Detective Manson - Claudia Schmidt - E-Book

Detective Manson E-Book

Claudia Schmidt

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Beschreibung

In seinem neuen Job als Polizeichef lernt Detective Marcus Manson einen seltsamen Mann kennen. Einen Mann, der ein Geheimnis hat, das unbedingt gewahrt werden muss. Als Gegenleistung für Hilfe bei der Wahrung seines Geheimnisses bietet er dem Detective etwas an, das noch nie zuvor einem Ermittler zur Verfügung gestanden hat - eine Armee aus Werwölfen....

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Ähnliche


Claudia Schmidt

Detective Manson

Die Werwolf-Armee

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Impressum neobooks

Kapitel 1

Könnten die schweren Jungs aus London mich jetzt sehen, ich hätte sicherlich eine ganze Menge Spott und Hohn zu ertragen. Doch zum Glück sahen sie mich nicht und so ließ ich mein Grinsen einfach breiter werden, als ich durch die sauberen Straßen von Callowstone fuhr und mich einfach an den gepflegten Vorgärten freute, die in der warmen Maisonne in allen Farben leuchteten. Kein Vergleich zu dem überfüllten, lauten und meist trist wirkenden London, wo ich bis vor einer Woche noch gearbeitet hatte.

Wenn ich mich Ihnen vorstellen darf, mein Name ist Marcus Manson. Bis vor neun Tagen war ich Inspektor bei Scotland Yard gewesen und hatte mir im Laufe der Jahre eine ganz hübsche Sammlung von Erfolgen zugelegt. Die Belohnung für meine Arbeit war die Beförderung zum Detective und die Nachfolge von Inspektor Witherspoon als Leiter des Polizeireviers in Callowstone, einem gemütlichen zweihundert-Seelen-Städtchen. Die Grafschaften Wiltshire und Dorset waren nun mein Verantwortungsbereich, den ich in den letzten zwei Tagen durchfahren hatte, um mich mit der Gegend vertraut zu machen. Kein Vergleich mit den verstopften Straßen der Hauptstadt und ich genoss es, meinen Wagen endlich mal wieder richtig ausfahren zu können. Zufrieden schnurrend hatte mein Rover die Kilometer gefressen und brachte mich jetzt zuverlässig wieder zu meinem neuen Zuhause zurück, wo meine Verlobte Caroline Wilbert sicherlich schon mit dem Mittagessen wartete.

Völlig ahnungslos, was die Zukunft für mich bereit hielt und in welche eigenartigen Geschehnisse ich noch verwickelt würde, freute ich mich heute einfach des Lebens und des Glücks, das mich in diese herrliche Gegend versetzt hatte…

Der Mann, der entspannt auf dem Besucherstuhl auf der anderen Seite meines Schreibtisches saß, hatte eigentlich ganz normal gewirkt. Ungefähr Mitte Fünfzig, gepflegt, mit einem Hut und einem Anzug, der etwas aus der Mode, aber sauber und ordentlich war. Als er den Hut abnahm, kam eine hohe Stirn und schütteres, leicht ergrautes Haar zum Vorschein. Alles in allem wirkte er wie der typische Kandidat, der sich über Falschparker vor seinem gepflegten Vorgarten beschweren wollte. Oder zu laut Klavier spielende Nachbarn.

Ja, genau das hatte ich erwartet, aber wie so oft im Leben kam es gänzlich anders.

„Wie bitte?“

Mein Besucher schmunzelte. „Sie haben mich richtig verstanden, Detective Manson. Ich versichere Ihnen, ich bin nicht verrückt und auch kein Spinner. Auch wenn es unglaublich klingt, es ist die Wahrheit.“

„Die Wahrheit?“ Ich legte den Block zur Seite – bei dieser Geschichte brauchte ich ihn nicht - und zündete mir eine Zigarette an. „Sie erwarten, dass ich Ihnen glaube, Mister …?“

„Rawlings. Malcolm Rawlings.“ Er schmunzelte immer noch. „Nein, Detective Manson, ich erwarte nicht, dass Sie mir einfach so glauben. Das wäre wohl zuviel verlangt und würde auch allem widersprechen, was wir über Sie recherchiert haben.“

„Sie haben über mich… Warum? Was wollten Sie herausfinden?“

„Ob Sie vertrauenswürdig sind. Wir müssen wissen, ob wir es riskieren können, uns Ihnen zu offenbaren. Sie haben den Ruf, objektiv zu sein. Neben Ihren Erfolgen als Ermittler sagt man Ihnen nach, immer rein logisch und vorurteilsfrei vorzugehen. Genau das brauchen wir.“ Rawlings beugte sich vor, sah mir fest in die Augen. „Außerdem ist Ihre Reputation tadellos. Wir brauchen nicht zu befürchten, dass Sie die Macht, die wir Ihnen zur Verfügung stellen wollen, für Ihre eigenen Zwecke missbrauchen werden.“

Ich schwieg. Er sah eigentlich wirklich nicht aus wie ein Wahnsinniger. Sein Blick war klar und fest, seine Bewegungen waren ruhig. Und doch musste er verrückt sein. Wie sonst ließ sich erklären, dass er mit der ‚Macht’ eine Armee aus dreißig Werwölfen meinte, die er meinem Befehl unterstellen wollte, wie er sich ausgedrückt hatte?

„Missbrauchen…. Werwölfe….“ Ich schüttelte mich. „Mr Rawlings, bevor ich mich für die schmeichelhafte Einschätzung meiner Person bedanke, muss ich doch klarstellen, dass ich nicht an Werwölfe glaube. Ebenso wenig an Vampire oder Zombies. So was gibt es nur im Kino. Also vielen Dank für Ihr … hm… Angebot, aber ich denke, ich muss ablehnen.“

Ich dachte, dass Marcus Rawlings beleidigt oder wütend über meine Ablehnung sein würde. Doch stattdessen lächelte er mich nachsichtig an.

„Keine Sorge, Detective, mit dieser Reaktion habe ich gerechnet. Es hätte mich sehr überrascht, wenn Sie mir ohne Beweise einfach so glauben würden.“

Was sollte das denn heißen? Wollte Rawlings etwa sagen, dass er Beweise für seine abstruse Geschichte hatte? Beweise, dass es Werwölfe gab?

„Oh ja, ich habe einen Beweis. Sogar einen, der absolut unantastbar ist“ sagte er und grinste amüsiert.

Offenbar hatten sich meine Zweifel deutlich auf meinem Gesicht gezeigt. Und warum auch nicht, verdammt? Schließlich konnte niemand verlangen, dass ich so eine Gruselgeschichte einfach glaubte.

Nun denn. Mein Besucher hatte mir einen ‚unantastbaren’ Beweis versprochen und ich war ehrlich neugierig, wie so ein Beweis wohl aussehen könnte. Vermutlich ein paar verwaschene, unscharfe Fotos auf denen nur Schatten zu sehen waren. Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und machte eine einladende Geste. „Also dann, Mister Rawlings, ich bin gespannt. Zeigen Sie mir den Beweis.“

Meine Aufforderung schien ihn noch mehr zu belustigen. Dennoch neigte er den Kopf zu einer kurzen höflichen Geste. „Gut, Detective, ich zeige es Ihnen. Ich möchte Sie vorher jedoch um etwas bitten.“

„Und das wäre?“

„Sie werden gleich vermutlich sehr erschrecken. Das verstehe ich, aber seien Sie versichert, auch in meiner anderen Gestalt bin ich ganz Herr über mich. Ich werde Sie nicht angreifen, also verzichten Sie bitte darauf, auf mich zu schießen, okay? Sie können mich mit normalen Kugeln zwar weder töten noch ernsthaft verletzen, aber es tut trotzdem verflixt weh.“

Ich biss mir auf die Lippen, um nicht laut aufzulachen. Ein kurzes Prusten kam trotzdem heraus. „Ihre andere Gestalt? Wollen Sie mir etwa erzählen, Sie haben vor, sich jetzt und hier in meinem Büro … in einen Werwolf zu verwandeln?“

Er lächelte sanft. „Ganz genau das, Detective Manson. Habe ich Ihr Wort, dass Sie nicht schießen werden?“

Er war tatsächlich wahnsinnig. Schade, denn irgendwie war er mir sympathisch. Als er fragend die Brauen hochzog, nickte ich ihm zu. „Ich werde nicht schießen. Machen Sie nur.“

„Gut, dann sehen Sie jetzt zu.“ In aller Ruhe begann er, sich direkt vor meinem Schreibtisch auszuziehen. Das war eine echte Premiere und ich bedauert kurz, dass mein Besucher keine Frau war.

In seinem Anzug wirkte Malcolm Rawlings eher dünn und schmächtig, doch als er nackt war, wurde deutlich, dass er verdammt durchtrainiert war. Seine Muskeln waren wie Stahlseile unter der Haut und sein Sixpack ließ mich vor Neid erblassen, obwohl ich selbst auch nicht gerade untrainiert war.

Eine Feinrippunterhose landete als letztes Kleidungsstück auf dem Stuhl. Rasch hob ich den Blick von seinem Körper zurück in sein Gesicht. Ich sah in dunkelbraune Augen, die mich belustigt musterten und während ich den Blick erwiderte, änderte sich die Farbe. Das Schokoladenbraun wurde heller und immer heller, bis beide Pupillen einem gelb-ockerfarbenem Ton leuchteten.

Das war der Moment, in dem meine Selbstsicherheit schlagartig in sich zusammen fiel. Ich schluckte. Seine Haut veränderte sich, wurde dunkler. Fell spross hervor, seine ganze Gestalt verwandelte sich. Er wuchs in die Höhe und in die Breite, bis er an die zwei Meter hoch vor mir aufragte. Lange, scharfe Reißzähne schoben sich zwischen seinen Lippen hervor. Instinktive Angst schoss heiß und prickelnd durch meine Adern.

„Ganz ruhig, Detective Manson“ knurrte die Kreatur mit tiefer, grollender Stimme, die mir die Haare zu Berge stehen ließ. „Ich werde Ihnen nichts tun.“ Das Wesen lachte dumpf. „Wenn Sie wollen, dürfen Sie mir sogar das Fell kraulen.“

Nach diesem absurden Angebot ging die restliche Verwandlung in einem Augenblick vor sich. Eben noch war Rawlings’ halb behaartes Gesicht zu sehen und nach einem Blinzeln starrte ich in die bedrohliche Fratze eines riesigen, dunkelbraunen Werwolfs. Die Reißzähne ragten jetzt über fast schwarze Lefzen aus einem vorspringenden Wolfsmaul. Große Nasenlöcher blähten sich, als sie meinen Geruch aufnahmen und bei meinem entsetzten Keuchen zuckten die spitz zulaufenden, großen Ohren. Leuchtend gelbe Raubtieraugen starrten mich an.

Mochten die Worte auch beruhigend gewesen sein, jeder Instinkt in mir schlug wie rasend Alarm. Meine Nebennieren pumpten Adrenalin durch meinen bis zum Bersten angespannten Körper und nur mit Mühe konnte ich den Drang zur sofortigen Flucht unterdrücken. Sowieso wäre mir als Fluchtweg nur ein Sprung durch das geschlossene Fenster hinter mir geblieben, denn der Weg zur Tür war durch das riesige Monstrum wirksam versperrt. Allerdings war ein Sprung aus dem dritten Stock nicht unbedingt meine erste Wahl. Jedenfalls nicht solange der Werwolf brav vor dem Schreibtisch stehen blieb.

„Nun, sind Sie überzeugt genug, Detective?“

Die, wenn auch grollende und raue, aber eindeutig menschliche Stimme aus diesem bedrohlichen Maul zu hören, warf mich beinahe vom Stuhl. Ich wollte antworten, doch mein Mund war staubtrocken. Die Zunge klebte mir am Gaumen, ich brachte keinen Ton hervor und nickte daher nur.

Wieder kam dieses dumpfe, rollende Lachen tief aus dem mächtigen Brustkorb. „Dann werde ich Sie mal erlösen, bevor Sie sich vor Angst noch in die Hose machen.“

Die Kreatur schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und atmete tief ein. Beim Ausatmen lief die Rückverwandlung blitzschnell ab und beim letzten Schnaufen stand wieder Malcolm Rawlings in seiner menschlichen Gestalt vor mir. 160 cm groß, schlank, fast kahlköpfig und nackt. Seine Nacktheit schien ihn nicht zu bekümmern. Er holte ein Glas aus meiner bescheidenen Hausbar, goss es halbvoll aus der einzigen Flasche, die dort stand, einem zwölf Jahre alten Single Malt und stellte beides auf den Tisch. Das Glas schob er mir dann langsam zu.

„Hier, nehmen Sie einen Schluck. Ich denke, das können Sie brauchen.“ Er nickte mir anerkennend zu. „Und verdammt, Sie haben sich einen Drink verdient!“

Schnell und ohne Umschweife stieg er in seine Kleidung, während ich den Whisky in einem Zug hinunter stürzte.

„Sie haben sich erstaunlich gut gehalten, Manson. Ich konnte Ihre Angst riechen, Sie waren kurz vor einer Panik und trotzdem sind Sie ruhig sitzen geblieben. Sie haben nicht einmal nach Ihrer Waffe gegriffen.“

Wieder ordentlich bekleidet setzte Rawlings sich auf den Stuhl, als wenn überhaupt nichts gewesen wäre. Ohne hinzusehen griff er nach der Flasche und reichte sie mir.

Ich griff danach und goss mein Glas noch mal halb voll. Doch diesmal nippte ich nur leicht. Ein benebeltes Gehirn konnte ich mir nicht leisten, solange ein Mann in meinem Büro saß, der sich innerhalb von Sekunden in einen zwei Meter großen, echten und lebendigen Werwolf verwandeln konnte.

Meine Eingeweide verknoteten sich. Wahrhaftig, eben gerade hatte ich noch einer wahr gewordenen Horrorgestalt in die gelben Raubtieraugen gesehen. „Teufel noch mal, das ist unglaublich.“

„Wahrscheinlich“ stimmte Rawlings mir zu. „Schließlich wird jedem Kind beigebracht, dass es keine Monster gibt, nicht wahr?“

„Ein offensichtlicher Irrtum“ murmelte ich und atmete tief durch.

„Ein halber Irrtum“ korrigierte er mich. „Auch wenn ich so aussehen mag, ich verstehe mich nicht als Monster.“

Ich hob mein Glas. „Auf Schein und Wirklichkeit. Ich habe schon Leute ins Gefängnis gebracht, die äußerlich Schwiegerelterns Lieblinge waren, aber innerlich verdorben bis ins Letzte. Es zählt, was man tut, nicht wie man aussieht. Wenn man Bösewichte am Äußeren erkennen könnte, wäre mein Job um einiges leichter.“

Malcolm Rawlings füllte sich selbst auch ein Glas und erwiderte den Prost. „Auf Schein und Wirklichkeit, Detective.“

Als ich mein eigenes Glas wieder absetzte, musterte ich meinen Besucher. „Darf ich fragen, wie und wann Sie … hm … infiziert wurde?“

„Gar nicht. Ich bin ein Lupos hominies.“

„Ein… was?“

„Lupos hominies. Das heißt, ich wurde schon so geboren. Ebenso wie meine ganze Familie. Das Werwolf-Gen ist scheinbar immer dominant. Wir kennen viele Familien unserer Art.“

Ich blinzelte. Ganze Familien aus Werwölfen? Wie war es möglich, dass trotzdem nichts über sie offiziell bekannt war, wenn es so viele von ihnen gab? „Sind alle Werwölfe so wie Sie? Ich meine, dass sie auch in ihrer … anderen Gestalt menschlich denken und reden können?“

Rawlings’ Gesicht umwölkte sich leicht. „Im Prinzip schon, aber wie bei euch Homo Sapiens gibt es gute und schlechte, besonnene und cholerische und leider auch welche, die sich ganz bewusst dem Rausch hingeben. Diese sind dann genau so, wie sie in Filmen dargestellt werden.“

Ich schauderte. „Das hätte aber dann doch in allen Zeitungen stehen müssen, wenn zerrissene und halb aufgefressene Leichen gefunden werden.“

„Wir haben aus Jahrhunderten der Verfolgung gelernt, uns und unsere Unfälle zu verbergen.“ Rawlings stand auf und trat ans Fenster. Nachdenklich starrte er in den strömenden Regen hinaus. „Das ist einer der Gründe, warum ich hier bin, Detective Manson. Innerhalb der hier lebenden Sippen gibt es strenge Regeln und wenn jemand dagegen verstößt und somit unser Geheimnis riskiert, wird er von uns selbst aufgehalten und bestraft. Anonymität ist unserer bester Schutz und Tarnung unsere Sicherheit.“

„Das leuchtet mir ein. Aber was soll ich dabei tun? Mit Silberkugeln auf die Jagd gehen?“

„Nein“ kam die ruhige Antwort. „Einer solchen Gefahr würden wir Sie nie aussetzen.“

„Gefahr? Helfen Silberkugeln denn nicht gegen Werwölfe?“

„Oh doch.“ Rawlings kam langsam zurück zum Schreibtisch. „Silber tötet uns. Als Kugel oder Klinge und wenn wir reines Silber berühren, verbrennt es uns wie Säure.“ Er hob die Hand, als ich etwas sagen wollte. „Nur könnte ein Mensch uns niemals erwischen, wenn wir verwandelt sind. Wir sind viel zu schnell. In unserer ganzen Geschichte gab es nur zwei Tötungen durch Menschen. Das eine war ein Unfall und der Zweite, weil der Wolf zu arrogant war.“

Also selbst mit Silberkugeln keine Chance? Na, der Kerl konnte einem ja wirklich Mut machen. „Also, was dann?“

Mein Besucher setzte sich wieder. Ernst sah er mich an. „Ich schlage Ihnen ein Geschäft vor, Detective. Das gleiche, das wir mit Ihrem Vorgänger getroffen haben. Es war eine fruchtbare Beziehung, die beiden Seiten Vorteile gebracht hat.“

Ein Geschäft? Schlagartig wuchs meine Aufmerksamkeit. Vor meiner Abreise hatte Superintendent Dawlings mir noch einmal ganz deutlich zu verstehen gegeben, dass mein Vorgänger mit einer beeindruckenden Zahl von Verhaftungen und dem ruhigsten Revier im ganzen südlichen Distrikt aufwarten konnte und dass er erwartete, unter meiner Leitung ähnliches zu hören.

Jetzt kannte ich das Geheimnis. Mit einer Armee von dreißig Werwölfen, die meinem Kommando gehorchten, sollte es sicherlich möglich sein, weiterhin für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Fragte sich nur, was der Preis dafür war.

„Gut, das wäre mein Vorteil, aber was haben Sie von dieser Vereinbarung? Was kann ein einfacher Polizist für Werwölfe tun?“

„Schutz und Tarnung“ antwortete Rawlings prompt.

Ein ungläubiges Lachen brach aus mir heraus. „Schutz? Wie um Gottes Willen sollte ich einen Werwolf beschützen können? Und wovor?“

Rawlings grinste. „Nicht in körperlicher Hinsicht“, stimmte er zu. „Da könnten Sie tatsächlich nichts tun. Außer vielleicht einem Werwolfjäger die Waffe aus der Hand zu schlagen.“

„Es gibt Werwolf…jäger?“ Ich schluckte verblüfft.

„Oh ja, die gibt es. Und genau da kommt Ihre Hilfe ins Spiel, Detective. Sie sind nicht irgendein Polizist, sondern der Leiter des ganzen Distrikts. Es lässt sich nicht vermeiden, dass wir hin und wieder mal von Menschen gesehen werden, aber ob daraus ein Hype wird, oder es als Unsinn im Sand verläuft, kann von Ihnen gesteuert werden. Ihr Vorgänger, Inspektor Witherspoon, hat das sehr gut hinbekommen. Außer dass unsere Gegend den Ruf hat, Halluzinationen hervorzurufen und offenbar ein Treffpunkt für Spinner und Esoteriker ist, gibt es absolut nichts Besonderes hier für Außenstehende. Die Polizisten von diesem und den umliegenden Revieren sind sonderbare Berichte gewohnt. Sie lachen dann darüber, erzählen sich die absurdesten Anrufe abends am Stammtisch und es liegt in Ihrer Hand, Detective, ob mehr daraus wird, oder es so bleibt. Nicht mehr als das ist es, was wir von Ihnen möchten.“

Nachdenklich kaute ich auf meiner Unterlippe herum, während ich Rawlings’ Worte überdachte. Es machte mir nicht allzu viel aus, die Grenzen der Gesetze zu dehnen, wenn es half, die Wahrheit zu finden, oder für Gerechtigkeit zu sorgen. Nur richtige Übertretungen oder gar Selbstjustiz gab es bei mir nicht. Ich war mit Leib und Seele Polizist und stand voll und ganz hinter dem Rechtssystem, dem ich diente. Natürlich war das System nicht perfekt – nichts aus Menschenhand konnte je perfekt sein – aber es war ein funktionierendes System. Weil es Gesetze gab, die durchgesetzt wurden. Ohne Gesetze herrschten nur Chaos und Anarchie. Und auch wenn mir manche Gesetze nicht gefielen, war es meine Aufgabe, für ihre Einhaltung zu sorgen. Bevor ich also etwas zu diesem Angebot sagen konnte, musste ich sicher sein, dass es nicht meinen Prinzipen widersprach.

„Und was genau stellen Sie sich da vor? Soll ich Akten verschwinden lassen, wenn einer Ihrer Wölfe die Beherrschung verloren hat? Leichen beseitigen oder Beweise vernichten?“

„Nein, nichts dergleichen.“ Rawlings schien nicht verärgert über meine Nachfrage. „Wir wollen nichts illegales, Detective.“ Er schmunzelte. „Dann hätten wir sicher nicht ausgerechnet Sie angesprochen. Ihnen eilt der Ruf voraus, hin und wieder unkonventionell, aber absolut integer zu sein.“

Ach? Ich wusste gar nicht, dass ich einen Ruf hatte. Unkonventionell aber integer? Nun ja, es gab sicher schlimmeres.

„Wir wollen einfach nur, dass Sie die seltenen Berichte über Sichtungen von Werwölfen weiterhin als Unsinn abtun. Nichts weiter. Und ich kann Sie beruhigen, in unserer Gemeinschaft gibt es keinen, der Menschen angreift. Den letzten Vorfall dieser Art gab es, glaube ich, vor über hundert Jahren irgendwo in Angola. Hier in England meines Wissens noch nie. Und, wie gesagt, wir haben genau solche Gesetze wie Sie und wir sorgen auch für ihre Einhaltung. Mord wird nicht geduldet, weder an Menschen noch an anderen Wölfen.“

„Ich gebe zu, das beruhigt mich tatsächlich, Mr Rawlings. Es wäre mir gar nicht recht, dreißig potentielle … äh Gefahrenquellen in meinem Bezirk zu haben.“

Zu meiner Überraschung lachte Rawlings auf. Ein heiserer, fast etwas bellender Laut, der meine Nerven unangenehm kitzelte. „Hängen Sie noch eine Null dran, Detective, dann kommt die Zahl ungefähr hin. Dreißig sind nur in der freiwilligen Garde, die für Sie arbeiten würde.“

Erschrocken sah ich ihn an. Dreihundert Werwölfe? Allmächtiger! Mir dämmerte, dass dies hier ein Albtraum werden könnte, wenn etwas schief ging.

Es musste wohl den Anflug von Besorgnis gesehen haben, denn er bemühte sich sichtlich, sein Grinsen zu unterdrücken. „Tut mir leid, Detective. Ich wollte Sie nicht erschrecken.“

„Dreihundert?“

Rawlings hob kurz die Schultern. „Je nun, wir führen keine genauen Zählungen durch. Es gibt nur eine Registratur über Werwolf-Familien, aber nicht, wie viele Mitglieder jede Familie hat. Ich denke mal, dass drei- bis vierhundert eine recht gute Schätzung ist.“

„Und… kennen Sie sie alle?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Das wäre wohl auch kaum möglich. Die meisten habe ich sicher schon auf unseren diversen Treffen oder Partys gesehen, ohne jeden einzelnen wirklich zu kennen. Aber trotzdem bin ich über alles auf dem Laufenden, was in diesem Bezirk passiert.“

„Tatsächlich? Warum? Sind Sie so etwas wie … der Leitwolf?“

Diesmal hatte ich ihn überrascht. Er kniff kurz die Augen zusammen, hatte sich aber fast sofort wieder unter Kontrolle. „Bevor wir weiter ins Detail gehen, Detective Manson… Haben wir eine Vereinbarung? Werden Sie mit uns zusammen arbeiten?“

Mit dieser Frage hatte ich eigentlich schon vor einigen Minuten gerechnet. Meine ganz eigene Gretchenfrage, deren Antwort im wahrsten Sinne des Wortes über meine Zukunft entscheiden würde. Und eine solche Entscheidung konnte ich nicht einfach so übers Knie brechen, bevor ich nicht alle Eckpunkte genau überdacht hatte. Ich stand auf und hielt Rawlings meine Rechte hin. „Geben Sie mir etwas Zeit, über alles nachzudenken.“

„Natürlich.“ Rawlings erhob sich ebenfalls und schüttelte meine Hand. „Reichen Ihnen vierundzwanzig Stunden? Dann komme ich morgen Nachmittag wieder.“

„Das kann ich noch nicht sagen.“ Ich dachte an meine Verlobte, Caroline. Wenn ich meine Zukunft mit Werwölfen verweben wollte, musste sie das mit entscheiden. Ich seufzte. Doch wie sollte ich ihr das erklären, ohne dass sie mich in die Psychiatrie einweisen ließ? Vor Rawlings’ überzeugender Demonstration hatte ich ihm auch kein Wort geglaubt. „Es geht bei meinen Überlegungen nicht nur um mich…“

„Ach ja.“ Rawlings nickte. „Miss Wilbert, nicht wahr? Es tut mir leid, Detective, aber wir möchten Sie ersuchen, auch Ihrer Verlobten nichts von unserer Vereinbarung zu erzählen. Nichts von uns zu erzählen. Tarnung und Geheimhaltung sind unser bester Schutz, wenn nicht unser einziger. Darum sagen wir es Menschen nur dann, wenn es absolut notwendig ist, so wie jetzt zum Beispiel, wo Inspektor Witherspoon in Pension geht und wir uns Ihnen offenbaren müssen, um die Vereinbarung weiter zu führen. Und auch Witherspoon hat es seiner Frau nie erzählt.“

Das gefiel mir überhaupt nicht. „Hören Sie, Rawlings, zwischen Caroline und mir gibt es keine Geheimnisse. Wir vertrauen einander vollkommen und wenn es um eine so wichtige Entscheidung geht…“

„Nein. Wir bestehen auf Geheimhaltung.“ Rawlings Stimme war nicht lauter geworden, aber anders, tiefer und eindringlich. Der Ton ließ die Härchen in meinem Nacken hochkommen, als ich die Drohung darin mehr ahnte als wirklich zu hören. Doch in punkto Willensstärke ließ ich mir auch von einem knurrenden Wolf nichts vormachen. „Glauben Sie mir, ich verstehe Ihre Sorge. Doch Sie sind zu mir gekommen, weil Ihre Nachforschungen ergeben haben, dass Sie mir vertrauen können, nicht wahr?“

„Ja.“

„Dann vertrauen Sie auch meinem Urteil, Mr Rawlings. Ich lege für Carolines Verschwiegenheit meine Hand ins Feuer. Keiner von uns beiden wird Sie verraten. Unabhängig davon, ob die Vereinbarung zustande kommt oder nicht.“

„Nein, wir erlauben keine weiteren Mitwisser.“

Da hatte er die falschen Worte gewählt. Abrupt versteifte ich mich. Über den Schreibtisch hinweg starrte ich ihm hart in die Augen. „Erlauben? Wofür zum Teufel halten Sie sich, dass Sie glauben, mir Vorschriften machen zu können? Ich bin nicht Ihr Handlanger, Rawlings, und auch nicht einer aus Ihrem Rudel, dem Sie Befehle geben können.“

„Richtig, das kann ich nicht.“ Der Blick, der mir entgegen sah, war nicht minder hart als meiner. „Und es geht hier nicht um Vorschriften oder Befehle. Es ist nicht Ihr Geheimnis, über das Sie frei verfügen können, Manson, sondern meines und das von meinesgleichen. Ich habe es Ihnen erzählt, damit Sie zu unserem Vorschlag Ja oder Nein sagen können. Sie nicht Miss Wilbert. So leid es mir tut, wir gestatten nicht, dass unser Geheimnis weiteren Personen zugetragen wird.“

Ich schürzte die Lippen. Eine lästige Angewohnheit, die mich immer überfiel, wenn mir eine Situation nicht behagte. Um nachzudenken trat ich ans Fenster und sah in die Dämmerung hinaus. Der Regen hatte endlich aufgehört, nur ein paar vereinzelte Tropfen rannen noch am Glas herunter. Am Horizont war die Wolkendecke aufgerissen und ließ goldene Sonnenstrahlen hindurch, die vor dem dunklen Hintergrund noch leuchtender schienen. Ein wunderschöner Anblick, der mich sogar für einen Moment von meinem Problem ablenken konnte. Aber eben nur einen Moment. So wenig es mir behagte, ich musste ihm zugestehen, dass er tatsächlich bestimmen konnte, ob sein Geheimnis weiteren Personen zugetragen werden durfte oder nicht. Das stellte mich vor ein echtes Dilemma. Einerseits war das ein verdammt verlockendes Angebot. Eine solche Armee hinter mir zu haben, war die Chance meines Lebens. Damit konnte ich endlich meinen Job so ausführen, wie ich es mir wünschte und ich würde nie mehr daran scheitern, dass nicht genügend Beamte für eine Aufgabe zur Verfügung standen oder das SEK gerade an einem anderen Ort im Einsatz war. Ich hätte jederzeit dreißig Einsatzkräfte zur Verfügung. Dazu waren Werwölfe auch noch immun gegen Kugeln oder Messer – jedenfalls solange kein Silber daran war – und konnten in Gefahrengebieten eingesetzt werden, in die normale Polizisten nie geschickt werden dürften. Banküberfälle, Geiselnahmen, Terrorzellen, gewaltbereite Demonstranten… mir fielen auf Anhieb eine Menge Einsatzgebiete ein. Und bitteschön, welcher Gangster würde nicht freiwillig aufgeben und geradezu darum betteln, verhaftet zu werden, wenn auf der anderen Seite riesige Werwölfe standen?

Ja, es gab viele Gründe, die dafür sprachen. Doch wie sollte ich es mit mir selbst vereinbaren, Caroline dafür ständig anzulügen? Wir sprachen oft über unsere jeweiligen Tage und Berufe. Sie wusste, wie es bei der Polizei zuging. Was sollte ich ihr erzählen, wenn ich eine brenzlige Situation plötzlich ohne Verstärkung und trotzdem ohne Verluste bereinigte? Nun, ein oder vielleicht auch zwei solcher Vorfälle könnte ich mit Glück oder einem Überraschungsmoment erklären, aber dann… Fraglos würde sie spätestens dann anfangen misstrauisch zu werden und Fragen zu stellen. Und sie wurde merken, wenn ich sie anlog, dass ich etwas vor ihr verbarg. Konnte ich das tun? Konnte ich das absolute Vertrauen zwischen uns zerstören? Die Antwort darauf war einfach und klar: Nein.

Ich hatte mein Handwerk von der Pike auf gelernt und Millionen anderer Polizisten auf der ganzen Welt kamen tagtäglich ohne die Hilfe mystischer Wesen aus. Genau so wie ich bisher auch und so musste ich dann eben weitermachen. Meine Entscheidung war gefallen.

Als ich mich umdrehte, schien Rawlings die Antwort von meinem Gesicht ablesen zu können, denn er runzelte die Brauen und presste die Lippen aufeinander.

Kapitel 2

„Sie haben recht, Mr Rawlings, Sie können bestimmen, wer Ihr Geheimnis wissen darf und wer nicht. Ich geben Ihnen mein Wort, dass ich es niemandem erzählen werde. Auch Caroline nicht.“

„Aber Sie werden das Angebot nicht annehmen“ stellte er ruhig fest.

„Nein.“ Ich ging zum Schreibtisch zurück, goss etwas Whisky in ein zweites Glas und reichte es meinem Besucher. Nach kurzem Zögern nahm er es an. „Trotzdem werde ich Berichte über seltsame Sichtungen nicht weiter verfolgen und Ihre Anonymität schützen, so weit es mir möglich ist. Achten Sie nur darauf, Ihre Wölfe ruhig zu halten. Wenn es zu viele Sichtungen gibt, oder gar Verletzte oder Tote, muss ich eine Untersuchung einleiten.“

Rawlings musterte mich verdutzt. „Sie werden unsere Anonymität schützen…? Aber dann,… ich meine, damit erfüllen Sie dann doch genau das, worum wir bitten. Mehr wollen wir doch gar nicht.“

„Ich weiß.“

„Ich verstehe nicht ganz. Soll das heißen, Sie wollen unsere Bitte erfüllen, ohne die angebotene Gegenleistung anzunehmen?“

Mit einer kurzen Geste deutete ich auf den Stuhl und setzte mich ebenfalls, als Rawlings der Aufforderung nachkam. „Hören Sie, es würde zu einer unkontrollierbaren Panik kommen, wenn heraus käme, dass es Werwölfe wirklich gibt und wie viel alleine in diesem Bezirk leben. Also ist es eine gute Sache, diesen Fakt besser geheim zu halten. Wie gesagt, solange nichts passiert, das mein Eingreifen erfordert und darum bin ich einverstanden.“ Ich nippte an meinem Whisky. „Doch mit Ihnen zusammen arbeiten kann ich nicht, wenn ich Caroline dafür anlügen müsste. Sie kennt die normalen Vorgänge bei Einsätzen gut genug, um schnell zu erkennen, dass etwas anders wäre, wenn ich eine Armee von fast unverletzbaren Wesen hätte und alles zu leicht abliefe. Sie würde wissen, dass ich lüge und das kann ich auf keinen Fall tun.“

Mein Gast mustere mich eine ganze Weile. „Das ist Ihr einziger Grund?“ Er klang etwas ungläubig und blinzelte, als ich nickte, ohne zu lachen.

„Ja, ganz recht. Tut mir leid, wenn Sie es nicht verstehen, aber…“

„Oh, nein nein, ich verstehe es durchaus. Ich habe nur nicht damit gerechnet, so etwas bei einem so jungen Mann zu erleben.“

„Jungen Mann? Vielen Dank“ antwortete ich trocken, „aber mit sechsunddreißig Jahren zähle ich mich nicht mehr zum jungen Gemüse.“

Ein bisschen erschrak ich, als Rawlings ein seltsam ersticktes Geräusch von sich gab. War etwas mit ihm? Doch dann prustete er plötzlich los. Laut pochend stellte er das Glas ruckartig auf den Tisch, wobei ein paar Tropfen Whisky überschwappten, und hielt sich die Seite vor Lachen. Es dauerte einige lange Sekunden, bis er sich einigermaßen beruhigte. „Sorry“ jappste er, zauberte ein Taschentuch hervor und wischte die Alkoholflecken auf. Ich hielt ihm zugute, dass er redlich bemüht war, sein Grinsen im Zaum zu halten. Auch wenn er nur mäßigen Erfolg hatte. „Manchmal vergesse ich einfach, wie kurz ein Menschenleben ist.“

„Eine Menschenleben?“

„Um Ihrer Frage vorweg zu nehmen, oder falls Sie zu höflich sind, sie zu stellen: mein sechsunddreißigster Geburtstag liegt jetzt“ er rechnete kurz nach „etwas mehr als hundertsiebenundfünfzig Jahre zurück.“

Darauf fiel mir keine schlagfertige Antwort ein. Um den Schock zu dämpfen, nahm ich einen großen Schluck von dem weichen Single Malt und sinnierte darüber, dass das Werwolfdasein offenbar ziemliche Vorteile hatte. Fast unverwundbar, offenbar außerordentlich langlebig und der größte Nachteil, einmal im Monat zu einer wilden, unbezähmbaren und mörderischen Bestie zu werden, schien nur ein Mythos zu sein.

„Nehmen Sie es mir also nicht übel, wenn ich Sie zu den jungen Leuten zähle.“ Er war wieder ernst. „Es war mein Ernst, dass ich diesen Grund verstehe und auch respektiere. Aufrichtigkeit ist der Grundstein für Vertrauen und Vertrauen wiederum der Grundstein für eine gute Beziehung.“

„Genau so sehe ich das auch“, stimmte ich zu.

Rawlings stand auf und nickte mir zu. „Also, Detective Manson, ich danke Ihnen für Ihre Zusage und seien Sie unbesorgt, ich werde meine Wölfe so ruhig wie möglich halten.“

„Das ist gut.“ Ich brachte meinen Gast zur Tür und wir schüttelten uns freundschaftlich die Hand.

Es dauerte zwei ganze Wochen, bis ich das erste Mal einen dieser seltsamen Anrufe miterlebte. Zwischen all den Geräuschen der Drucker, Faxgeräte, klingelnder Telefone und Kollegen, die Anzeigen aufnahmen oder Befragungen durchführten, stach der belustigte Tonfall von Inspektor George Perkins ungewöhnlich genug hervor, dass ich mich unwillkürlich umdrehte. Als er meinen Blick bemerkte, tippte Perkins sich an die Stirn und grinste. Er verdrehte die Augen, während er zuhörte. Meine fragend hochgezogenen Brauen quittierte er mit einem Kopfschütteln.

„Aha, ein großer, grauer Werwolf hat eine Ihrer Kühe gerissen.“ Perkins seufzte vernehmlich. „Und lassen Sie mich raten, Mr Hollister, es ist Ihnen auch diesmal nicht gelungen, den Werwolf deutlich zu fotografieren.“ Er hörte einen Moment zu. „Ja ja, so ist das eben mit diesen Tierchen. Sie sind dafür bekannt, dass sie fotoscheu sind.“ Offenbar fand der Anrufer das nicht allzu lustig und Perkins’ Stimme wurde schärfer. „Ich glaube eher, dass Sie uns veralbern wollen, Hollister. Es gibt keine Werwölfe, Mann! Das ist Aberglauben.“ Kurzes Zuhören. „Was weiß ich, vielleicht hat einer Ihrer Nachbarn Ihnen einen Streich gespielt und Sie sind auch noch prompt darauf hereingefallen. – Nein, wir werden nicht noch mal mitten in der Nacht ausrücken, um Phantome zu jagen. Ich schicken Ihnen morgen früh jemanden, der den Sachverhalt für den Bericht aufnimmt. – Nein, ganz sicher nicht. – Das ist Unsinn, Hollister, …. – Na, dann halt nicht. – Ja, Ihnen auch.“

Sachte legte Perkins den Hörer auf, fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und grinste mich dann an. „Machen Sie sich keine Gedanken, Detective. Frank Hollister sieht jede Vollmondnacht Werwölfe auf seiner Ranch.“

Ich erwiderte das Grinsen. „Ah ja, ich habe schon von der seltsamen Fauna in dieser Gegend gehört. Wenigstens hält er sich an die allgemeinen Vorgaben, wenn er nur in Vollmondnächten anruft.“

„Zum Glück“ brummte Perkins trocken. „Drei Nächte jeden Monat reichen mir auch völlig mit diesem Unsinn.“

Alle Kollegen die zugehört hatten, lachten und gaben mit kurzen Rufen ihre Zustimmung kund.

„Warum gerade Werwölfe?“ gab ich mich ahnungslos. „Hat er zu viele Horrorfilme gesehen, oder ist er einfach nur verrückt?“

„Frank trinkt gerne mal einen über den Durst“, warf Inspektor Haberling ein. „Und während normale Säufer nur harmlose weiße Mäuse sehen, sind es bei ihm eben Werwölfe.“

„Armer Kerl“, brummte ich und meinte es von Herzen ehrlich.

„Soll er doch das Saufen lassen“, knurrte Inspektor Steward, ein Hüne von Mann mit kurzem blonden Stoppelhaar. „Einige Male war ich schon draußen und habe mir die Nacht um die Ohren gehauen, um nach Fantasiegestalten zu suchen. Natürlich immer ohne irgendwas zu sehen. Nur ein paar Abdrücke im Erdboden und eben das tote Rind.“

„Abdrücke?“ Ich horchte auf. „Was für Abdrücke?“

„Das ist das einzige, das ihn bisher vor der Psychiatrie bewahrt hat. Den Spuren zufolge war tatsächlich etwas Zweibeiniges mit großen Pfoten und Krallen auf den Weiden unterwegs und den Verletzungen am Vieh nach zu urteilen, war etwas mit ungeheurer Kraft am Werk.“

Tatsächlich? Die Härchen in meinem Nacken richteten sich auf, als ich an das riesige Monstrum dachte, das vor zwei Wochen in meinem Büro gestanden hatte. Ob betrunken oder nicht, solch ein Monster musste einem eine höllische Angst einjagen und ich konnte mir seinen Frust vorstellen, weil ihm niemand glaubte. Ich war der einzige Mensch hier, der genau wusste, dass Frank Hollister nicht halluzinierte.

„Was glauben Sie, war es? Haben wir hier ein Problem mit einem Bären oder Raubkatzen? Etwas, das aus einem Zoo ausgebrochen ist?“

„Ach Unsinn“, wehrte Perkins ab und scheuchte Steward mit einer raschen Kopfbewegung zurück. „Diese Spuren sind reiner Fake. Keine Raubkatze läuft auf zwei Beinen und kein Bär hat solche Pfoten. Es sind irgendwelche Spinner, die sich einen Spaß daraus machen, den stadtbekannten Säufer in Angst und Schrecken zu versetzen. Wahrscheinlich sitzen sie jetzt irgendwo zusammen und lachen sich schlapp, weil es wieder mal geklappt hat.“

Ich nickte, doch einen Punkt gab es noch. „Aber es wurde Vieh gerissen, oder?“

Abrupt verfinsterte sich Perkins’ Gesicht. „Allerdings und genau damit gehen die Kerle zu weit. Klar, Hollister bekommt das tote Vie jedes Mal ersetzt, wenn er unseren Bericht über Vandalismus und Sachbeschädigung vorlegt, aber wenn ich diese Idioten irgendwann in die Finger bekommen, werden die mich mal richtig kennen lernen.“