Die Briefe der Apostel Judas, Jakobus und Johannes - Johannes Calvin - E-Book

Die Briefe der Apostel Judas, Jakobus und Johannes E-Book

Johannes Calvin

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Beschreibung

Johannes Calvin (10. Juli 1509 - 27. Mai 1564) war ein französischer Theologe, Pfarrer, Reformator und eine der Hauptfiguren bei der Entwicklung des Systems der christlichen Theologie, das später Calvinismus genannt wurde, einschließlich der Lehren von der Prädestination und der absoluten Souveränität Gottes bei der Rettung der menschlichen Seele vor Tod und ewiger Verdammnis. Die calvinistischen Lehren wurden von der augustinischen und anderen christlichen Traditionen beeinflusst und weiterentwickelt. Verschiedene kongregationalistische, reformierte und presbyterianische Kirchen, die sich auf Calvin als Hauptvertreter ihrer Überzeugungen berufen, haben sich über die ganze Welt verbreitet. Calvin war ein unermüdlicher Polemiker und apologetischer Schriftsteller, der viele Kontroversen auslöste. Mit vielen Reformatoren, darunter Philipp Melanchthon und Heinrich Bullinger, tauschte er freundschaftliche und tröstende Briefe aus. Neben seiner bahnbrechenden "Unterweisung in der christlichen Religion" schrieb er Bekenntnisschriften, verschiedene andere theologische Abhandlungen und Kommentare zu den meisten Büchern der Bibel. In diesem vorliegenden Werk befasst er sich mit den Briefen der Apostel Judas, Jakobus und Johannes.

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Die Briefe der ApostelJudas, Jakobus und Johannes

 

JOHANNES CALVIN

 

 

 

 

 

 

 

Die Briefe der Apostel Judas, Jakobus und Johannes, J. Calvin

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849662653

 

Der Originaltext dieses Werkes entstammt dem Online-Repositorium www.glaubensstimme.de, die diesen und weitere gemeinfreie Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Wir danken den Machern für diese Arbeit und die Erlaubnis, diese Texte frei zu nutzen. Diese Ausgabe folgt den Originaltexten und der jeweils bei Erscheinen gültigen Rechtschreibung und wurde nicht überarbeitet.

 

Cover Design: 27310 Oudenaarde Sint-Walburgakerk 89 von Paul M.R. Maeyaert - 2011 - PMR Maeyaert, Belgium - CC BY-SA.

https://www.europeana.eu/de/item/2058612/PMRMaeyaert_56377d4ed8dd1c3e798b283c12b0bb788cc7aff7

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Der Brief des Apostels Judas.1

Einleitung.1

Der Brief des Apostels Jakobus14

Einleitung.14

Kapitel 1.16

Kapitel 2.31

Kapitel 3.43

Kapitel 4.50

Kapitel 5.59

Der erste Brief des Apostels Johannes. 72

Einleitung.72

Kapitel 1.73

Kapitel 2.82

Kapitel 3.104

Kapitel 4.122

Kapitel 5.136

Der Brief des Apostels Judas.

Einleitung.

Auch über diesen Brief stritten unter den Alten gegensätzliche Meinungen. Doch ist er nützlich zu lesen und enthält nichts, was der reinen Lehre der Apostel widerspricht. Da er ferner schon vor alters bei den Besten in Ansehen stand, so reihe ich ihn den übrigen Briefen gern an. Er ist so kurz, dass es einer langen Inhaltsangabe nicht bedarf; sachlich stimmt er fast ganz mit dem 2. Kapitel des zweiten Petrusbriefes überein. Unter christlichem Schein hatten sich gottlose und nichtswürdige Menschen eingeschlichen, welchen es das größte Vergnügen war, unbeständige, schwache Gemüter zu ruchloser Verachtung Gottes zu verführen. Judas zeigt nun, dass die Gläubigen von solchen Listen, welchen die Kirche von jeher ausgesetzt gewesen sei, sich nicht erschüttern lassen dürfen. Zugleich mahnt er, sich vor derartigen Verderbern fleißig zu hüten. Um Hass und Abscheu gegen sie noch zu steigern, kündigt er mit Ernst die nahe Strafe Gottes an, wie ihre Gottlosigkeit sie verdient. Wenn wir bedenken, wie der Satan auch in unseren Tagen vom Beginn der Reformation an aufgetreten ist, mit welchen Künsten er Glauben und Gottesfurcht zu zerstören trachtet, so wird die Mahnung des Judas, die er für seine Zeit für nützlich hielt, für die unsere erst recht nötig sein. Doch das alles werden wir im Briefe selbst besser lesen.

Judas.

V. 1. Judas, ein Knecht Jesu Christi. Einen Knecht Christi nennt er sich, nicht wie dieser Name allen Frommen insgemein zusteht, sondern in Rücksicht auf sein Apostelamt. Denn in besonderem Sinne heißen nur die, welchen Christus ein öffentliches Amt aufgetragen hat, seine Knechte. Die Apostel aber hatten ihre bestimmte Absicht, wenn sie sich mit diesem Titel zu schmücken pflegten. Wer nicht berufen ist, maßt sich zu Unrecht die Befugnis an, Lehrer zu sein; den Aposteln dient daher ihre Berufung zum Zeugnis, dass sie nicht aus selbstischer Willkür sich eindrängen. Ihre Einsetzung in das Amt würde freilich an sich auch noch nicht genügen, wenn sie in demselben nicht zugleich Treue bewährten. Wer sich als Knecht Gottes rühmt, hat zweifellos beides im Auge: dass Gott ihn an die Stelle, die er bekleidet, gestellt hat, und dass er, was ihm aufgetragen ist, mit redlichem Eifer ausführt. Da jedoch ein solcher Anspruch eine Lüge ist in dem Munde vieler, die fälschlich etwas sein wollen, von dem sie soweit wie möglich entfernt sind, so ist stets darauf zu sehen, ob auch die Tat zu ihrem Vorgehen passt.

Ein Bruder des Jakobus. Judas beruft sich auf einen Namen, der in den Gemeinden mehr als der seine berühmt und bekannt war. Denn wenn auch Glaubwürdigkeit und Ansehen der Lehre von keinem Menschen abhängen, so ist es doch für den Glauben eine große Hilfe, wenn wir die Unbescholtenheit dessen kennen, der unser Lehrer geworden ist. Dazu ist das Ansehen des Jakobus nicht das irgendeiner Privatperson, sondern er galt in allen Gemeinden als einer der hervorragendsten Apostel Christi. Dieser Jakobus war nämlich ein Sohn des Alphäus, wie ich an anderer Stelle ausgeführt habe (vgl. die Einleitung zum Jakobusbrief).

Den Berufenen, die da geheiligt sind usw. Berufene heißen alle Gläubigen, weil der Herr sie sich abgesondert hat. Da aber die Berufung nichts anderes als die Wirkung der ewigen Gnadenwahl ist, so wird auch sie bisweilen unter diesem Wort verstanden. In unserer Stelle kommt wenig darauf an, in welchem Sinne man es auslegt. Denn es deutet in jedem Falle auf die Gnade Gottes hin, durch die er die Berufenen würdigt, sie zu seinem Eigentum zu bestimmen. Wir sehen, dass die Menschen dem Herrn nicht zuvorkommen und niemals zu ihm in Beziehung treten, wenn er sie nicht zieht. Dass die Berufenen in Gott, dem Vater, geheiligt sind, will besagen, dass sie durch ihn geheiligt werden. Ich habe jedoch die eigentliche Ausdrucksweise beibehalten, damit der Leser selber urteilen kann. Es kann nämlich auch der Sinn sein: wie unrein sie in sich selbst sind, in Gott haben sie Heiligkeit. Die Heiligung aber geschieht, indem er uns durch seinen Geist erneuert. Nach einer anderen Lesart, die mir jedoch hart und verderbt vorkommt, lautet der Text: „Die da geliebt sind in Gott, dem Vater.“ Es wird noch hinzugefügt: „und bewahrt in Jesu Christo“. Wir wären nämlich beständig durch den Satan in der Gefahr des Todes, er würde uns in jedem Augenblick hundertmal als gelegene Beute rauben, wenn wir nicht unter Christi Schirmen sicher wären. Ihn hat der Vater uns zum Hüter gegeben, damit von dem, was er in seine treue Obhut genommen hat, nichts verloren gehe. Eine dreifache Wohltat Gottes stellt also Judas uns hier vor Augen: er hat alle Frommen durch seine Berufung des Evangeliums teilhaftig gemacht; er hat sie durch seinen Geist zu einem neuen Leben wiedergeboren und sie durch Christi Hand bewahrt, dass sie nicht aus der Gnade fallen.

V. 2. Gott gebe euch viel (genauer: immer mehr) Barmherzigkeit. Dies Wort bedeutet ungefähr dasselbe wie „Gnade“ in den Grußformeln des Paulus. Wenn einer einen feinen Unterschied finden will, so ist die Gnade eigentlich die Wirkung der Barmherzigkeit. Denn nur deshalb nimmt Gott uns zu Gnaden an, weil er unser Elend ansieht. Die Liebe kann im Sinne der göttlichen Liebe, wie der Bruderliebe, verstanden werden. Wenn man sie auf Gott bezieht, wird der Sinn sein, dass in den Herzen der Leser das Vertrauen auf die Gnade Gottes wachsen und von Tag zu Tag befestigt werden möge. Doch passt auch der andere Sinn nicht schlecht, dass Gott in ihnen die brüderliche Liebe zueinander anfeuern und bekräftigen möge.

V. 3. Nachdem ich angelegentlich vorhatte usw. Viele Ausleger verstehen diesen Satz so, als habe ein heftiger Drang den Judas zum Schreiben getrieben. Wie wir von jemand, der etwas glühend wünscht, zu sagen pflegen, er habe sich nicht mehr halten können. Nach dieser Auffassung lag demnach die Notwendigkeit, von der Judas spricht, darin, dass sein Begehren, zu schreiben, ihn nicht schweigen ließ. Ich möchte jedoch beides lieber trennen: während er ohnehin ziemlich geneigt und zum Schreiben gern bereit war, so hat ihn außerdem die Not dazu gezwungen. Er will also sagen, es sei ihm zwar an sich schon lieb, an sie zu schreiben, aber es dränge ihn auch die Not, dies zu tun: nämlich seine Leser wurden, wie es im Text weiter heißt, von Gottlosen bestürmt und mussten zum Kampf angeleitet werden. An erster Stelle bezeugt demnach Judas, ihr Heil liege ihm so sehr am Herzen, dass er selbst angelegentlich gewünscht habe, ihnen zu schreiben. Zweitens sagt er, um ihre Aufmerksamkeit anzuregen: zugleich habe es die Sachlage gefordert. Denn die Not stachelt behände auf. Ohne vorher erinnert zu sein, wie sehr die Mahnung not tat, konnten sie beim Lesen faul und träge sein. Nun er aber darauf hinweist, dass er um einer dringenden Not seiner Leser willen schreibe, ist es, als ob er ins Horn stieße, um alle Erschlaffung zu verjagen.

Von unser aller Heil. In einigen Handschriften heißt es „euer Heil“, aber, wie ich meine, zu Unrecht; denn der Apostel will sein Heil mit dem seiner Leser auf eine Linie stellen. Wenn jemand aus eigener Kenntnis und Erfahrung spricht, so gibt das der vorzutragenden Lehre nicht wenig Gewicht. Dagegen bleibt die Rede ohne Eindruck, wenn wir vor anderen von einem Heil sprechen, an welchem wir selbst keinen Anteil haben. Judas beweist sich also, dass ich so sage, als praktischer Lehrer, indem er bekennt, mit den Frommen auf dasselbe Heil angewiesen zu sein.

Euch zu ermahnen, dass ihr ob dem Glauben kämpft usw. Sie sollen also alles tun, um ihren Glauben zu bewahren und den Angriffen des Satans tapfer widerstehen. Um im Glauben fest zu bleiben, gilt es, in mannigfachem Streit durchzuhalten und einen beständigen Kampf zu bestehen. Judas sagt von dem Glauben, er sei einmal übergeben, damit sie wissen, dass sie ihn unter der Bedingung überkommen haben, niemals schwach zu werden und abzufallen.

V. 4. Neben eingeschlichen. Wenn auch der Satan den Frommen zu allen Zeiten Feind ist und sie nie zu versuchen aufhört, so spricht doch Judas von einer augenblicklichen Gefahr für seine Leser. Jetzt gerade, sagt er, greift euch der Satan an und versucht euch; daher müsst ihr die Waffen ergreifen und Widerstand leisten. Wir lernen daraus, dass ein rechter und treuer Hirt klüglich nach dem ausschauen muss, was die augenblickliche Lage seiner Gemeinde fordert, um darnach seine Lehre einzurichten. Das Wort „neben eingeschlichen“ bezeichnet ein geheimes, verstohlenes Eindringen, durch das die Diener des Satans Unvorsichtige betören. Nachts, wenn der Ackersmann schläft, streut der Satan seinen Unkrautsamen, um die reine Saat des Herrn zu verderben. Zugleich deutet Judas an, dass das Übel aus dem eigenen Schoß der Gemeinde kommt. Denn Satans List weiß gerade solche, die von der Herde sind, zum Bösen aufzureizen, so dass sie umso leichter sich einschleichen.

Von denen vor Zeiten geschrieben ist solches Urteil. Urteil bezeichnet das Verwerfungsurteil Gottes oder den verworfenen Sinn, durch den sie zur Zerstörung frommer Lehre getrieben werden: denn derartiges kann einer nur tun, wenn er selbst verloren ist. Das Bild des Schreibens stammt daher, weil der ewige Ratschluss Gottes, durch den die Gläubigen zum Heil bestimmt sind, ein Buch genannt wird. Wenn aber die Gläubigen von dem ewigen Tode hören, dem jene geweiht sind, so dient es ihnen zur Warnung, sich nicht in das gleiche Verderben zu verstricken. Doch wollte Judas zugleich der Gefahr begegnen, dass die Neuheit der Sache jemand verwirrte oder erschütterte. Denn wenn die Verführer schon vor Zeiten beschrieben sind, so folgt, dass die Gemeinde nur nach dem bestimmten Ratschluss Gottes geprüft wird.

Ziehen die Gnade auf Mutwillen. Nunmehr werden die verderblichen Menschen genauer beschrieben. Sie haben die Gnade des Herrn missbraucht, um sich und andere in unreine, unheilige Freiheit des Sündenlebens zu stürzen, - während doch die Gnade Gottes zu einem ganz anderen Zwecke erschienen ist, nämlich, dass wir alle Gottlosigkeit und irdische Begierden ablegen und züchtig, gerecht und gottselig in dieser Welt leben. Nichts Verderblicheres gibt es demnach als Menschen, welche die Gnade Christi zum Vorwand unsittlicher Ausschreitungen machen. Dies Verbrechen aber werfen uns die Papisten vor, weil wir allein auf die Barmherzigkeit Gottes das Heil begründen. Doch wozu brauchen wir ihre unverschämte Anklage mit Worten zu widerlegen, da wir überall auf Buße, Gottesfurcht und Erneuerung des Lebens dringen, während sie selbst nicht nur mit dem schlechtesten Beispiel die ganze Welt verderben, sondern durch ihre gottlose Lehre wahre Heiligung und reinen Gottesdienst gänzlich unmöglich machen? Eher, glaube ich übrigens, ähneln die Menschen, von denen Judas spricht, den Libertinern oder Freigeistern unserer Tage, wie aus dem Folgenden deutlicher werden wird.

Verleugnen Gott und unsern Herrn Jesum Christ. Christus verleugnen die, welche durch sein Blut erlöst sind, aber dem Satan sich wieder in die Arme werfen und Christi unvergleichliches Lösegeld wertlos machen, soweit das ihnen liegt. Soll daher Christus uns als sein Eigentum behalten, so muss uns vor Augen stehen, dass er für uns gestorben und auferstanden ist, um im Leben und im Sterben unser Herr zu sein.

V. 5. Ich will euch erinnern. So schreibt Judas entweder aus Bescheidenheit, damit es nicht scheine, als müsse er seine Leser in ihrer Unwissenheit über ganz unbekannte Dinge unterrichten. Oder – was ich für richtiger halte – dass er nichts Neues oder Unerhörtes vorbringe, sagt er um des größeren Eindrucks willen, damit sein Zeugnis desto mehr Vertrauen und Ansehen finde. Ich rufe euch, mahnt er, nur ins Gedächtnis zurück, was ihr schon einmal gelernt habt. Wenn er ihnen aber ein Wissen zuschreibt, um sie aufmerksam zu machen, so setzt er doch voraus, dass die Mühe, die er sich mit ihnen gibt, nicht unveranlasst sei, dass sie vielmehr seine Mahnungen nötig haben. Denn das Wort Gottes will uns nicht nur vorher Unbekanntes lehren, sondern uns auch antreiben, über das, was wir schon gelernt haben, ernstlich nachzudenken; es will uns nicht in oberflächlicher Kenntnis erstarren lassen. Kurzum, wenn wir von Gott berufen sind, sollen wir nicht sorglos auf seiner Gnade ausruhen, vielmehr mit Eifer in seiner Furcht wandeln, denn wer durch Lässigkeit Gottes spottet, dessen Verachtung seiner Gnade wird nicht ungestraft bleiben. Drei Beispiele führt Judas dafür an. Zuerst erwähnt er die Strafe, welche Gott an den Ungläubigen nahm, die er durch seinen mächtigen Arm aus Ägypten erlöst und zu seinem Volk gemacht hatte. Es ist dasselbe Beispiel, von dem wir bei Paulus 1. Kor. 10 lesen. Sie, die Gott mit höchster Gnade begabt, die er zu gleicher Ehre erhöht hatte, deren er uns heute würdigt, hat er hernach schwer bestraft. Also: der Gnade Gottes rühmt sich vergeblich, wer nicht seiner Berufung gemäß wandelt. Die Bezeichnung „Volk“ steht im ehrenden Sinne für heiliges und erwähltes Volk, als wenn Judas sagte, es habe ihnen nichts genützt, dass sie in das einzigartige Bundesverhältnis aufgenommen waren. Indem er aber sagt, dass sie nicht glaubten, deckt er die Quelle aller Übel auf. Denn was auch für Sünden Mose von ihnen erwähnt, sie stammten daher, weil sie sich vom Worte Gottes nicht regieren ließen. Denn wo Glaubensgehorsam ist, da muss zugleich in allen Angelegenheiten des Lebens die Unterwerfung unter Gott sich bewähren.

V. 6. Auch die Engel usw. Hier schließt der Apostel vom Großen aufs Kleine. Denn der Stand der Engel ist über den unseren erhaben, und dennoch gab Gott nach ihrem Abfall ein schreckliches Beispiel des Gerichts. Umso weniger wird er unsere Treulosigkeit verzeihen, wenn wir von der Gnade, in die er uns berufen hat, abgefallen sind. Darum sollte uns die Strafe, welche die Bewohner des Himmels, so ausgezeichnete Diener Gottes, traf, stets vor Augen stehen, damit wir niemals in Verachtung der Gnade Gottes verfallen, worauf jäher Sturz ins Verderben folgen müsste. Das griechische Wort, welches wir mit „Fürstentum“ wiedergeben, könnte auch „Ursprung“ heißen. In jedem Fall haben die Engel deshalb Strafe erlitten, weil sie unter Missachtung der Güte Gottes ihrem ursprünglichen Berufe untreu wurden. Die Erklärung folgt in den Worten: sie verließen ihre Behausung. Denn gerade wie Deserteure unter den Soldaten sind sie von dem Posten, auf den sie gestellt waren, entwichen. Wie furchtbar aber war die Strafe, die der Apostel schildert! Sie waren freie Geister, ja sie hatten eine himmlische Herrschaft; jetzt sind sie für ewig von Banden gefesselt. Es leuchtete ihnen das herrliche Licht Gottes, ja sein Glanz erfüllte sie so, dass sie ihn wie Strahlen in die weite Welt ausströmen ließen; jetzt dagegen sind sie ins Dunkel versenkt. Indes sollen wir nicht nach dem Orte suchen, wo die Teufel gefangen sind. Der Apostel wollte uns nur lehren, wie jämmerlich ihre Lage ist, seitdem sie durch ihren Abfall sich ihrer Würde beraubt haben. Denn wohin sie auch eilen, sie nehmen ihre Bande mit und bleiben in ihre Finsternis gehüllt. Mittlerweile ist ihr letztes Gericht bis auf den jüngsten Tag verschoben.

V. 7. Wie Sodom und Gomorra. Dieses Beispiel ist von allgemeinster Bedeutung; denn es zeigt, dass Gott ohne Unterschied, ohne irgendeine Klasse von Menschen auszunehmen, alle Gottlosen richtet. Judas selbst merkt später an, der Brand, welcher die fünf Städte vernichtete, sei ein Vorbild des ewigen Feuers. Gott hat durch jene Tat eine außerordentliche Warnung aufgestellt, um die Menschen bis zum Ende der Welt in Furcht zu halten. Daher wird ihrer so oft in der Schrift gedacht. Wo immer die Propheten ein denkwürdiges oder schreckliches Gericht Gottes schildern, da malen sie es unter dem Bilde eines Feuerregens und spielen auf den Untergang von Sodom und Gomorra an. Darum hält Judas nicht ohne Grund einen derartigen Spiegel vor; er will für alle Zeiten Schrecken einflößen. Wenn er sagt, die umliegenden Städte hätten gleichweise wie diese gehurt, so beziehe ich das „wie diese“ nicht auf die Israeliten und die Engel, sondern auf Sodom und Gomorra, genauer auf ihre Bewohner. Dass sie nach einem anderen Fleisch gegangen sind, soll heißen, dass sie in die schändlichsten Lüste versanken. Denn wir wissen, dass die Sodomiter, die gewöhnlicher Hurerei nicht zufrieden, sich mit noch verwerflicherer, mit unnatürlicher Schande befleckt haben. Zu beachten ist, dass Judas sie dem ewigen Feuer zuspricht; also sollte das entsetzliche Schauspiel, welches Mose beschreibt, nur ein Abbild einer noch schwereren Strafe sein.

V. 8. Desselbigen gleichen sind auch usw. Der Vergleich ist nicht zu sehr zu pressen, als wenn Judas in allen Stücken die, von welchen er spricht, mit den Sodomitern oder den gefallenen Engeln oder dem ungläubigen Volk auf eine Stufe stellen wollte. Er will sie nur als Gefäße des Zorns bezeichnen, welche zum Untergang bestimmt sind; sie würden der Hand Gottes nicht entfliehen, ohne dass er auch sie einmal seine Rache fühlen lässt. Judas hat dabei die Absicht, die Frommen, an welche er schreibt, abzuschrecken, damit sie sich nicht mit jenen Menschen in ein gleiches Los verwickeln. An dieser Stelle beginnt er ferner, die Betrüger deutlicher zu beschreiben. Zuerst sagt er, sie befleckten wie Träumer ihr Fleisch. Damit drückt er ihre niedrige Schamlosigkeit aus, als wollte er sagen: sie geben sich zu jeder Art von Schande hin, vor der selbst Verbrecher zurückschrecken, wenn nicht träumerische Schläfrigkeit ihnen Scham und allen Verstand raubt. Es ist also ein bildlicher Ausdruck, der besagen will, sie seien so abgestumpft, dass sie ohne jede Scheu aller Schlechtigkeit sich preisgeben. Beachtenswert aber ist der Gegensatz, dass sie das Fleisch beflecken, also etwas weniger Wertvolles entehren, und doch zugleich die Majestäten lästern, also was im Menschengeschlecht am höchsten steht, als etwas Schmähliches verachten. Aus dieser Wendung erhellt, dass es aufrührerische Menschen waren, welche der Anarchie zustrebten, um ohne Furcht vor den Gesetzen desto freier sündigen zu können. Dies beides ist freilich fast immer beieinander: alle, die zum Frevel geneigt sind, möchten zugleich jede Ordnung abgeschafft sehen. Obgleich ihr Ziel war, zügellos Ausschreitungen zu begehen, so wird aus den Worten des Judas doch deutlich, dass sie frech und schimpflich über die Obrigkeiten zu reden pflegten. Genauso machen es heute Fanatiker; nicht nur knirschen sie gegen die Macht der Obrigkeit, die sie im Zaum hält, sondern sie schreien wild wider alle Staatsordnung: das Recht des Schwertes sei wider Gott und wider die Frömmigkeit; hochmütig verbannen sie Könige und obrigkeitliche Personen aus der Kirche Gottes. „Majestäten“ nennt Judas alle hervorragenden Stände und Ordnungen, denen Ehre gebührt.

V. 9. Michael aber, der Erzengel usw. Dass die Engel, die weit höher stehen als die Menschen, doch nicht wagen, ein ehrenrühriges Urteil zu fällen, berührt Petrus (2. Petr. 2, 11) nur kurz und obenhin. Man hat angenommen, dass die Geschichte einem apokryphen Buche (der „Himmelfahrt des Mose“) entnommen sei, und hat daher unserem Briefe weniger Gewicht beigelegt. Aber da die Juden so viele Überlieferungen von ihren Vätern hatten, würde ich es nicht für verkehrt halten, den Bericht des Judas auf mündliche Überlieferung von vielen Jahrhunderten her zurückzuführen. Gewiss sind unter diesem Vorwand viele Torheiten in Aufnahme gekommen, wie denn heute die Papisten für alle möglichen abgeschmackten Träume der Mönche sich auf die mündliche Überlieferung berufen. Dennoch hindert dies nicht, dass wirklich einige ungeschriebene Berichte vorhanden waren. Soviel steht außer Zweifel, dass Mose vom Herrn begraben wurde, das heißt, dass sein Grab nach bestimmter Absicht Gottes verborgen war. Der Grund für das Verbergen des Grabes aber ist ebenso klar: die Juden sollten mit seinem Leichnam keinen Aberglauben treiben. Wenn aber Gott des Propheten Leichnam verbarg, was Wunder, dass Satan ihn ans Licht zu zerren versuchte? Dem widerstanden die Engel, die stets zum Dienste Gottes bereit sind. Jedenfalls sehen wir den Satan zu allen Zeiten sich bemühen, den törichten Menschen die Leiber der Knechte Gottes immer wieder zu Götzenbildern werden zu lassen. Darum darf um dieses Zuges willen, wenn er auch in der Schrift sich nicht findet, unser Brief noch nicht verdächtigt werden. Wenn Michael im Streit wider den Satan allein auftritt, so ist das nichts Besonderes. Wohl stehen Gott stets unzählige Engel zur Verfügung; aber er gebraucht für bestimmte Aufträge diesen oder jenen, je nach seiner Auswahl. Das Wort des Michael, das Judas berichtet, lesen wir auch bei Sacharja (3, 2): „Der Herr schelte dich, oder schlage dich, Satan!“ Wir haben da wieder einen Vergleich vom Großen zum Kleinen, wie man es nennt. Michael wagte dem Satan, der doch verworfen und verdammt ist, nichts Schlimmeres anzudrohen, als dass er ihn dem Zorne Gottes überwies; die Verführer in unserem Briefe dagegen scheuen sich nicht, Gewalten, welche Gott mit sonderlicher Ehre schmückt, die heftigsten Schimpfworte entgegenzuschleudern.

V. 10. Da sie nichts von wissen. Jene Menschen haben nur für das Rohe, ja Viehische Sinn und verstehen nicht, was wirklich der Ehre wert ist; dennoch besitzen sie die sinnlose Frechheit, alles zu verdammen, was ihre Fassung übersteigt. Dazu leiden sie an dem entgegengesetzten Laster; wie das Vieh beachten sie nur das, was den Sinnen gefällt, und zeigen darin keine Zurückhaltung, sondern stürzen sich tief hinein, wie das Schwein sich im stinkenden Schmutz wälzt. Der Ausdruck „natürlich erkennen“, steht im Gegensatz zu Verstand und Urteil. Denn die unvernünftigen Tiere regiert allein der Instinkt der Natur; die Menschen aber soll der Verstand leiten und ihre Begierden zügeln.

V. 11. Weh ihnen usw. Es ist zu verwundern, dass Judas sie so hart anlässt, während er doch vorher sagte, dass dem Engel nicht einmal gegen den Satan ein beschimpfendes Urteil erlaubt gewesen sei. Aber damit wollte er keine allgemeine Regel aufstellen, sondern an dem Beispiel des Michael nur das eine zeigen, wie unerträglich die Wut der frechen Menschen sei, die mit Schmähungen herunterreißen, was Gott ehrt. Sicherlich hätte Michael den schärfsten Fluch gegen Satan schleudern dürfen; wir sehen ja, wie heftig die Propheten sich bisweilen gegen die Gottlosen erheben. Aber wenn Michael sich von der äußersten Strenge, obwohl sie erlaubt war, zurückhält, welch ein Wahnsinn ist es da, gegen Geschöpfe, die in Auszeichnung und Glanz stehen, kein Maß zu kennen? Was Judas übrigens über jene Menschen ausspricht, darin liegt nicht der Wunsch, dass das Unglück sie treffe, sondern er sagt ihnen nur voraus, was für ein Ende ihrer wartet. Und zwar tut er das, damit sie keinen Unvorsichtigen mit sich ins Verderben reißen. Er hält ihnen vor, sie seien auf dem Wege Kains, der in Undankbarkeit gegen Gott seine Verehrung durch Ruchlosigkeit und Frevel des Herzens verderbte und sich so um das Recht der Erstgeburt brachte. Wie einen Bileam habe sie der Lohn betrogen, dass sie fromme Lehre um schändlichen Gewinnes willen verkehrten. Doch das Bild, das Judas hier gebraucht, drückt noch etwas mehr aus. Er sagt, sie hätten sich ergossen, weil nämlich ihre Maßlosigkeit wie ein Wasserstrom sich hinstürzt. An dritter Stelle vergleicht er sie mit dem Aufruhr Korahs; denn sie verwirrten die gute Ordnung der Gemeinde.

V. 12. Bei euren Liebesmahlen Schandflecken. Liebesmahle (Agapen) nennt man die Mahlzeiten, welche die Gläubigen zur Bezeugung ihrer brüderlichen Einigkeit untereinander veranstalteten. Solche Festmahle, sagt Judas, würden von den unreinen Menschen, die hernach in Üppigkeit sich selber weiden, geschändet. Bei jenen Gelegenheiten ging es nämlich höchst einfach und mäßig zu. Man durfte daher diese Kumpane nicht zulassen, die sich hernach ihren gefräßigen Wanst anderswo füllten. Einige Handschriften haben: „die mit euch zusammen schmausen.“ Wenn man diese Lesart annimmt, wird der Sinn sein: jene Menschen seien nicht bloß ein Schandfleck, sondern lästig und beschwerlich, indem sie auf öffentliche Kosten der Gemeinde ihren Bauch unerschrocken vollstopften. Ein wenig anders drückt sich Petrus (2. Petr. 2, 13) aus, der da schreibt, sie schwelgten in ihrem Truge und schmausten zugleich mit der Herde der Gläubigen. Als wollte er sagen: unbesonnen handelt, wer so schädliche Schlangen groß zieht, doppelt töricht, wer ihre geile Begehrlichkeit noch pflegt. Möchte doch heute so mancher treffliche Mann mehr Urteil besitzen, der sich gegen Nichtswürdige allzu gütig zeigt und damit der ganzen Kirche schweren Schaden zufügt!

Wolken ohne Wasser. Die zwei Vergleiche, welche bei Petrus (2. Petr. 2, 17) stehen, zieht Judas in einen zusammen, doch mit dem gleichen Sinn. Beide Apostel wenden sich wider die eitle Prahlerei der Nichtswürdigen, die zwar viel verheißen, aber inwendig dürr und kraftlos sind, - Wolken, vom Winde gejagt, Hoffnung auf Regen machen, aber sofort in Nichts sich zerteilen. Petrus fügt noch den Vergleich mit einem trockenen, leeren Brunnen hinzu. Judas aber ergeht sich in der gleichen Meinung noch in anderen Bildern: sie seien kahle Bäume, wie im Herbst die Lebenskraft der Bäume herabsinkt; dann nennt er sie unfruchtbare Bäume, die zweimal erstorben und ausgewurzelt sind. Als wollte er sagen, innen sei kein Saft, möchten auch noch Blätter hervorkommen.

V. 13. Wilde Wellen des Meeres. In welchem Sinne dies hinzugefügt ist, wird besser aus den Worten des Petrus (2. Petr. 2, 12. 18) erschlossen, nämlich, dass sie, von Hochmut aufgeblasen, in großsprecherischem Stile bombastische Worte von sich geben oder vielmehr ausschäumen. Von geistlicher Gabe aber bringen sie gar nichts; vielmehr stürzen sie die Menschen bis in den Stumpfsinn unvernünftiger Tiere hinein. Die Schilderung passt, wie schon bemerkt wurde, auf unsere heutigen Fanatiker, welche sich Libertiner nennen. Man möchte meinen, sie trügen den Donner auf der Zunge; denn die gewöhnliche Rede verachtend, legen sie sich, wer weiß was für eine fremde Sprache bei. Sie scheinen ihre Jünger himmelhoch empor zu reißen, und plötzlich stürzen sie in tierische Irrtümer hinein. Sie erdichten nämlich einen Stand der Unschuld, in dem zwischen gemein und ehrbar kein Unterschied besteht; sie erdichten ein geistliches Leben, in dem Furcht ausgelöscht ist und jeder sich ohne Sorge gehen lässt; sie würden zu Göttern, da Gott die aus ihren Leibern wandernden Geister aufsauge. Umso größer sollte der Eifer und die Ehrfurcht sein, mit der wir der Einfalt der Schrift nachsinnen, damit wir nicht durch überscharfsinniges Spekulieren uns dem Himmel nähern, in Wahrheit aber in ein Labyrinth nach dem anderen uns verlieren. Darum nennt Judas sie irre Sterne, weil sie mit einem nichtigen Schein des Lichts die Augen blenden.

V. 14. Es hat aber auch von solchen geweissagt Henoch. Die Weissagung, welche Judas anführt, möchte ich lieber auf ungeschriebene Überlieferung zurückführen als auf das apokryphische Buch Henoch. Wenn aber einer anders denkt, so streite ich nicht; sowie auch über unseren Brief selbst, ob er von Judas oder irgendeinem anderen stamme.

Siehe, der Herr kommt mit vielen tausend Heiligen. Unter diesen Worten versteht Judas sowohl die Gläubigen als die Engel. Denn beide werden den Richterstuhl Christi schmücken, wenn er zum Gericht über den Erdkreis wiederkommen wird. Von Tausenden spricht er, wie auch Daniel (7, 10) die Unzahl der Engel hervorhebt. Die Kinder Gottes dürfen, damit die Menge der Gottlosen sie nicht wie das wilde Meer fortreißt, daran denken, dass der Herr auch die Seinen einmal sammeln wird, von denen ein Teil im Himmel wohnt und unseren Augen noch verborgen ist, ein anderer unter dem ungeheuren Haufen der Spreu noch nicht erkennbar ist. Die Strafe aber, welche den Verworfenen droht, soll die Auserwählten in Furcht und Sorge halten. Judas spricht von Taten und Worten, weil die Verführer nicht nur durch ein frevelhaftes Leben, sondern auch durch unreine und schlechte Worte sehr geschadet haben. Hart aber nennt er ihre Reden wegen ihres schroffen, verwegenen Stolzes, mit dem sie sich leichtfertig aufdrängen.

V. 16. Diese murmeln usw. In ihren schlechten Begierden lassen sie sich gehen und sind gleichzeitig schwierig und pedantisch, so dass ihnen niemand genugtut; immer haben sie zu murmeln und zu klagen, wie gütig die Rechtschaffenen sich auch für sie bemühen. Großsprecherei nennt es Judas, dass sie sich so stolz aufwerfen, aber zugleich zeigt er ihre unedle Art, indem sie sich um Gewinnes willen knechtisch demütigen. Solch ein ungleiches Verhalten kann man immer wieder bei derartigen Menschen beobachten. Wo niemand ist, der ihre Frechheit zurückweist, wo kein Respekt sie hindert, da ist ihr Übermut unerträglich; herrisch maßen sie sich alles an. Wen sie aber fürchten oder von wem sie Vorteil hoffen, dem schmeicheln sie in niedriger Weise.

V. 17. Ihr aber usw. Der uralten Weissagung reiht Judas jetzt die Mahnungen der Apostel an, welche noch frisch im Gedächtnis waren. Unter der letzten Zeit versteht er den Zeitraum, welcher mit der ersten Ankunft Christi begann und in dem die Gemeinde Gottes nach ihrer Neubegründung durch Christus eine feste Gestalt bis zum Ende der Welt annahm.

Spötter nennt er nach der Weise der Schrift alle, die, von gottloser, unheiliger Missachtung des Herrn trunken, zu tierischer Verachtung der Gottheit fortschreiten, so dass keine Scheu sie mehr zurückhält, weil keine Furcht vor dem zukünftigen Gericht, keine Hoffnung des ewigen Lebens in ihrer Seele lebt. So ist heute die Welt voll von epikureischen Verächtern Gottes, welche jede Ehrfurcht völlig von sich werfen und in ihrer Wut die ganze Lehre des Heils als eine Fabel bespötteln.

V. 19. Die da Rotten machen. Sie sondern sich ab von der Gemeinde, weil sie das Joch der Zucht nicht ertragen können, weil sie, dem Fleische zugeneigt, von einem geistlichen Leben nichts wissen wollen. Das Fleisch, oder eigentlich die Fleischesseele, steht hier im Gegensatz zu dem Geist, d. h. zu der erneuernden Gnade; es bezeichnet daher die sündliche Art der unwiedergeborenen Menschen. Denn in unserer gefallenen Natur, die wir von Adam her an uns tragen, ist so viel Grobes und Irdisches, dass nichts in uns zu Gott sich neigt, bis wir durch seinen Geist erneuert sind.

V. 20. Ihr aber usw. Judas beschreibt hier den Weg, wie seine Leser alle Listen des Satans zuschanden machen können, nämlich, indem sie die Liebe in enger Verbundenheit mit dem Glauben so festhalten, als wenn sie bis zur Wiederkunft Christi auf Wachtposten ständen. Aber wie er gern und dicht nebeneinander Bilder verwendet, so hat er auch hier seine Art zu sprechen, die in Kürze zu erklären ist. An erster Stelle mahnt er: Erbaut euch auf den Glauben. Sie sollen also das Fundament des Glaubens sich bewahren, aber auch bedenken, dass der erste Anfang nicht genügt, trotzdem sie mit rechtem Glauben schon gegründet sind, wenn sie nicht beständig zum Fortschritt streben. Er nennt ihren Glauben den allerheiligsten, damit sie sich ganz auf ihn legen und, von seiner Festigkeit gestützt, niemals schwanken. Da nun aber eines Menschen Vollkommenheit völlig im Glauben besteht, so scheint es seltsam, dass er sie heißt, noch ein Gebäude darauf zu bauen, als wenn mit dem Glauben nur der Grundstein gelegt werde. Dies Bedenken löst der Apostel, indem er sofort hinzufügt, man erbaue sich auf den Glauben durch die Liebe. Doch können wir ihn auch so verstehen: man erbaut sich auf den Glauben, indem man in ihm Fortschritte macht. Jedenfalls bewirkt es erst der tägliche Kampf und Sieg des Glaubens, dass er sich wirklich wie ein Gebäude erhebt. Bei dieser Deutung würde also der Apostel mahnen, im Glauben zu wachsen, vom Gebet nicht abzulassen und durch die Liebe die Berufung fest zu machen.

Betet durch den heiligen Geist. Das ist das Mittel, wie wir, mit der Kraft Gottes ausgerüstet, standhaft bleiben. Denn wo immer es dem Glauben schwer wird, auszuhalten, müssen wir zum Gebet unsere Zuflucht nehmen. Weil wir aber häufig nur gewohnheitsmäßig beten, so setzt er hinzu: durch den Geist. Die Trägheit und die Kälte unseres Fleisches sind so groß, dass niemand wirklich betet, wenn ihn der Geist Gottes nicht erweckt. So sehr neigen wir zu Unglauben und Verzagtheit, dass niemand Gott Vater zu nennen wagt, wenn es nicht derselbe Geist eingibt. Von ihm kommen zum Gebet der starke Trieb, die Glut und Kraft, die Freudigkeit, die Gewissheit der Erhörung, von ihm endlich die unaussprechlichen Seufzer, von denen Paulus Röm. 8, 26 spricht. Daher lehrt Judas mit Recht, niemand könne beten, wie er soll, außer unter der Leitung des Geistes.

V. 21. Erhaltet euch in der Liebe. Die Liebe[1] stellt Judas sozusagen als die Hüterin und Schützerin unseres Lebens hin; nicht um sie mit der Gnade Gottes in Gegensatz zu bringen, sondern weil unsere Heilsstellung nur dann in der rechten Entwicklung sich befindet, wenn wir in der Liebe fortschreiten. Weil aber so vieles uns zum Rückfall reizt, dass es schwer hält, Gott bis zum Ende treu zu bleiben, so weist unser Brief die Gläubigen auf den jüngsten Tag hin. Allein seine Erwartung kann uns stärken, dass wir niemals den Mut verlieren. Wo es nicht geschieht, droht der Abfall in jedem Augenblick. Unsere Hoffnung des ewigen Lebens aber soll sich nur auf die Barmherzigkeit Christi stützen. Denn er wird zwar unser Richter sein, aber nur in dem Sinne, dass er die Gnadengabe der Erlösung, die er uns erworben hat, zur Richtschnur seines Richtens macht.

V. 22. Dass ihr euch Etlicher erbarmt. Judas fügt eine zweite Mahnung hinzu, nämlich wie sich die Gläubigen zur Besserung ihrer Brüder verhalten sollen, um sie zum Herrn zurückzuführen. Er ermahnt, sie nach wechselnder Methode zu behandeln, d. h. einen jeden nach seiner Eigenart. Gegen die Sanften und Willigen ist Güte am Platze. Andere sind härter; daher muss man die Furcht auf sie wirken lassen. Das ist die Unterscheidung, die er anrät. Wenn wir die Rettung Irrender erstreben, so ist eines jeden Natur zu bedenken. Die Milden und Zugänglichen mögen freundlich auf den Weg zurückgelenkt werden, da sie der Barmherzigkeit wert sind. Wer aber hartnäckig ist, bei dem muss man schärfer zufassen. Da nun Strenge immer verhasst ist, so entschuldigt Judas sie mit der Notlage, weil man den, der nicht freiwillig gutem Rate folgt, anders nicht retten kann. Dabei gebraucht er ein treffliches Bild. Wenn ein Brand ausbricht, zögern wir nicht, jemand mit Gewalt aus dem Feuer wegzureißen, um ihn in Sicherheit zu bringen. Es würde ja nicht genügen, ihm mit dem Finger zu winken oder höflich die Hand zu reichen. So muss man bei Hartnäckigen auch für das Seelenheil sorgen, da sie, ohne auch angefasst zu werden, nicht zu Gott kämen. Allerdings wird unsere Stelle in einer anderen Auslegung ganz anders verstanden, auf Grund einer Lesart, die sich in vielen griechischen Handschriften findet. „Widerlegt, die mit sich reden lassen,“ sagt der alte Ausleger. Indessen ist jene erste Deutung vorzuziehen; nach meinem Urteil ist sie angemessen und trifft den ursprünglichen Sinn. Das Wort „selig machen, retten“ wird auf Menschen übertragen, doch nicht als wären sie die Urheber; es gilt von ihnen als den Werkzeugen zur Rettung.

V. 23. Hasst auch den Rock, der vom Fleische befleckt ist. Diese Stelle scheint dunkel, aber sie wird keine Schwierigkeit haben, wenn das Bild recht erklärt wird. Die Gläubigen sollen sich nicht nur vor direkter Ansteckung durch Laster hüten, sondern sogar alles fliehen, was mit dem Laster in enger Verbindung und Nachbarschaft steht, damit es sie nicht berühre. Wenn z. B. von Unkeuschheit die Rede ist, so gilt es, alle Anreize zur Lust zu meiden. Dies wird noch klarer, wenn wir uns etwas spezieller ausdrücken: wir sollen nicht nur die Fleischessünde hassen, sondern auch das Kleid, das mit ihr befleckt ist. So wenig darf das Böse durch schlaffe Nachsicht geschont werden, dass man vielmehr auch alle Vorbereitungen dazu und, dass ich so sage, alle seine Anhängsel abschneiden muss.

V. 24. Dem aber, der euch behüten kann usw. Judas schließt den Brief mit dem Lobe Gottes und zeigt, dass unser Mahnen, unser Eifer nichts vermag, wenn nicht die Kraft Gottes die Wirkung verbürgt. Einige Handschriften haben statt „euch“ „sie“. Diese Lesart hat den Sinn: zwar ist es eure Aufgabe, alles zu tun, dass die gottlosen Menschen gerettet werden; aber der Erfolg steht bei Gott allein. Ich ziehe jedoch die erste Lesart vor, da in ihr ja auch eine Anspielung auf die zweite Auffassung liegt. Denn nachdem Judas die Gläubigen ermahnt hat, zu retten, was verloren ist, bezeugt er ihnen, dass nicht einmal sie selbst bewahrt werden können, es sei denn durch Gottes Kraft. So sollen sie auch einsehen, dass ohne Gottes Einwirkung alle ihre Versuche vergeblich sein werden.

Der Brief des Apostels Jakobus

Einleitung.

Dieser Brief ist einst bei vielen Gemeinden nicht ohne Widerspruch in die Sammlung der für den Gottesdienst bestimmten Schriften aufgenommen worden. Das wissen wir durch das Zeugnis des Hieronymus und Eusebius.

Auch heute ist der Widerspruch gegen das kanonische Ansehen des Jakobusbriefes keineswegs verstummt. Ich meinesteils finde jedoch keinen ausreichenden Grund, ihn abzulehnen, und nehme ihn voller Zustimmung auf. Denn den Anschein, als würde im zweiten Kapitel die Lehre von der Rechtfertigung allein aus Gnade erschüttert, werden wir seines Ortes leicht zerstreuen. Wenn man weiter Anlass zu dem Verdacht zu haben glaubt, Jakobus hebe denn doch die Gnade Christi zu wenig hervor, als dass man ihm apostolischen Charakter beilegen könne, so ist doch gewiss nicht von allen biblischen Schriftstellern zu fordern, dass ihre Lehre genau die gleichen Gegenstände behandle. Welch ein Unterschied ist zwischen dem Psalter und den Sprüchen! Haben diese ihr Augenmerk gerichtet mehr auf die äußere Bildung des Menschen und die Vermittlung politischer Weisheit, so redet jener offenbar fortwährend über den geistlichen Gottesdienst und Gewissensfrieden, über Gottes Barmherzigkeit und die Verheißung des Heils allein aus Gnade. Aber aus dieser Verschiedenheit folgt nicht, dass die Billigung der einen Schrift die Verwerfung der anderen bedeuten müsste. Ja, auch unter den Evangelisten selbst herrscht ein derartiger Unterschied in der Darstellung des Heilandes, dass die drei ersten im Vergleich mit Johannes kaum hie und da einen Strahl haben von dem Vollglanz der Herrlichkeit, der dort so hell zu Geltung kommt – und dennoch halten wir alle vier Evangelien mit gleicher Freude fest. Mir genügt es deshalb zur Anerkennung des Briefes vollkommen, dass er nichts eines Apostels Unwürdiges enthält: ist er doch gesättigt von mannigfaltigem Lehrstoff, dessen Bedeutung für alle Seiten des Christenlebens klar zutage liegt. Denn hier finden wir vortreffliche Sentenzen über Geduld und Gebet, über die Wirksamkeit und Frucht der himmlischen Lehre, über Demut, heilige Prüfungen, die Zügelung der Zunge, Friedfertigkeit, Unterjochung der Lüste, Verachtung des gegenwärtigen Lebens und dergleichen – an ihrem Ort werden wir jede im Einzelnen untersuchen.

Was nun weiter die Frage nach dem Verfasser angeht, so ist hier dem Zweifel viel Raum gelassen. Das ist freilich gewiss, dass es nicht der Sohn des Zebedäus sein kann, den Herodes bald nach der Auferstehung Christi hinrichtete (Apg. 12, 2). Ziemlich Übereinstimmung findet bei den Alten darüber statt, dass es einer der Jünger gewesen sei, der den Beinamen Oblias getragen habe, ein Verwandter Christi und Vorstand der Gemeinde in Jerusalem gewesen sei. Und sie meinen, es sei derselbe, den Paulus im Galaterbrief (2, 9) mit Petrus und Johannes zusammenstellt und sagt, diese drei würden ja für „Säulen der Gemeinde“ angesehen. Mir freilich ist das wenig wahrscheinlich, dass ein gewöhnlicher Jesusjünger unter die drei Säulen gezählt und über zehn Apostel erhoben sein sollte. Ich neige daher lieber der Vermutung zu, dass der von Paulus gemeinte Jakobus Alphäi Sohn war. Obwohl ich keineswegs bestreiten will, dass ein anderer Jakobus, und zwar aus der Jünger Schar, der Vorsteher der Gemeinde in Jerusalem gewesen sei – denn die Apostel durften nicht an bestimmte Orte gefesselt sein. Wer aber von diesen beiden der Verfasser vorliegenden Briefes ist, das möchte ich dahingestellt sein lassen. Dass jener Oblias bei den Juden das größte Ansehen genossen hat, erhellt auch daraus, dass Josephus gewiss ist, die Zerstörung Jerusalems sei guten Teils dem durch den Tod dieses Oblias heraufbeschworenen Verhängnis entsprungen – er war nämlich infolge von Umtrieben des gottlosen Hohenpriesters grausam zu Tode gebracht worden.

 

Kapitel 1.

 

V. 1. Den zwölf Geschlechtern. Bei der Wegführung der zehn Stämme in die Gefangenschaft haben die Assyrer sie in verschiedenen Orten angesiedelt. Sehr wahrscheinlich ist es denn, dass sie hernach hierhin und dorthin gewandert sind und sich zerstreut haben – wie das im Gefolge solcher geschichtlichen Umwälzungen, wie sie auch damals sich ereigneten, zu geschehen pflegt. Die Juden waren ja doch in fast alle Länder der Welt zerstreut. Diese alle konnte der Verfasser mit dem Laut des Mundes nicht erreichen, weil sie ferne hin und her voneinander getrennt wohnten: so wendet er sich nun an sie mit schriftlicher Mahnung. Dass er aber über die Gnade Christi und den Glauben an ihn sich nicht ausführlicher auslässt, hat offenbar seinen Grund in dem Umstand, dass er sich an solche wendet, die schon anderweitig eine genügende Einführung in das Christentum empfangen hatten, so dass sie nunmehr nicht so sehr der Lehre als vielmehr anstachelnder Ermahnung bedurften.

V. 2. Achtet es eitel Freude usw. Das ist seine erste Ermahnung: heiteren Mutes sollen sie die Anfechtungen aufnehmen, die ihren Glauben bewähren. Zuvörderst war es damals nämlich nötig, die von den Trübsalen fast zu Boden gedrückten Juden aufzurichten. Denn so schmachvoll war der Name dieses Volkes, dass sie allen Nationen, wohin sie auch gekommen sein mochten, ein Gegenstand des Hasses und der Verachtung waren. Die Lage der Christen aber war noch schlimmer, weil die eigenen Stammesgenossen ihre erbittertsten Feinde waren – obwohl doch diese Ermahnung nicht in dem Maße nur für diese eine Zeit zugeschnitten ist, dass sie nicht allezeit den Gläubigen dienlich wäre, deren irdisches Leben ja doch ein unausgesetzter Kriegsdienst ist. Im Übrigen ist – um die Absicht des Jakobus klar auszudrücken – kein Zweifel, dass er bei den Anfechtungen