Die Abenteuer der Kinder im Hasenwinkel - Susanne Stübe - E-Book

Die Abenteuer der Kinder im Hasenwinkel E-Book

Susanne Stübe

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Beschreibung

Die Kinder im Hasenwinkel sind eine bunt zusammengewürfelte Bande, die in ihrer Straße, aber auch in der Siedlung und auf dem Spielplatz viele Abenteuer erleben. Oft müssen sie krasse Schwierigkeiten miteinander überwinden und einmal sogar den hinterhältigen Bürgermeister überlisten. Immer wieder helfen sie sich gegenseitig aus der Patsche, wobei ihnen auch der ein oder andere unsichtbare Freund zur Seite steht. Nichts scheint unmöglich, wenn sie zusammenhalten und mutig ihren Ideen folgen ...

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Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Eine kleine Vorgeschichte

Tim und der rätselhafte Handschuh

Die Meerjungfrau Antonia

Wie aus einem Minispielplatz ein Abenteuer wurde

Der Abenteuerspielplatz ist in Gefahr

Zwei Hunde finden ein neues Zuhause

Annes Reise in Malwidas Land

Freiheit für die Zaunkönige

Eine kleine Vorgeschichte

Eine neue Siedlung sollte am Stadtrand von Wildenberg entstehen, weil sich die Stadt vergrößern wollte. Vor Baubeginn gab es am Stadtrand viele Wiesen und Felder. Aber damit musste jetzt Schluss sein – für neue Häuser und Straßen wird viel Platz gebraucht. Als dieses Gebiet dafür vorbereitet wurde, war es zunächst ziemlich kahl und leer geworden, nachdem Maschinen und Bauarbeiter angefangen hatten, die Pläne umzusetzen. Übrig geblieben waren die alte Burgruine und die großen Bäume am Rand der geplanten Siedlung. Auch der Mühlbach verlief weiterhin oberirdisch. Was für ein Glück, dass er nicht in Rohre unter die Erde verbannt worden war, denn so würden ihn die Kinder später für ihre Spiele nutzen können. Dann wurden Häuser gebaut, Gärten angelegt und neue Bäume gepflanzt. Die Stadtverwaltung stellte leider völlig phantasielos viele Schilder auf, so wie überall – was man zu tun und zu lassen hat – besonders für Kinder, Fußgänger und Radfahrer. Einige Geschäfte ließen sich hier nieder – unter anderem ein Bäckerladen, eine Metzgerei und ein Tante-Emma-Laden. Ach ja, ein Schuhgeschäft kam auch noch dazu. Und natürlich wurde ein Stadtteil-Rathaus gebaut. Ein Ortsbürgermeister mit seinem sechsköpfigen Stadtrat wurde gewählt und machte dort die Politik für die Siedlung und später für den neuen, großen Ortsteil.

Der Stadtrat achtete nun darauf, dass die neuen Bürger in der Siedlung alles richtig machten, und dass seine Ideen umgesetzt wurden … Und dann und wann besuchte ein Pfarrer die Siedlung, der für seine Arbeit ein kleines Pfarrhaus erhielt. Für die Kinder wurden ein Kindergarten und eine Grundschule gebaut. Und überhaupt wohnen inzwischen viele Menschen hier – in Mietwohnungen oder eigenen Häusern. In die Siedlung zogen oft Leute aus dem Stadtzentrum, aber auch aus anderen Städten und Dörfern.

Eine Straße dieser Siedlung heißt Hasenwinkel. Dort wohnen die Menschen, um die es in den folgenden Geschichten gehen wird. Die Hausnummern zu beiden Seiten der Straße gehen von 1 – 15. Und weil zu Beginn der Siedlung hier schon viele Bäume und Blumen an die Straßenränder, zwischen den Häusern und den Gehwegen gepflanzt worden waren, sieht die Straße Hasenwinkel inzwischen ähnlich aus, wie eine schöne Allee. Im Sommer ist es angenehm schattig, und im Herbst gibt es zum Leidwesen der Stadtgärtner jede Menge Laub zu rechen. Wenn diese Laubberge besonders hoch sind, springen die Kinder mit Vorliebe mitten hinein – natürlich ohne sich erwischen zu lassen!

Und nun stelle ich euch die Familien vor, die ihr in den Geschichten kennenlernt – wie sie heißen, wo sie wohnen und in Klammern steht, wie alt die Kinder sind.

Familie Rothenstein, Hausnummer 12 – Mama, Papa und ihre Töchter Lila (12), Greta (11) und Ida (6)

Papa Rothenstein hat einen Bruder mit demselben

Nachnamen am Bodensee, in Radolfzell; dessen Sohn heißt

Janne (12), seine Freundin heißt Katie (12)

Familie Blumberg, Hausnummer 1 – Mama, Papa und die

Kinder Ella (8) und Peter (11)

Familie Mietzig, Hausnummer 7 – Mama und ihr Sohn Kalle (11); Papa wohnt und arbeitet in einer anderen Stadt und kommt nur an den Wochenenden nach Hause

Familie Klappek, Hausnummer 3 – Mama, Papa und ihre

Söhne Alwin (11), Linus (8) und Micha (13)

Familie Kestner, Hausnummer 5 – Mama, Papa und die

Kinder Max (12) und Patty (10) und für einige Wochen ihr Opa

Familie Glockner, Hausnummer 9 – Mama, Papa und die

Kinder Rosa (9), Emma (8) und Jörg (6)

Familie Leopold, Hausnummer 8 – Papa, Mama mit den

Töchtern Lisa (11) und Anne (10)

Familie Haller, Hausnummer 15, die Großeltern Haller

Hausnummer 2 – und ihr Sohn / Enkel Tim (9)

Familie Brandstetter, Hausnummer 4 - Mama, Papa und die

Kinder Britta (10) und Jonas (11)

Das sind alle Kinder, die oft in der Straße, in der Schule oder zuhause miteinander spielen, Hausaufgaben machen, Abenteuer erleben und so manchem Rätsel auf der Spur sind.

In angrenzenden Straßen und am Rand der Siedlung gibt es auch einige interessante Nachbarn und Einrichtungen, die ihr im Verlauf der Geschichten kennenlernen werdet.

Tja, und jetzt – Vorhang auf für die Abenteuer der Kinder im Hasenwinkel!

Tim und der rätselhafte Handschuh

Tim Haller hat keine Geschwister, deswegen verbringt er viel Zeit bei seiner Großmutter und dem Großvater in ihrem alten Haus. Vor allem, wenn beide Eltern tagsüber lange arbeiten müssen.

Tim und seine Eltern wohnen in der Gartenstraße 15 und seine Großeltern in derselben Straße, Hausnummer 2. Das ist für Tim recht praktisch, denn wenn er sich allein fühlt, kann er superschnell zu seiner Oma und seinem Opa flitzen.

Bei ihnen darf er im Haus und im Garten auf Entdeckungstour gehen. Wenn er genug unterwegs war, kehrt er zur Oma in die Küche zurück. Dort gibt es garantiert immer etwas Gutes zu essen.

Manchmal sitzt sie am Küchentisch und strickt einen Pullover für ihn. Dann sieht er ihr eine Weile zu und wartet. Sie weiß, dass er gern eine Geschichte aus ihrem früheren Leben hören möchte.

Wenn er aber einen Forscher spielt, dann verkriecht er sich auf den Dachboden des Hauses, denn dort wartet eine besondere Welt auf ihn. Manchmal hört er etwas rascheln, dann ist es wieder still. Vieles ist eingestaubt, manches mit großen Tüchern abgedeckt. Aus Platzmangel stapelt sich einiges in die Höhe. Er muss achtgeben, wie zufällig entstandene Türme nicht umzuwerfen. Jedes Mal entdeckt er eine neue Nische, einen noch nicht gesehenen Karton oder ein Möbelstück von früher, das ihm bisher nicht aufgefallen war.

Auch altes Spielzeug und Stoffe, aus denen niemand mehr etwas näht, liegen herum. Kleider, die keiner mehr tragen und doch niemand wegwerfen will. Sie nehmen kein Ende – diese übrigen Dinge.

Manchmal hört ihn die Großmutter dort oben sprechen. Sie fragt sich verwundert, mit wem er sich da wohl unterhält?

Oder spielt? Aber ja, denkt sie dann, dort oben ist so viel versammelt, mit ein bisschen Phantasie kann man sich viele Geschichten ausdenken mit all den Sachen in den dunklen Winkeln.

Eines Tages findet Tim bei einer Dachbodenerkundung einen kleinen Karton, der ihm besonders rätselhaft erscheint. Darin liegt ein leicht vergilbtes Foto. Ein junger, stolz aussehender Mann mit schwarzem Frack und Zylinder lächelt in die Kamera. In einer Hand hält er ein Paar Handschuhe, in der anderen eine Reitgerte. Weiter findet er im Karton noch einen Handschuh. Der hat genau dieselbe Farbe wie der Handschuh auf dem Foto – orange, ganz ungewöhnlich – mit einem langen Riss am Zeigefinger.

Tim nimmt den Karton mit zu seiner Oma hinunter in die Küche und fragt, was es mit diesem Karton und dem Inhalt auf sich hat. Es interessiert ihn brennend, welches Abenteuer sich dahinter verbergen könnte.

Aber nanu? Was passiert denn da mit seiner Großmutter? Ihre gute Laune ist plötzlich verschwunden. Ist sie traurig? Hat er etwas Falsches gesagt? Gespannt sieht er sie an und wartet, auch wenn es ihm schwerfällt. Verträumt schaut sie zum Fenster hinaus, als läge da die Geschichte des Kartons auf der Wiese, und sie müsste sie nur vorlesen …

Sie erzählt von ihrem Friedrich. Das ist der Bruder von Tims Vater. „Mein Sohn, der Friedrich, der war immer neugierig und wollte jeden Tag ein Abenteuer erleben! So wie du. So oft er Zeit hatte, war er unterwegs. Es war nicht immer leicht, ihn zu erziehen. Stets war er der Letzte gewesen, der abends vom Spielen ins Haus kam. Eines Tages hat er uns gesagt, dass er unbedingt zum Zirkus will. Am liebsten als Löwen- oder Bärendompteur. Stell dir vor! Einfach so! Er war doch noch nicht einmal mit der Schule fertig. Ich habe geglaubt, dass dies nur ein vorübergehender Spaß sei. Flausen eines Schuljungen eben. Träumereien, die er nicht ernstgemeint haben konnte!

Einige Wochen später kam ein Zirkus in die Stadt. Friedrich war gerade 15 Jahre alt geworden. Ich hatte gar nicht mehr an seine Zirkusidee gedacht. Aber er hatte seinen Traum nicht vergessen! Nichts hat ihn aufhalten können. Nichts und niemand. Mit seinem festen Ziel vor Augen, hat er uns tatsächlich verlassen. Einfach so. Ab zum Zirkus.

Mit einem kleinen Koffer und angezogen wie er war, hatte er nur einen Zettel hinterlassen, auf dem er hastig sein Ziel geschrieben hatte:

ICH GEHE JETZT ZUM ZIRKUS. ICH HOFFE, SIE NEHMEN MICH MIT ALS LAUFBURSCHEN UND ZUM TIERE FÜTTERN. UND VIELLEICHT WERDE ICH TAGES ZIRKUSDIREKTOR! ÖDER LÖWENDOMPTEUR. SORGT EUCH NICHT UM MICH. EUER FRIEDRICH!

EINES

Wir waren so traurig und warteten jeden Tag auf seine Rückkehr. Aber die Zeiten des Wartens wurden immer länger.

Ab und zu kam eine Karte aus einer fernen Stadt. Von ihm geschrieben, in seiner unverändert krakeligen Schrift. Kurze Nachrichten – und immer, dass es ihm gut ginge und irgendwann auch, dass er kein Tierpfleger mehr, sondern tatsächlich ein Tierdompteur für Bären geworden sei! Stellt dir vor! Sein Traum war Wirklichkeit geworden! Aus dieser Zeit muss dieses Foto stammen, so stolz wie er darauf abgebildet ist. Als könnte er die ganze Welt dressieren, und sie würde auf sein Kommando hören. Ach ja, das war mein Friedrich!“

An dieser Stelle unterbricht Großmutter ihre Erzählung.

Tränen rollen ihr über die Wangen. Es muss etwas Schlimmes passiert sein. Und so war es auch. „An einem windigen, kalten Februartag, ich weiß es noch wie heute, an solch einem Tag kam ein kleines Päckchen hier an. Der nette Postbote hatte es gebracht, der sonst immer die Postkarten von Friedrich in unseren Briefkasten einwarf.“

Großmutter deutet auf den kleinen Karton. „Der hier war es.

Mit diesem Inhalt – einem Foto und dem orangefarbenen Handschuh, der am Zeigefinger aufgerissen war. Ohne Brief, ohne Gruß. Ich wusste sofort, dass es ein endgültiger Abschied war. Wir würden ihn nie wiedersehen. Das machte uns damals sehr traurig.“

Warum aber gibt es nur einen Handschuh? Wo ist der Zweite, den er doch auf dem Foto zusammen mit dem anderen festhält? Warum hat er diesen Riss? Was ist damals geschehen, geht es Tim durch den Kopf.

Er sieht, dass seine Großmutter diese Geschichte noch immer sehr traurig macht. Und in diesem Moment weiß er, dass er das Schicksal seines Onkels aufklären muss. Und das heißt, sich auf die Suche nach dem zweiten Handschuh zu machen.

Denn wenn er den findet, weiß er auch, was mit seinem Onkel vor langer Zeit geschehen war. Und es ist ihm egal, wie unwahrscheinlich es ist, den Handschuh zu finden. Daran verschwendet er keinen Gedanken.

Tim schmiedet einen Plan. Und fühlt sich – so stellt er sich das jedenfalls vor – wie sein Onkel vor vielen Jahren, als der zum Zirkus gegangen war, gleichzeitig aber auch ins Abenteuer und ins Unbekannte.

Tim studiert nun Landkarten, die Opa noch in seinem Schrank aufbewahrt hat; liest Prospekte, die Oma über die Jahre über Zirkusse aller Art gesammelt hat und vertieft sich ein Buch, das von Tierdressur handelt, das wohl sein Vater, Friedrichs Bruder irgendwann gekauft hat.

Wie ein Detektiv geht er vor, so wie er es aus seinen Büchern kennt. Sucht mit Hilfe seines Computers Adressen von Zirkussen heraus, die noch unterwegs sind und Auftritte mit Tieren darbieten. Die Orte, an denen sie gastieren und die Routen, auf denen er zu ihnen finden würde. Nun muss er noch eine gute Ausrede erfinden, warum er für mehrere Tage verschwinden will. Vielleicht Peter in der Nachbarschaft besuchen. Bei ihm übernachten. Das würde Großmutter sicher freuen, wenn er einen Freund hätte und nicht immer so allein wäre. Dafür muss er Peter einweihen, damit nichts schiefgeht.

Das alles führt er mit einer Präzision aus, die ihn selbst überrascht. Er ist mächtig stolz auf sich, dass er diese Mission so unerschrocken und mutig angeht. Nachdem er Peter seinen Plan erzählt hat, gibt der ihm sein Ehrenwort dichtzuhalten.

Danach überzeugt Tim die Großmutter von seinem Übernachtungsvorhaben. Wie erhofft, freut sie sich darüber, denn es sind Ferien, und da findet Oma es schön, dass er bei seinem Freund sein kann. Alles klappt wie am Schnürchen.

Niemand schöpft Verdacht. Wer sollte auch auf die Idee kommen, dass Tim nun ein Detektiv ist und sich auf die Spurensuche nach seinem Onkel begibt? Tim leert seine Spardose, kauft sich ein Wochenticket für die Bahn und macht sich auf den Weg mit einem kleinen Rucksack, in dem er neben seinem Proviant das Foto und den Handschuh des Onkels verstaut hat.

Auf dieser Reise lernt er viele Zirkusse, Direktoren, Artisten und Clowns kennen, aber niemand erkennt den jungen Mann auf dem Foto. Trotzdem sind alle sehr nett zu ihm. Er darf mit ihnen essen und jedes Mal in einem ihrer Zirkuswagen übernachten.

Manchmal hört er im Traum einen Löwen oder einen Bären brüllen; oder träumt, dass es im Zirkus drunter- und drübergeht, oder die Vorstellung schiefgeht. Dann weiß er nicht, ob er in der Manege steht als Dompteur … gerade Tiere füttert … oder ein Löwe ausgebrochen ist.

Dass niemand seinen Onkel kennt, enttäuscht ihn trotz der vielen schönen Zirkuserlebnisse. Deswegen beschließt er, unverrichteter Dinge, ohne Erfolg, den Heimweg anzutreten.

Aber ein Trost ist es dennoch, dass er so viel gesehen und erlebt hat. Noch nie ist er allein unterwegs gewesen. Im Zug, im Zirkus – und noch nie hat er so viele nette Menschen kennengelernt! Lustige Clowns, Jongleure, Trapezkünstler …

Doch am Ende hilft ihm das nicht weiter. Als Detektiv ist er gescheitert.

Einige Zeit ist er nun wieder zuhause. Beinahe hat er den Onkel und den Handschuh vergessen, als er wie elektrisiert die Ankündigung für einen Zirkus in der Zeitung entdeckt.

Und als er liest, dass auch ein Bärendompteur dabei sein wird, gibt es kein Halten mehr. Er hofft, dass er vielleicht doch nur wenige Kilometer und Stunden vom Geheimnis entfernt ist, das er unbedingt entdecken will.

Noch einmal packt er seinen kleinen Rucksack. Fast genauso wie für die große Reise. Mit seinem Fahrrad düst er ans andere Ende der Stadt. Dieses Mal muss er der Großmutter keine Lüge auftischen, sondern kann einfach losfahren. Aufgeregt ist er.

Das Herz klopft ihm bis zum Hals. Jetzt, jetzt ist es vielleicht soweit! Eine Chance hat er noch. Fast schon vertraut und sicher spaziert er dann am Absperrgitter des Zirkus vorbei. Weil er selbstbewusst wirkt, hält ihn niemand auf. Alle scheinen anzunehmen, dass er dazugehört. Was denn sonst? Vielleicht ist das einer von dem Hilfspersonal, die das Zirkuszelt aufbauen oder ein Tierpfleger …

Unbeirrt steuert er über das Gelände, bis er den Geruch von Tieren in die Nase bekommt. Dieser Geruch führt ihn direkt zum Tiergehege, zum Bärenkäfig. Er bleibt auf sicherem Abstand. Dennoch sieht er zwei müde, satte Bären auf dicken Strohmatten liegen. Gitterstäbe sichern sie nach außen ab.

Tims Blick wandert an den Gitterstäben entlang. Sehr scharf stellt er seine Augen, wie bei der Sicht durch sein Fernglas.

Bis sie plötzlich innehalten – ein kleines Stück zurück – und da sieht er eine Farbe – nur eine leuchtende Farbe – Orange! Da hängt ein einzelner Handschuh aus Leder in der Farbe Orange!

Sein Puls rast. Er kann es kaum erwarten zu erfahren, wie der Handschuh hierherkommt. Er schaut sich um nach jemandem, der sich mit dem Bärenkäfig auskennt, bestenfalls sogar dem Dompteur. Er klopft beim nächstbesten Zirkuswagen, der nah beim Bärenkäfig parkt, aufgeregt an die Tür.

Er hört ein „ Moment! Ja, Ja, … was ist denn hier wieder los?“

Schon öffnet sich die schmale Tür, und ein kräftiger Mann mit einem Seehundbart schaut ihn unfreundlich an und knurrt, was er von ihm will? Tim nimmt all seinen Mut zusammen.

Keinesfalls möchte er sich beim Reden verhaspeln. Er weiß, dass er sich immer verhaspelt, wenn es schnell gehen soll, und er aufgeregt ist. Er deutet auf den Handschuh, der am Bärenkäfig hängt. Stottert etwas von zwei Handschuhen, seinem Onkel, einem Riss im Zeigefinger. Nichts ergibt einen Sinn. Schon verzweifelt er und wird immer unverständlicher, bis er endlich aufhört, so wirres Zeug zu reden. Er macht dem verständnislos dreinblickenden Zirkusmitarbeiter ein Zeichen, dass er eine Idee hat. Tim setzt seinen Rucksack ab und kramt darin herum. Bis er endlich den Lederhandschuh zu fassen bekommt und ihn triumphierend in die Höhe hält.

Da staunt der Mann vom Zirkus. Und Tim freut sich. Endlich kann er einen vernünftigen Satz sagen: „Dieser Lederhandschuh gehört bestimmt zu dem, der am Gitter hängt. Und ja – ich muss unbedingt die ganze Geschichte erfahren, die mit den Handschuhen und mit diesem Mann“, er zeigt sein Foto her, „mit ihm hier zu tun hat. Mit meinem Onkel Friedrich.“ Der Zirkusmann versteht allmählich, was Tim von ihm will. Mit behäbigen Schritten stapft er zum Bärenkäfig und redet ein paar Wörter mit seinen Bären. Dann angelt er den orangefarbenen Lederhandschuh vom Haken.

Der Mann lädt Tim in seinen Zirkuswagen ein. Mann, ist das gemütlich hier drin, geht es Tim durch den Kopf, als er die Einrichtung betrachtet. Eine Miniküche, eine Holzbank mit Blümchenpolster und ein passender, kleiner Tisch auf der linken Seite, und rechts ist zwischen den Seitenwänden ein Bett eingeklemmt, auf dem viele Kissen und eine riesige Decke wild durcheinander liegen. Ein Geschirrschrank passt gerade noch so in den Wagen. Und einen halben Meter unter dem Wagendach verläuft rundherum ein Regal vollbepackt mit Lebensmitteln in Tüten und Dosen. Der Dompteur holt aus einem Schrank etwas zu trinken und ein paar Kekse und stellt alles auf den Tisch. Dann lässt er sich neben Tim auf der kleinen Bank nieder, die unter seinem Gewicht beträchtlich ächzt.

Zunächst erzählt Tim von seinem Fund auf dem Dachboden.

Von der Großmutter und ihrem Sohn, der Löwen- oder Bärendompteur werden wollte. Mit einem Zirkus in die weite Welt fuhr und nie mehr wieder zurückgekehrt war. Eines Tages sei das Päckchen gekommen und mit ihm ein Geheimnis zu seinem Verschwinden. Das will er, Tim, nun auflösen. Für seine Großmutter. Der Bärendompteur lässt sich nicht lange bitten, denn da die Bären nicht so viel reden, ist er über jeden Besucher froh, dem er etwas erzählen kann. Und so beginnt er mit der Geschichte, die sich damals zugetragen hat. „Dein Onkel Friedrich war tatsächlich in diesem Zirkus gewesen.