XXL-Leseprobe: Die Braut von Louisiana (Gesamtausgabe) - August Schrader - kostenlos E-Book

XXL-Leseprobe: Die Braut von Louisiana (Gesamtausgabe) E-Book

August Schrader

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Beschreibung

Der komplette erste Band des dreiteiligen Südstaaten-Klassikers als XXL-Leseprobe! „Die Sonne Louisianas erzeugt wunderbare Pflanzen und Blumen, die das nordische Licht nicht kennt – sie regt aber auch Gefühle im Herzen an, die noch wunderbarer als Pflanzen und Blumen sind, denn sie scheinen dem Himmel und nicht der Erde entsprossen.“ Louisiana, 1836. Aufs Schönste geschmückt, steht Jenny Makensie in ihrem Hochzeitskleid vor dem Spiegel und wartet auf die Ankunft ihres Bräutigams. Doch es ist weder Glück, das sich in den Zügen der Braut abzeichnet, noch Vorfreude auf den schönsten Tag im Leben einer jungen Frau. Hin- und hergerissen von ihren Gefühlen sieht die junge Plantagenbesitzerin der bevorstehenden Hochzeit entgegen, voller Zweifel, ob der Bräutigam, den ihr verstorbener Vater testamentarisch für sie bestimmt hat, der Richtige ist. Noch ahnt sie nicht, dass die dunklen Wolken, die ihre Hochzeit überschatten, nur die Vorboten eines viel größeren Unheils sind, das ihr Dasein auf Erden schon im nächsten Moment in einen wahren Albtraum verwandeln wird … Woher soll nun noch Rettung kommen, arme Jenny? Wo ist der Mann, der dich so sehr liebt, dass er es mit der ganzen Welt aufnimmt, nur um wieder ein Lächeln auf deinem Gesicht erstrahlen zu sehen? August Schrader, einer der beliebtesten deutschen Unterhaltungsschriftsteller der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, führt uns in diesem Roman über den großen Teich nach Louisiana, ins alte New Orleans und auf Plantagen, deren Bewirtschaftung ohne Sklavenarbeit noch undenkbar war. Wir begegnen eitlem Dandytum und gefühlloser Rohheit, aber auch unverbrüchlicher Freundschaft und selbstloser Liebe, die nicht fordert und gerade deshalb reich belohnt wird. Die Gesamtausgabe des Romans „Die Braut von Louisiana“ beinhaltet die drei Bände: „Der Pflanzer“, „Der Hochzeitstag“ und „Die Sklavin“. Sämtliche Teile wurden aufwendig überarbeitet und sprachlich modernisiert. „In Dumas’scher Manier schrieb sensationell, hochromantisch, auf Effekt und Nervenkitzel rechnend, der talentvolle und fruchtbare Romanschriftsteller August Schrader, eigentlich Simmel – geboren 01. Oktober 1815 zu Wegeleben bei Halberstadt und gestorben 16. Juni 1878 in Leipzig.“ (Dr. Adolph Kohut in: „Berühmte israelitische Männer und Frauen in der Kulturgeschichte der Menschheit, Bd. 2“)

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DIE BRAUT VON

LOUISIANA

Modernisierte Neufassung

des dreiteiligen Romans

von

August Schrader

XXL-Leseprobe

Quality Books

2021

Quality Books

Klassiker in neuem Glanz

 

Erstausgabe:

Die Braut von Louisiana

Erster Theil: Der Pflanzer, Zweiter Theil: Der Hochzeitstag & Dritter Theil: Die Sclavin

August Schrader

Druck: 1850, Leipzig, Verlag von Christian Ernst Kollmann

 

Neufassung: Marcus Galle

Umschlaggestaltung: Maisa Galle

 

© 2019 by Quality Books, Hameln

2., verbesserte Auflage: September 2021

 

ISBN 978-3-946469-26-1 (Gesamtausgabe)

ISBN 978-3-946469-29-2 (XXL-Leseprobe)

 

E-Mail: [email protected]

 

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Anschrift

 

Dieses E-Book, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Zustimmung des Herausgebers nicht vervielfältigt, wiederverkauft oder weitergegeben werden.

Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

 

Die Braut von Louisiana

Ein Südstaaten-Roman in drei Teilen

 

Der Pflanzer

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

 

Der Hochzeitstag

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

 

Die Sklavin

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

 

In eigener Sache

Impressum (Anschrift)

DIE BRAUT VON

LOUISIANA

_________________________

 

Ein Südstaaten-Roman

in drei Teilen

DER PFLANZER

1.

In einer der Hauptstraßen von New Orleans, und zwar in dem neuen Stadtteil, der an seinem westlichen Ende von dem flachen Ufer des Mississippi begrenzt wird, erhob sich im Jahre 1836 ein Haus, das durch die Regelmäßigkeit seiner Bauart, vorzüglich aber durch seine Eleganz, vor allen andern nicht unansehnlichen Häusern der Straße auffiel. Es bestand aus vier hohen Stockwerken, von denen jedes eine lange Reihe glänzender Fenster zeigte, die am Tage durch hellgrüne Marquisen vor dem Eindringen der Sonnenstrahlen geschützt wurden und nur mit dem Verschwinden der glühenden Sonne diese aus baumwollenem Stoff gefertigten künstlichen Augenlider öffneten, um der kühlen Nachtluft freien Eingang zu gestatten. In der Mitte jedes einzelnen Stockwerkes trat ein geräumiger Balkon heraus, unter dessen breitem Baldachin grünende Gesträuche und großblättrige Pflanzen in zierlichen Kübeln einen duftenden Park bildeten, zu dem man aus dem Innern durch eine hohe Glastür gelangte, deren Scheiben fast in alle Farben spielten. Wie die Vorderseite, die zur Straße hinausging, war auch die Hinterfassade ausgestaltet, die die Aussicht über den Fluss gewährte, sodass man in der weiten Ebene seinen glänzenden Streifen so lange mit den Blicken verfolgen konnte, bis ihn die Umrisse eines Waldes, der sich in einer Entfernung von fünf bis sechs englischen Meilen zeigte, verdeckten.

In einem kleinen, aber reizenden Boudoir des ersten Stocks dieses Hauses lag auf einem schwellenden Sofa aus himmelblauer Seide ein junges Mädchen nachlässig ausgestreckt. Es war noch im Morgennegligé, denn es trug einen langen weißen Mantel aus indischem Mousseline, dessen Kanten mit einer Girlande sorgfältig gestickter Blumen geziert waren, und das schwarze, glänzende Haar, das in zahlreichen Knoten einen Kranz um das liebliche Köpfchen bildete, bedurfte noch der geschickten Hand eines Friseurs oder einer Kammerfrau, um sich in wohlgeformten Locken ergießen zu können.

Man brauchte nur einen Blick auf die Gestalt des jungen Mädchens zu werfen, um die richtige Ansicht zu gewinnen, dass es zwanzig, höchstens einundzwanzig Frühlinge erlebt hatte, denn außer der Eleganz und Zartheit ihres Wuchses, außer dem matten weißen Glanz der feinen Haut im Antlitz und auf den kleinen runden Händchen, trug die ganze Erscheinung jenes Gepräge, das die Natur dem ersten Lebensalter aufdrückt, das heißt: Frische und Anmut. Um allen Ansprüchen an eine vollkommene, regelmäßige Schönheit zu genügen, waren ihre schwarzen, feurigen Augen vielleicht ein wenig zu groß, die Nase zu klein, die schwellenden Lippen zu rot und ihr Teint ein wenig zu transparent; dieser Mangel aber, wenn wir ihn so nennen wollen, wurde durch eine schalkhafte Anmut und Lebendigkeit in Zügen und Bewegung dergestalt verdeckt, dass alles im reinsten Ebenmaß erschien, und wenn ein verborgener Beobachter das ruhende Mädchen nur zehn Minuten aufmerksam ins Auge gefasst hätte, so würde er gesehen haben, wie das liebliche Gesicht, von den wechselnden Gedanken beseelt, bald von Traurigkeit oder Freude, bald von Mitleid oder Scherz, bald von Liebe oder Verachtung widerstrahlte, und er hätte gewiss die Ansicht geteilt: Es darf nichts geändert werden, um der Harmonie des Ganzen nicht zu schaden.

Aber völlig ausgeschlossen von der Harmonie der übrigen Körperteile schienen die beiden mit seidenen Strümpfen und weißen Atlasschuhen bekleideten Füße des jungen Mädchens zu sein, von denen der eine auf einer rotsamtenen Fußbank, der andere auf der Ecke des Sofas ruhte. Zwar konnte man sie nur bis zur Hälfte sehen, da der weiße Morgenmantel alles Übrige neidisch bedeckte, aber schon der sichtbare Teil genügte, um bewundernd auszurufen: Diese zarten, elastischen Füßchen müssen einem Kind von zehn Jahren gehören! Wie ist es möglich, dass ein ausgebildeter Körper sich auf diesen zarten Gliedern bewegen kann! – Und dennoch wurden sie mehr bewegt als viele andere Damenfüßchen, sie führten sogar künstlerische Bewegungen aus, die Staunen und Bewunderung erregten, denn ihre reizende Besitzerin war Miss Arabella, eine der ersten englischen Tänzerinnen.

Neben dem Sofa, und zwar an der Seite, wo die Tänzerin mit dem Kopf ruhte, lag auf einem braunen wollenen Teppich eine schneeweiße, langhaarige Ziege, deren zarter Gliederbau mit dem des Mädchens zu wetteifern schien. Die beiden Vorderfüße hatte sie parallel mit der Länge des Sofas ausgestreckt, den Kopf mit seinen hellen, listigen Augen hielt sie so hoch empor, wie es der schlanke Hals, der mit einem hellroten Halsband geschmückt war, erlaubte. Der volle weiße Arm der Fußkünstlerin, der von dem weiten Ärmel des Mantels nur halb bedeckt wurde, hielt nachlässig den Kopf des Tieres umschlungen und die runde Hand mit ihren Grübchen spielte in langsamen Bewegungen mit dem glänzenden Bart des Tieres, das so ruhig dalag, als ob es ein besonderes Vergnügen an dieser Unterhaltung fände.

Das Boudoir, obgleich mit Eleganz und Luxus ausgestattet, trug dennoch das Gepräge des echt englischen Geschmacks dieser Zeit: Es war ein kleines, hohes Gemach, dessen blauseidene Tapeten auf Feldern von korinthischen Säulen mit vergoldeten Kapitälern umschlossen, große Quadrate zeigten, in denen eine Menge Amoretten, mit Bogen und Pfeil bewaffnet, stürmische Angriffe auf fliehende Frauengestalten ausführten und sie vor umgestürzten Hymen-Altären schonungslos mordeten. – Außerdem hatte dieses Gemach vier Türen, von denen zwei, der Symmetrie wegen, nur gemalte waren; die dritte war die Eingangstür von dem Korridor und die vierte führte in den Salon, dessen Balkon zur Straße hinausging. Die Verzierungen des Kamins waren im gleichen Stil gehalten; die große, runde Uhr über demselben wurde von vier mageren Liebesgöttern getragen, die unter ihrer Last tief zu seufzen schienen; die Kandelaber bildeten sich ebenfalls aus einer Gruppe Liebesgöttern, deren vier Fackeln einen vierarmigen Leuchter darstellten.

Wie wir bereits gesagt haben, lag die Göttin, die diesen Tempel beherrschte, nachlässig auf dem Sofa und spielte, wie es schien, nicht gedankenlos, mit ihrer Freundin, der weißen Ziege. Man wird sich wundern über diesen sonderbaren Geschmack in der Wahl einer Freundin; er ist aber denen erklärlich, die das Ballett Esmeralda einmal gesehen haben, denn nächst der Tänzerin, die die Person der Esmeralda darstellt, spielt eine Ziege darin die Hauptrolle. Diese Ziege nun, die neben dem Sofa auf weichem Teppich ruht, leistete in dem genannten Ballett Unglaubliches: Sie half die glänzenden Siege ihrer Gebieterin auf der Bühne erringen, teilte die Anstrengungen der Kunstreisen und Kunstvorstellungen – es war demnach sehr natürlich, dass die zweifüßige Künstlerin mit der vierfüßigen Gewinn und Ruhm teilte. Den Gewinn genoss die Letztere durch Bequemlichkeit in kostbaren Zimmern, den Ruhm aber teilte sie durch das Verschlingen der Blumensträuße und Lorbeerkränze, die man der Tanzvirtuosin nach beendeter Vorstellung jauchzend auf die Bühne warf.

Djali, so hieß die seltene Ziege, hatte sich seit einiger Zeit einer besonderen Pflege und Freundschaft zu erfreuen gehabt, denn sie hatte sich durch den unmäßigen Genuss von Lorbeerkränzen, die man dem Künstlerpaar bei der letzten Vorstellung in London auf echt englische Manier im ungeheuersten Überschwang gespendet hatte, eine schwere Krankheit zugezogen gehabt, von der sie durch die Kunst der geschicktesten Ärzte erst seit Kurzem wieder genesen war. Seit dieser Zeit hing das Tier mit doppelter Ergebenheit an seiner Gebieterin und diese mit doppelter Freundschaft und Liebe an ihrer vierfüßigen Kunstgenossin. Und konnte man es beiden verargen? Stand nicht Unermessliches auf dem Spiel? Wie konnte die Esmeralda in New Orleans erscheinen, wenn die Ziege gestorben wäre? – Dieser fürchterliche Gedanke schien Arabella in dem Augenblick die Brust zu beengen und ihren sonst so heiteren Sinn in schwarze Fesseln zu schlagen, als sich die Tür öffnete und Sally, das Kammermädchen, eintrat.

»Wie«, rief die Tänzerin mit einem reizenden Anflug schlechten Humors, »störst du mich schon wieder? Ich hatte dir doch gesagt, dass ich allein sein will, um die Szenen des Balletts, in dem ich hier morgen zum ersten Mal aufzutreten gedenke, in aller Stille durchgehen zu können. Wie oft soll ich dir wiederholen, dass bei meinem Tanz nicht nur die Füße tätig sind, sondern auch der Geist, der allen Bewegungen des Körpers den charakteristischen Ausdruck verleihen muss! Wie kann ich auf neue Nuancen sinnen, wenn du mich jeden Augenblick störst? Wie kann ich die alten ordentlich ausführen, wenn ich mich nicht darauf vorbereite? Hat meine erste Rolle, von der die Fortsetzung der übrigen abhängt, nicht den gewünschten Erfolg, so trägst du die Schuld – hörst du, Sally, du, nur du ganz allein!«

Das Kammermädchen verstand nur zu gut, dass in diesem Verweis zugleich die Billigung lag, ihn verdient zu haben, denn Arabella hatte ihn in einem Ton gesprochen, der keine Zweifel darüber zuließ. Mit jenem vertraulichen Ausdruck in Sprache und Gebärden, der den Zofen berühmter Künstlerinnen eigen zu sein pflegt, antwortete das niedliche, einfach, aber höchst elegant gekleidete Kammermädchen:

»Miss, nur mit klopfendem Herzen unternahm ich diese Störung – aber wenn Sie wüssten, was mich dazu veranlasste, würden Sie mir wahrhaftig nicht zürnen.«

»Nun, so rede schnell«, sagte Arabella, indem sie beide Füßchen mechanisch zur Erde gleiten ließ und den Kopf mit unwilliger, aber neugieriger Miene in das Rückenkissen des Sofas warf. »Was veranlasste dich, mein Verbot zu überschreiten?«

»Ein schöner junger Mann«, antwortete die Zofe. »Er verlangt mit einer solchen Beharrlichkeit und in einem so dringenden, bittenden Ton, Sie zu sprechen, dass ich vergebens auf ein Mittel sann, ihn abzuweisen.«

Arabellas Arm ließ den Hals der Ziege fahren, die fast ebenso neugierig und überrascht die Zofe ansah wie ihre Herrin. Es war, als ob das Tier die Ankündigung, inhaltschwer für eine Bühnenkünstlerin, verstanden hätte.

»Und wie nennt sich dein schöner junger Mann?«

»Er nannte den Namen Arthur.«

»Arthur?«, wiederholte die Tänzerin, indem sie die beiden Silben des Wortes langsam und gedehnt nachsprach. »Arthur ist kein vollständiger Name.«

»Kein vollständiger Name?«, antwortete Sally in komischem Erstaunen. »O ja, Miss Arabella, er ist ein vollständiger und dabei ein sehr schöner Name – er klingt so ritterlich, romantisch –, schon dieser Name könnte mich für einen Mann einnehmen!«

»Ha, ha, ha!«, lachte die Tänzerin mit ihrer kindlichen Stimme, »soll ich etwa deinen Geschmack und deine Sympathien teilen? Fast glaube ich, du willst mich zugunsten des jungen Amerikaners stimmen! Gut, versuche es, mir ein Bild von deinem Protegé zu entwerfen.«

»Nun, so hören Sie mich an: Mister Arthur ist ein schöner junger Mann von schlanker, edler Gestalt; er hat schwarze Haare, schwarze Augen, einen schwarzen, vollen Backenbart, der wie ein Kranz das interessante gebräunte Gesicht umgibt, einen schönen Schnurrbart von derselben Farbe und vortreffliche weiße Zähne, die wie glänzende Perlen durch die Schwärze des Bartes leuchten. Seine Hände waren zwar mit gelben Handschuhen bekleidet, aber ich konnte doch bemerken, dass sie klein und schön waren.«

»So!«, sagte Arabella ein wenig pikiert. »Und woran hast du dies bemerkt?«

»Weil die rechte Hand kaum die niedliche Reitgerte umspannen konnte, die sie hielt. Außerdem trug er weiße, eng anliegende kurze Hosen, einen grünen Frack mit Goldknöpfen und an den halblangen glänzenden Stiefeln ein Paar schwere silberne Sporen, die bei jeder Bewegung der kleinen Füße hell erklirrten.«

»Arthur, schwarzes Haar, einen schwarzen, vollen Bart, schlanke Gestalt, schwarzes Auge«, sagte die Tänzerin vor sich hin, als ob sie in ihrem Gedächtnis nach einem Bekannten suchte, auf den diese Beschreibung passte. Sinnend blickte sie mit ihren großen, lebendigen Augen einen Moment an die Decke des Zimmers, dann wandte sie sich plötzlich wieder zu der Zofe: »Sally, du stehst seit einem Jahr in meinem Dienst – entsinnst du dich, dass dir dieser schöne, junge Mann je unter die Augen gekommen ist?«

»Nie!«, antwortete Sally, indem sie bekräftigend die rechte Hand auf ihre Brust legte.

»Wahrhaftig?«

»Bei der Ehre, die mir zuteilwurde, als ich in Ihre Dienste trat!«

»Hast du ihn je in London gesehen?«

»Nein!«

»In Paris?«

»Nein!«

»In New York?«

»Nein!«

»Wofür hältst du ihn?«

»Er spricht ein gutes Englisch.«

»Etwas Gewöhnliches in Amerika. Meine beste Sally, sage dem jungen Herrn, dass ich nicht zu Hause sei.«

»Wie, Miss Arabella, ich soll ihn abweisen?«, wandte die Zofe ein.

»Geh!«, befahl die Tänzerin, indem sie sich rasch erhob und mit einem Sprung in der Mitte des Zimmers stand. Djali führte fast im selben Moment dieselbe Bewegung aus.

Arabella hatte das letzte Wort in einem so entscheidenden Ton gesprochen, dass Sally, die noch Lust hatte, die Sache des fremden jungen Mannes weiter fortzuführen, sich veranlasst fühlte, das Zimmer zu verlassen und den ihr zugefallenen unangenehmen Auftrag auszuführen. Als die Tür sich geschlossen hatte, erhob die Tänzerin beide Hände, stellte sich so auf die Fußspitzen, dass ihr ganzer Körper vom Kopf bis zu den Zehen eine senkrechte Linie bildete, wodurch sich ihre Länge fast um ein Drittel vermehrte, und schnalzte, indem sie sich langsam wie eine im Boden angebrachte Welle drehte, mit ihren kleinen, zarten Fingern. Djali, die weiße Ziege, verließ mit den Vorderfüßen den Boden, stellte sich ebenfalls schnurgerade auf ihre Hinterfüße und begann, indem sie trippelnd der kreisenden Bewegung folgte, die linke emporgehobene Hand ihrer Gebieterin nicht ohne Grazie zu lecken. Nachdem dieses Spiel wohl eine halbe Minute gewährt hatte, wurde Arabella plötzlich wieder so klein wie zuvor; sie trat auf die Fußsohlen zurück. Jetzt aber beugte sie sich mit einer nur den Tänzerinnen ersten Ranges eigenen Grazie und Elastizität nach vorn, wobei sie auf dem rechten Fuß stand und den linken mit künstlerischer Vollendung emporhob, schloss mit beiden Händen, die sich mit den Fingerspitzen berührten, einen Kreis und rief mit fast kindischer Freude: »Djali!«

Djali nahm einen kurzen Anlauf und sprang mit weit ausgestreckten Füßen, wie ein englischer Wettrenner, durch den Kreis, den die Hände der Gebieterin bildeten. Brava, brava!«, rief Arabella entzückt über den meisterhaft ausgeführten Sprung, eilte zum Tisch, ergriff ein großes Stück Zuckerbrot, setzte sich aufs Sofa und begann das Brot in kleinen Stücken der Ziege zu füttern, die sich gemächlich wieder auf ihren Teppich gelegt hatte. Jeden Bissen begleitete eine Liebkosung, die Arabella mit so süßer Stimme sprach wie eine zärtliche Mutter zu ihrem kleinen Kind.

Doch kaum hatte Djali die Hälfte ihres errungenen Lohnes genossen, als die Tür sich öffnete und das Kammermädchen wieder erschien.

»Nun, Sally, bist du denn schon wieder da«, rief Arabella in einem Ton, der ernst und streng sein sollte, aber deutlich die verfehlte Absicht verriet.

»Leider bin ich wieder da«, antwortete die Zofe mit einer erkünstelten Traurigkeit; »aber verzeihen Sie meine Kühnheit, ich kann nicht anders. Mister Arthur will sich nicht entfernen.«

»Wie, der Fremde will nicht gehen?«

»Nein. Er sagte, er wisse nur zu gut, dass es nicht Ihre Gewohnheit wäre, am frühen Morgen auszugehen.«

»Allerdings, ich pflege aber am Morgen nur meine Freunde zu empfangen!«

»Auch das muss er wissen«, antwortete Sally, »denn er sagte, er sei einer Ihrer besten Freunde und wärmsten Verehrer.«

»Wie, einer meiner Freunde und Verehrer? Das ist nicht möglich, denn ich habe ja kaum den Fuß an Land gesetzt. Die Sache wird interessant. Sally, du stellst meine Neugierde auf eine harte Probe! Weigerte er sich immer noch, seinen vollständigen Namen zu nennen?«

»Er weigerte sich immer noch«, entgegnete Sally und hielt ihrer Gebieterin ein rotes Maroquinkästchen in Form eines großen Talers entgegen. »›Geben Sie dies der liebenswürdigen Arabella‹, fügte er lächelnd hinzu, ›und sie wird wissen, wer ich bin.‹«

»An Arabella, sagte er?«

»An Arabella, sagte er!«

»Seltsam!«, lispelte die Tänzerin, drückte an dem goldenen Schloss des Kästchens und öffnete mit großer Neugierde dessen Deckel. Sally stand ihr zur Seite und folgte, nicht minder neugierig, der Bewegung der Finger, die das Kästchen erschlossen.

»Himmel«, rief die Zofe plötzlich, »Ihr Porträt! Ach, und wie ähnlich! Sehen Sie, wie der weiße Schleier um Ihre dunklen Locken weht! Reizend, reizend!«

»Mein Porträt«, flüsterte Arabella erstaunt und forschte noch einmal mit sichtlicher Anstrengung in ihrem Gedächtnis, »mein Porträt! Seltsam – wer kann der junge Mann sein?«

»Um dies zu erfahren, werde ich ihn eintreten lassen«, sagte die Zofe mit einem verschmitzten Blick.

»Und hier in New Orleans, in der Neuen Welt!«

»Vielleicht ist er Ihnen nachgereist.«

»Sally!«

»Und eine solche Aufopferung durch Verweigerung eines Besuches zu lohnen …«

»Sally!«, wiederholte die Tänzerin.

»Soll ich?«, fragte die Zofe lächelnd und machte Miene, sich zu entfernen.

»Halt, noch einen Augenblick! Wenn ich bedenke, dass sich derselbe Fall vor einem Jahr in Paris ereignet hat …!«

»Das war in Paris, Miss Arabella, und jetzt sind wir in New Orleans. Bedenken Sie nur die Reise!«

»Nun«, sagte die Tänzerin nach einer Pause, »ich will ihn empfangen.«

Sally ließ sich das nicht zweimal sagen – wie ein Reh schlüpfte sie durch die Tür und verschwand. Arabella rückte einen Sessel neben das Sofa und ließ sich dann auf dem weichen Polster nieder. Sinnend stützte sie das Haupt in die hohle Hand und lauschte. Djali, die noch immer auf dem Teppich lag, sah mit verlangenden Blicken zu ihrer Gebieterin auf, deren spendende Hand sich so plötzlich geschlossen hatte. Unwillig über das schwache oder widerspenstige Gedächtnis, ergriff sie den Rest des Zuckerbrotes und warf ihn auf den Teppich. Djali, die Bequemlichkeit liebte, streckte langsam den einen ihrer Vorderfüße aus und holte das ihr Zugeworfene so nahe heran, dass sie es, ohne ihre Lage zu verändern, gemächlich genießen konnte.

Plötzlich entstand ein Geräusch im Vorzimmer. Arabellas Aufmerksamkeit verdoppelte sich und sie hörte deutlich die harten Schritte eines Mannes, von Sporenklang begleitet. Gleich darauf öffnete sich die Tür und der junge Mann mit den schwarzen Augen, dem schwarzen Bart, den weißen Zähnen, dem grünen Frack und weißen Beinkleidern erschien auf der Schwelle. Wie festgebannt blieb er stehen und sah die erstaunte Bajadere einen Augenblick lächelnd an.

»Arabella!«, rief er endlich. »Hat der Ozean, der Sie von Europa trennt, einen Festungsgraben um Sie gezogen, der mir den Zutritt zu Ihnen verwehrt?«

»Arthur«, rief die Tänzerin überrascht, »Sie in New Orleans? Und wie verändert«, fügte sie hinzu, indem sie ihm die Hand reichte, »nur der Klang Ihrer Stimme ist derselbe geblieben!«

»Nicht nur die Stimme«, entgegnete Arthur und küsste zärtlich die dargereichte weiche Hand, »sondern auch das Herz, in dem bei Ihnen freilich eine kleine Veränderung vorgegangen zu sein scheint.«

Arabella sah den jungen Mann mit einem bedeutungsvollen Blick an, ohne ein Wort zu entgegnen.

»Habe ich recht?«, fragte Arthur, indem er einen zweiten Kuss auf die Hand drückte, die er immer noch in der seinen hielt.

»Wie konnte ich vermuten, Sie in Louisiana anzutreffen? Sie ließen sich unter dem einfachen Namen Arthur melden, und, bei Gott, ich kenne der Arthurs so viele …«

»… dass Sie mich mit allen Arthurs der Erde vermischten«, fiel der junge Mann ihr rasch ins Wort.

»Sally«, wandte sich Arabella rasch zu der Zofe, »ich erwarte zwar keinen Besuch, solange aber Sir Arthur bei mir ist, trage Sorge, dass ich ungestört bleibe.«

Sally entfernte sich, nachdem sie durch eine zierliche Verbeugung ihren Gehorsam bekundet hatte.

Die beiden jungen Leute ließen sich nieder: Arabella auf dem Sofa, Arthur auf dem Sessel.