Die Bienenkiste - Erhard Maria Klein - E-Book

Die Bienenkiste E-Book

Erhard Maria Klein

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Beschreibung

Viele Garten- und Naturfreunde, die heute gerne Bienen halten würden, scheuen den Aufwand, um auf die herkömmliche Art Imker zu werden. Die Bienenkiste macht das Imkern einfacher und ist besonders für Anfänger und die Bienenhaltung im eigenen Garten geeignet. Imker Erhard Maria Klein stellt dieses neue Konzept der artgerechten Bienenhaltung vor und informiert über die Lebensweise der Honigbienen. Mit den detaillierten Anleitungen und Materialempfehlungen im Buch gelingt der Bau der Bienenkiste ganz leicht. Fachkundiger Rat und erprobte Praxistipps helfen bei der Wahl des passenden Standortes, beim Einlogieren und Betreuen des Bienenschwarms ebenso wie bei der Honigernte, der Bekämpfung der Varroamilbe und dem Überwintern des Bienenvolks. Das Buch verhilft Naturfreunden, faszinierende Einblicke in die Welt der Honigbienen zu gewinnen. Die zeitgemäße Art des Imkerns macht es möglich, dass es im Garten und auf der Obstwiese, aber auch in der Stadt auf Balkon und Terrasse oder in Außenanlagen von Schulen und Firmen munter summt - zum Wohle der Menschen und der Natur.

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Erhard Maria Klein

Die Bienenkiste

Selbst Honigbienen halten – einfach und natürlich

illustriert von Karin Bauer

für Britta

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Faszination Bienen

Mein Weg zu den Bienen

Der Krainer Bauernstock

Die Bienenkiste

Alternative Freizeitbienenhaltung

Der Bien

Die drei Bienenwesen

Die Kunst des Wabenbaus

Gesundheitsvorsorge

Das Abenteuer des Schwärmens

Voraussetzungen für die Bienenhaltung

Was erwartet mich?

Geeignete Standorte

Zeitaufwand und Kosten

Ausrüstung

Was Sie unbedingt beachten müssen

Bauanleitung für die Bienenkiste

Teileliste für die Bienenkiste

Zusammenbau der Bienenkiste

Teileliste für den Innenausbau

Innenausbau der Bienenkiste

Ständer

Wetterschutz

Wie fange ich an?

Wichtige Hinweise zum Umgang mit der Bienenkiste

Woher bekomme ich einen Bienenschwarm?

Bienenschwarm einlogieren

Die ersten Wochen

Weitere Arbeiten im ersten Jahr

Betreuung im Jahreslauf

Durchlenzung und Frühjahrsdurchsicht

Den Honigraum freigeben

Schwarmzeit

Bienenschwarm einfangen

Honigernte

Sommerbehandlung gegen die Varroamilbe

Auffütterung und Wintervorbereitung

Restentmilbung mit Oxalsäure

Die Bienenkiste im Winter

Dokumentation

Die Honiggewinnung

Selbst gebauter Honigfilter und weitere Ausrüstung

Verarbeitung des Honigs

Honig abfüllen

Wachsgewinnung

Bauerneuerung und Neubesiedlung

Brutwaben austauschen

Benutzte Bienenkiste auf ein neues Bienenvolk vorbereiten

Honigraum-Trägerleisten erneut verwenden

Krankheiten und Problembehandlung

Varroamilben

Weisellosigkeit

Durchfallerkrankungen

Amerikanische Faulbrut

Wabenbruch vermeiden

Ein Geschenk

Anhang

Der Autor

Sachindex

Adressen und weiterführende Informationen

Informationen im Internet

Bezugsquellen

Zum Weiterlesen

Zum Betrachten

Zum Weiterdenken

Faszination Bienen

Warum interessieren Sie sich für Bienenhaltung? Wenn ich diese Frage stelle, höre ich oft, dass eine persönliche unmittelbare Begegnung mit Bienen den ersten Anstoß dazu geliefert hat. Vielleicht hatte der Großvater Bienen gehalten oder man war dabei, als ein Imker einen Bienenschwarm eingefangen hatte. Vielleicht war man auch mit seinen Kindern bei einer Veranstaltung des örtlichen Imkervereins, wo gemeinsam Honig geschleudert wurde.

Bienen üben auch heute noch eine starke Faszination aus. Wer einmal mit einem Imker zusammen einen Bienenstock geöffnet hat, von Hunderten friedlicher Bienen umschwärmt worden ist und den aromatischen Duft des Bienenstocks eingeatmet hat, steht in der Gefahr, sein Herz an diese wundervollen Geschöpfe zu verlieren.

Mein Weg zu den Bienen

Für mich schließt sich mit diesem Buch ein Kreis, der mit einem Zufallsfund auf dem Büchertisch der Hamburger Uni 1995 begonnen hat: Mein Interesse für Bienen wurde durch das Buch »Selbstversorgung in der Stadt« von Helga und William Olkowski geweckt (wie dieses Buch erschienen im pala-verlag). Dieses Thema interessierte mich zu dieser Zeit sehr. Meine Frau und ich hatten uns gerade einen Kleingarten mitten im Hamburger Stadtgebiet zugelegt und in kleinem Rahmen angefangen, Gemüse anzubauen. Als Nächstes mussten Tiere her. Bienen erschienen mir als interessante Nutztiere für die Stadt, weil sie ihren Nektar und Pollen überall sammeln – also nicht nur auf das eigene Grundstück angewiesen sind – und verhältnismäßig wenig Betreuung benötigen.

Ich machte einen Anfängerkurs in konventioneller Bienenhaltung mit sogenannten »Segeberger Magazin-Bienenkästen« bei einem Hamburger Imkerverein. Gleichzeitig informierte ich mich über alternative Konzepte und besuchte das jährlich stattfindende »Faschingsseminar« des ökologischen Imkerverbands Mellifera e.V., bei dem »wesensgemäße Bienenhaltung« gelehrt wird. Mir war sofort klar, dass diese Art der Bienenhaltung eher meinen Vorstellungen entspricht. Das Faschingsseminar fand – wie der Name sagt – in der Faschingswoche statt, noch bevor die Bienensaison richtig begann. Ich hatte also noch Zeit, mir die speziellen Bienenkästen (»Einraumbeuten«), die dort empfohlen wurden, zu besorgen und mich um Bienenschwärme zu bemühen. So kam es, dass ich gleichzeitig die konventionelle Bienenhaltung im Magazin und die wesensgemäße Bienenhaltung kennenlernte. In dem Imkerkurs erlernten wir alle Eingriffe in das Bienenvolk, die nötig sind, um erfolgreich im Magazin imkern zu können. Zuhause im Kleingarten hatte ich drei Naturschwärme in Einraumbeuten. Ich hatte einen direkten Vergleich: Beim Imkerkurs waren alle Kursteilnehmer mit Schutzkleidung vermummt. Die Bienen wirkten unruhig und bei mir blieb nach den Praxistagen immer ein gemischtes Gefühl zurück. Meine eigenen drei Bienenvölker, die ihre Waben selbst bauen durften und Zeit hatten, sich zu entwickeln, reagierten viel sanftmütiger, wenn ich die Kästen zur Kontrolle öffnete. Die Atmosphäre war eine ganz andere. Die Bienen zu besuchen, hatte etwas Beruhigendes, fast Meditatives. Mehrere Jahre habe ich dann Bienen in Einraumbeuten gehalten und gelernt, Bienenvölker natürlich zu vermehren, gesund zu erhalten und Honig zu ernten. Im Prinzip war ich mit dem wesensgemäßen Ansatz zufrieden, bei dem es darum geht, der natürlichen Lebensweise der Bienen so weit wie möglich zu entsprechen. Die Bienenvölker dürfen sich z. B. auf natürliche Art vermehren, können ihre eigenen Waben bauen, statt auf industriell vorgefertigten Wachsplatten leben zu müssen, und man lässt ihnen ihren eigenen Honig als Wintervorrat, statt ihnen alles zu nehmen und dann Zuckerwasser als billigen Ersatz zu geben.

Trotzdem kam ich nach einiger Zeit ins Grübeln. Jede Art von Bienenwohnung erfordert eine bestimmte Betreuungsweise und verfolgt bestimmte Ziele. Auch bei dieser eher wesensgemäßen Art, Bienen zu halten, spielte der Wunsch, Honig zu ernten, eine wichtige Rolle. Der Betreuungsaufwand war nach meinem Gefühl dafür, dass es sich bei Bienen um wilde Tiere handelt, die eigentlich auch unbetreut leben könnten, zu hoch. Für Berufs- oder Nebenerwerbsimker, die Honig verkaufen wollen, ist es bestimmt sinnvoll, so zu imkern. Aber mir ging es ja gar nicht in erster Linie um den Honig. Das anfängliche Motiv der »Selbstversorgung« hatte sich im Laufe der Jahre etwas relativiert und – mittlerweile berufstätig – habe ich mich gefragt, wie sinnvoll es ist, viel Zeit in die Bienenhaltung zu investieren und dann große Mengen an Honig zu produzieren, den ich dann für einen Preis verkaufen muss, der in keinem Verhältnis zu meiner Arbeitszeit steht.

Es ist wundervoll, aromatischen »Bio«-Honig für den Eigenbedarf zu ernten und Überschüsse an die Familie und gute Freunde verschenken zu können. Mehr Honig will ich aber eigentlich gar nicht haben. Und mindestens genauso schön ist es, Zeit zu haben, um vor dem Flugloch sitzen zu können und den Bienen beim Hinein- und Herausfliegen zuzuschauen. Mir war inzwischen auch klar geworden, dass der eigentliche Wert der Honigbienen in der Bestäubung von Nutz- und Wildpflanzen liegt. Sie leisten damit einen unersetzlichen Beitrag zum Erhalt unserer Kulturlandschaft und der Artenvielfalt: Wegen ihrer großen Zahl und der Blütenstetigkeit – sie besuchen bei einem Sammelflug nur Blüten einer Art – sind sie wesentlich effizienter als Wildbienen oder Hummeln. Deshalb reicht es zur flächendeckenden Bestäubung auch nicht, nur Wildbienenhotels aufzustellen.

Ich machte mich auf die Suche nach einer noch einfacheren, extensiven Art der Bienenhaltung, die unseren heutigen Lebensbedingungen und Erwartungen an eine Freizeitbienenhaltung im kleinen Maßstab eher entspricht. Mittlerweile arbeitete ich ehrenamtlich für Mellifera e. V., und immer, wenn sich Gelegenheit bot, diskutierte ich mit dem Leiter des Vereins, Imkermeister Thomas Radetzki, verschiedene Konzepte und Ideen. Irgendwann, bei der Vorbereitung eines Vortrags, erinnerte er sich an den Krainer Bauernstock und schrieb mir eine E-Mail: »Der Krainer Bauernstock ist doch genau das, was du suchst!«

Der Krainer Bauernstock

Der Krainer Bauernstock ist eine traditionelle Bienenbehausung, die seit über 300 Jahren im Gebiet der Krain (im heutigen Slowenien) verwendet wird. Es handelt sich um längliche flache Holzkisten, in die die Bienen ihre Naturwaben fest einbauen. Es ist unbestritten, dass dieser sogenannte »Stabilbau« – also ein unbewegliches geschlossenes Wabenwerk, in dem die Bienen ungestört leben können –, am ehesten ihren natürlichen Bedingungen entspricht. Wilde Bienenvölker siedeln oft in Baumhöhlen und bauen dort ihre Waben fest hinein.

Stabilbau mag nun zwar den natürlichen Bedürfnissen der Bienen optimal entsprechen, ist aber eher problematisch, wenn man Honig ernten oder Krankheitsvorsorge betreiben will. In der heute üblichen Art der Bienenhaltung hat man dieses Problem durch »Mobilbau« mit beweglichen Waben gelöst. Die Bienen bekommen Holzrähmchen mit vorgeprägten Wachsplatten (»Mittelwänden«) vorgegeben. Sie ermöglichen eine sehr effiziente, standardisierte Hochleistungsbienenhaltung. Der Organismus Bien (siehe Seite 19) ist zum Baukasten mit austauschbaren Elementen, beispielsweise Waben, Königin oder Arbeitsbienen, geworden. Das setzt beim Imker viel Fachwissen voraus, damit diese Art der intensiven Bienenhaltung überhaupt gelingt. Für den Bien bedeuten die Eingriffe in seinen (Waben-)Körper vermehrten Stress.

Die flache Bauweise des Krainer Bauernstockes erlaubt einen guten Einblick in das Bienenvolk. Die historische Abbildung von Anton Janscha zeigt den abnehmbaren Boden und die fest eingebauten Naturwaben.

Die Erfinder des Krainer Bauernstocks hatten einen anderen Weg eingeschlagen, der das Bienenvolk als einen Organismus ernster nimmt, trotzdem gute Einblicke in das Volk hinein gewährt und eine einfache Betreuung ermöglicht. Die Bienen möchten, dass ihre Waben frei schwingen können, da sie auch über Schwingungen auf den Waben kommunizieren. Sie befestigen ihre Waben daher nur oben und nötigenfalls an den Seiten ihrer Behausung. Die Wabenunterkante wird nicht am Boden angebaut, solange das aus Stabilitätsgründen nicht nötig ist. Waben bis zu einer Höhe von etwa 20 cm können den eingelagerten Honig ohne weitere Stabilisierung sicher tragen. Diese Beobachtung hatte damals dazu geführt, eine relativ flache Bienenwohnung zu entwickeln.

Da ein bestimmtes Volumen nötig ist und Bienen große zusammenhängende Wabenflächen lieben, war dabei eine niedrige, längliche Kiste herausgekommen. Der Boden blieb beweglich und konnte abgenommen werden, um von unten in das Bienenvolk schauen zu können. Die große Oberfläche führte dazu, dass man, ohne Waben bewegen zu müssen, auf einen Blick sehr viel vom Bienenvolk zu sehen bekam. Es war möglich, einige Zentimeter tief zwischen die Waben hineinzuschauen, und man konnte aufgrund der niedrigen Wabenhöhe auch direkt in den Brutbereich sehen. So konnte man beispielsweise einfach beurteilen, in welchem Zustand sich das Bienenvolk befand. Die längliche Bauweise führte außerdem dazu, dass auf ganz natürliche Weise die Honigüberschüsse getrennt vom Brutnest am hinteren Ende der Kiste abgelagert wurden. Dies ermöglichte eine einfache Honigernte.

Wenn man einen Krainer Bauernstock öffnet, erlebt man das Bienenvolk stets als Ganzes – als Organismus, als Bien. Man braucht das Bienenvolk nicht erst in seine Einzelteile zu zerlegen und – wie im Magazin – Waben herauszunehmen, um seinen Zustand beurteilen zu können.

Die Bienenkiste

Thomas Radetzki und ich haben am Grundkonzept des Krainer Bauernstocks nichts geändert, aber einige Verbesserungen im Blick auf die Handhabbarkeit eingeführt: Ein Ständer und der Dachüberstand ermöglichen es, die Kiste aufrecht zu stellen, um den Boden abnehmen zu können. Sie müssen die Kiste also nicht mehr komplett anheben und umdrehen, sondern können sie einfach am hinteren Ende hochkippen. Das ist auch ohne große körperliche Kräfte zu bewältigen. Der Boden ist mit modernen Beschlägen befestigt und kann mit einem Handgriff abgenommen werden.

Im Krainer Bauernstock haben die Bienen ihre Waben noch direkt innen an das Kistendach angebaut. In der Bienenkiste befestigen wir dagegen innen am Dach Holzleisten mit Wachsleitstreifen und sorgen so dafür, dass die Waben – falls nötig – einfach an diesen Leisten entnommen und auch wieder eingesetzt werden können. Anders als beim traditionellen Stabilbau müssen Sie also keine Waben aus dem Bienenvolk herausschneiden.

Die Trägerleisten vereinfachen auch die Honigernte wesentlich. Wir haben das Volumen so bemessen, dass den Bienen genug eigener Honig für den Winter verbleibt. Es gibt eine zusätzliche Kammer, die nur in der Honigsaison geöffnet wird und die Bienen dazu animiert, noch zusätzliche Vorräte einzulagern, sodass Sie – je nach Vegetationsbedingungen – etwa 15 Kilogramm Honig für den Eigenbedarf entnehmen können.

Die Bienenkiste wurde nach dem Vorbild des Krainer Bauernstocks entwickelt. Die Betreuung der Bienen, Varroabehandlung und Honigernte sind damit einfacher geworden, das Grundkonzept ist geblieben.

Den ersten Prototypen habe ich 2006 in Betrieb genommen. Ich war sofort sehr begeistert von der einfachen und ganzheitlichen Art, mit dem Bienenvolk umzugehen. Das Hochstellen der Kiste und Abnehmen des Bodens stört die Bienen kaum, weil man dabei ihren Wabenkörper nicht antasten muss. Sie bleiben daher auch spürbar ruhiger und friedfertiger. Nachdem ich einige Jahre Erfahrungen gesammelt und vor allem die Behandlungsmöglichkeiten gegen die Varroamilbe und die Honigernte optimiert hatte, wurde das Konzept 2009 von Mellifera e. V. erstmals öffentlich vorgestellt. Das Interesse war groß und es zeigte sich, dass tatsächlich viele Menschen auf der Suche nach einer einfacheren Art der Bienenhaltung sind. In Hamburg bildete sich ein Kreis mit engagierten Anfängern, die sich als »Pioniere« auf die Bienenkiste eingelassen hatten und wertvolle Anregungen lieferten. Derzeit werden schätzungsweise einige Hundert Bienenkisten jährlich neu in Betrieb genommen.

Alternative Freizeitbienenhaltung

Heute können wir beobachten, wie überall in der Welt Menschen mit extensiveren Haltungsformen experimentieren. Die Bienenkiste ist nur ein Teil einer neuen globalen Bewegung alternativer Bienenhaltung. Angesichts der überalterten Imkerschaft und der großen Nachwuchssorgen in den Imkervereinen konnte ich daher anfangs überhaupt nicht verstehen, warum in manchen Imkerkreisen eine große Ablehnung gegen die Bienenkiste herrscht. Ich musste erst einmal erkennen, dass viele konventionelle Imker ganz andere Erwartungen an die Bienenhaltung haben als ich. Ich möchte die Bienen so weit wie möglich in Ruhe lassen, weil das ihnen und mir Stress erspart. Ich freue mich über meinen eigenen Honig und darüber, dass die Pflanzen in meiner Umgebung gut bestäubt werden. Durch die natürliche Vermehrung, die ich ermögliche, trage ich außerdem dazu bei, die genetische Vielfalt der Honigbiene zu erhalten.

Viele herkömmliche Imker haben eine etwas andere Perspektive. Sie betreuen vielleicht zehn bis 50 Bienenvölker und produzieren im Nebenerwerb Honig zum Verkauf. Oder sie betreiben die Bienenhaltung als Hobby im eigentlichen Sinne: Sie haben Freude daran, an ihren Bienenvölkern »herumbasteln« zu können. Eine Bienenhaltung, bei der das nicht vorgesehen und möglich ist, erscheint ihnen nicht besonders attraktiv und sinnvoll. Außerdem kennen sie oft nur ihre intensive Art der Bienenhaltung und haben kaum Erfahrungen mit Naturwabenbau und Schwarmvermehrung. Sie können sich gar nicht vorstellen, dass das funktioniert. Sie haben im Laufe der Jahrzehnte gelernt, ihre Art der Bienenhaltung zu perfektionieren und wissen, wie viel Erfahrung dazu nötig ist, dass sie gut gelingt. Manche Imker befürchten daher, dass eine einfachere Bienenhaltung in der Bienenkiste dazu führen wird, dass verantwortungslose Anfänger, die auf den »Modetrend Bienenhaltung« aufgesprungen sind, schnell wieder das Interesse verlieren oder überfordert sind und ihre Bienenstände verwahrlosen und so zu Brutstätten von Krankheiten werden lassen.

Langsam setzt aber auch in den Vereinen, Bieneninstituten und Imkerverbänden ein Umdenken ein und sie fangen an, sich auf diese neue Gruppe von Freizeitimkern einzustellen. So fordert der Präsident des Europäischen Berufsimkerverbands,Walter Haefeker: »Die Imkerverbände müssen sich weiterentwickeln, um den Bedürfnissen der neuen Imker gerecht zu werden. Gerade die Vielfalt der Quereinsteiger macht die Stärke der Imkerschaft aus.«

Auch unsere Motive werden zunehmend verstanden und ernst genommen. Der renomierte Bienenwissenschaftler Dr. Wolfgang Ritter hat dies sehr gut erfasst und formuliert. Er hat sogar einen eigenen Namen für die Bienenkisten-Imker gefunden. Er nennt uns »Bienenbeobachter« und schreibt in seinem Buch »Bienen naturgemäß halten« (siehe Literaturhinweis auf Seite 154):

»Eine naturnahe Imkerei wird sich zunächst nach den natürlichen Ansprüchen des Bienenvolks richten. Es überrascht daher nicht, dass heute die vor allem in Städten verbreiteten Bienenbeobachter auf möglichst ursprüngliche Nestbauten setzen. Die Herstellung von Klotzbeuten und Strohkörben ist vielen zu aufwendig. Auf der Suche nach einfachen Beuten hat man dort eine einfache Bienenkiste gefunden. Sie besteht mehr oder weniger aus sechs Brettern, an deren Deckel oder dort befestigte Leisten die Bienen Waben bauen. Diese einfachste Haltungsform ist natürlich nicht für eine wirtschaftliche Honigproduktion geeignet, auch wenn die Honigwaben mit Hilfe von Leisten entnommen werden können. Für die Beobachtung von Bienen am Flugloch und ein paar Gläser Honig reicht es aber allemal.

Auch wenn man sich damit deutlich von der Nutztierhaltung der Imker unterscheidet, müssen auch diese Bienenhalter seuchenrechtliche Bestimmungen beachten und ihre Bienenhaltung anmelden.«

Dieses Buch soll das nötige Wissen vermitteln, dass Ihnen die Bienenhaltung in der Bienenkiste gut gelingt und Sie und Ihre konventionellen Nachbarimker viel Freude daran haben. Schön wäre außerdem, wenn es dazu beiträgt, dass sich Naturfreunde-Bienenhalter und Nebenerwerbsimker besser verstehen und respektieren.

Der Bien

Das Bienenvolk wird traditionell auch »der Bien« genannt. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das Bienenvolk als Ganzes einen Organismus darstellt. Die Einzelbiene kann alleine nicht überleben. Erst im Zusammenspiel von Königin, Zehntausenden Arbeiterinnen und Tausenden Drohnen entwickelt das Bienenvolk seine faszinierenden Eigenschaften, die in manchen Punkten sogar mit denen von Säugetieren vergleichbar sind: Beide haben eine sehr niedrige Vermehrungsrate, sind relativ unabhängig von den Umweltbedingungen, halten die Körpertemperatur bei etwa 36 Grad Celsius und ernähren ihre Nachkommen mit selbst erzeugter Muttermilch – bei den Bienen ist es streng genommen »Schwesternmilch«, ein Futtersaft, den die Ammenbienen in speziellen Drüsen erzeugen. Wenn wir in diesem Bild bleiben, können die Arbeitsbienen mit den Körperzellen eines Säugetiers verglichen werden, wobei die Waben dem Knochenbau entsprechen.

In der Bienenkiste versuchen wir dieser Tatsache Rechnung zu tragen und betrachten das Bienenvolk stets als einen Organismus. In der konventionellen Bienenhaltung hat es sich dagegen durchgesetzt, den Bien als eine Art Baukasten zu betrachten, dessen einzelne Teile (Waben, Königin, Arbeiterinnen aus verschiedenen Völkern usw.) frei kombiniert werden können, um ein möglichst gutes Betriebsergebnis zu erzielen.

Ein Bienenvolk kann theoretisch ewig leben. Die Einzelbienen werden – wie Körperzellen – ständig erneuert. Auch altes Wabenwerk können die Bienen selbst erneuern, wenn es durch häufiges Bebrüten zu eng geworden ist. Sie nagen dann das Wachs dieser Waben ab und bauen sie neu auf. Es gibt also keinen regulären Alterstod des Biens. Wenn ein Bienenvolk stirbt, dann durch ungünstige Umweltbedingungen oder Krankheiten.

Außer in wenigen Monaten im Winter findet eine permanente Erneuerung der Arbeitsbienenpopulation statt. Die Sommerbienen leben im Schnitt nur etwa vier Wochen. Die Königin legt beständig neue Eier, aus denen neue Bienen heranwachsen. Im Frühjahr legt sie mehr Eier, als Bienen sterben, und das Volk wächst auf über 40 000 Individuen heran. Nach der Sommersonnenwende legt sie weniger Eier, als Bienen sterben, und das Volk schrumpft auf rund 10 000 Bienen. Ab Ende November wird gar keine neue Brut mehr gepflegt. Die letzten Bienen, die heranwachsen, sind die langlebigen Winterbienen, die den gesamten Winter überdauern können.

Die Königin, auch Weisel genannt, lebt bis zu fünf Jahre und ist neben dem Wabenwerk der Faktor, der einem Bienenvolk über Jahre hinweg Kontinuität verleiht. Wir können außerdem davon ausgehen, dass auch eine Art erworbenes »Wissen« im Bienenvolk über Generationen weitergeben wird.

Männliche Bienen, die Drohnen, gibt es nur während der Fortpflanzungsphase ab etwa Ende April. Nach der Sommersonnenwende Ende Juni werden sie nicht mehr länger im Bienenvolk geduldet und von den Arbeiterinnen aus dem Stock verdrängt. Außerhalb des Stocks können die Drohnen nicht überleben und müssen sterben.

Vor dem Entwicklungshöhepunkt im Juni will sich das Bienenvolk durch Teilung vermehren. Die Bienen bauen zapfenförmige, nach unten weisende Weiselzellen, in denen zukünftige Königinnen heranwachsen. Bevor die erste Prinzessin schlüpft, verlässt etwa die Hälfte der Bienen mit der alten Königin den Bienenstock und sucht sich eine neue Nisthöhle. Man bezeichnet diesen Vorgang als »Schwärmen«. Im Restvolk schlüpft eine neue Königin, die zuerst ihren Hochzeitsflug unternehmen muss, um außerhalb des Stocks an sogenannten »Drohnensammelplätzen« in der Luft von mehreren Drohnen begattet zu werden. Sie bewahrt das Sperma während ihrer gesamten Lebensdauer in einer Samenblase auf und kann selbst steuern, ob das Ei befruchtet oder unbefruchtet ist. Aus den befruchteten Eiern entstehen Arbeiterinnen und Königinnen und aus den unbefruchteten Eiern Drohnen.

Entwicklung im Jahreslauf