Fiorella und die blaue Seerose - Susanne Stübe - E-Book

Fiorella und die blaue Seerose E-Book

Susanne Stübe

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Beschreibung

Fiorella entdeckt an der Seite ihrer Großmutter im Zauberwald die blaue Seerose. Mit deren Magie kann sie unsichtbar an anderen Orten sein und Kräfte entwickeln, die sie nie für möglich gehalten hat. Auf abenteuerlichen Wegen bringt sie Menschen damit Glück und sich selbst in große Gefahr.

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Seitenzahl: 64

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Für F.

Inhalt

Teil 1

Großmutters Geheimnis

Die Regenbogenbrücke

Flucht aus dem Wolkenschloss

Teil 2

Einem gemeinen Verrat auf der Spur

Das Wasser des Lebens

Die Verwandlung

Teil 1

Großmutters Geheimnis

Vor langer Zeit gab es ein kleines Land, das Solidago hieß und von einer gütigen und klugen Königin regiert wurde. Ein breiter, wilder Fluss teilte das Land. Auf der linken Seite lebten die Bewohner in bescheidenen Hütten und Dörfern, und auf der anderen Seite des Flusses gab es nur wunderbare Pflanzen und Tiere. Niemand konnte jemals das rechte Ufer erreichen, um das Land dort bewohnbar zu machen. Zu gefährlich waren die Strömung und die Wellen. Deshalb kannten die Dorfbewohner das Land auf der anderen Seite nicht. Oft schweiften ihre Blicke sehnsüchtig dort hinüber. Aber dahin zu gelangen blieb vorerst ein Traum.

Doch wir besuchen nun ein Dorf am linken Ufer, in dem viele nette Menschen leben. Und zwei von ihnen sind das Mädchen Fiorella und ihre alte Großmutter Gina Maria. Fiorella ist oft unterwegs, immer barfuß, bunt gekleidet und mit blonden Haaren, die machen, was sie wollen. Ihre Großmutter versucht Fiorellas Wuschelhaare mit festen Zöpfen zu bändigen, aber ihrer Enkelin gelingt es immer wieder, vorher das Weite zu suchen. So oft wie möglich streift sie im Dorf und auf den Wiesen umher. Sie ist bekannt wie ein bunter Hund. Obwohl die Großmutter Gina Maria schon alt ist, sorgt sie liebevoll für ihre Enkeltochter. Und dann wohnt da noch der stolze Kater Roter Pirat mit im Häuschen der Großmutter. Kupferrot von Kopf bis Fuß. Mit einer weißen Schwanzspitze und einem schwarzen Fleck um das rechte Auge. Wenn er im hohen Gras herumspaziert, sieht man nur noch seine weiße Fellspitze.

Fiorellas Großmutter ist eine kluge Frau. Die Dorfbewohner kommen zu ihr, wenn sie krank sind oder Rat brauchen. Leise und unbemerkt sitzt Fiorella unter dem Tisch oder versteckt sich in einer Zimmerecke und hört gespannt zu, welche Ratschläge die Großmutter den Besuchern gibt. Fiorella weiß inzwischen, dass ihre Großmutter für beinahe alles eine Lösung hat. Seltsam aber erscheint es ihr, dass Großmutter so oft schon Dinge weiß, die andere noch nicht einmal ahnen. Als hätte sie eine Glaskugel, mit der sie in die Zukunft schauen kann. Großmutter ist doch keine Hexe, oder?

Schon wieder ist ein Jahr vorüber, denkt Fiorella und freut sich nun auf ihren Geburtstag. An diesem Tag wacht sie früh auf und überlegt, was in der Küche anders ist als sonst. Was nur? Ja, genau! Großmutter steht nicht wie gewohnt am Herd und kocht Fiorella einen Haferbrei zum Frühstück. Der dampft nämlich schon fertig gekocht in ihrem Teller. Seltsamerweise ist ihre Großmutter bereits angezogen, als wollte sie gleich das kleine Haus verlassen. „Oma, was ist los?“, fragt Fiorella. „Mein liebes Kind, heute ist ein besonderer Tag. Du hast ja Geburtstag, und dazu wünsche ich dir alles Liebe und Gute! Fertig angezogen bin ich, weil wir beide eine lange Wanderung vor uns haben. Du wirst etwas ganz Besonderes erleben. Deswegen iss jetzt bitte deinen Haferbrei, denn du musst stark sein für unseren Weg und das, was kommen wird. Es wird mein Geschenk für dich sein.“

Fiorella beeilt sich mit ihrem Brei, weil sie es kaum erwarten kann, sich mit Großmutter auf den Weg zu machen. Sie zieht ebenfalls ihre Jacke und Schuhe an. Roter Pirat ist natürlich dabei und ahnt, dass heute etwas geschieht, was spannender sein würde, als seine täglichen Mäusejagden. Für ein Abenteuer ist er immer zu haben. Fiorella und ihre Großmutter gehen nun zum Dorf hinaus und biegen in den Feldweg ein, der sie zum Buchenwald führt. Roter Pirat hüpft mal vorneweg, manchmal trödelt er hinterher, wenn er eine interessante Spur findet. Immer wieder muss er sich beeilen, den beiden hinterherzukommen. Fiorella überlegt angestrengt, was das alles zu bedeuten hat – und hat keine einzige Idee.

Am Wald angekommen, führt Großmutter Fiorella zu einem kleinen, versteckten Pfad. Den hat Fiorella vorher nie gesehen. Ständig streifen sie Sträucher und Zweige, so eng ist es hier. Eine ganze Weile mühen sie sich hindurch, bis sie endlich eine Lichtung erreichen. Bisher war kaum ein Sonnenstrahl durch das Dickicht gedrungen, aber jetzt scheint die Sonne mit gleißendem Licht auf die Wiese und auf eine mächtige Linde. Deren Blätter tanzen im Wind und leuchten im schönsten Grün. Am Lindenstamm gibt es eine hohle Seite. Wo soll es denn hier weitergehen?

„Fiorella, wir sind nun angekommen. Du und ich, wir werden zum ersten Mal gemeinsam in den magischen Wald gehen. Bisher war ich immer allein hier. Aber nun wird es Zeit, dir mein Erbe zu übergeben. Ich hatte es von meiner Großmutter bekommen, und nun reiche ich es an dich weiter. Ich spüre, dass ich nicht mehr viel Zeit habe. Ich bin alt. Jeden Tag kann es soweit sein, dass ich Abschied nehmen muss von dir und dem, was mir wichtig ist.“ Fiorella schaut ihre Großmutter ungläubig an – muss sie bald sterben? Ja, das hat sie gemeint. Und nun will sie wichtige Vorkehrungen treffen. Sie sieht ihre Enkelin liebevoll an: „Du musst keine Angst haben. Ich werde dich nicht wirklich verlassen. Im Gegenteil. Ich werde dich immer behüten, und es wird einen Zauber geben, mit dem ich dich höre, wenn du mich rufst.“ – „Aber wie soll ich denn jemals ohne dich leben können? Ich bin doch noch gar nicht groß genug. Wer kocht mein Essen? Wer flickt meine Kleider, wer erzählt mir abends eine Geschichte?“

Schon kullern die ersten Tränen. Großmutter nimmt Fiorella in die Arme: „Du wirst stark werden, weil ich dir nun zeige, was du dafür tun musst.“ Mit diesen Worten zieht sie Fiorella hinter sich her in die dunkle Höhle des Baumstamms hinein. Roter Pirat muss an der Linde warten und bleibt schmollend zurück.

Hinunter geht es nun, über eine unsichtbare Treppe. Schwarz wie die Nacht ist es hier. Zitternd hält Fiorella die Hand der Großmutter fest. Wie kann es sein, dass es in der Linde eine Treppe gibt? Viel Zeit zum Nachdenken hat sie nicht, denn schon ist die Treppe zu Ende. In einem Tunnel geht es geradeaus, bis sie endlich wieder ans Tageslicht gelangen.

Aber was ist das? In eine völlig andere Welt ist sie hineingeraten. „Das ist der Zauberwald“, flüstert Großmutter und lässt Fiorella los, die sich nun umsehen darf. Überall wachsen die schönsten Blumen.

In langen Girlanden hängen sie von Bäumen herab. Seerosen schwimmen in einem entfernten Teich. Vögel, Schmetterlinge und Libellen schwirren durch die Luft. Dicke, weiche Moose federn unter ihren Füßen, Schilf flüstert im Wind, und Tautropfen hängen wie Perlen an den Gräsern. Großmutter nimmt Fiorella wieder an die Hand. Bis zum See haben sie noch ein kleines Stück Weg zu gehen.

Am Holzsteg wippt ein Boot – nein, es ist kein Boot! Es ist eine große, blaue Seerose. Der Blütenkelch ist weit und ausladend. Die goldenen Blütenstempel glänzen in der Sonne. „Fiorella, dieser Zauberwald hat alles, was du brauchst. Heilende Kräuter, magische Blumenblätter und vieles mehr. Diese blaue Seerose aber ist ganz besonders wichtig: Wenn du dich in ihren Blütenkelch legst, die Augen schließt und ganz still wirst, kannst du Dinge sehen, die anderen Menschen verschlossen bleiben. Und ihr goldener Blütenstaub kann Zerbrochenes wieder zusammenfügen. Was das genau sein wird, weiß nur die Seerose selbst. Sie ist klug und wird dich leiten. Du musst achtsam damit umgehen. Und nun lege dich in den Blütenkelch. Probiere es aus.“ Fiorella folgt Großmutters Anweisung. Vorsichtig steigt sie in den Blütenkelch. Sie legt sich um die goldenen Blütenstempel, schließt ihre Augen und wartet, was nun geschehen wird.