Die Besatzung vom 3001 Kino an das BKM 2002 - 2016 - Jens Meyer - E-Book

Die Besatzung vom 3001 Kino an das BKM 2002 - 2016 E-Book

Jens Meyer

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Beschreibung

Die Besatzung des ,3001´ geht nicht unter, wie es das Titelfoto suggeriert, auch wenn die großen und kleinen Katastrophen des Kinoalltags regelmäßig für Grundberührung sorg(t)en. Die Fähre im Sturm ist eine optische Täuschung, sagt aber mehr als tausend Worte - nachzulesen in den offiziösen Berichten an die Beauftragte(n) der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) von 2002 bis 2016. Die Berichte sind Bestandteil der jährlichen Bewerbung der 3001-Betreiber um einen Preis des BKM für die besten Kinos der Bundesrepublik. Teils in der Annahme, die Berichte lese sowieso niemand, teils aus Mitleid mit den Kulturstaatsdienern verfasste Kinobetreiber Jens Meyer pure Lyrik über die reale und Gedankenwelt seiner 3001-Besatzung, weitab von drögem Wortgebrösel. Der für unverschämt viel Geld angereiste Starschauspieler aus Japan zerfetzt mit einem scharfen Messer, kunstvollem Satz und Getöse die neue teure Leinwand auf der Bühne anstatt den in die Luft geworfenen Apfel, wie es die Abmachung vorsah. Über den dauerverregneten sommerlichen Open-Air-Kinorasen rutschen tapfer dreizehn Unverdrossene in Gummistiefeln ... – Die Katastrophen schwinden im Rückblick vor dem, was alles gelang. Treffsicher und selbstbescheiden erklärt Meyer in seiner Filmgeschichte, wie "in höchstens 15 Minuten" ein guter von einem schlechten Film zu unterscheiden ist, – großes Kino vom Hinterhof des historischen Montblanc-Gebäudes im Hamburger Schanzenviertel! Neben Dank, Lob und Anregung vom Publikum dafür gibt es genügend Erheiterung. Mit Collagen des Presseechos darauf und jeder Menge widerständiger Gedanken belegt die "Besatzung" ihr Auf und Ab. Das 3001 lässt kein Geheimnis geheim – weder die urkomischen Notizen aus dem internen "Nachrichtenbuch" noch die Gedanken über Gedeih und Untergang buchstäblich großer Kinos und derer, die sich als solches wähnten oder gern eines geblieben wären. Am 1. Mai 2016 existiert das - O-Ton Jens Meyer - "ungeschwätzige Produkt" mit nur 91 Plätzen 25 Jahre.

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Jens Meyer

Die Besatzung vom 3001 Kino an das BKM* 2002- 2016

für Hanno, der am 2. Februar 2037 25 Jahre alt wird

für David, der am 27. Juni 2040 25 Jahre alt wird

* Bundeskulturministerium

Impressum

© Text und Fotos: Jens Meyerwww.3001-kino.de

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Texte, kein Teil dieses Werkes darf in irgendeiner Form, durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren, ohne schriftliche Genehmigung des Verlages schriftlich reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Lektorat: Ines Lasch, Hamburg

e-Booking: GAMB Cross-Media-Design, Fulda, www.gamb.biz

Druck(der gedruckten Form): FINIDR, s.r.o., Český Těšín, Tschechische Republik

ISBN: 978-3-86436-384-9 (Print)

ISBN: 978-3-86436-383-2 (eBook PDF)

ISBN: 978-3-86436-382-5 (eBook mobi Pocket)

ISBN: 978-3-86436-381-5 (ePUB)

© 2016 Ingo Koch Verlag & Co. KG, Warnowufer 32, 18057 Rostock

www.ingokochverlag.de

Einreichung 2002

Zehn Jahre alt. Das 3001 Kino wurde im Jahr 2001 zehn Jahre alt. Als wir im Mai 1991 mit unserem Kino anfingen, da sah Hamburg kinomäßig noch ganz anders aus. Die Kinostadt gehörte der Ufa, ein Kinounternehmer aus Hannover versuchte (meist vergeblich) auch an die kommerziell interessanten Filme heranzukommen. Für uns war das alles nichts. Der beste Film ist ohnehin „Sein oder Nichtsein“ aus dem Jahr 1942. Die anderen Kinos, das waren in Hamburg das kommunale Metropolis-Kino, das Abaton-Kino, das Magazin-Filmkunsttheater im Stadtteil Winterhude – für eine Großstadt erschreckend wenige Möglichkeiten, die Filmgeschichte im Kino zu entdecken.

Neid. Wir sahen nach Berlin (West) und München und waren voller Neid. Aber wir sahen auch nach Frankfurt und waren voller Mitleid. Jedenfalls war das unser Start. Wir beschlossen, diese Repertoirelücke zu füllen und uns nicht in das Gerangel um die Erstaufführungen einzumischen. Heute, zehn Jahre später, haben wir Verhältnisse, die wir damals für völlig unmöglich hielten. Die Filmverwurstungsbetriebe, wie Wolf Donner sie einst in der Wochenzeitung „Die Zeit“ nannte, sind verschwunden. Nicht durch Gerichtsprozesse – das Publikum hat sich entschieden. Allüberall in Hamburg gibt es jetzt den neuen Sitzkomfort und die neue Technik. Das ist anders. Und noch etwas ist anders. Früher wurden die Filme exklusiv bei der einen oder anderen Firma gespielt.

Alle Filme überall. Inzwischen gibt es alle Filme überall. Unsere Vermutungen von damals haben sich leider und Gott sei dank bewahrheitet: Die Ufaucikinopoliscinemaxx-Ketten bringen keine größere Filmvielfalt in die Metropole Hamburg. Es gibt im Unterschied zu früher überall die Filme, die es überall gibt. Das ist Defekt wie Chance zugleich für das 3001 Kino. Unser Programm zeigt auch, wie viele Filme in den anderen Kinos nicht zum Einsatz kommen.

Auswahl. Die Auswahl der Filme ist immer noch so schwierig wie am ersten Tag vor zehn Jahren. Mit einiger Übung und einer nötigen Portion geübten Halbwissens gelingt es fast jedem Kinodisponenten herauszufinden, ob es sich um ein Produkt gehobener oder eher niedriger Qualität handelt; so auch uns. Einen guten Film können wir inzwischen von einem schlechten Film schnell unterscheiden. Manchen von uns fünf Programmmachern gelingt diese Einteilung bereits nach einer Sichtung von höchstens fünfzehn Minuten. Schwieriger, ja oft nahezu unmöglich ist die Einschätzung vor dem Start eines Filmes, welche Chancen dieser Film heute beim Publikum haben wird. Inzwischen wissen wir: Jeder Kinodisponent, der anderes von sich behauptet, lügt. Oft begegnen uns Filme, die wir zwar für sehr gelungen halten, wo wir aber denken, dass nicht besonders viele Zuschauer deswegen ins 3001 Kino gehen werden.

Irren ist erfreulich. Wir programmieren sie dennoch und manchmal sind wir dann wider Erwarten beim Publikum erfolgreich. Sich in dieser Richtung zu irren, ist besonders erfreulich. Inzwischen sind wir im Laufe der Jahre so ehrlich geworden, dass wir nicht mehr hinterher behaupten, wir hätten mit dem Erfolg dieses oder jenes Filmes gerechnet. Vielleicht sind es ja auch die fast privaten Beziehungen zu unserem Publikum, die solche Überraschungserfolge von Filmen ermöglichen.

Play it again. Eine Filmreihe in drei Kinos: Gewiss, wir haben uns diese Reihe und deren Konzept vor ein paar Jahren nicht selber ausgedacht. Christiane Niewald und Thomas Bastian aus Potsdam/Stuttgart haben es uns vorgemacht und bei der Umsetzung auf Hamburger Verhältnisse geholfen. Inzwischen ist die Repertoire-Reihe „Play it again“ auch in Hamburg etabliert. Zusammen mit dem Abaton-Kino und dem Zeise-Kino zeigen wir über fünfzig Filme pro Jahr. Nur unterbrochen durch das Filmfest Hamburg. „Play it again“ geht jetzt ins vierte Jahr und erfreut sich beim Publikum zunehmender Beliebtheit. Das Hauptproblem, die Beschaffung guter – oder doch zumindest spielbarer – Kopien, gibt es immer noch, wie am ersten Tag.

Recherche ist alles. Recherchieren ist alles. Über fünfzig Filme in drei Kinos in dreihundert Veranstaltungen, mit einem Zuschauerschnitt von fünfzig Zuschauern. Soviel zum Thema, das Repertoire im Kino sei tot, wie oft behauptet wurde und wird. Wenn man es liebevoll pflegt und es pressemäßig begleitet, dann kann das Repertoire durchaus zu neuem Leben erweckt werden. Voraussetzung ist die relativ aufwendige Recherche, wo sich gute oder zumindest spielbare Kopien befinden, da viele Filmverleihe (besonders die großen) dazu übergegangen sind, die Prüfung der Kopien den Kinos selbst zu überlassen.

(Es kamen bisher keine Beschwerden).

Trash und Camp mit Emmi. Monatlich einmal kommt Emmi Hempel Berta „das Trüffelschwein der Filmgeschichte“ ins 3001 Kino. Der Schauspieler Christoph Dompke hat diese siebzigjährige rüstige Dame erfunden. Freitagabends präsentiert Emmi die Perlen aus den Giftküchen der internationalen Filmproduktion. Emmi Hempel Berta (in einem wunderbaren Kostüm) moderiert in köstlicher Weise vor allem solche Filme an, die sich bisher erfolgreich der positiven Anerkennung als Schlüsselwerke der Filmgeschichte widersetzen konnten. Mit großer Sachkenntnis und spürbarer Zuneigung entschlüsselt er in seinen Objekten tieferliegende Ebenen, die mitnichten nur Momente unfreiwilliger Komik entlarven. Vielmehr wird durch seine Darlegungen so manches Mal deutlich, welch merkwürdigen Anteil des wahren Lebens es auch in jenen Filmen zu entdecken gilt, die sich auf den ersten Blick gar nicht so reich zeigen mögen.

Samurai-Schwert. Heute können wir über den Besuch eines japanischen Schauspielers, der eigentlich nur einen Apfel mit dem Samurai-Schwert durchteilen wollte, schon wieder lachen. Damals war uns eher zum Heulen zumute, als statt des Apfels die Leinwand geschlitzt wurde. Warum geben wir eigentlich so viel Geld für die Reisekosten eines japanischen Schauspielers aus, der auch noch verlangt hatte, Business Class zu reisen? Das wäre doch viel einfacher (und vor allem viel billiger) gewesen, selbst ein kleines Messer zu erstehen und die Leinwand durchzuschneiden, als zu diesem Zwecke extra einen Schauspieler aus Japan einfliegen zu lassen. Kinomachen mit Events ist eben nicht ohne Risiko.

Milch und Honig aus Rotfront. Nicht alle Dokumentarfilme haben Titel, die selbst schon eine Frage bergen und wenn es nur die nach „richtigem Deutsch“ ist. Der Dokumentarfilm und das 3001 Kino – das ist eine ziemlich spezielle Veranstaltung, die wir im Laufe der Zeit immer wieder variiert haben. Inzwischen lernen wir mühsam, aber stetig, dass es nicht nur wichtig ist, ein ungeschwätziges Produkt zu haben, sondern mehr noch, die entsprechenden Zuschauer für diesen Film in der Stadt zu finden. Mit den exotischen Musikfilmen aus Übersee hatten wir auch 2001 Erfolge, weil inzwischen Emigranten aus Lateinamerika zu unserem Stammpublikum gehören. Dokumentarfilm kann alles Mögliche sein. Nur langweilen darf man das Publikum nicht. Dann denken die Leute, sie wären zuhause vor dem Fernseher und bleiben in Zukunft dort.

Sein oder Nichtsein. Im zehnten Jahr unserer Existenz sind wir diesen Sommer (nach einem ersten zaghaften, völlig verregneten Versuch im Jahr davor) auch nach draußen gegangen. Outdoor-Cine – Das Sommerkino am Wasserturm, so haben wir unser Open-Air-Kino genannt. Am 9. August ging es los und wir hatten schon am ersten Abend 348 Zuschauer bei „Ghost Dog“. Unser Lieblingsfilm „Sein oder Nichtsein“ hatte die schlechtesten Startbedingungen. Bis kurz vor Beginn der Veranstaltung regnete es in Strömen, die Wiese war nur noch mit Gummistiefeln zu betreten, die gefühlte Temperatur lagen am 12. August kurz über null Grad, so einen Eindruck hatte man jedenfalls. Dreizehn Aufrechte in Pullovern und Gummizeug waren dennoch geblieben.

Kann man Brecht verfilmen? Wir wissen es nicht. Aber manchmal, wenn wir über uns und die anderen und die Kulturförderung oder die Filmförderung nachdenken, dann kommt jenes Gedicht von Brecht über die Moldau in Erinnerung.

„Am Grunde der Moldau wandern die Steine. Es liegen drei Kaiser begraben in Prag. Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine. Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag. Es wechseln die Zeiten. Die riesigen Pläne der Mächtigen kommen am Ende zum Halt. Und gehn sie einher auch wie blutige Hähne. Es wechseln die Zeiten, da hilft kein Gewalt. Am Grunde der Moldau wandern die Steine. Es liegen drei Kaiser begraben in Prag. Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine. Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.“

(Bertolt Brecht aus: „Schweyk im zweiten Weltkrieg“, 1943).

Jens Meyerfür die Besatzung vom 3001 Kino

Einreichung 2004

Roger and me. Der Erfolg von Michael Moores Film ließ uns einen alten Film von ihm wieder ausgraben, der jahrelang bei Warner vorrätig gehalten wurde und den wir (wenig erfolgreich) 1992 bei uns gezeigt hatten. Nun hatten wir in sechs Vorführungen 320 Zuschauer. Ein Erfolg, mit dem wir nicht gerechnet hatten. Nicht bei allen Filmen funktioniert die Methode des Liegenlassens.

Montag Morgen. Ein Mann steigt jeden Morgen in seinen R 4, zieht die Pantoffeln aus, um am Abend nach acht Stunden in der Fabrik an gleicher Stelle wieder hineinzurutschen. Die Filme von Otar Iosseliani sind gewöhnungsbedürftig und einige haben wir ausgelassen. Diesen nicht. „Montag Morgen“ haben wir 14 Mal gezeigt und hatten 809 Zuschauer.

The Big One. Jahrelang stand er in der Startliste der Firma Kinowelt, dieser Film von Michael Moore. Sie hatten ihn gekauft, aber nicht herausgebracht. Die freundliche Disponentin hat dann eine Kopie für uns gefunden. Und siehe da, auch dieser Film fand sein Publikum.

Robert Crumb in Hamburg. Im April hatte der Buchladen 2001 Robert Crumb nach Hamburg eingeladen. Es sollte ein neuer Comic bei 2001 erscheinen. Wir erinnerten uns an den Dokumentarfilm von Terry Zwigoff, der bei den Freunden der Kinemathek zu haben ist. Die Gelegenheit seines Besuches in Hamburg wollten wir nicht auslassen. Aber Künstler sind eben schwierige Menschen. Und so gestaltete sich auch die Kontaktaufnahme mit Crumb sehr schwierig. Man könnte auch sagen, sie kam gar nicht zustande, bis auf ein kurzes Gespräch im Buchladen. Es stellte sich heraus: Robert Crumb hasst diesen Film über sich und seine Arbeit. An jedem anderen Ort hätte er sich mit unserem Kollegen getroffen, nur nicht im Kino.

Eintritt frei am 1. Mai. Nun ist das Dutzend voll. Am 1. Mai 1991 war unser erster (chaotischer) Spieltag. Zwölf Jahre haben wir (in fast gleicher Besetzung) gebraucht, um herauszufinden, wie man ein Kino von morgens um 9.00 Uhr bis in die Nacht um 1.00 Uhr mit Zuschauern füllt. Jetzt wissen wir es: Am einfachsten ist es, wenn man auf das Eintrittsgeld verzichtet. Man spart Kassenpersonal und es hat auch sonst weitere Vorteile. Leider lassen sich diese Vorzüge nur alle zwölf Jahre umsetzen. Best of W. C. Fields haben wir das Programm genannt, das aus insgesamt zwölf Filmen bestand, die zwischen 1930 und 1941 hergestellt worden sind.

Gerüchte und Glück. Oder: Manchmal ist Kinomachen wie das Leben. 1990 wurde ein französisches Buch in Deutschland zum Bestseller, das im Jahr 1967 in Frankreich erschienen war: „Auf den Spuren der Roten Kapelle“. Titel der französischen Originalausgabe „L’Orchestre rouge“. Autor Gilles Perrault war drei Jahre auf der Suche nach Überlebenden durch Europa gereist. Ihm gelang, was westliche Geheimdienste seit 1945 vergeblich versucht hatten: Er fand den Grand Chef, der der Gestapo entkommen konnte, um anschließend in Stalins Gefängnissen zu verschwinden. Erst nach Stalins Tod erlaubte man Leopold Trepper, nach Polen heimzukehren. Das Buch von Perrault wurde von uns deswegen so begeistert aufgenommen, weil es sich wohltuend von jener Propagandaliteratur unterschied, die den Erfolg dieser Widerstandsgruppe gegen die Nazis ausschließlich den Kommunisten stalinscher Prägung zubilligte. Jedenfalls hatte irgendjemand das Gerücht aufgebracht, nach dem Buch von Perrault sei ein Spielfilm entstanden. Wir machten uns auf die Suche. Und fanden nichts. Aber wir fanden einen neuen Dokumentarfilm des Berlin-New-Yorker Stefan Roloff. Geboren in Berlin, hatte er seinen Vater immer für einen Spießer gehalten. Doch dann (er war schon lange in die USA ausgewandert) befragte er, kurz vor dessen Tod, noch einmal seinen Vater und fand heraus, was wir alle gern über unsere Väter erfahren hätten. Sein Vater war Mitglied einer Widerstandsgruppe und kam trotz Verhaftung durch die Gestapo mit dem Leben davon. Nach über fünfzig Jahren beendete der Vater sein Schweigen. Und wir hatten einen erfolgreichen Dokumentarfilm im Kino: „Die Rote Kapelle“ von Stefan Roloff.

Sexuell pervertiert oder die Zeiten ändern sich. Ein Beispiel dafür, wie sich in kurzer Zeit die Zeiten ändern können, sowohl in die eine als auch in die andere Richtung, ist die Rezension der Katholischen Filmkritik (aus dem Jahr 1969) zu dem Bergman-Film „Das Schweigen“. Einen Ausschnitt davon hatten wir im Mai-Heft (anlässlich der Wiederaufführung in der Play-it-again-Reihe) zitiert: „Am Beispiel zweier sexuell pervertierter Schwestern will der Regisseur demonstrieren, daß eine Welt, auf der das Schweigen Gottes lastet, zur Hölle wird. Diese These wird jedoch weder im Bild noch im Dialog deutlich und rechtfertigt nicht die szenische Entartung, die hier entschieden über ein vertretbares Maß hinausgeht und ein negatives Gesamturteil nahelegt. ABZULEHNEN“. (Aus Handbuch der Katholischen Filmkommission für Österreich, Erzbischöfliches Ordinariat Wien vom 11. Februar 1969).

Die Dänen kommen. König Christian der Fünfte aus Dänemark rückte mit 16.000 Mann an. Das war vor 317 Jahren, im August des Jahres 1686. Der Kampf tobte vom 21. bis 25. August 1686. Heute gibt es an gleicher Stelle einen schönen alten Park mit einer Naturbühne und einem Wasserturm, vom 3001 Kino zu Fuß in zehn Minuten zu erreichen. Seit 2001 machen wir dort im Sommer Open-Air-Kino. Letztes Jahr waren wir 31 Tage dort (vom 24. Juli bis 24. August) mit 28 verschiedenen Filmen. Der Wasserturm steht unter Denkmalschutz, ist 59 Meter hoch, wurde 1910 in Betrieb genommen und hat (einmalig in Europa) zwei schmiedeeiserne Behälter mit einem Durchmesser von 25 Meter und einem Rauminhalt von je 2.350 Kubikmeter. Nach 80 Jahren wurde der Turm 1990 (als wir die ersten Pläne für unser Kino entwarfen) von den Wasserwerken der Stadt Hamburg an einen Spekulanten verkauft, der den Turm seither verfallen lässt, aber nicht müde wird, die Politiker der Stadt mit Lügenmärchen einzuwickeln. Was er nicht schon alles bauen wollte: einen Büroturm mit Schwimmbad und Restaurant. Ein Luxus-Hotel zusammen mit einer französischen Hotelkette. Dann wieder ein Multiplex-Kino. Dann mal ein Imax-Kino. Jetzt ist es mal wieder ein Luxushotel mit 180 Betten, das er zusammen mit einer Eiscremefirma bauen will. Passiert ist seither nichts. Alle warten darauf, dass der Bau von selber einstürzt. Der Pseudobauherr hat nicht viele Freunde in der Stadt, aber die, die er hat, sitzen dort, wo Bauanträge genehmigt und andere Nutzungen deshalb abgelehnt werden. Für uns jedenfalls sieht es so aus, als wenn das Open-Air-Kino im Schanzenpark dieses Jahr nicht stattfinden kann. Doch auch die Dänen mussten trotz ihrer Streitmacht am 26. August 1686 ohne Erfolg wieder abziehen. Aber wenigstens eine Straße am Bahnhof Sternschanze hat man nach ihnen benannt, was dem derzeitigen Turmbesitzer sicher nicht passieren wird.

Popcornreste. Auch in Hamburg war der August der Jahrhundertsommer. Alle Menschen waren in den Parks und Gartenkneipen und keiner war in den Kinos. In den Zeitungen erschienen die Wehklagen der Kinobesitzer. Eine Kinokette in Hamburg berichtete der Zeitung gar, dass es eigentlich völlig normal sei, dass im Sommer keine Miete bezahlt würde. Eine andere Firma aus Freiburg diktierte der Zeitung, sie würde sich nur von Popcorn ernähren, was zu dem Witz führte, dass Kinobesitzer sich ausschließlich von den Popcornresten ernähren würden, die die wenigen Zuschauer in den Kinos zurückließen.

Filmfest Hamburg und Systemstörung (Ost). Der neue Filmfestleiter (Albert Wiederspiel) hat die Kinos an der alten Straßenbahnlinie 2 ausgewählt. Auch ein Gedanke. Das 3001 Kino liegt etwas abseits der gedachten Linie, was den Zuschauern offensichtlich nichts ausgemacht hat. Unsere „Ostpunkfilmreihe“, die in der Woche vor dem Hamburger Filmfest stattfand, hatte es da wesentlich schwerer beim Publikum. Gezeigt wurden: „Systemstörung Ost“, ein Kurzfilmprogramm, das Claus Löser vom Kino in der Brotfabrik aus Berlin zusammengestellt hatte, „Führer EX“ (der letzte Film, den das Studiokino der UFA im Dezember 2002 vor seiner Schließung gezeigt hatte, „Flüstern und Schreien“ und das „Ministerium für Staatssicherheit – Alltag einer Behörde“.

Wir kamen vom anderen Stern.Thorwald Proll ist nicht nur ein Buchhändler für uns. Hin und wieder schreibt er auch selbst. Zusammen mit dem Journalisten Daniel Dubbe hat er ein Interviewbuch über seine Zeit mit Andreas Baader gemacht: „Wir kamen vom anderen Stern“. An einem Sonntagmorgen hatten wir dann beide auf der Bühne, sie lasen aus ihrem Buch über einen Kaufhausbrandstifter-Prozess. Anschließend gab es einen Kurzfilm, der mit 1968 zeitlich nichts, aber inhaltlich viel zu tun hatte. Der Film von Marion Ram „Ich bin eine kriminelle Vereinigung“ handelt von einer Gruppe junger Leute aus Passau, die nur deshalb bundesweit verfolgt wurden, weil sie etwas gegen den jährlichen Aufmarsch der Nazis in Passau unternommen hatten. Im Abspann dieses Filmes singt Jan Delay sein Lied „Endlich sind die Terroristen weg und es herrscht Ordnung und Ruhe und Frieden“.

Donner aus dem Jenseits.Wolf Donner war der Journalist, der den UFA-Schachtel-Kinobesitzer Heinz Riech mit einem einspaltigen, 87 Zeilen langen Artikel in der Hamburger „Zeit“ vom 21. März 1975 (zwei Überschriften: (klein:) „Die Filmförderungsanstalt unterstützt Heinz Riech statt die AG Kino.“ (groß) „Subventionen für Ramschläden“) so reizte, dass dieser beschloss, für viel Geld einen Prozess gegen „Die Zeit“ zu führen. Der Prozess ging für Heinz Riech nicht gut aus (Urteil vom 6. Mai 1982). Zahlreiche Zeugen, meist Filmkritiker, wurden vom Gericht befragt und konnten die Aussagen von Wolf Donner nur bestätigen: Ramschläden, Schuhkartons, Film-Verwurstungsbetriebe, vollautomatische Ausbeutung wurden von nun an geflügelte Worte, wenn man von den UFA-Kinos sprach. Wer diesen Artikel heute noch einmal liest, stellt fest, dass die eigentliche Wut Wolf Donners sich gegen die Mitglieder der Projektkommission der Filmförderungsanstalt (FFA) wendete, die einem solchen Kinobesitzer auch noch Förderungsgelder hinterherwarf, einen Antrag der Programmkinos dagegen ablehnte. Die beiden letzten Sätze seines Artikels in der „Zeit“ unterstreichen diese Wut Wolf Donners. Da liest man auf Seite 17:

„Nur mühsam können die Mitglieder der AG Kino ein neues Filmbewußtsein aufbauen, das Leute wie Riech systematisch demontieren. Darum ist die Entscheidung der FFA für Riech und gegen die AG Kino absurd und skandalös.“

Wolf Donner ist früh verstorben. Wir haben einen Text von ihm gefunden, den er vor zwölf Jahren geschrieben hat und der (leider) immer noch nicht alt klingt:

„Apparatschiks. Sie kakeln und mirakeln landauf, landab, sie beraten und beschließen, sie verwalten, vertagen, verwerfen. Man trifft sie auf allen Konferenzen, Kongressen, Messen, auf allen Filmfestivals, bei Premieren und Festen. Sie geben große Essen und Empfänge, sie reisen permanent, steigen in feudalen Hotels ab, verplempern immer mehr Geld und propagieren zunehmend sich selbst, einen neuen Berufsstand, die hauptamtlichen Filmförderer. Eine pompöse Halbwelt hat sich da etabliert, eine gschaftelhubernde Funktionärs-Kamarilla auf glamourösem Champagner-Level. Sie reden und bewegen sich wie Filmmogule, aber auf dem satten Polster von Steuergeldern. Institutionalisierte Amtsanmaßung in Permanenz.“ (Wolf Donner: Gegenkurs, Ausgewählte Kinotexte, Stemmler Verlag Berlin. Erstveröffentlichung im „Tip, Dezember 1992). Da kommt man doch ganz schön ins Grübeln, wenn man so Förderanträge stellt.

Jens Meyerfür die Besatzung vom 3001 Kino

Einreichung 2005

Kinoliebe. Am 7. Februar auf Seite 16 des „Hamburger Abendblattes“ die Überschrift: „St. Georg. Kampf ums Broadway-Kino“ (mit der städtischen Sprinkenhof Immobilien Management Immobilien GmbH SIM). Abgebildet mit einem Schwarzweißfoto der Kinobesitzer Lutz M. Stübs vom Neuen „Broadway“, Größe des Fotos 20,5 cm x 14,7 cm. Am 16. Februar ist die Schlagzeile auf Seite eins des „Hamburger Abendblattes“: „Hamburger Liebesfilm gewinnt die Berlinale“, dazu ein dreispaltiges Farbfoto 14,5 cm x 16 cm groß. Auf Seite drei dann nochmal ein Farbfoto, Größe 24,5 cm x 15,5 cm, darauf der Regisseur mit dem Bären.

Bilder finden. Ein Film über den polnisch-jüdischen Schriftsteller und Maler Bruno Schulz wird uns angeboten. hat ein Hörspiel dazu gemacht: „In den Zwillingsgassen des Bruno Schulz“. Dort gibt es folgenden Text: (Aus: „Die Aktion“, Heft 205, Edition Nautilus)

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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