tochter Lili aus Venedig lag auf dem Pult. »Wie immer in unangenehmen Lebenslagen lese ich Schnitzler«, hatte sie ihm geschrieben. Jetzt habe sie sich »Therese« noch einmal vorgenommen, »die ich beim ersten Mal zu flüchtig gelesen und beurteilt habe«. Dass die Tochter überhaupt die Bücher des eigenen Vaters zur Hand nahm, war ihm nie selbstverständlich gewesen. Und dass sie ihn, als wäre er ein fremder Autor, einfach Schnitzler nannte, amüsierte ihn. Jetzt finde sie den Roman wunderbar, hieß es im Brief, wieder habe sie feststellen müssen, wie wenig Spannung mit Überraschung zu tun habe. Er hatte natürlich gleich gespürt, dass Lili von »Therese«, der »Chronik eines Frauenlebens«, zunächst gar nicht begeistert gewesen war, dem Roman, in dem er auf Überraschungsmomente fast vollkommen verzichtet hatte.

Gedämpft wurde seine Freude freilich dadurch, dass sie ihn gleichzeitig um eine telegrafische Übersendung von immerhin 3000 Lire bat. Dringende Geldsorgen plagten sie wieder einmal: »Du ahnst nicht, wie nervös mich diese Sachen machen.« Um auf Nummer sicher zu gehen, hatte sie ihm vorab sogar ein Telegramm geschickt: »bitte sende telegrafisch für bewusste causa lire dreitausend brief unterwegs dank innigst lili«.

Es gab Streitigkeiten mit dem Vermieter. Natürlich hatte er ihr umgehend das Geld angewiesen und einen väterlich-fürsorglichen Brief nach Venedig hinterhergeschickt. Er hoffte, dass Lili sich wegen der sechs handgeschriebenen Seiten nicht gegrämt hatte. Sowohl seiner Belehrung als auch seiner krakeligen Schrift wegen. Einen früheren Brief von ihm hatte sie einmal mit der Klage beantwortet, sie habe das meiste leider nicht entziffern können. Dabei schrieb sie selbst auch nicht gerade leserlich.

Er schaute vom Balkon hinunter in den Garten mit den Rosensträuchern, in dem vor vielen Jahren seine beiden Kinder gespielt hatten. Damals war die Sternwartestraße 71 noch belebt gewesen. Jetzt lag über allem, wie er es nannte, die Melancholie des leeren Hauses. Dabei war er die meiste Zeit über gar nicht allein. Die Hausdame hatte ihm schon das Frühstück bereitet, und gleich würde seine Sekretärin kommen, der er das sechste Bild seines Stücks »Zug der Schatten« diktieren wollte, an dem er nun schon anderthalb Jahre arbeitete. Sie, Frieda Pollak, zwanzig Jahre jünger als er, gehörte zur Familie, sie war eine gute Freundin und verlässliche Gesprächspartnerin geworden.

Später an diesem Donnerstag, nach dem Diktat, aßen sie, wie üblich, gemeinsam zu Mittag. Ganz selbstverständlich. Aber es war eben alles andere als das. Bei wem sonst hätte er solche Treue und Diskretion, solches Verständnis gefunden?

»Mein liebes Fräulein Frieda«, sagte er. Er nannte sie gern so. Und sie lachte dann. Das wusste er. Liebes Fräulein Frieda! So redete er sie auch an, wenn er einen Zettel mit Wünschen und Aufträgen hinterließ, bevor er auf Reisen ging. »Ich kann Ihnen nicht oft genug sagen, wie wohl mir Ihre Gegenwart tut, wie unentbehrlich Sie mir sind.«

»Ich höre es immer wieder gern«, sagte sie.

»Und das alles ohne Ärger, ohne jeden Streit«, sagte er. »Seit bald zwanzig Jahren. Ich kann mich gut daran erinnern, wie Sie sich hier vorstellten. Ich weiß sogar, wann das war: im September 1909, kurz vor Lilis Geburt. Damals wirkten Sie ein wenig schüchtern auf mich. Dafür voller Elan, das war gleich zu spüren.«

»Sie sind auch schon ein berühmter Schriftsteller gewesen, da darf man doch nervös sein, oder? Und ich habe mich so gefreut, als die Zusage kam. Na, Sie wissen’s ja. Und dass Lili schon auf der Welt war, als ich bei Ihnen anfing«, sagte Frieda Pollak. »Die Kleine ist mir gleich ans Herz gewachsen.«

»Und umgekehrt. Die kleine Lili hat Sie Kolap genannt, kaum dass sie die ersten Worte sprechen konnte. Kam gleich nach Mama und Papa.«

»Nicht nur sie hat mich so genannt.«

Da musste er lächeln. Auch in seinen Tagebüchern hieß sie so. Kolap, dabei war es geblieben. Sie wusste ohnehin alles. Es gab keine Geheimnisse vor ihr. Ihr diktierte er ohne Bedenken das Privateste. Sie, die Verlässliche und Vertraute, konnte auch seine Handschrift entziffern, was ihm selbst zunehmend schwerfiel. Und sie wusste darüber Bescheid, wie mit dem Nachlass, allem voran seinen Tagebüchern, zu verfahren sein würde. Sogar als Vermittlerin hatte sie sich versucht, zwischen Olga und ihm, als die Ehe endgültig in die Phase der Agonie getreten war.

Frieda Pollak war damals die Erste gewesen, der er sich anvertraut und mit der er über die zunehmende Unerträglichkeit seiner Ehe gesprochen hatte. Sie gab ihm zu seiner Erleichterung zu verstehen, dass sie, die ja ohnehin alles aus der Nähe beobachtet hatte, ihn gut verstand und ganz auf seiner Seite war. Glücklicherweise war sie für ihn als Frau stets ohne Reiz gewesen, was die Glaubwürdigkeit ihrer Bemühungen zur Rettung der Ehe erhöht hatte. Auch wenn am Ende alles vergebens war.

Seit sieben Jahren waren Olga und er geschieden. Olgas Ausbruch war in Wirklichkeit keiner gewesen, lange vorbereitet zwar, doch am Ende unbedacht. Sie hatte, das sah sie bald ein, alles verloren: den Platz an seiner Seite und die Nähe zu der damals gerade elf Jahre alten Lili, am Ende wohl auch die Hoffnung, mit einem anderen Mann besser zurechtzukommen oder überhaupt ihren eigenen Weg zu gehen – ob als Sängerin oder Geschäftsfrau. Er wusste, dass sie es bitter bereute, all die Jahre schon. Sie selbst hatte es ihm mehr als einmal gesagt. Sogar gefleht hatte sie, wieder an seinem Leben teilhaben zu dürfen. Und an ihrem 46. Geburtstag, Anfang des Jahres, hatte sie ihm mit Altersangst und ihrem Gefühl der Heimatlosigkeit in den Ohren gelegen. Sie war zwanzig Jahre jünger als er und betrachtete sich doch schon, gegen jede Vernunft, als alternde Frau.

Abgerissen aber war die Verbindung zwischen ihnen nie, auch wenn sie nun in verschiedenen Städten lebten. Vorgestern erst war wieder Post aus Berlin gekommen: einer jener Briefe, wie nur sie sie zu schreiben verstand, ein großartiger Brief, der ihn ganz ergriffen hatte. Niemand konnte an Olga heranreichen, wenn es darum ging, ihn zu packen, anzuspornen, mit kluger Kritik wesentlich zum Gelingen seiner Werke beizutragen. Oder ihn gründlich zu verärgern, was ihr regelmäßig gelang. Und wieder musste er feststellen, wie großartig sie zu formulieren wusste, sobald es nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Ähnlich wie bei ihrem Gesang: Wunderschön kam ihre Stimme immer dann zur Geltung, wenn sie im kleinen Kreis vortrug, etwa wenn er sie hier im Haus auf dem Klavier begleitet hatte.

»Lili gehört hierher, nach Wien«, sagte die Sekretärin. »Ich weiß doch, wie sie Ihnen fehlt.«

»Und nun ist sie schon seit mehr als einem Jahr verheiratet«, sagte er. »Und so weit weg.«

Seine Tochter, sie war bei der Hochzeit noch keine 18 gewesen. Und ihr Mann, der Italiener: 20 Jahre älter. Ein überzeugter Offizier der faschistischen Miliz. Aber was hätte er tun sollen? Er kannte die Willensstärke seiner Tochter, die ihm in vielem nachkam. Und das nicht unbedingt zu ihrem Vorteil.

Lili lebte mit Arnoldo in Venedig. Sie hatte sich diesen Italiener mit der schwarzen Uniform in ihren hübschen Kopf gesetzt. Da war er machtlos gewesen, zumal dieser Mussolini-Getreue wirklich etwas hermachte und auch Olga auf Anhieb gefallen hatte, die sogar so weit gegangen war, finanzielle Opfer bringen zu wollen. Um ihm Lilis Heirat schmackhaft zu machen, hatte sie behauptet: »Ich bin gern bereit, dem Paar ein Drittel meiner Rente abzutreten.«

»Olga, das ist völlig illusorisch«, hatte er sofort gesagt. »Mein Geld reicht dir doch jetzt schon nicht.«

Sie war darauf nicht weiter eingegangen, sondern hatte ihn nur angeschaut und gesagt: »Mir bricht das Herz, wenn ich daran denke, dass du in deinem großen Haus nun allein leben sollst.« Später war sie nie wieder auf ihr Angebot zurückgekommen, finanzielle Abstriche zu machen.

Und jetzt? Ohne seine regelmäßigen Zahlungen kamen Lili und ihr Mann nicht über die Runden. Und nun auch noch der Ärger mit dem Vermieter, der offenbar auf eine gerichtliche Auseinandersetzung hinauswollte, weil das Ehepaar die Miete zurückbehalten hatte, was nicht sehr klug war, wie ihm schien. Und wieder einmal hatte er helfen und aushelfen müssen.

Drei Haushalte galt es zu finanzieren: den in Venedig, Olgas in Berlin und seinen eigenen in Wien. Bisweilen bangte ihm, dass er das auf Dauer nicht würde durchhalten können. Einnahmen vom Theater gab es kaum noch. Das Honorar für »Therese« war so gut wie aufgebraucht, bevor der Roman überhaupt erschienen war. Und auf das Geld, das ihm in den vergangenen Jahren seine Novellenerfolge eingebracht hatten, besonders »Fräulein Else«, konnte er nicht ewig zählen. Auch das relativ neue und recht einträgliche Geschäft mit Filmrechten erwies sich als schwer kalkulierbare Angelegenheit.

Der Hausdame hatte er zum Herbst gekündigt. Für ihn allein rechtfertigte sich ihre Anstellung nicht, was sie verstand. Sie war selbst nicht mehr die Jüngste, außerdem versorgt mit einer guten Pension.

Und an sie, Frau von Klimbacher, war das Telegramm gerichtet, das an diesem 26. Juli zur Mittagszeit eintraf, während er mit seiner Sekretärin noch zu Tisch saß. Es war am Vorabend von Arnoldo in Venedig aufgegeben worden und lautete: Sie möge dem Doktor mitteilen, dass Lili erkrankt sei, wenn auch nicht schwer, und sich die Anwesenheit des Vaters wünsche.

Wenig später kam ein verzweifelter Anruf aus Berlin. Olga hatte ebenfalls ein Telegramm aus Venedig erhalten und sich zu Dora Michaelis geflüchtet, ihrer gemeinsamen guten Freundin. Von dort aus telefonierte sie. Das Telegramm war erst am Morgen von Lilis bester Freundin Anna Mahler aufgegeben worden, und was Anni schrieb, klang weitaus bedrohlicher: Lili sei schwer erkrankt, die Mutter müsse sofort kommen.

Ohne viele Worte zu verlieren, waren sich die Eltern rasch einig: Gemeinsam würden sie am nächsten Tag nach Venedig fliegen. Es gab seit diesem Jahr eine direkte Verbindung von Wien aus. Das nächste Flugzeug würde morgen um halb zwölf starten. Olga konnte mit einem frühen Flug aus Berlin rechtzeitig in Wien-Aspern eintreffen. Gegen drei Uhr würden sie dann auf dem Lido landen.

Jetzt galt es, die Zeit zu überbrücken. Er packte wie in Trance ein paar Sachen in seine Reisetasche. Die Sekretärin kümmerte sich derweil um die Billetts und Pässe. Darüber musste nicht viel gesprochen werden. Auch mit einem Besucher, der am Abend vorbeischaute, blieb nicht viel zu reden, nicht einmal mit Clara, die ebenfalls gekommen war und ihm zur Seite stehen wollte, nun aber ebenso rat- und hilflos war wie er selber. Seit mehr als fünf Jahren waren die Schriftstellerin Clara Katharina Pollaczek und er ein Paar – natürlich wenig angesichts der 28 Jahre, die vergangen waren, seit Olga in sein Leben getreten war.

Sie ließen ihn bald allein. In seinem Zimmer griff er nach Lilis Porträt, das an seinem Bett stand, und küsste es. Ihr rundes Gesicht, die weit aufgerissenen dunklen Augen, mit denen sie ihn anblickte, als würde sie zu ihm sprechen, die hohe Stirn, ihr prächtiges schwarzes Haar mit dem Mittelscheitel, die geschwungenen dichten Augenbrauen, der feine Mund, wie gemalt, die Oberlippe dicht unter ihrer Nase. Sie hielt das Kinn auf die gefalteten Hände gestützt. Wie eine ägyptische Prinzessin aus fernen Zeiten sah sie aus, das Leben herausfordernd und zugleich fürchtend.

2

Als er am nächsten Vormittag auf dem Flugfeld eintraf, wartete Olga schon. Sie warf sich ihm in die Arme. Er konnte es ihr nicht verwehren, wollte das auch gar nicht. In diesem Augenblick waren sie wieder ein Paar, ein verzweifeltes, vertrautes Elternpaar. Aller Zwist war wie nicht gewesen.

»Das Telegramm von Anni«, sagte sie nur und reichte es ihm. Aber was nützte es, wenn er immer wieder darauf starrte.

Rudolf Stanger von der Österreichischen Luftverkehrs-AG stellte sich ihnen und den anderen Reisenden vor. Der Flugzeugführer geleitete sie zur Junkers, half den acht Fluggästen beim Einstieg: drei Stufen einer hinzugeschobenen kleinen Trittleiter hoch, ein paar Schritte über den Wellblechflügel zur Tür.

Der Schriftsteller nahm in der engen Kabine auf der linken, Olga auf der rechten Seite Platz. Sie waren nur durch den schmalen Gang voneinander getrennt und konnten sich die Hände reichen. Er legte den Gurt an und starrte aus dem Fenster. Der Pilot und sein Mechaniker, beide mit Lederkappe und Schutzbrille, kletterten vorn in die Kanzel mit der kleinen Windschutzscheibe. Zwei Männer am Boden warfen das mittlere Propellerblatt so lange hin und her, bis der erste der drei Motoren ansprang.

Dreieinhalb Stunden Flug lagen vor ihnen. Er war diese Strecke schon zweimal geflogen, jeweils allein und in entgegengesetzter Richtung. Olga schaute gegenüber aus dem Fenster. Zu reden war ohnehin nicht möglich im Dröhnen der Motoren, jeder war allein mit sich und seiner Angst.

Acht Jahre hatte Lili mit ihm unter einem Dach gelebt, nach der Trennung. Er war Olga gegenüber rigoros und unerbittlich gewesen, das wusste er. Er hatte darauf bestanden, dass die Tochter bei ihm blieb. Er hatte ihre Mutter schließlich nicht fortgeschickt. Sie sollte sich nur entscheiden zwischen ihm und dem jungen Geliebten, ihrem Gesangslehrer, das war seine Forderung gewesen. Sie war gegangen. »Lieber Mansarde und Butterbrot«, hatte sie noch gesagt. Und so konnte er die zermürbende Ehe aufkündigen, ohne der Schuldige zu sein. Er hatte die Chance ergriffen und wenige Jahre später erfolgreich auf Scheidung gedrängt.

Aber nun, wo sie gemeinsam einem ungewissen Schicksal entgegenflogen, hatte er auch wieder ihre verzagte und verzweifelte Stimme von damals im Ohr, als alles zerbrach: »Ich will lieber mutterseelenallein sein als in dieser von allen Furien gepeitschten Gemeinschaft.« Es war wohl richtig: er hatte sich ebenfalls verbittert aufgeführt.

Sie gehe auch »um seinetwegen«, hieß es in einem Brief, um »diesem unseligen Trieb der Zerstörung in Dir ein Ende zu setzen und Dich in eine Deiner würdigeren Ruhe und Gesammeltheit zu versetzen«.

Was sie angesichts der Trennung über Lili formuliert hatte, war so überzeugend, dass er schwankend geworden war und für einen Moment am liebsten alles rückgängig gemacht hätte: »Mit dem Kind, das so viel ahnungsvoller und zärtlichkeitsbedürftiger ist, wird es schon schwerer gehen, und es ist meine schrecklichste Angst, sie in eine Traurigkeit zu versetzen, die ihre Seele mit einem zu frühen Frosthauch verletzen könnte.« Er aber war sicher gewesen, dass seine Tochter bei ihm gut aufgehoben sein würde.

So überflogen sie die Alpen. Er schaute zu Olga hinüber. Sie blickte aus dem Fenster und nahm ihn nicht wahr.

Auf seinem ersten Flug von Venedig nach Wien, seiner allerersten Luftreise überhaupt – wie faszinierend fand er das damals, vor mehr als zehn Monaten: aus dieser Höhe auf die menschenleer wirkende Welt hinabzusehen, nach Turbulenzen über dem Gebirge mit dem Aeroplan auf dreieinhalbtausend Meter zu steigen und die strahlend weiße Wolkendecke unter sich zu bewundern. Wie eine Fahrt auf flockigem Meer, so war sein Gedanke gewesen, und er hatte sich dabei ganz in Sicherheit gefühlt, berauscht und beglückt geradezu. Eine Mitreisende hatte derweil unbeirrt seine Novelle »Spiel im Morgengrauen« gelesen, ohne ein einziges Mal aufzublicken, ohne den Autor zu erkennen. Ihm war die Lesebeflissenheit reichlich kurios vorgekommen – als gäbe es vor dem Fenster nicht Interessanteres zu sehen. Aber es hatte ihn auch gefreut, dass die Frau so gefesselt war.

Damals, im September 1927, hatte er das junge Ehepaar in Venedig besucht. Zu dritt hatten sie Lilis 18. Geburtstag im Café Florian gefeiert. Eine Reise ganz allein, weder in Begleitung von Olga noch von Clara, auch deswegen ganz unbeschwert. Es waren allerdings wieder Geldsorgen von Tochter und Schwiegersohn zur Sprache gekommen.

Aber was bedeutete das angesichts dieser lähmenden Sorge jetzt, angesichts der unausdenkbaren Möglichkeit, zu spät zu kommen. Er sah sie vor sich, seine Lili: als Fünfjährige, wie sie ihn bittet, ihr etwas zu schenken, und als er sagt, sie dürfe nicht immerzu Geschenke fordern, zurückfragt: »Wozu bist du denn da?«; die Zehnjährige, die alles erfahren will über den Dreißigjährigen Krieg und die Psychoanalyse; die Vierzehnjährige, die ihm verkündet: »Kein Ärger ist so groß, dass er nicht von dem Vergnügen aufgewogen würde, überhaupt auf der Welt zu sein.« Dieses lebensfrohe Mädchen, das so überraschende Fragen stellen konnte: »Wann hat der erste Mensch gemerkt, dass er kein Affe mehr ist?«

Einmal – die Familie lebte da noch gemeinsam in der Sternwartestraße – hatte die Tochter ihrer Mutter ganz ernsthaft erklärt, dass Eltern sich nicht scheiden lassen dürften: »Was sollen die Kinder tun, die ja beide liebhaben?« Ein Vater, der sich scheiden lasse, solle sich einen Galgen kaufen und sich aufhängen.

Hätte er sie besser beschützen müssen? Lili schien so glücklich mit Arnoldo zu sein, in den sie vom ersten Moment an völlig vernarrt gewesen war und den auch er, ganz gegen seine Natur, bei dessen Antrittsbesuch in Wien sofort ins Herz geschlossen hatte. Und nach der Hochzeit in Wien hatte sie ihrem Vater zugeflüstert: »Dank.« Und Arnoldo hatte ihm gesagt: »Sei nicht traurig. Sie ist in guten Händen.«

Und nun mussten die Eltern anreisen.

Das Dröhnen der Motoren hatte nachgelassen, die Junkers ging in den Sinkflug über. Die Alpen lagen lange hinter ihnen. Olga schaute immer noch aus dem Fenster.

Als er das zweite Mal, kein Vierteljahr war es her, vom Lido aus zurück nach Wien gestartet war, hatten Lili, Arnoldo und er eine gemeinsame Schiffsreise hinter sich, eine zweiwöchige Kreuzfahrt, seine Einladung: von Triest aus Richtung Athen und Konstantinopel. Die Akropolis im Sonnenglanz, der Kanal von Korinth, die Dardanellen, Rhodos, Argus. Lili, das hatte nicht nur er so gesehen, war die schönste Frau an Bord gewesen, anmutig und andachtsvoll im Tanz mit ihrem stolzen Arnoldo, beide ganz in Schwarz gekleidet. Und dass ihnen vom Kapitän der »Stella d’Italia« noch im Hafen von Triest zwei komfortablere Kabinen zugewiesen worden waren, für den Scrittore sogar eine mit Badewanne, die dann allerdings trotz Reparatur nicht funktionierte, das hatten sie nicht nur seinem Ruhm als Schriftsteller, sondern zweifellos auch Lilis dunklen Augen und ihrem keck aufgesetzten Hut zu verdanken. Natürlich waren sie aufgefordert worden, beim Diner am Kapitänstisch Platz zu nehmen, sieben Gänge: er zur Linken des Gastgebers, Lili zur Rechten, daneben Arnoldo. Sie hatten sich wohlgefühlt an Bord und miteinander.

Er sah aufs Wasser hinunter. Sie flogen eine Schleife über Venedig, unverkennbar der Canal Grande dort unten, dann erblickte er den Flugplatz San Nicolò di Lido, sah die Grasnarbe, auf der sie gleich landen würden.

Nach der Schiffsreise war er von beiden gefragt worden, ob er nicht zu ihnen nach Venedig ziehen wolle. Oder sollten sie, Lili und Arnoldo, vielleicht zu ihm nach Wien übersiedeln? Hätte er doch damals besser zugehört. Vor dem Rückflug hatte er Lili zuletzt in die Augen geschaut.

Die beiden Räder berührten den Boden, hüpften hoch, setzten hart wieder auf. Der Ruck ging mitten durch sein Herz. Der Flug war ein Aufschub gewesen. Nun holperten sie quälend langsam auf das kleine Gebäude zu, vor dem er Arnoldo stehen sah. Benommen registrierte er, wie die Motoren erstarben. Plötzlich diese Stille. Er blickte Olga an und sie ihn. Hintereinander verließen sie in gebückter Haltung die Kabine. Sie nahmen sich bei der Hand und gingen gemeinsam auf den Wartenden zu.

Arnoldo musste nichts sagen. Er sagte auch nichts. Stumm umarmten sie einander. Dann aber, auf der Fahrt mit dem Motorboot zur Riva degli Schiavoni, redete er umso mehr, italienisch, französisch, deutsch, alles wild durcheinander. Der Vater verstand nur: Lili, die Tochter, die er geliebt hatte wie keinen anderen Menschen, sie lebte nicht mehr. Es gab keine Worte dafür. Er überließ sich dem Schmerz, während er Arnoldo reden hörte. Die Sonne spiegelte sich im Wasser. Ihn umgab eisige Finsternis.

Noch am Abend war sie im Krankenhaus gestorben, zu jener Stunde, da er in Wien ihr Foto in Händen gehalten hatte. Eine Schussverletzung, die sie sich im Badezimmer selbst zugefügt hatte, so verstand er den Schwiegersohn. Dann war im Krankenhaus nach geglückter Operation eine Sepsis hinzugekommen. Die Pistole war von Arnoldo während des Krieges einem sterbenden Österreicher entrissen und von ihm aufbewahrt worden. Es steckte eine verrostete Kugel im Lauf. Ob Lili das gewusst hatte oder nicht, was spielte es für eine Rolle.

Der verdammte Krieg. Damals, in jenen August-Tagen, als eine Kriegserklärung die andere jagte, von vielen seiner Kollegen begeistert begrüßt, hatte er gleich bei Kriegsausbruch in sein Tagebuch geschrieben: »Der Weltkrieg. Der Weltruin.« Er war nichts als entsetzt gewesen. Er wusste, wie verletzte, zerfetzte Menschen aussehen. Und es war nicht vorbei. Er hatte es kommen sehen. Es würde nie aufhören. Jetzt war Lili das Opfer.

Später saß er mit Arnoldo im Garten des Hotels Bristol-Britannia am Canal Grande. Olga war auf dem Weg ins Krankenhaus, sie wollte ihre Tochter noch einmal sehen. Er konnte das nicht: Lili als Tote zu betrachten. Wie hätte er den Anblick ertragen sollen? Er ließ sich alles wieder und wieder erzählen. Hilflos schauten sie auf die Gondeln und Vaporetti, die ungerührt vorbeizogen, die einen träge und traumverloren, scheinbar ziellos, die anderen zügig die Wasserstraße querend, auf dem Weg zum nächsten Anleger.

Arnoldo berichtete wie aufgezogen. Und jedes Mal kam ein neues Detail hinzu. Es habe Streit gegeben am Mittwochabend, nicht gravierend, wie es eben vorkomme unter Eheleuten. Sie wollten eigentlich spazieren gehen, beide waren sie schon angekleidet, als Lili plötzlich ins Badezimmer rannte. Dann sei der Schuss gefallen. Die Kugel knapp am Herz vorbei, und, wie gesagt, die Verwundung schien nicht besonders schwer zu sein.

Im Krankenhaus war sie gleich am nächsten Morgen operiert und die Kugel entfernt worden. Als sie aus der Narkose erwachte, seien alle froh und optimistisch gewesen. »Ich will nicht sterben«, habe Lili gerufen. Am Nachmittag dann die Krise, der Kollaps. Das Fieber stieg und stieg. Sie war nicht mehr zu retten. Noch vor elf Uhr in der Nacht starb sie. Als die Eltern in Venedig landeten, war sie schon seit Stunden tot.

Am Abend saßen sie alle drei auf der Terrasse eines Restaurants in der Nähe des Hotels, Arnoldo, Olga und er. Ihr Hunger war groß, wie zum Hohn. Olga berichtete, was man ihr im Krankenhaus bestätigt hatte: ja, eine Blutvergiftung, niemand habe mit ihrem Tod gerechnet. Eine Tragödie.

Dann die Nacht. Er hatte in seinem Leben schon manche schlaflos zugebracht. Aber keine wie diese. Kaum lag er im Bett, sprang er wieder auf. Folter in der Finsternis. Sein Geist rebellierte, die Muskeln zitterten fluchtbereit. In ihm ein einziger fiebriger Aufruhr. Wohin? Er dachte an Olga. Wie mochte es ihr jetzt gehen? Er war schon auf dem Weg zur Tür, kehrte dann wieder um, legte sich auf sein Bett, wartete auf eine Art von Betäubung. Er dämmerte kurz ein, schreckte wieder hoch. Vielleicht waren Minuten vergangen, vielleicht nur ein paar Sekunden. Er konnte das Unabänderliche unmöglich respektieren, nicht akzeptieren, dass es unabänderlich war. Es darf nicht sein, sagte eine Stimme in ihm, das kann nicht geschehen sein. So gingen Stunden dahin. Er verließ das Bett, ging wieder im Zimmer auf und ab, sah auf das dunkle Wasser vor dem Fenster. Er wollte nicht einschlafen. Er fürchtete den Schlaf des Erwachens wegen. Aber wenn er das Licht neben dem Bett aufdrehte, stand ihm alles nur unerbittlicher vor Augen. Der einsame Weg hinab: Von diesem Tag an, nach dieser Nacht würde sein Leben nur noch eines sein, das es abzuleben galt.

Arnoldo war zu ihnen ins Hotel gezogen, er hatte nicht allein in die Wohnung zurückkehren wollen. So saßen sie am nächsten Morgen auf der Terrasse am Canal Grande zu dritt beim Frühstück. Später an diesem Samstag ging er mit seinem Schwiegersohn zur nahe gelegenen Bank, um Geldangelegenheiten zu regeln. Nachmittags zog er sich auf sein Zimmer zurück und mühte sich damit ab, einige Briefe zu schreiben, an Dora nach Berlin, an seinen Bruder, seine Sekretärin nach Wien. Es war unerträglich heiß.

Einen Brief an Clara hatte er schon früh am Morgen in Angriff genommen. Es fiel ihm schwer. Aber bei aller Bedrängnis durfte er sie jetzt nicht vergessen, die Getreue an seiner Seite. Er hatte sie zurückgelassen, weil andere ihm näher waren. Es ging nicht anders. Was er aber tun konnte, war, ihr zu berichten, um sie nicht völlig auszuschließen. Mehr der Pflicht gehorchend als einem wahren Bedürfnis.

»Jeder Satz, den ich beginnen will, zerbricht an seiner Unzulänglichkeit«, hatte er geschrieben. »Das Wort Schmerz ist lächerlich geworden, denn nun weiß ich, dass ich das erste Mal erlebe, was Gott damit gemeint hat.« Im Brief, den er vor dem Frühstück dem Concierge übergeben hatte, hieß es weiter: »Fort ist sie – mit ihren 18 Jahren, aus der Welt – dieses himmlische einzige Wesen – nie kommt sie wieder – und aus den Tiefen der Verzweiflung gibt es kein hinauf.«

Dann tauchte er wieder ein in den Kreis der vertrauten Menschen, die hier um ihn waren, nun auch Anni mit ihrer Mutter Alma. Dass sie, die Witwe Gustav Mahlers, dem Witwer Arnoldo misstraute, war recht deutlich spürbar. Aber was ließ sich mit Bestimmtheit wissen? Wer konnte sagen, wie es zu all dem gekommen war?

Er sah sie beide wieder vor sich, damals auf der gemeinsamen Schiffsreise. Das stolze Ehepaar Cappellini auf einer patriotischen Feier an Bord: Arnoldo in Stiefeln und Schwarzhemd, Lili wie eine Herzogin an seiner Seite, ebenfalls ganz in Schwarz gekleidet. Dann das Gerücht, der Schwiegersohn sei damit beauftragt, einen anderen Reisenden, einen Sozialisten, zu observieren. Und beim Landgang in Dalmatien die unangenehme Situation, wie ein jugoslawischer Polizist Arnoldo bitten musste, das Abzeichen der Faschisten abzulegen, was der auch ohne Murren tat.

Olga war am Morgen in der Wohnung der Cappellinis gewesen. Alles unfassbar, drückte ihre verzweifelte Miene aus. Sie hatte Lilis Tagebücher mitgebracht und offenbar darin gelesen. Stand den Eltern dieses Recht zu? Aber es waren Worte der Tochter. Auch er würde die Aufzeichnungen Lilis lesen, nur nicht jetzt.

Später stiegen sie gemeinsam vor dem Hotel in eine Gondel, um Heinrich am Bahnhof abzuholen, Lilis sieben Jahre älteren Bruder, der in Berlin lebte, jetzt aber mit dem Zug aus Sulden kam. Das war im Moment der einzige Lichtblick: dass es ihn gab, diesen großen Jungen, so vielseitig begabt, ihn, den Schauspieler und Musiker, der des Vaters Liebe zur Tochter immer verstanden und niemals Eifersucht gezeigt hatte, der Sohn, mit dem er am Flügel sitzen und vierhändig spielen konnte. Als er Heinrich fest und lange in die Arme schloss, fühlte er sich zum ersten Mal wieder ein wenig aufgehoben.

Am folgenden Tag, dem letzten Sonntag des Schreckensmonats, saßen sie allesamt erneut in einer der tiefschwarzen Gondeln, die sie zunächst zum Krankenhaus brachte, Olga, Arnoldo, Heini und ihn. Dort fand die Übergabe der Toten statt. Schweigsam verlief die anschließende Fahrt über das Wasser zum Lido, zum jüdischen Friedhof. Anni und zwei Freunde Arnoldos warteten dort schon in der drückenden Hitze auf sie. Das Ritual der Bestattung nahm er kaum wahr. Olga und er klammerten sich an Heinrich, umarmten Arnoldo.

Und so, in gemeinsamer Verzweiflung, saßen sie Stunden später wieder alle in der Hotelhalle zusammen, als ein Page kam: »Ein Anruf aus Wien für Sie, Herr Doktor.«

Heinrich erhob sich sogleich und bedeutete seinem Vater mit einer Handbewegung, dass er sich kümmern werde. Schon kurze Zeit später kam er erbost zurück.

»Unglaublich«, rief er. »Ein Zeitungsmensch wollte wissen, wie die Bestattung verlaufen sei. Und was du dabei empfunden hast. Ich war so wütend, dass er schnell wieder aufgelegt hat. Ich habe mir seinen Namen gemerkt, ich werde einen Brief schreiben.«

Auch in der Sternwartestraße hatten sie schon angerufen. Vorerst war nur von einem Unglück die Rede. Die »Arbeiter-Zeitung« spekulierte über einen tödlichen Reitunfall Lilis auf dem Lido. Woanders war davon die Rede, seine Tochter sei erschossen in der Badewanne aufgefunden worden. Seit dem Tod Tolstois in einem entlegenen Bahnhofsgebäude, vor dem sich Wochenschau-Kameras aus aller Welt postiert hatten, gab es keinen Respekt mehr, kein Halten. Selbst die stillsten Momente wurden durchbrochen vom Lärm der Reporter.

Was würde ihn zu Hause erwarten? Als Arnoldo ihm am nächsten Morgen nahelegte, Olga doch wieder zu sich zu nehmen, da ahnte er, dass es für ihn in Wien auch in dieser Beziehung nicht einfach werden würde. Sie rechne fest damit, setzte der Schwiegersohn nach, und etwas anderes sei doch eigentlich gar nicht denkbar.

Später fing auch Heinrich damit an: »Ich sage dir das nur, weil Mutter mich darum gebeten hat. Vielleicht hast du selbst schon daran gedacht. Jetzt, wo ihr Lili verloren habt.«

»Natürlich habe ich das. Aber es würde nicht gutgehen, Heini, das weißt du besser als jeder andere. Und was soll aus Clara werden? Denkt denn niemand an sie?« Er ergriff Heinrichs Hand. »Natürlich erscheint das im Moment konsequent. Ich habe mich stets für Olga verantwortlich gefühlt. Das hat nie aufgehört. Wie oft haben wir uns in den Jahren seit der Trennung wieder angenähert – und uns immer neu zerstritten. Ich habe an ihrer Seite nicht mehr arbeiten können. Mein Herz tat weh. Und ich meine das sehr konkret, als Arzt.«

Heinrich nickte nur. Ja, er verstand das. Er hatte es immer verstanden. Schon als junger Mann. Zum Glück war er kein Kind mehr gewesen, als die Trennung der Eltern unvermeidlich geworden war.

»Du wirst zu kämpfen haben«, sagte der Sohn. »Ich werde vermitteln, so gut ich kann. Wir bleiben ja zunächst alle zusammen. Ich habe die Luftkarten für uns vier besorgt. Es waren die letzten Plätze im Aeroplan.«

Am nächsten Tag führte Arnoldo sie zur Wohnung. Heinrich fotografierte. Der Vater stand am Bett der Tochter, sah sich um, betrachtete die kleinen Dinge, die herumlagen, ihre Handschuhe auf dem Tisch. Es war schwer zu ertragen.

Von seinem Schwiegersohn wurde ihm ein Blatt mit dem Telegrammentwurf gereicht, den Arnoldo noch am Abend der Einlieferung gemeinsam mit Lili im Krankenhaus formuliert hatte, direkt an den Vater gerichtet, sonst nahezu identisch mit dem Wortlaut der telegrafischen Mitteilung, die dann abgeschickt worden war. Bis auf den einen Satz, der hier ganz am Schluss stand, es gehe ihr hervorragend: »Lili che sta benissimo.«

Und eine kleine Notiz bekam er zu lesen, die Lili offenbar am Nachmittag des Unglückstags für Arnoldo hinterlassen hatte: Sie treffe sich jetzt mit einer Freundin, bei der er sie vielleicht später abholen könne. Rührend ihre Kosewörter: Schöner, lieber, geschätzter und sympathischer Hasi … War es vielleicht auch ein wenig ironisch gemeint? Aber es klang einfach so schön, wie es da auf Italienisch geschrieben stand: »Hasi bello, caro, stimato e simpatico …«

Es sei gestern erdrückend heiß gewesen, sagte ihm Rita, das Hausmädchen, das von Lili als Freundin betrachtet worden war, über 35 Grad im Schatten. Lili sei sehr unruhig gewesen. Aber sie habe sich nicht töten wollen, auf keinen Fall. Ob seine Tochter noch etwas gesagt habe, bevor sie ins Krankenhaus gebracht worden sei, fragte er. Nur ein paar Worte, sagte Rita. Es sei ein »momento di nervosismo« gewesen. Das habe ihr Lili zugerufen.

Ein Augenblick der Nervosität, der Reizbarkeit – was genau sollte das heißen? Es half ihm nicht weiter. Er verließ die Wohnung, die er nie wieder betreten würde. Die anderen folgten.

3

Es war dieselbe Junkers G 24, mit der sie hergeflogen waren, die gleiche Abflugzeit, 11 Uhr 30, derselbe Flugzeugführer, Rudolf Stanger. Es ging einfach alles weiter, der Flugplan wurde eingehalten, die drei Motoren dröhnten im Steigflug. Die Erde entfernte sich unter ihnen, bis sie zu einer menschenlosen Landschaft wurde.

Sein Blick verlor sich ins Weite. Die Motoren hatten bald zu einem eintönigen, einschläfernden Gleichmaß gefunden. So könnte es ewig fortgehen, dachte er, es müsste nie mehr ein Ankommen geben. Fragen kreisten in seinem Kopf, auf die er keine Antwort fand. Lag eine familiäre Disposition vor? Wie konnte es in einer einzigen Familie zu einer solchen Kette von Todesschüssen kommen? Ein Bruder seiner Mutter, Julius, hatte sich schon mit siebzehn umgebracht, ein Cousin von ihr war in der Kaserne von einem Kameraden versehentlich erschossen und schließlich eine ihrer Cousinen tödlich getroffen worden, als deren Vater eine gefundene Pistole in den Ofen warf und sich dabei ein Schuss löste.

Und nun Lili. Vielleicht hätte er als Arzt wachsamer sein müssen. Symptome einer leichten Hebephrenie hatte er durchaus an ihr wahrgenommen, Anzeichen schizophrener Schübe, wie sie in der Pubertät vorkommen können, meist vorübergehend. Extravaganzen hatte sie sich schon als Kind erlaubt, aber immer eine kluge Erklärung und Entschuldigung zur Hand gehabt. Vielleicht hatte er sich täuschen lassen, nicht genau genug hingesehen, sich vorschnell beruhigen wollen. War er als Vater nicht wachsam genug gewesen? »Ich weiß, dass mich niemals ein Mensch so lieben wird wie der Vater«, hatte sie einmal Kolap anvertraut.

Hätte er vielleicht sogar Lilis schriftstellerische Ambitionen ernster nehmen müssen? Ihm war ihr Schreiben immer wie eine rührende spätkindliche Spielerei vorgekommen, als Nachahmung dessen, was der Vater vormachte. Sie hatte Kolap eigene kleine Geschichten und Theaterszenen diktiert. Hätte es ihr geholfen, wenn er sie mehr unterstützt und angespornt hätte? Hatte sie gespürt, vielleicht unbewusst, dass er sie vor dem Scheitern beschützen wollte, überhaupt vor der ganzen Mühsal, der Kritik, den Versagensängsten? Vielleicht wäre es ein Weg für sie gewesen.

Nun war das Pathologische ihres Wesens durchgebrochen, ein Schub im falschen Moment, eine Tat des Augenblicks, Minuten später vielleicht schon überwunden. Aber womöglich zu späterer Zeit wieder aufgetaucht. War das ein Trost? Das Grübeln darüber, ob es Rettung hätte geben können, ließ ihn noch tiefer in sich versinken.

Wieso nur hatte er selbst, mit Anfang dreißig, eine junge Frau auf der Bühne in den freiwilligen Tod geschickt und ihren verzweifelten Vater vergebens nach ihr rufen lassen? Dessen Worte geisterten nun unaufhörlich in seinem Kopf herum: »Sie kommt nicht wieder – sie kommt nicht wieder!« Mit ihnen hatte er »Liebelei« enden lassen, jenes Stück über ein verletztes Herz und einen leichtfertigen Liebhaber, das auch Selbstanklage war – und sein Durchbruch als Dramatiker, nach der Uraufführung am Burgtheater, damals, im anderen Jahrhundert.

Und dann »Fräulein Else«, sein bisher größter Erfolg als Erzähler. Als die Novelle erstmals im Druck erschien, vor knapp drei Jahren in Fischers »Neuer Rundschau«, war Lili gerade 15 geworden und hatte diese fixe Idee vom Magerwerden entwickelt. Wie mochte die Geschichte auf sie gewirkt haben? Ein Mädchen, 19 Jahre alt, stellt sich, um den geliebten Vater vor dem Bankrott zu retten, einem finanzstarken lüsternen Geschäftsfreund nackt zur Schau und bricht zusammen. Sie schluckt danach Veronal, allerdings keine unbedingt tödliche Dosis, darauf hatte er Wert gelegt. Auch wenn es meistens so gedeutet wurde. Er hatte die Novelle mit Elses Dämmerschlaf enden lassen, das musste genügen. Und er hatte sie in einem inneren Monolog sagen lassen: »Aber was in mir vorgeht und was in mir wühlt und Angst hat, habt ihr euch darum je gekümmert?« Natürlich hatte er dabei auch an Lili gedacht, und sie, sein kluges Kind, dürfte es so verstanden haben.

Kurz nach drei landeten sie wieder in Wien-Aspern. Als sie ausstiegen, wurde er von einem amerikanischen Mitreisenden erkannt, der ganz offenbar nichts von Lilis Tod wusste. Beileidsfloskeln wären ihm jetzt unerträglich gewesen. Er ließ sich gemeinsam mit Arnoldo und Heinrich in die Sternwartestraße fahren. Olga setzten sie unterwegs vor der Pension Peter ab, wo sie meist unterkam, wenn sie sich in Wien aufhielt. Von der Peter-Jordan-Straße bis zu seinem Haus waren es nur wenige Minuten zu Fuß entlang des Türkenschanzparks. Er wollte auch jetzt nicht, dass Olga bei ihm übernachtete. Sie akzeptierte es noch widerstrebender als sonst.

Nein, kein Ankommen. Sein Haus war ihm fremd. Da stapelten sich Telegramme und Kondolenzbriefe, er warf nur einen kurzen Blick darauf; da lag die »Wiener Sonn- und Montagszeitung« mit der Überschrift gleich auf der ersten Seite: »Der Selbstmord der Lilly Schnitzler«, nicht einmal ihren Namen konnten sie richtig buchstabieren; und es standen Blumen neben Lilis Foto auf dem Kamin. Sie waren dort von Clara arrangiert worden, so berichtete es Kolap. Die Sekretärin umarmte ihn unbeholfen zur Begrüßung. Und pries ihm Claras Anhänglichkeit.

Als Olga kurz darauf das Haus betrat, hielt sie einen Brief in der Hand, von der Tochter noch am Vormittag des Todestags in Venedig aufgegeben und nun von Berlin aus hierher nachgesandt, einen Brief, den Lili offenbar in bester Stimmung verfasst hatte. Mit »Liebling« redete sie die Mutter an und berichtete munter von einer Einladung zu Ehren von Marine-Offizieren. Ein liebenswürdiger General habe Arnoldo und sie im Motorboot zurückfahren wollen, aber zwischen Lido und St. Helena sei an Bord ein Feuer ausgebrochen: »Es war das einzige Amusement des Abends.« Was sie allerdings Olga außerdem schrieb, klang ernst und verzweifelt: »Ich habe oft solche Sehnsucht nach dir, das kannst du dir gar nicht vorstellen.« Spätestens im Oktober wolle sie unbedingt nach Wien kommen.

So gab es auch in Wien nur das eine Thema, für ihn, für sie alle: beim Mittagessen, später im Garten mit Olga und Arnoldo, am Abend mit Heinrich allein. Und in seinem Kopf schrie es unentwegt: Lili, Lili, Lili!

Es waren dann die Blumen auf dem Kamin, über die sich Olga empörte. Als sie erfuhr, wer sie dorthin gestellt hatte, tobte sie: »Was hat diese Frau mit Lili zu tun?« Ihm gegenüber war Olga gleichzeitig von ungewohnter Zärtlichkeit, und nur zu gern hätte er sich dem Gefühl von Vertrautheit und Geborgenheit hingegeben, wäre ihm nicht stets bewusst gewesen, aus langer schmerzlicher Erfahrung, wie unvermittelt Olgas Stimmung wechseln konnte, ohne dass man recht wusste, warum.

Von seiner Sekretärin erfuhr er später, dass sie hinter seinem Rücken weiter über Clara gezetert hatte. Warum ihr »diese Frau Pollaczek« eigentlich nicht kondoliert habe? Das Haus sei jetzt ihr Platz! Und niemand werde sie von hier wieder wegbringen. »Sie war außer sich«, berichtete ihm Kolap, »als ich ihr sagte, dass es ein weiteres Unglück geben könnte, wenn sie Clara verdrängen wolle.«

Clara Pollaczek, gut ein Dutzend Jahre jünger als er, war nun schon so lange an seiner Seite, auch wenn sie nicht unter einem Dach wohnten, dass die Ansprüche und Ausbrüche Olgas grotesk, wenn auch nicht neu waren, in dieser Form verständlich und verzeihlich nur wegen des gemeinsam erlittenen und zu tragenden Verlusts.

An diesem ersten Augusttag des Jahres 1928 nahm er sich endlich sein Tagebuch wieder vor. Seit der Abreise aus Wien hatte er nichts mehr notiert: die erste längere Unterbrechung der täglichen Notizen nach Jahrzehnten. Einst war es der jähe Tod seiner großen Liebe Marie Reinhard gewesen, der ihn für Wochen lähmte, Marie, die ebenfalls an einer Blutvergiftung gestorben war, nur wenige Tage nach ihrem 28. Geburtstag. Wenige Jahre danach hatte die bedrohlich an Scharlach erkrankte Olga, seine junge Ehefrau, ihn aus lauter Sorge das tägliche Notieren mehr als einen Monat lang scheuen lassen; Heinrich war damals schon auf der Welt gewesen, Lili noch nicht.