Die Braut von Louisiana (Gesamtausgabe) - August Schrader - E-Book

Die Braut von Louisiana (Gesamtausgabe) E-Book

August Schrader

0,0

Beschreibung

*Osterangebot: Nur 0,99 EUR statt 3,99 EUR!!! - Zu diesem Roman ist eine kostenlose XXL-Leseprobe erhältlich! - „Die Sonne Louisianas erzeugt wunderbare Pflanzen und Blumen, die das nordische Licht nicht kennt – sie regt aber auch Gefühle im Herzen an, die noch wunderbarer als Pflanzen und Blumen sind, denn sie scheinen dem Himmel und nicht der Erde entsprossen.“ Louisiana, 1836. Aufs Schönste geschmückt, steht Jenny Makensie in ihrem Hochzeitskleid vor dem Spiegel und wartet auf die Ankunft ihres Bräutigams. Doch es ist weder Glück, das sich in den Zügen der Braut abzeichnet, noch Vorfreude auf den schönsten Tag im Leben einer jungen Frau. Hin- und hergerissen von ihren Gefühlen sieht die junge Plantagenbesitzerin der bevorstehenden Hochzeit entgegen, voller Zweifel, ob der Bräutigam, den ihr verstorbener Vater testamentarisch für sie bestimmt hat, der Richtige ist. Noch ahnt sie nicht, dass die dunklen Wolken, die ihre Hochzeit überschatten, nur die Vorboten eines viel größeren Unheils sind, das ihr Dasein auf Erden schon im nächsten Moment in einen wahren Albtraum verwandeln wird … Woher soll nun noch Rettung kommen, arme Jenny? Wo ist der Mann, der dich so sehr liebt, dass er es mit der ganzen Welt aufnimmt, nur um wieder ein Lächeln auf deinem Gesicht erstrahlen zu sehen? August Schrader, einer der beliebtesten deutschen Unterhaltungsschriftsteller der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, führt uns in diesem Roman über den großen Teich nach Louisiana, ins alte New Orleans und auf Plantagen, deren Bewirtschaftung ohne Sklavenarbeit noch undenkbar war. Wir begegnen eitlem Dandytum und gefühlloser Rohheit, aber auch unverbrüchlicher Freundschaft und selbstloser Liebe, die nicht fordert und gerade deshalb reich belohnt wird. Die Gesamtausgabe des Romans „Die Braut von Louisiana“ beinhaltet die drei Bände: „Der Pflanzer“, „Der Hochzeitstag“ und „Die Sklavin“. Sämtliche Teile wurden aufwendig überarbeitet und sprachlich modernisiert. „In Dumas’scher Manier schrieb sensationell, hochromantisch, auf Effekt und Nervenkitzel rechnend, der talentvolle und fruchtbare Romanschriftsteller August Schrader, eigentlich Simmel – geboren 01. Oktober 1815 zu Wegeleben bei Halberstadt und gestorben 16. Juni 1878 in Leipzig.“ (Dr. Adolph Kohut in: „Berühmte israelitische Männer und Frauen in der Kulturgeschichte der Menschheit, Bd. 2“)

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 527

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



DIE BRAUT VON

LOUISIANA

Modernisierte Neufassung

des dreiteiligen Romans

von

August Schrader

Gesamtausgabe

Quality Books

2021

Quality Books

Klassiker in neuem Glanz

 

Erstausgabe:

Die Braut von Louisiana

Erster Theil: Der Pflanzer, Zweiter Theil: Der Hochzeitstag & Dritter Theil: Die Sclavin

August Schrader

Druck: 1850, Leipzig, Verlag von Christian Ernst Kollmann

 

Neufassung: Marcus Galle

Umschlaggestaltung: Maisa Galle

 

© 2019 by Quality Books, Hameln

2., verbesserte Auflage: September 2021

 

ISBN 978-3-946469-26-1

 

E-Mail: [email protected]

 

Für die vollständige Anschrift klicken Sie bitte auf den nachfolgenden Link:

Anschrift

 

Dieses E-Book, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Zustimmung des Herausgebers nicht vervielfältigt, wiederverkauft oder weitergegeben werden.

Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

 

Die Braut von Louisiana

Ein Südstaaten-Roman in drei Teilen

 

Der Pflanzer

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

 

Der Hochzeitstag

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

 

Die Sklavin

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

 

In eigener Sache

Impressum (Anschrift)

DIE BRAUT VON

LOUISIANA

_________________________

 

Ein Südstaaten-Roman

in drei Teilen

DER PFLANZER

1.

In einer der Hauptstraßen von New Orleans, und zwar in dem neuen Stadtteil, der an seinem westlichen Ende von dem flachen Ufer des Mississippi begrenzt wird, erhob sich im Jahre 1836 ein Haus, das durch die Regelmäßigkeit seiner Bauart, vorzüglich aber durch seine Eleganz, vor allen andern nicht unansehnlichen Häusern der Straße auffiel. Es bestand aus vier hohen Stockwerken, von denen jedes eine lange Reihe glänzender Fenster zeigte, die am Tage durch hellgrüne Marquisen vor dem Eindringen der Sonnenstrahlen geschützt wurden und nur mit dem Verschwinden der glühenden Sonne diese aus baumwollenem Stoff gefertigten künstlichen Augenlider öffneten, um der kühlen Nachtluft freien Eingang zu gestatten. In der Mitte jedes einzelnen Stockwerkes trat ein geräumiger Balkon heraus, unter dessen breitem Baldachin grünende Gesträuche und großblättrige Pflanzen in zierlichen Kübeln einen duftenden Park bildeten, zu dem man aus dem Innern durch eine hohe Glastür gelangte, deren Scheiben fast in alle Farben spielten. Wie die Vorderseite, die zur Straße hinausging, war auch die Hinterfassade ausgestaltet, die die Aussicht über den Fluss gewährte, sodass man in der weiten Ebene seinen glänzenden Streifen so lange mit den Blicken verfolgen konnte, bis ihn die Umrisse eines Waldes, der sich in einer Entfernung von fünf bis sechs englischen Meilen zeigte, verdeckten.

In einem kleinen, aber reizenden Boudoir des ersten Stocks dieses Hauses lag auf einem schwellenden Sofa aus himmelblauer Seide ein junges Mädchen nachlässig ausgestreckt. Es war noch im Morgennegligé, denn es trug einen langen weißen Mantel aus indischem Mousseline, dessen Kanten mit einer Girlande sorgfältig gestickter Blumen geziert waren, und das schwarze, glänzende Haar, das in zahlreichen Knoten einen Kranz um das liebliche Köpfchen bildete, bedurfte noch der geschickten Hand eines Friseurs oder einer Kammerfrau, um sich in wohlgeformten Locken ergießen zu können.

Man brauchte nur einen Blick auf die Gestalt des jungen Mädchens zu werfen, um die richtige Ansicht zu gewinnen, dass es zwanzig, höchstens einundzwanzig Frühlinge erlebt hatte, denn außer der Eleganz und Zartheit ihres Wuchses, außer dem matten weißen Glanz der feinen Haut im Antlitz und auf den kleinen runden Händchen, trug die ganze Erscheinung jenes Gepräge, das die Natur dem ersten Lebensalter aufdrückt, das heißt: Frische und Anmut. Um allen Ansprüchen an eine vollkommene, regelmäßige Schönheit zu genügen, waren ihre schwarzen, feurigen Augen vielleicht ein wenig zu groß, die Nase zu klein, die schwellenden Lippen zu rot und ihr Teint ein wenig zu transparent; dieser Mangel aber, wenn wir ihn so nennen wollen, wurde durch eine schalkhafte Anmut und Lebendigkeit in Zügen und Bewegung dergestalt verdeckt, dass alles im reinsten Ebenmaß erschien, und wenn ein verborgener Beobachter das ruhende Mädchen nur zehn Minuten aufmerksam ins Auge gefasst hätte, so würde er gesehen haben, wie das liebliche Gesicht, von den wechselnden Gedanken beseelt, bald von Traurigkeit oder Freude, bald von Mitleid oder Scherz, bald von Liebe oder Verachtung widerstrahlte, und er hätte gewiss die Ansicht geteilt: Es darf nichts geändert werden, um der Harmonie des Ganzen nicht zu schaden.

Aber völlig ausgeschlossen von der Harmonie der übrigen Körperteile schienen die beiden mit seidenen Strümpfen und weißen Atlasschuhen bekleideten Füße des jungen Mädchens zu sein, von denen der eine auf einer rotsamtenen Fußbank, der andere auf der Ecke des Sofas ruhte. Zwar konnte man sie nur bis zur Hälfte sehen, da der weiße Morgenmantel alles Übrige neidisch bedeckte, aber schon der sichtbare Teil genügte, um bewundernd auszurufen: Diese zarten, elastischen Füßchen müssen einem Kind von zehn Jahren gehören! Wie ist es möglich, dass ein ausgebildeter Körper sich auf diesen zarten Gliedern bewegen kann! – Und dennoch wurden sie mehr bewegt als viele andere Damenfüßchen, sie führten sogar künstlerische Bewegungen aus, die Staunen und Bewunderung erregten, denn ihre reizende Besitzerin war Miss Arabella, eine der ersten englischen Tänzerinnen.

Neben dem Sofa, und zwar an der Seite, wo die Tänzerin mit dem Kopf ruhte, lag auf einem braunen wollenen Teppich eine schneeweiße, langhaarige Ziege, deren zarter Gliederbau mit dem des Mädchens zu wetteifern schien. Die beiden Vorderfüße hatte sie parallel mit der Länge des Sofas ausgestreckt, den Kopf mit seinen hellen, listigen Augen hielt sie so hoch empor, wie es der schlanke Hals, der mit einem hellroten Halsband geschmückt war, erlaubte. Der volle weiße Arm der Fußkünstlerin, der von dem weiten Ärmel des Mantels nur halb bedeckt wurde, hielt nachlässig den Kopf des Tieres umschlungen und die runde Hand mit ihren Grübchen spielte in langsamen Bewegungen mit dem glänzenden Bart des Tieres, das so ruhig dalag, als ob es ein besonderes Vergnügen an dieser Unterhaltung fände.

Das Boudoir, obgleich mit Eleganz und Luxus ausgestattet, trug dennoch das Gepräge des echt englischen Geschmacks dieser Zeit: Es war ein kleines, hohes Gemach, dessen blauseidene Tapeten auf Feldern von korinthischen Säulen mit vergoldeten Kapitälern umschlossen, große Quadrate zeigten, in denen eine Menge Amoretten, mit Bogen und Pfeil bewaffnet, stürmische Angriffe auf fliehende Frauengestalten ausführten und sie vor umgestürzten Hymen-Altären schonungslos mordeten. – Außerdem hatte dieses Gemach vier Türen, von denen zwei, der Symmetrie wegen, nur gemalte waren; die dritte war die Eingangstür von dem Korridor und die vierte führte in den Salon, dessen Balkon zur Straße hinausging. Die Verzierungen des Kamins waren im gleichen Stil gehalten; die große, runde Uhr über demselben wurde von vier mageren Liebesgöttern getragen, die unter ihrer Last tief zu seufzen schienen; die Kandelaber bildeten sich ebenfalls aus einer Gruppe Liebesgöttern, deren vier Fackeln einen vierarmigen Leuchter darstellten.

Wie wir bereits gesagt haben, lag die Göttin, die diesen Tempel beherrschte, nachlässig auf dem Sofa und spielte, wie es schien, nicht gedankenlos, mit ihrer Freundin, der weißen Ziege. Man wird sich wundern über diesen sonderbaren Geschmack in der Wahl einer Freundin; er ist aber denen erklärlich, die das Ballett Esmeralda einmal gesehen haben, denn nächst der Tänzerin, die die Person der Esmeralda darstellt, spielt eine Ziege darin die Hauptrolle. Diese Ziege nun, die neben dem Sofa auf weichem Teppich ruht, leistete in dem genannten Ballett Unglaubliches: Sie half die glänzenden Siege ihrer Gebieterin auf der Bühne erringen, teilte die Anstrengungen der Kunstreisen und Kunstvorstellungen – es war demnach sehr natürlich, dass die zweifüßige Künstlerin mit der vierfüßigen Gewinn und Ruhm teilte. Den Gewinn genoss die Letztere durch Bequemlichkeit in kostbaren Zimmern, den Ruhm aber teilte sie durch das Verschlingen der Blumensträuße und Lorbeerkränze, die man der Tanzvirtuosin nach beendeter Vorstellung jauchzend auf die Bühne warf.

Djali, so hieß die seltene Ziege, hatte sich seit einiger Zeit einer besonderen Pflege und Freundschaft zu erfreuen gehabt, denn sie hatte sich durch den unmäßigen Genuss von Lorbeerkränzen, die man dem Künstlerpaar bei der letzten Vorstellung in London auf echt englische Manier im ungeheuersten Überschwang gespendet hatte, eine schwere Krankheit zugezogen gehabt, von der sie durch die Kunst der geschicktesten Ärzte erst seit Kurzem wieder genesen war. Seit dieser Zeit hing das Tier mit doppelter Ergebenheit an seiner Gebieterin und diese mit doppelter Freundschaft und Liebe an ihrer vierfüßigen Kunstgenossin. Und konnte man es beiden verargen? Stand nicht Unermessliches auf dem Spiel? Wie konnte die Esmeralda in New Orleans erscheinen, wenn die Ziege gestorben wäre? – Dieser fürchterliche Gedanke schien Arabella in dem Augenblick die Brust zu beengen und ihren sonst so heiteren Sinn in schwarze Fesseln zu schlagen, als sich die Tür öffnete und Sally, das Kammermädchen, eintrat.

»Wie«, rief die Tänzerin mit einem reizenden Anflug schlechten Humors, »störst du mich schon wieder? Ich hatte dir doch gesagt, dass ich allein sein will, um die Szenen des Balletts, in dem ich hier morgen zum ersten Mal aufzutreten gedenke, in aller Stille durchgehen zu können. Wie oft soll ich dir wiederholen, dass bei meinem Tanz nicht nur die Füße tätig sind, sondern auch der Geist, der allen Bewegungen des Körpers den charakteristischen Ausdruck verleihen muss! Wie kann ich auf neue Nuancen sinnen, wenn du mich jeden Augenblick störst? Wie kann ich die alten ordentlich ausführen, wenn ich mich nicht darauf vorbereite? Hat meine erste Rolle, von der die Fortsetzung der übrigen abhängt, nicht den gewünschten Erfolg, so trägst du die Schuld – hörst du, Sally, du, nur du ganz allein!«

Das Kammermädchen verstand nur zu gut, dass in diesem Verweis zugleich die Billigung lag, ihn verdient zu haben, denn Arabella hatte ihn in einem Ton gesprochen, der keine Zweifel darüber zuließ. Mit jenem vertraulichen Ausdruck in Sprache und Gebärden, der den Zofen berühmter Künstlerinnen eigen zu sein pflegt, antwortete das niedliche, einfach, aber höchst elegant gekleidete Kammermädchen:

»Miss, nur mit klopfendem Herzen unternahm ich diese Störung – aber wenn Sie wüssten, was mich dazu veranlasste, würden Sie mir wahrhaftig nicht zürnen.«

»Nun, so rede schnell«, sagte Arabella, indem sie beide Füßchen mechanisch zur Erde gleiten ließ und den Kopf mit unwilliger, aber neugieriger Miene in das Rückenkissen des Sofas warf. »Was veranlasste dich, mein Verbot zu überschreiten?«

»Ein schöner junger Mann«, antwortete die Zofe. »Er verlangt mit einer solchen Beharrlichkeit und in einem so dringenden, bittenden Ton, Sie zu sprechen, dass ich vergebens auf ein Mittel sann, ihn abzuweisen.«

Arabellas Arm ließ den Hals der Ziege fahren, die fast ebenso neugierig und überrascht die Zofe ansah wie ihre Herrin. Es war, als ob das Tier die Ankündigung, inhaltschwer für eine Bühnenkünstlerin, verstanden hätte.

»Und wie nennt sich dein schöner junger Mann?«

»Er nannte den Namen Arthur.«

»Arthur?«, wiederholte die Tänzerin, indem sie die beiden Silben des Wortes langsam und gedehnt nachsprach. »Arthur ist kein vollständiger Name.«

»Kein vollständiger Name?«, antwortete Sally in komischem Erstaunen. »O ja, Miss Arabella, er ist ein vollständiger und dabei ein sehr schöner Name – er klingt so ritterlich, romantisch –, schon dieser Name könnte mich für einen Mann einnehmen!«

»Ha, ha, ha!«, lachte die Tänzerin mit ihrer kindlichen Stimme, »soll ich etwa deinen Geschmack und deine Sympathien teilen? Fast glaube ich, du willst mich zugunsten des jungen Amerikaners stimmen! Gut, versuche es, mir ein Bild von deinem Protegé zu entwerfen.«

»Nun, so hören Sie mich an: Mister Arthur ist ein schöner junger Mann von schlanker, edler Gestalt; er hat schwarze Haare, schwarze Augen, einen schwarzen, vollen Backenbart, der wie ein Kranz das interessante gebräunte Gesicht umgibt, einen schönen Schnurrbart von derselben Farbe und vortreffliche weiße Zähne, die wie glänzende Perlen durch die Schwärze des Bartes leuchten. Seine Hände waren zwar mit gelben Handschuhen bekleidet, aber ich konnte doch bemerken, dass sie klein und schön waren.«

»So!«, sagte Arabella ein wenig pikiert. »Und woran hast du dies bemerkt?«

»Weil die rechte Hand kaum die niedliche Reitgerte umspannen konnte, die sie hielt. Außerdem trug er weiße, eng anliegende kurze Hosen, einen grünen Frack mit Goldknöpfen und an den halblangen glänzenden Stiefeln ein Paar schwere silberne Sporen, die bei jeder Bewegung der kleinen Füße hell erklirrten.«

»Arthur, schwarzes Haar, einen schwarzen, vollen Bart, schlanke Gestalt, schwarzes Auge«, sagte die Tänzerin vor sich hin, als ob sie in ihrem Gedächtnis nach einem Bekannten suchte, auf den diese Beschreibung passte. Sinnend blickte sie mit ihren großen, lebendigen Augen einen Moment an die Decke des Zimmers, dann wandte sie sich plötzlich wieder zu der Zofe: »Sally, du stehst seit einem Jahr in meinem Dienst – entsinnst du dich, dass dir dieser schöne, junge Mann je unter die Augen gekommen ist?«

»Nie!«, antwortete Sally, indem sie bekräftigend die rechte Hand auf ihre Brust legte.

»Wahrhaftig?«

»Bei der Ehre, die mir zuteilwurde, als ich in Ihre Dienste trat!«

»Hast du ihn je in London gesehen?«

»Nein!«

»In Paris?«

»Nein!«

»In New York?«

»Nein!«

»Wofür hältst du ihn?«

»Er spricht ein gutes Englisch.«

»Etwas Gewöhnliches in Amerika. Meine beste Sally, sage dem jungen Herrn, dass ich nicht zu Hause sei.«

»Wie, Miss Arabella, ich soll ihn abweisen?«, wandte die Zofe ein.

»Geh!«, befahl die Tänzerin, indem sie sich rasch erhob und mit einem Sprung in der Mitte des Zimmers stand. Djali führte fast im selben Moment dieselbe Bewegung aus.

Arabella hatte das letzte Wort in einem so entscheidenden Ton gesprochen, dass Sally, die noch Lust hatte, die Sache des fremden jungen Mannes weiter fortzuführen, sich veranlasst fühlte, das Zimmer zu verlassen und den ihr zugefallenen unangenehmen Auftrag auszuführen. Als die Tür sich geschlossen hatte, erhob die Tänzerin beide Hände, stellte sich so auf die Fußspitzen, dass ihr ganzer Körper vom Kopf bis zu den Zehen eine senkrechte Linie bildete, wodurch sich ihre Länge fast um ein Drittel vermehrte, und schnalzte, indem sie sich langsam wie eine im Boden angebrachte Welle drehte, mit ihren kleinen, zarten Fingern. Djali, die weiße Ziege, verließ mit den Vorderfüßen den Boden, stellte sich ebenfalls schnurgerade auf ihre Hinterfüße und begann, indem sie trippelnd der kreisenden Bewegung folgte, die linke emporgehobene Hand ihrer Gebieterin nicht ohne Grazie zu lecken. Nachdem dieses Spiel wohl eine halbe Minute gewährt hatte, wurde Arabella plötzlich wieder so klein wie zuvor; sie trat auf die Fußsohlen zurück. Jetzt aber beugte sie sich mit einer nur den Tänzerinnen ersten Ranges eigenen Grazie und Elastizität nach vorn, wobei sie auf dem rechten Fuß stand und den linken mit künstlerischer Vollendung emporhob, schloss mit beiden Händen, die sich mit den Fingerspitzen berührten, einen Kreis und rief mit fast kindischer Freude: »Djali!«

Djali nahm einen kurzen Anlauf und sprang mit weit ausgestreckten Füßen, wie ein englischer Wettrenner, durch den Kreis, den die Hände der Gebieterin bildeten. Brava, brava!«, rief Arabella entzückt über den meisterhaft ausgeführten Sprung, eilte zum Tisch, ergriff ein großes Stück Zuckerbrot, setzte sich aufs Sofa und begann das Brot in kleinen Stücken der Ziege zu füttern, die sich gemächlich wieder auf ihren Teppich gelegt hatte. Jeden Bissen begleitete eine Liebkosung, die Arabella mit so süßer Stimme sprach wie eine zärtliche Mutter zu ihrem kleinen Kind.

Doch kaum hatte Djali die Hälfte ihres errungenen Lohnes genossen, als die Tür sich öffnete und das Kammermädchen wieder erschien.

»Nun, Sally, bist du denn schon wieder da«, rief Arabella in einem Ton, der ernst und streng sein sollte, aber deutlich die verfehlte Absicht verriet.

»Leider bin ich wieder da«, antwortete die Zofe mit einer erkünstelten Traurigkeit; »aber verzeihen Sie meine Kühnheit, ich kann nicht anders. Mister Arthur will sich nicht entfernen.«

»Wie, der Fremde will nicht gehen?«

»Nein. Er sagte, er wisse nur zu gut, dass es nicht Ihre Gewohnheit wäre, am frühen Morgen auszugehen.«

»Allerdings, ich pflege aber am Morgen nur meine Freunde zu empfangen!«

»Auch das muss er wissen«, antwortete Sally, »denn er sagte, er sei einer Ihrer besten Freunde und wärmsten Verehrer.«

»Wie, einer meiner Freunde und Verehrer? Das ist nicht möglich, denn ich habe ja kaum den Fuß an Land gesetzt. Die Sache wird interessant. Sally, du stellst meine Neugierde auf eine harte Probe! Weigerte er sich immer noch, seinen vollständigen Namen zu nennen?«

»Er weigerte sich immer noch«, entgegnete Sally und hielt ihrer Gebieterin ein rotes Maroquinkästchen in Form eines großen Talers entgegen. »›Geben Sie dies der liebenswürdigen Arabella‹, fügte er lächelnd hinzu, ›und sie wird wissen, wer ich bin.‹«

»An Arabella, sagte er?«

»An Arabella, sagte er!«

»Seltsam!«, lispelte die Tänzerin, drückte an dem goldenen Schloss des Kästchens und öffnete mit großer Neugierde dessen Deckel. Sally stand ihr zur Seite und folgte, nicht minder neugierig, der Bewegung der Finger, die das Kästchen erschlossen.

»Himmel«, rief die Zofe plötzlich, »Ihr Porträt! Ach, und wie ähnlich! Sehen Sie, wie der weiße Schleier um Ihre dunklen Locken weht! Reizend, reizend!«

»Mein Porträt«, flüsterte Arabella erstaunt und forschte noch einmal mit sichtlicher Anstrengung in ihrem Gedächtnis, »mein Porträt! Seltsam – wer kann der junge Mann sein?«

»Um dies zu erfahren, werde ich ihn eintreten lassen«, sagte die Zofe mit einem verschmitzten Blick.

»Und hier in New Orleans, in der Neuen Welt!«

»Vielleicht ist er Ihnen nachgereist.«

»Sally!«

»Und eine solche Aufopferung durch Verweigerung eines Besuches zu lohnen …«

»Sally!«, wiederholte die Tänzerin.

»Soll ich?«, fragte die Zofe lächelnd und machte Miene, sich zu entfernen.

»Halt, noch einen Augenblick! Wenn ich bedenke, dass sich derselbe Fall vor einem Jahr in Paris ereignet hat …!«

»Das war in Paris, Miss Arabella, und jetzt sind wir in New Orleans. Bedenken Sie nur die Reise!«

»Nun«, sagte die Tänzerin nach einer Pause, »ich will ihn empfangen.«

Sally ließ sich das nicht zweimal sagen – wie ein Reh schlüpfte sie durch die Tür und verschwand. Arabella rückte einen Sessel neben das Sofa und ließ sich dann auf dem weichen Polster nieder. Sinnend stützte sie das Haupt in die hohle Hand und lauschte. Djali, die noch immer auf dem Teppich lag, sah mit verlangenden Blicken zu ihrer Gebieterin auf, deren spendende Hand sich so plötzlich geschlossen hatte. Unwillig über das schwache oder widerspenstige Gedächtnis, ergriff sie den Rest des Zuckerbrotes und warf ihn auf den Teppich. Djali, die Bequemlichkeit liebte, streckte langsam den einen ihrer Vorderfüße aus und holte das ihr Zugeworfene so nahe heran, dass sie es, ohne ihre Lage zu verändern, gemächlich genießen konnte.

Plötzlich entstand ein Geräusch im Vorzimmer. Arabellas Aufmerksamkeit verdoppelte sich und sie hörte deutlich die harten Schritte eines Mannes, von Sporenklang begleitet. Gleich darauf öffnete sich die Tür und der junge Mann mit den schwarzen Augen, dem schwarzen Bart, den weißen Zähnen, dem grünen Frack und weißen Beinkleidern erschien auf der Schwelle. Wie festgebannt blieb er stehen und sah die erstaunte Bajadere einen Augenblick lächelnd an.

»Arabella!«, rief er endlich. »Hat der Ozean, der Sie von Europa trennt, einen Festungsgraben um Sie gezogen, der mir den Zutritt zu Ihnen verwehrt?«

»Arthur«, rief die Tänzerin überrascht, »Sie in New Orleans? Und wie verändert«, fügte sie hinzu, indem sie ihm die Hand reichte, »nur der Klang Ihrer Stimme ist derselbe geblieben!«

»Nicht nur die Stimme«, entgegnete Arthur und küsste zärtlich die dargereichte weiche Hand, »sondern auch das Herz, in dem bei Ihnen freilich eine kleine Veränderung vorgegangen zu sein scheint.«

Arabella sah den jungen Mann mit einem bedeutungsvollen Blick an, ohne ein Wort zu entgegnen.

»Habe ich recht?«, fragte Arthur, indem er einen zweiten Kuss auf die Hand drückte, die er immer noch in der seinen hielt.

»Wie konnte ich vermuten, Sie in Louisiana anzutreffen? Sie ließen sich unter dem einfachen Namen Arthur melden, und, bei Gott, ich kenne der Arthurs so viele …«

»… dass Sie mich mit allen Arthurs der Erde vermischten«, fiel der junge Mann ihr rasch ins Wort.

»Sally«, wandte sich Arabella rasch zu der Zofe, »ich erwarte zwar keinen Besuch, solange aber Sir Arthur bei mir ist, trage Sorge, dass ich ungestört bleibe.«

Sally entfernte sich, nachdem sie durch eine zierliche Verbeugung ihren Gehorsam bekundet hatte.

Die beiden jungen Leute ließen sich nieder: Arabella auf dem Sofa, Arthur auf dem Sessel.

»Wenn ich mich nun Ihrer nicht mehr erinnerte«, begann die Tänzerin, und die Wolke des zürnenden Ernstes lagerte sich auf ihrer weißen Stirn, »hätten Sie wohl ein Recht, sich darüber zu wundern? Sollen Ihnen meine Briefe, die ich von Paris aus an Sie richtete und stets ungeöffnet zurückerhielt, nicht nur meine Tür, sondern auch meine Arme öffnen, als ob ein getreuer Liebhaber, ein zärtlicher Bräutigam seinen Einzug hielte? Seit mehr als einem Jahr ließen Sie mich ohne Nachricht, verschmähten es, die Zeilen anzunehmen, die meine Hand schrieb, dieselbe Hand, deren Besitz Sie zu dem glücklichsten der Menschen machen würde – so sagten Sie mir wenigstens, wenn Sie zu meinen Füßen lagen.«

»Arabella«, rief der junge Mann mit glühenden Augen, »Sie haben recht, wenn Sie mir zürnen, doch nur so lange, wie Sie den Grund dieser verhängnisvollen Umstände nicht wissen!«

»Den Grund! Habe ich Ihnen den Grund dazu gegeben?«

»O nein!«

»Und was konnte Sie veranlassen, meine Briefe zurückzusenden?«

»O mein Gott«, rief Arthur, »wie bin ich betrogen worden! Hören Sie mich an: Drei Tage nach Ihrer Abreise aus London wurde auch ich zu reisen gezwungen.«

»Und das wussten Sie nicht, als Sie einige Augenblicke zuvor von mir schieden, ehe das Schiff die Anker lichtete, um mich nach Frankreich zu tragen, von wo ich in zwei Monaten zurückzukehren versprochen hatte?«

»Nein, ich wusste es nicht«, versicherte Arthur, »denn zwei Tage später traf erst der Brief ein, der meine plötzliche Reise notwendig machte.«

»Und wohin, wenn ich fragen darf?«

»Nach New Orleans.«

»Mein Herr«, rief Arabella mit Würde, und ihre großen Augen hefteten sich auf den jungen Mann, als ob sie ihn durchbohren wollten, »mein Herr, so viel Zeit wäre Ihnen wohl noch geblieben, mich durch einige Zeilen von Ihrer dringenden Reise in Kenntnis zu setzen; mir wäre der Schmerz über die erlittene Schmach erspart geblieben und Ihnen …«

»Beste Arabella«, unterbrach Arthur die Zürnende, deren zartes Gesicht eine matte Röte übergoss, »ich tat es und gab den an Sie gerichteten Brief meinem besten Freund zur Besorgung. Noch mehr: Selbst von hier aus habe ich ihm Briefe gesandt, die er an Sie befördern sollte, wenn Sie nach London zurückgekehrt sein würden – was ich befürchtete, machen Sie mir jetzt zur Gewissheit: Er hat meine Briefe unterschlagen!«

»Wer ist denn dieser saubere Freund? Kenne ich ihn?«

»Sie kennen ihn – Edward Temple!«

Bei Nennung dieses Namens biss Arabella ihre fein geschweiften Lippen zusammen, als ob ihr plötzlich alles erklärlich wäre.

»Arabella«, rief Arthur, »haben Sie gewusst, dass ich hier bin?«

»Nicht eine Silbe, denn ich bin von Frankreich nach Amerika gegangen.«

»Und was veranlasste Sie dazu? Warum kehrten Sie nicht nach London zurück?«

»Arthur, dieses Bekenntnis mag Ihnen den Beweis liefern, dass ich geneigt bin, Ihnen zu verzeihen: Ich reiste über das Meer, um in einer andern Welt meinen Schmerz über die erlittene Kränkung zu vergessen.«

»Engel, Göttin«, rief der Dandy und sank neben der Ziege zu Arabellas Füßen nieder, »so segne ich den ungetreuen Freund, der dich veranlasst hat, diesen Entschluss zu fassen! O mein Gott«, fuhr er wie berauscht fort und bedeckte beide Hände der Tänzerin mit glühenden Küssen, »wie selig war ich, als ich diesen Morgen eine Einladung zum Abonnement auf Ihre Vorstellungen erhielt – ich kleidete mich an, und mein erster Weg war zu Ihnen!«

»Triumphieren Sie nicht zu früh«, sagte das reizende Mädchen lächelnd, »denn ehe ich den Zweck Ihres Aufenthaltes in New Orleans nicht kenne, weiß ich nicht, ob ich Sie völlig amnestieren kann.«

»O Sie können es, teure Arabella, denn dieser Zweck liegt meiner Liebe zu Ihnen so fern, dass ich ihn unumwunden mitteilen kann.«

»So teilen Sie mit, ich werde hören!«

Arthur erhob sich und nahm seinen Platz wieder ein; dann begann er:

»Meine Geburtsstadt ist Boston, wo mein Vater einem nicht unbedeutenden Handelshaus vorstand. Dort verlebte ich meine Jugend und erhielt auf der Handels- und Navigationsschule dieser Stadt die erste Bildung.«

»So sind Sie kein gebürtiger Engländer?«, fragte Arabella erstaunt.

»Nein, ich bin von Geburt Amerikaner. Doch wahrscheinlich wollte mein Vater einen Engländer aus mir machen, denn als ich achtzehn Jahre alt war, sandte er mich zu seinem Bruder nach London, damit ich die in Boston angefangene Bildung vollenden und mir die Sitten und Gebräuche der großen Weltstadt zu eigen machen sollte. Inwieweit mir dies gelungen ist, überlasse ich Ihrer eigenen Beurteilung, da ich das besondere Glück hatte, länger als ein Jahr von Ihnen gekannt zu sein.«

»Mein Gott«, rief die Tänzerin, »das alles sagen Sie mir erst jetzt? Aus welchem Grund verschwiegen Sie mir in London Ihre Lebensgeschichte, da ich Ihnen doch so offenherzig die meine erzählt habe?«

»Weil ich den Zweck meines Vaters vollkommen erreichen, das heißt, ein vollkommener Engländer werden und als solcher erscheinen wollte. Das Schicksal hatte es aber anders beschlossen, denn zwei Tage nach Ihrer Abreise aus London nach Paris erhielt ich die Trauerkunde, dass mein Vater schwer erkrankt darniederliege, dass er mich noch einmal sehen und segnen wolle und dass ich, um diesen Wunsch zu erfüllen, auf der Stelle abreisen müsse. Ich war der einzige Sohn und liebte meinen Vater. Sie, meine beste Arabella, waren auf zwei Monate verreist, und da mich sonst nichts an London fesselte, beschloss ich, den Wunsch des kranken Vaters zu erfüllen – ich reiste ab. Obgleich wir eine glückliche Fahrt hatten, kam ich leider dennoch zu spät – ich betrat das väterliche Haus in demselben Augenblick, als der Leichenzug meines guten Vaters, den ich schon seit drei Jahren nicht mehr gesehen hatte, von dem Gottesacker zurückkehrte.«

»Mein armer, armer Freund«, seufzte das junge Mädchen und trocknete mit dem weißen Batisttuch eine große, helle Träne, die wie ein Tautropfen in den langen, schwarzen Augenwimpern zitterte.

Arthur ergriff das Tuch, dessen Falten die Träne aufgenommen hatte, drückte seufzend einen Kuss darauf und fuhr fort:

»Nachdem ich dem Schmerz um den Verblichenen die ersten Opfer gebracht hatte, schritt ich zur Eröffnung des Testaments. Der Erblasser forderte darin, dass ich sein Geschäft aufgeben, die darin angelegten Kapitalien zurückziehen und die Leitung einer großen Plantage übernehmen sollte, die sein zweiter Bruder, der zwei Jahre früher verstorben war, hinterlassen hatte. Da die Plantage in der Nähe von New Orleans liegt, habe ich hier meinen Wohnsitz aufgeschlagen, reise wöchentlich einige Tage in die Wälder und Pflanzungen und erfülle auf diese Weise genau den Willen meines Vaters. Sie können wohl ermessen, meine süße Freundin, dass die Auflösung eines alten und die Übernahme eines neuen Geschäftes viel Zeit und Mühe erfordert, zumal wenn man an das materielle Geschäftsleben so wenig gewöhnt ist wie ich – trotzdem aber ist es meiner rastlosen Tätigkeit gelungen, die durch den Tod von zwei tätigen Männern etwas verwirrten Sachen so weit in Ordnung zu bringen, dass ich diesen Sommer noch den sehnlichsten Wunsch, das glühendste Verlangen meines Herzens in Erfüllung bringen kann, das heißt, eine Reise nach London anzutreten. Und jetzt ermessen Sie meinen freudigen Schreck, als ich diesen Morgen erfahre, es bedarf einer Reise nicht, um den Stern meines Lebens zu sehen, es bedarf des langen, martervollen Aufenthalts auf einem Schiff nicht, um in den Himmel zu gelangen, das heißt, an den Ort, den Ihre reizenden Füße betreten – Arabella, ich bin im Himmel, denn ich liege zu Ihren Füßen!«

Arabella beugte sich und drückte einen Kuss auf die Stirn des jungen Mannes, der vor ihr auf den Knien lag und sehnsüchtig mit seinen großen Augen zu ihr aufblickte.

»Arthur«, sagte sie mit einem unbeschreiblichen Lächeln, »ich glaube Ihnen; mag alles, was geschehen ist, vergessen sein! Doch eine Erklärung fordere ich von Ihnen – eine offene, wahre Erklärung.«

»Was fordern Sie, Arabella? Jede Falte meines Herzens will ich glätten, dass es klar wie der Spiegel des ruhigen Meeres vor Ihnen liegen soll!«

»Arthur«, lispelte das junge Mädchen, »erinnern Sie sich noch Ihrer Versprechungen, Ihrer Schwüre?«

»Ich erinnere mich ihrer nicht nur, ich bin sogar bereit, sie zu wiederholen!«

»Dessen bedarf es nicht, Ihr offenes Auge bekundet die Wahrheit. Nicht wahr, mein lieber Freund, ich darf dem Auge noch trauen, das mir stets so klar entgegenleuchtete?«

»Mädchen«, rief der junge Mann, indem er sich rasch erhob, »welcher Dämon hat den Argwohn in dir angefacht, dass ich je …«

»O still, mein lieber, lieber Freund«, sagte Arabella in einem bittenden Ton, verließ ihren Platz, legte den blendend weißen Arm auf Arthurs Schulter und ihr glühendes Köpfchen an seine Brust, »o still, nicht um dich zu kränken, sage ich diese Worte, sondern um mich ganz des Glückes erfreuen zu können, das mir dein Wiedersehen bereitet.«

Die Wangen des jungen Mannes hatten sich ein wenig gerötet, und in seinem Blick malte sich eine leise Befangenheit ab. Beides bemerkte Arabella, sie schrieb es aber dem Eindruck zu, den ihr geäußertes Misstrauen hervorgebracht hatte. Lächelnd blickte sie ihn an und drückte dabei mit herzlicher Innigkeit seine Hand.

»Arabella«, sagte Arthur, »sollte derselbe treulose Freund, der meine Briefe so schändlich unterschlug, seine Verwerflichkeit so weit getrieben haben, dass er auch den Samen des Argwohns in dein kindliches Herz gesät hat?«

»O nein, seit meinem Weggang aus London, seit unserer Trennung habe ich weder etwas von ihm gehört noch gesehen.«

»Und sollte der angegebene Grund der einzige sein …?«

»Du sprachst von einem Testament, mein Arthur – es ist nichts Ungewöhnliches, dass der letzte Wille eines sterbenden Vaters auch dem Herzen des Sohnes den Gegenstand bezeichnet, den es lieben soll – sieh, dieser Gedanke war es, der mich zu jener Frage veranlasste, die ich wünschte, nicht an dich gerichtet zu haben.«

Die Tänzerin war in diesem Augenblick zu sehr Liebhaberin, als dass sie die Wolke bemerken konnte, die ihre besänftigenden Worte von der Stirn des jungen Plantagenverwalters verscheuchte. Sein Ernst verwandelte sich plötzlich wieder in ein unbefangenes Lächeln, und seine Stimme nahm wieder die Herzlichkeit an, die für einen Augenblick verschwunden gewesen war.

»Nein, meine Arabella«, rief er, »der letzte Wille meines Vaters war nur darauf bedacht, dem einzigen Sohn die Mittel an die Hand zu geben und zu sichern, die seine Zukunft nicht nur vor Sorgen schützen, sondern sogar glänzend gestalten sollen. Meinem Herzen hat er kein Vermächtnis hinterlassen; ich darf darüber verfügen, und«, flüsterte er zärtlich, »habe darüber verfügt, denn ich habe es einem Engel geschenkt, der …«

»Nun, der?«, fragte die Tänzerin mit einem schelmischen Lächeln.

»… der es mir gestohlen hätte, wenn ich so geizig gewesen wäre, es behalten zu wollen!«

»Arthur!«

»Arabella!«

Eine lange, innige Umarmung folgte dem Ausruf dieser beiden Namen.

Der junge Mann erwachte zuerst aus seinem Liebesrausch, aber nicht etwa, weil er sich selbst ermunterte, sondern weil er auf seinem Rücken so unsanft berührt wurde, dass er erwachen musste. Djali, die weiße Ziege mit dem roten Halsband, die der Szene bis jetzt ruhig zugesehen hatte, hatte plötzlich ihren Teppich verlassen und war – in welcher Absicht, können wir nicht sagen – dem glühenden Liebhaber mit beiden Vorderfüßen über den grünen Rücken gefahren, dass er sehr unsanft an die Erde erinnert wurde.

»Sieh doch, Arthur, auch Djali, das treue Tier, will dich umarmen«, rief Arabella jauchzend, ergriff die beiden Füße der Freundin und führte sie dem Freund entgegen. Dieser streichelte sanft das glänzende Haar und ergoss sich in Lobeserhebungen über die Klugheit und Schönheit des seltenen Tieres.

»In der Tat ist es klug«, sagte die Bajadere mit einem Seufzer, »denn es sah mich oft so mitleidig an, wenn ich unter Tränen an den flüchtigen Geliebten dachte, als ob es meinen Schmerz verstände und ihn teilen wollte. Doch nun sollst du auch sehen, welche Fortschritte es in seiner Kunst gemacht hat.«

Die Tänzerin wollte eben ihre Studien wieder beginnen, als Sally, die Zofe, eintrat.

»Miss«, sagte sie, »ich muss wider meinen Willen stören.«

»Was gibt es?«, fragte die Gebieterin unwillig.

»Der Wagen, der Sie zur Ballettprobe abholen soll, wartet bereits seit einer Stunde. Soeben kam der Direktor des Theaters, um sich persönlich nach dem Grund der unerwarteten Verzögerung zu erkundigen. Der gute Mann ist in tausend Ängsten – er glaubt, Sie seien krank geworden.«

»Ach, mein Gott«, rief Arabella, »ich habe die Probe vergessen! Wie spät ist es?«

»Zwölf Uhr, um elf Uhr sollte die Probe beginnen.«

»Sir Arthur«, wandte sich die Tänzerin zeremoniell zu dem Dandy, »die Pflicht ruft – wann sehe ich Sie wieder?«

»Hier ist meine Adresse«, wandte er sich zu Sally und gab ihr eine Karte. »Sie, reizende Arabella, haben über Ihren Diener zu bestimmen!«

»Sally«, befahl das junge Mädchen, »führe den Herrn Direktor in den Saal, dann komm zurück, um mir beim Ankleiden zu helfen.«

Als die Zofe sich entfernt hatte, nahm Arthur durch einen zarten Kuss Abschied von der Königin seines Herzens.

»Wann darf ich wiederkommen?«, fragte er.

»Sobald das Herz Ihnen die Aufforderung dazu diktiert«, war die Antwort, von einer Verbeugung begleitet.

»Diesen Abend?«

»Diesen Abend!«

Kaum war Arthur verschwunden, als Sally wieder eintrat, um die Toilette ihrer Herrin zu vollenden.

»Trage ich noch immer die Schuld«, fragte die listige Zofe, indem sie die schwarzen Haare Arabellas zu Locken formte, »dass die Vorstudien zu dem Ballett unterblieben sind?«

»Von dieser Schuld entbinde ich dich«, sagte die Tänzerin lächelnd; »doch eine Verantwortung hast du zu übernehmen.«

»Und welche?«

»Die gegen den Theaterdirektor.«

»Ich habe sie bereits übernommen.«

»Was hast du ihm gesagt?«

»Lassen Sie sich die Entschuldigung von dem Herrn Direktor selbst wiederholen. Ihr Kopfputz ist fertig!«

Während Arabella einen großen, kostbaren Schal um ihre Schultern warf und vor dem Spiegel einen gelben Hut mit einer weißen, wallenden Feder auf die Locken setzte, knüpfte Sally eine seidene Leine in das Halsband der Ziege. Nachdem die Herrin, deren Gesicht durch die Fülle der Locken einen neuen Reiz erhalten hatte, den letzten Blick in den Spiegel geworfen hatte, gab die Zofe ihr die Leine in die Hand. Dann öffnete sie die Tür des Saales, und Arabella, die Ziege führend, trat zu dem ungeduldig harrenden Direktor ein.

»O mein Gott, was muss ich hören!«, rief der Mann mit gekrümmtem Rücken und einem devoten, schmerzlichen Lächeln, »Ihre arme, allerliebste Ziege hat einen apoplektischen Anfall gehabt?«

Arabella gedachte der Entschuldigung ihrer Zofe.

»Der Anfall ist vorüber«, sagte sie lächelnd, »und die Probe kann beginnen.«

»Gott sei Dank«, rief der Bühnenlenker und küsste die Hand der Dame, »Gott sei Dank, dass er keine Folgen hatte! Darf ich um Ihren Arm bitten?«

Nach zwei Minuten öffnete ein Diener den Schlag des Wagens, der vor der Eingangstür des Hauses wartete. Die Tänzerin stieg zuerst ein, dann hob der Bühnenlenker die Ziege empor und setzte sie behutsam an die Seite ihrer Herrin – er selbst nahm dem Künstlerpaar gegenüber seinen Platz ein.

Der Wagen rollte an. Nach einer Viertelstunde begann die Ballettprobe.

2.

Am rechten Ufer des Mississippi, und zwar fünf bis sechs englische Meilen von der Hauptstadt Louisianas entfernt, zieht sich ein hoher, majestätischer Wald nach dem Westen des Landes hin, dessen Umrisse man, wie wir bereits berichtet haben, von Arabellas Boudoir aus deutlich erkennen kann. Der mit Schlingkraut und großen, breiten Blättern bewachsene Boden, in der Nähe des Flusses sumpfig und ein Aufenthalt für Schlangen und Gewürm aller Art, wird in geringer Entfernung von dem flachen Ufer mit jedem Schritt fester und trockener, das Gestrüpp verwandelt sich nach und nach in dichtes Unterholz, dessen Blätterdach den glühenden Sonnenstrahlen ein Ziel setzt und sie ihrer erschöpfenden Kraft beraubt, und die schlanken Zedern und Myrthenbäume, von dem schimmernden Jasmin wie von Girlanden umrankt, erscheinen in einem dunklen, goldfarbenen Licht, als ob die Abendröte sie mit einem milden Schein umfinge. Statt der wilden Schlingpflanzen beherrschen Blumen von mannigfacher Gestalt und Farbe, würzigen Duft verbreitend, den grünen Boden, während die majestätische Palme und die üppige Magnolie Königen gleich gebietend und majestätisch über den Wald emporragen.

In dieser Gegend des Waldes, wo die üppigste Vegetation alle Naturreize Louisianas entfaltet, trifft man sorgfältig gebahnte Wege: Den Jasmin- und Weinreben ist ihr Ziel gesteckt, dass sie rechts und links dichte Hecken zwischen den Stämmen der Bäume bilden, die hin und wieder vorkommenden sumpfigen Stellen sind mit Erde ausgeschüttet und festgemacht, und wo riesige Wurzeln den Pfad erhöhten, sind sie durch Feuer und Spaten vertilgt, dass dem Fuß fast kein hemmendes Hindernis mehr in den Weg tritt.

Diese Wege stellen die Kommunikation zwischen den einzelnen Pflanzungen her, die durch den Wald getrennt sind, und dienen den Bewohnern nicht selten zu Spaziergängen sowie dem forschenden Reisenden als Pfade, um das Innere des Landes kennenzulernen.

Ungefähr um dieselbe Zeit, als Arthur in das Zimmer Arabellas trat, durchschritt einen dieser einsamen Waldgänge ein Mann, der weder das Aussehen eines Spaziergängers noch eines Reisenden hatte. Zwar trug er eine feine englische Büchse unter dem Arm, eine Jagdtasche an der Seite und ein Waidmesser mit kostbarem Griff, aber auch die Absicht zu jagen schien er nicht zu haben, denn er ging langsamen Schrittes unter der blinkenden Blätterwölbung hin, große Wolken Tabakrauches unter seinem breitkrempigen Strohhut hervorblasend, ohne sich um das aufgeschreckte Wild, das aus dem Gebüsch über den Weg sprang, zu kümmern und ohne nach den Vögeln zu blicken, die sich in bester Schussnähe auf den elastischen Zweigen wiegten. Sein Anzug bestand einfach aus ein Paar gelben, weiten Hosen, einem hellgrauen Oberrock mit einer Art kurzem Mantelkragen, aus dem der Kragen eines bunt gestreiften Hemdes hervorsah, und Stiefeln aus hellbraunem Leder, die von der Farbe der Hosen wenig abstachen. Seine Bewegungen, obgleich er nur langsam dahinschritt, verrieten dennoch den kräftigen Mann von dreißig bis zweiunddreißig Jahren, und sein Gesicht, von einem kurzen, braun gekräuselten Bart umgeben, drückte einen Ernst aus, der zu mild war, um ihn Härte oder Wildheit zu nennen, und zu streng, um ihn mit den Worten Traurigkeit oder Schmerz zu bezeichnen.

Wohl eine halbe Stunde Zeit hatte dieser Mann gebraucht, um eine Strecke Weges von einer Viertelstunde zurückzulegen, als plötzlich durch eine Lichtung des Waldes die Sonnenstrahlen senkrecht auf sein Haupt fielen und ein anderer Weg den seinen durchschnitt.

Sinnend blieb er stehen und blickte rechts den Kreuzweg hinunter, der stets breiter und luftiger wurde und in geringer Entfernung die roten Dächer einer Besitzung in dem dunklen Grün zeigte, deren Anblick einen besonderen Eindruck auf ihn auszuüben schien. Wie unwillig nahm er sein Gewehr von der Schulter, setzte es heftig zu Boden, legte die gekreuzten Arme auf dessen Mündung und sah mit starren, ungewissen Blicken zu den Häusern, die ein freundliches Panorama in der wilden Waldgegend bildeten.

Die Sonne sandte eine sengende Hitze durch die Lichtung der Blätter, kein Lüftchen regte einen Halm oder einen Zweig, und große Scharen Moskitos umschwärmten den sinnenden Mann, dann und wann zurückgescheucht durch den Tabakrauch, der in hellblauen Wolken aus seiner kurzen Pfeife stieg.

Das Gestirn des Tages stand am Zenit – es war Mittag.

Plötzlich unterbrach ein leises Rauschen in den Blättern des Weges die fast unheimliche, beklemmende Waldstille. Ein Vogel mit glänzendem, buntfarbigem Gefieder flatterte auf und eilte erschrocken dem Dickicht zu, das undurchdringlich rechts und links zur Seite stand. Das Geräusch kam näher. Es wurde von einem Mann verursacht, der aus der entgegengesetzten Richtung des Weges kam, den der Mann im grauen Rock unablässig mit den Blicken verfolgte. Der Ankommende seufzte tief und schwer; die Hitze und der zurückgelegte Weg schienen ihn so erschöpft zu haben, dass er nur noch mit großer Anstrengung seine Füße bewegen konnte.

Fassen wir diesen Mann einen Augenblick näher ins Auge.

Er war von wohlgenährter, untersetzter Statur – man konnte ihn nicht mit Unrecht korpulent nennen. Er trug einen weißen, blau und rot gestreiften Rock mit großen schwarzen Hornknöpfen besetzt, dessen Schnitt den englischen Röcken glich, wie man sie häufig bei den Dandys in London sieht. Dieser Rock war so kurz, dass er kaum die Knie seines Trägers bedeckte. Die etwas nach außen gebogenen kurzen Beine waren mit einer weißen Hose aus englischem Leder bekleidet und lagen so fest an, dass man die eben nicht vorteilhafte Körperbildung ihres Inhabers deutlich wahrnehmen konnte. Ein weißes, sorgfältig gewaschenes Hemd mit einem breiten Kragen, der an dem fleischigen Hals durch ein leichtes schwarzes Tuch zusammengehalten wurde, bedeckte die breite Brust, und um die unförmigen Hüften schlang sich eine hellrote Schärpe aus feiner Wolle. Auf dem dicken, runden Schädel, der mit schwarzen, krausen Haaren bewachsen war, wie der Rücken eines europäischen Schafes, prangte ein feiner, glänzender Strohhut, den ein grünes Band zierte, das in zwei langen Zipfeln über den breiten Rücken herabflatterte. Hände und Gesicht waren schmutzig gelb und zeigten auf den ersten Blick den Mulatten an. Die Sorgfalt, mit der die saubere Kleidung gewählt und angelegt war, bildete einen stechenden Kontrast zu der plumpen Gesichtsbildung, die man mit vollem Recht hässlich nennen konnte. Die rechte Hand, derb wie die eines Holzspalters, hielt ein Bambusrohr von der Stärke eines Daumens umfasst – es schien in diesem Augenblick als Spazierstock zu dienen.

Als der Mulatte den Mann mit der Büchse erblickte, stand er plötzlich still; er musste ihn kennen, denn der Ausdruck seines Gesichtes gab deutlich kund, dass ihm die Begegnung mit dem Bewaffneten nicht angenehm war. Dieser verharrte indes in seiner Stellung; das Auge voll düsteren Ernstes haftete fast unbeweglich auf dem Punkt, den es anfangs zum Gegenstand der Beobachtung gewählt hatte – er regte sich kaum und schien so mit seinen Gedanken beschäftigt, dass er das, was um ihn vorging, nicht bemerkte.

Da an ein Ausweichen nicht zu denken war, denn das Dickicht rechts und links stand undurchdringlich, setzte der Mulatte, der Eile zu haben schien, nach einigen Augenblicken stiller Überlegung seinen Weg fort. Verwundert schüttelte er den dicken, runden Kopf, als er vielleicht noch zehn bis zwölf Schritte von dem Nachdenkenden entfernt war und dieser auf das Geräusch des Ankommenden noch immer nicht reagierte.

»Sonderbar«, murmelte er leise vor sich hin, »dieser große Pflanzer tritt mir jedes Mal unter die Augen, wenn ich ihn am allerwenigsten vermute. Ich wollte, der Teufel bannte ihn auf die Spitze der höchsten Zeder, dass ich vorbeigehen könnte, ohne ihm Rede stehen zu müssen – der Mensch besitzt keine Lebensart, er ist grob und ungeschlacht wie der gemeinste Neger1 auf seiner Pflanzung. Ich bedauere ihn, obgleich er der reichste Mann unseres Distrikts ist!«

Kaum war diese Betrachtung zu Ende, als der Pflanzer seinen Kopf zur Seite wandte und den Mulatten, der sich stellte, als ob er übergroße Eile hätte, erblickte, wie er eben mit einem flüchtigen Gruß an der Seite vorüberschlüpfen wollte.

»Halt, Freund Kato«, rief der Pflanzer mit einer kräftigen, tiefen Bassstimme. Woher des Wegs?«

»Von der Tabakpflanzung hinter dem Wald«, antwortete der Angeredete keuchend, »ich habe den faulen Negern andere Arbeit angewiesen!«

»Und wohin so eilig?«

»Zu meiner jungen Herrin, Miss Jenny, die mich gewiss schon mit Ungeduld erwartet.«

»So mag sie noch länger warten«, sagte der Pflanzer in einem befehlenden Ton, »bleibe!«

»Sir Jackson«, sagte der Mulatte erschrocken, »die verdammten Neger auf der Pflanzung haben mich schon über eine halbe Stunde länger aufgehalten, als ich ausbleiben wollte; ich habe, bei meiner Ehre, nicht eine Minute Zeit übrig, wenn ich mir den Zorn meiner liebenswürdigen Miss nicht zuziehen will.«

»Hast du Lust, dir meinen Zorn zuzuziehen?«, fragte der Pflanzer drohend, indem er den Ladestock seines Gewehrs zur Hälfte herauszog. »Ich denke, du kennst mich!«

»Nein, Herr, Ihre Freundschaft ist mir lieber, auf Ehre! Doch sprechen Sie nicht in diesem harten Ton, Sie sind ja ein steinreicher Mann und reiche Leute müssen stets mit einer gewissen Manier …«

»Meine Manier ist die richtige, dummer Teufel, denn ohne sie wäre ich sicher nicht geworden, was ich bin. Jetzt tritt näher und antworte auf meine Fragen«, sagte der Pflanzer in einem milderen Ton und stieß den Ladestock in den Schaft des Gewehres zurück.

Kato nahm seinen Strohhut ab, trocknete sich mit einem seidenen Taschentuch das glänzende Gesicht und trat mit der Miene eines Kindes näher, das aus Furcht vor Strafe gehorsam ist.

»Du hast Eile, Freund, dass du nach Hause kommst – sagtest du nicht so?«

»Ja, Sir Jackson«, war die Antwort des Mulatten.

»So! Und darf man den Grund wissen?«

»Den Grund, lieber Herr?«, sagte Kato lächelnd, dass zwei Reihen großer, weißer Zähne, wie künstlich aus Elfenbein gearbeitet, sichtbar wurden. »Fragen Sie lieber nach den Gründen, denn ich habe so viel zu besorgen, dass ich nicht weiß, wo ich beginnen soll.«

»So? Liegt denn die Verwaltung des ganzen Hauswesens auf den Schultern eines einzigen Domestiken?«

»Domestiken«, rief der Mulatte in komischer Entrüstung, und die Augen rollten im Kopf wie ein Paar Räder, »Domestiken – ich bin Verwalter und oberster Sklavenaufseher, Sir Jackson!«

Das Gesicht des Pflanzers verzog sich zu einem melancholischen Lächeln; ruhig legte er die gekreuzten Hände wieder auf die Mündung seines Gewehrs und fragte weiter:

»Oberster Sklavenaufseher! Wer sollte mir das gesagt haben?«

»Das ist eine sonderbare Frage! Sehen Sie mich an und Sie müssen wissen, dass ich kein Domestik bin!«

»Und woran soll ich das sehen?«

»Sir Jackson«, antwortete Kato und seine Entrüstung stieg mit jedem Wort, das er sprach, »wenn es Ihnen mein ausgewählter fashionabler Anzug nicht sagt, so müssen es Ihnen meine Miene und meine Manieren sagen, denn es sind die eines gebildeten, anständigen Mannes und keines Domestiken. Spricht ein Domestik wie ich? Nein! – Trägt ein Domestik die Kleider nach dem neuesten Londoner Schnitt? Nein! – Weiß ein Domestik die Geheimnisse seiner Herrin? Nein! Weiß ein Domestik sich überhaupt mit der Eleganz zu bewegen wie ich? Sir Jackson, wenn Sie nur ein wenig Menschenkenntnis besäßen, zum Beispiel nur den zehnten Teil der meinen, so müssten Sie sich alle diese Fragen selbst beantworten können.«

»Du bist ein vortrefflicher Mensch, Freund Kato, und ich bekenne, dass du mein Lehrer sein könntest«, entgegnete der Pflanzer mit Ironie, indem er dem Mulatten seine rechte Hand reichte.

Katos Furcht war völlig verschwunden; er glaubte ein moralisches Übergewicht über den Pflanzer erlangt zu haben, das ihn nicht nur vor den Ausbrüchen seiner Grobheit schützte, sondern auch ein gewisses Ansehen verschaffte, mithilfe dessen er sein Lieblingsthema verhandeln und ausbeuten konnte.

»Ihr Lehrer, sagen Sie?«, begann der Mulatte mit großer Genugtuung. »Ich glaube es wohl, denn die Kenntnisse, die ich besitze, habe ich mir in London erworben, in der Stadt der Eleganz und feinen Sitten. Ihnen, Sir Jackson, fehlt nichts weiter als ein dreijähriger Aufenthalt in dieser Weltstadt, und Sie wären der liebenswürdigste Pflanzer in ganz Louisiana – auf Ehre, das Zeugnis würde ich Ihnen geben.«

Jackson schien an der Unterhaltung Gefallen zu finden; lächelnd legte er die Hand ans Kinn und fragte:

»Nun, was missfällt dir denn in diesem Augenblick an mir?«

»O Himmel«, rief Kato, »wenn ich das alles aufzählen wollte, würde Miss Jenny noch lange auf mich warten müssen!«

Der Pflanzer betrachtete sich von den Zehen bis zur Brust herauf, so weit es das Auge erlaubte, und fragte dann in einem Ton, der keinen entscheidenden Aufschluss gab, ob er des Scherzes wegen die Unterhaltung fortsetzen wollte oder aus einem andern Grund:

»Antworte, Kato, was missfällt dir?«

Der Mulatte warf sich in die Brust, steckte die rechte Hand in die rote Schärpe und setzte die breiten Füße in die dritte Tanzposition. Sein Gesicht nahm einen höchst einfältigen Ausdruck an und seine dünne, schnarrende Stimme wurde etwas stärker und feierlich.

»Sir Jackson«, sagte der braune Mann, »Sie sind der reichste und mächtigste Pflanzer im ganzen Distrikt von New Orleans, und nun betrachten Sie sich einmal, wie Sie aussehen! Fangen wir bei den Füßen an: Ihre Stiefel sind aus rohem Leder, schlecht gemacht und jedes Glanzes unfähig. – Ihre Hosen sind so schlecht gemacht und aus so erbärmlichem Stoff, dass ich sie sofort konfiszieren und verbrennen würde, wenn einer meiner Domestiken es wagte, damit in den Zimmern meiner Herrin zu erscheinen. – Ihr grauer Rock, Sir Jackson, ist nun völlig unter aller Kritik, denn der kurze Kragen, der wie das Schirmdach eines Höckerweibes über die Schultern fällt, deutet an, dass er dem vorigen Jahrhundert angehört, dass ihn vielleicht schon Ihr Großvater getragen hat. – Ihr Hut … nun, den will ich gelten lassen, denn er ist comfortable und schützt vor den Sonnenstrahlen, die mich diesen Sommer schon so zugerichtet haben, dass ich aussehe wie ein Mulatte – o diese Sonnenstrahlen, ich wollte, es wäre ewige Nacht! Und nun bedenken Sie einmal Ihr Betragen! Man fürchtet sich jedes Mal, wenn Sie den Mund öffnen, so hart und barsch kommen die Worte unter Ihrem wilden Bart hervor. Lassen Sie sich raten, Sir Jackson: Werden Sie fashionable, das heißt, kleiden Sie sich sorgfältiger und etwas mehr nach der Mode, dann erhält Ihre Person mehr Interesse, Sie sind überall wohlgelitten und werden vorzüglich Glück machen bei den Damen, deren wir sehr schöne in dieser Gegend besitzen. Mit einem Wort, Sie müssen ein Salonmann werden, müssen nicht mehr wie ein Wolf in den finsteren Wäldern umherschleichen, und sich eines guten Tons, das heißt angenehmer Manieren und Sitten, befleißigen. Denken Sie denn, mein bester Sir Jackson, dass Sie so, wie Sie da vor mir stehen und wie ich Sie schon seit einem Jahr fast täglich erblicke, je eine Frau finden werden? O nein, die Frauen lieben nur dann das Starke und Kräftige, wenn es sich mit dem Zarten und Milden paart; sie lieben nur dann die Gerüche des Waldes, wenn sie sich mit dem Duft lieblicher Pomaden mischen. Sehen Sie, Sir Jackson – und Sie können es mir auf Ehre glauben –, seit ich mich der süß duftenden Pomaden und Wasser bediene, habe ich enorme Fortschritte in der Gunst der reizenden Eva gemacht. Noch vor wenigen Wochen, ehe ich mich dieser Mittel bediente, um meine Person in einen liebenswürdigen Geruch zu bringen, wollte die süße Eva nichts von mir wissen; sobald sie mich nur erblickte, rümpfte sie ihre himmlische Nase, und sooft ich in ihre Nähe kam, hielt sie sich ihr weißes Schnupftuch vor den Mund – und bedenken Sie, ich trug damals schon diese eleganten Kleider, die ich aus London mitgebracht habe, ich hatte schon damals das feine Benehmen eines echt-englischen Dandys; aber alles brachte nicht die Wirkung hervor, die ich mit dem Duft der Pomaden und Wasser erzielte. Eva, die himmlische Eva reicht mir die Hand, wenn ich mich ihr nähere, rümpft nicht mehr die Nase, wenn ich ihr zärtlich in das himmelblaue Auge blicke, und erlaubt mir sogar, dass ich ihr die wunderniedliche Hand küssen darf. Und nun Miss Jenny, meine schöne Herrin – bei allen Gelegenheiten zieht sie mich zurate, sogar bei ihren Herzensangelegenheiten …!«

»Genug, Kato«, sagte der Pflanzer ernst, »ich werde deinen Rat befolgen.«

»Daran werden Sie wohl tun, und ich möchte wetten, dass Ihnen Miss Jenny den Zutritt in ihre Zimmer nicht mehr verweigert. Mir tat es immer leid, wenn ich Sie an der Tür abweisen musste – aber meine Ehre setze ich zum Pfand ein, dass sich Ihnen die Türen von selbst öffnen, wenn Sie in einem eleganten Frack, modernen Hosen und glänzenden Stiefeln mit klirrenden Sporen erscheinen – aber vergessen Sie die Pomaden und Parfüme nicht, denn sie machen den Mann in unserm Klima eigentlich fashionable. Sir Jackson, wenn ein Mann ein seidenes Tuch aus der Tasche zieht, das lieblich duftet, so hat er bei jeder Dame gewonnenes Spiel. Der Dandy muss mit allen Sinnen zu vernehmen sein, vorzüglich aber mit dem Geruch, denn die Riechorgane sind bei den Damen am empfindsamsten, das weiß ich, auf Ehre, ich weiß es ganz genau!«

Mit den letzten Worten zog Kato aus der Seitentasche seines Rockes ein seidenes Tuch hervor, das einen starken, wohlriechenden Duft verbreitete.

»Ist das alles, was ich zu befolgen habe?«, fragte der Pflanzer lächelnd.

»Ja«, antwortete Kato, indem er sich mit dem duftenden Tuch frische Luft zufächelte.

»Gut, so beantworte mir meine Fragen. Sagtest du nicht, Miss Jenny habe dich zum Vertrauten ihrer Herzensangelegenheiten gemacht?«

»Allerdings!«

»Hat sie dir untersagt, darüber zu reden?«

»Nein, warum sollte sie auch?«, gab Kato unbefangen zur Antwort. »Morgen oder übermorgen werden sie doch bekannt. Miss Jenny wird sich verheiraten.«

Der Pflanzer drückte sein Gewehr mit beiden Händen zusammen, als ob sie ein Krampf durchzuckte, und seine großen Augen stierten den Mulatten an, als ob sie ihn durchbohren wollten. Sein männliches, braunes Gesicht aber behielt denselben Ausdruck, es blieb ruhig wie zuvor; selbst die Worte verrieten keine innere Aufregung.

»Wen wird sie heiraten?«, fragte er ernst und langsam.

»Sollten Sie es nicht ahnen, Sir Jackson?«

»Nein! Deine junge Gebieterin ist so liebenswürdig«, fügte er bedeutsam hinzu, »dass ich in der Tat keinen Mann in unserm Distrikt wüsste, der ihrer Hand würdig wäre.«

»Sie haben recht, Sir Jackson, Ihr Urteil freut mich. O dass ich Ihnen meine Lehren früher hätte mitteilen können, vielleicht wäre es Ihnen gelungen …«

»Still, Kato, Miss Jenny hasst mich, ich weiß es. Wen wird sie heiraten?«

»Sir Arthur Makensie, den einzigen Sohn Jakob Makensies, des Bruders ihres verstorbenen Vaters.«

»Kato«, rief der Pflanzer mit glühenden Augen, »kannst du diese Nachricht verbürgen?«

»Gewiss, mein bester Sir Jackson, denn eben die Vorbereitungen zu dieser Heirat sind es ja, die mich zur Eile antrieben. Heute kehrt Sir Arthur aus New Orleans zurück, wo er sich seit einigen Tagen aufhält, um seine Papiere in Ordnung zu bringen, morgen ist die Verlobung und übermorgen wird der Kontrakt unterzeichnet und Hochzeit gemacht. Wenn ich unter diesen Umständen die Nachricht nicht verbürgen kann, dann möchte ich wissen, was sonst eine verbürgte Nachricht sein soll!«

»Nein, das ist nicht möglich«, rief der Pflanzer.

»Es ist möglich und gewiss, wie ich Ihnen sage.«

»Miss Jenny begeht einen übereilten Schritt, der sie unglücklich machen wird!«

»Beruhigen Sie sich, Sir Jackson, Miss Jennys Vater hat diesen Schritt reiflich überlegt, denn es war sein letzter Wille, dass Sir Arthur seine Cousine heiraten soll, und Miss Jenny ist eine zu gehorsame Tochter, als dass sie diesen Willen unerfüllt ließe, selbst wenn sie den ihr bestimmten Bräutigam weniger liebte!«

»O mein Gott«, rief Jackson voll Schmerz und Zorn, »also so weit erstreckt sich der Leichtsinn des alten Makensie, dass er selbst die Tochter nach seinem Tod noch vergeudet! O wenn er noch lebte, ich würde ihn so schonungslos behandeln wie den schlechtesten meiner Sklaven auf der Pflanzung!«

»Sir Jackson«, sagte der Mulatte scheu zurückweichend, »Sie schmälen einen Toten – das ist nicht fashionable – mir scheint, meine Lehren …«

»Einen Toten«, brauste der aufgebrachte Pflanzer auf, »einen Toten? Dieser Mister Makensie wird ewig fortleben in seinen leichtsinnigen Streichen, denn ihre Folgen sind nicht mit ihm ins Grab gegangen, sie äußern ihre trübselige Wirkung noch jetzt und später an den Überlebenden!«

»Sir Jackson«, entgegnete Kato mit Vorwurf, »das ist kein guter Ton, bedenken Sie!«

»Aber ein richtiger Ton, und den will man nirgends hören. Hätte der verstorbene Makensie seine Tochter geliebt, so würde er besser für sie gesorgt haben!«

»Nun, hat er nicht für sie gesorgt? Hat er ihr nicht eine herrliche Pflanzung und jenes reizende Gut hinterlassen, das dort so anmutig durch die Wipfel der Bäume schimmert? Über dreihundert Sklaven von allen Farben gehören zu dieser Besitzung, und mich selbst, der ich es ihm noch im Grabe Dank weiß …«

»Über dreihundert Sklaven gehören zu dieser Besitzung, o ja – weißt du auch, du einfältiger Mulatte, wie viel Schulden dazu gehören?«

Als ob ein Blitz den ganzen Körper Katos durchzuckte, wich er drei Schritte zurück und stammelte mit hoch erhobenem Kopf:

»Mulatte … ich, ein Mulatte? Sir Jackson, ich bin ein Weißer, der drei Jahre in London gewesen ist und seine Erziehung genossen hat – dass die Sonne meine Haut so braun gefärbt hat …«

»Dein Herr hat Schulden, so viel Schulden hinterlassen, dass auch nicht ein Zuckerrohr oder eine einzige Tabakpflanze auf die arme Jenny übergegangen wäre, wenn die Gläubiger ihr Geld eingetrieben hätten. Aber wie lange wird es noch dauern, bis das geschehen wird? Und nun will er das arme Mädchen noch völlig ruinieren, indem er sie durch seinen letzten Willen an einen ebenso leichtsinnigen jungen Menschen fesselt, wie er selbst gewesen ist? Nein, das geht zu weit, das muss jeden ehrlichen Menschen empören, der diese Verhältnisse kennt.«

»Bester Sir Jackson, erlauben Sie mir wohl eine Frage?«

»So rede!«

»Kennen Sie Sir Arthur, den bestimmten Bräutigam meiner liebenswürdigen Miss?«

»Nein, ich habe ihn nie gesehen, ich kenne ihn nur nach dem, was das Gerücht von ihm erzählt.«

»So hat das Gerücht gelogen«, sagte Kato mit großer Bestimmtheit; »Sir Arthur ist mein Zögling, besitzt elegante Manieren und den besten Ton und Geschmack von der Welt. Sir Arthur ist in jeder Beziehung der liebenswürdigen Jenny wert, und ich behaupte, dass es kein schöneres Paar in unserm gesegneten Louisiana gibt als diese beiden jungen Leute. Hätte das Testament des Vaters ihren Vermählungstag nicht festgestellt, sie würden sich sicher schon geheiratet haben.«

»Und welchen Tag bestimmt das Testament?«, fragte der Pflanzer rasch.

»Den fünften Juni, und heute haben wir den dritten.«

»Den fünften Juni!«, wiederholte Jackson mit dumpfer Stimme. »O dass er heiter und Glück bringend über den Bäumen emporstiege, die dort so freundlich die roten Dächer beschatten!«

Kato sah erstaunt den grauen Pflanzer an, der, in ein trübes Nachsinnen versunken, starr auf den Lauf seines Gewehres blickte; er schien über einen Plan nachzudenken. Dem Mulatten wurde unheimlich zumute; langsam steckte er sein duftendes Tuch in die Tasche und trat einige Schritte zurück.

»Sir Jackson«, sagte er schüchtern nach einer Pause, »jetzt muss ich fort – leben Sie wohl!«

»Halt«, rief dieser mit befehlender Stimme, »ich bedarf deiner!«

»Wie, Herr, Sie bedürfen meiner?«

»Ich begleite dich!«

»Wohin?«

»Zu der Besitzung Miss Jennys! Dort wirst du mich melden bei deiner jungen Gebieterin.«

»Aber, Herr, gerade heute, wo sie ihren Bräutigam erwartet, wollen Sie …«

»Sage deiner Gebieterin, dass ich in ihrem Interesse über einen sehr wichtigen Gegenstand mit ihr reden müsste, und heute, in dieser Stunde noch. Würde sie mir wiederum den Zutritt verweigern, wie sie es bis jetzt stets getan hat, so möge sie sich nicht wundern, wenn sie etwas träfe, was sie nicht für möglich gehalten hätte. Los jetzt«, befahl Jackson, indem er sein Gewehr über die Schulter warf, »die Sonne brennt nicht mehr durch die Lichtung, Mittag ist vorüber!«

Kato wagte kein Wort der Einrede mehr; mit einem tiefen Seufzer setzte er sich in Bewegung und schlug den Weg zu den Häusern ein. Jackson folgte schweigend, er hatte selbst die erloschene Pfeife nicht wieder angezündet, sondern sie ruhig in die tiefe Seitentasche seines grauen Rockes gesteckt.

Der Weg wurde mit jedem Schritt, den die beiden Männer zurücklegten, breiter und luftiger, das heckenartige Dickicht zu beiden Seiten wurde stets lichter, bis endlich die Baumstämme so weit voneinander entfernt standen, dass das niedrige Gestrüpp und die Ranken nur noch selten einen Stützpunkt fanden; sie wanden sich auf dem trockenen Boden fort.

Nach einer Viertelstunde lief der Weg auf einen großen Rasenplatz aus, auf dem vereinzelte, aber regelmäßig angelegte Gruppen von Palmen und Zedern standen, deren Zweige und Stämme dergestalt von Reben und großblättrigem Jasmin umwunden waren, dass sie ziemlich große Räume völlig vor den Sonnenstrahlen schützten. Diese schattigen Plätze wurden von künstlich angelegten und sorgfältig gepflegten lebendigen Hecken eingezäunt, in denen sich zierliche, weiß angestrichene Holzgitter befanden, die die Türen bildeten. Unter den dicken, kräftigen Stämmen selbst, die einen regelmäßigen Kreis bildeten, standen elegante Holzbänke, Stühle und Tische, von denen einige mit farbigen Decken überhangen waren. Die Räume, die zwischen diesen einzelnen Baumgruppen lagen, waren hin und wieder mit Bosketts geschmückt, aus deren dunklem Grün prachtvolle Blumenkelche in üppigen Farben emporragten und die Luft, trotz der drückenden Hitze, mit einem würzigen Duft erfüllten. Breite Schlangenwege, nach englischem Geschmack gestaltet, durchzogen diesen duftigen Park, in dessen Mitte sich die Gruppe freundlicher Häuser erhob, die der Pflanzer auf dem Kreuzweg zum Gegenstand seiner Betrachtungen erkoren hatte.

Kato kannte diese Wege genau. Als ob ihn der Faden der Ariadne leitete, schritt er keuchend durch die verschiedenen, von ihm gewählten Schlangenwindungen, bis er endlich auf einen freien, mit feinem Kies bestreuten Platz gelangte, der auf einer Seite von der Fassade eines eleganten, zweistöckigen Hauses und auf den übrigen Seiten von dichtem Gebüsch begrenzt wurde, durch dessen dunkles Laub die weißen Mauern und glänzenden Fenster der Wirtschaftsgebäude schimmerten.

In der Mitte dieses Platzes rauschte eine Fontäne einen starken Wasserstrahl empor, der, nachdem er die Pflanzen in seiner Nähe mit einem leichten Sprühregen betaut hatte, in ein großes Marmorbecken zurückfiel, um einen klaren Teich für lustige Fischlein zu bilden.

Von dem Becken bis zu der hohen Mitteltür des Hauses zog sich eine Allee dicht belaubter Bäume, aus deren Zweigen der hundertstimmige Gesang munterer Vögel erklang, die sich gern in der Nähe des kühlenden Wassers aufhielten.

Durch diese Allee ging Kato, nachdem er neben dem Wasserbecken einen Augenblick stillgestanden und einige Züge kühler Luft genossen hatte. Jackson, der ihm stets auf den Fersen war, folgte ernst und schweigend.

Als die beiden Männer die breiten Steinstufen der Freitreppe vor dem Haus erreicht hatten, wandte sich der Mulatte zu seinem Begleiter.

»Sir Jackson«, sagte er, »was soll ich meiner Gebieterin melden?«

»Narr«, antwortete der Pflanzer finster, indem er den Kolben seines Gewehrs auf die Steinplatte setzte, »ich habe es dir schon gesagt: Melde, dass ich in einer dringenden Geschäftsangelegenheit eine Unterredung mit ihr verlange. Weigert sie sich, mich zu empfangen, so bedeute ihr, dass es in ihrem Interesse ist.«