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In 'Unterweisung in der christlichen Religion' präsentiert Johannes Calvin eine gründliche und detaillierte Abhandlung über die Grundlagen des christlichen Glaubens. Das Buch, das im 16. Jahrhundert verfasst wurde, hebt sich durch seine theologische Schärfe und klare Argumentation hervor. Calvin verwendet eine präzise und strukturierte Sprache, um komplexe theologische Konzepte zu erklären und zu verteidigen. Das Werk steht im Kontext der Reformation und hat bis heute einen bedeutenden Einfluss auf die reformierte Theologie und christliche Lehre. Diese Übersetzung wurde mithilfe künstlicher Intelligenz erstellt.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
In der ersten Ausgabe dieses Werks habe ich, ohne den Erfolg zu erwarten, den der Herr in seiner unendlichen Güte mir geschenkt hat, das Thema größtenteils oberflächlich behandelt, wie es in kleinen Abhandlungen üblich ist. Als ich aber sah, dass es bei fast allen frommen Menschen so gut ankam, wie ich es mir nie hätte wünschen, geschweige denn erhoffen können, und mir bewusst wurde, dass ich viel mehr Aufmerksamkeit bekam, als ich verdient hatte, dachte ich, es wäre sehr undankbar, wenn ich nicht wenigstens nach meinen bescheidenen Kräften versuchen würde, mich für die mir erwiesene Aufmerksamkeit zu revanchieren – eine Aufmerksamkeit, die an sich schon Ansporn für mein weiteres Tun war. Das habe ich nicht nur in der zweiten Auflage versucht, sondern in jeder folgenden Auflage wurde das Werk durch weitere Ergänzungen verbessert. Doch obwohl ich die Arbeit, die ich damals in das Werk gesteckt habe, nicht bereute, war ich doch nie zufrieden, bis es in der Reihenfolge angeordnet war, in der es jetzt veröffentlicht wird; und ich vertraue darauf, dass ich meinen Lesern hier etwas präsentiert habe, das sie einhellig gutheißen werden. Ich kann reichlich beweisen, wie fleißig ich mich um die Erfüllung dieses Dienstes für die Kirche Gottes bemüht habe. Denn als ich letzten Winter dachte, dass ein quartaler Schüttelfrost schnell zu meinem Tod führen würde, habe ich mich, je mehr meine Krankheit fortschritt, umso weniger geschont, bis ich dieses Buch fertiggestellt hatte, um es als dankbare Gegenleistung für die freundlichen Bitten der religiösen Öffentlichkeit hinterlassen zu können. Ich hätte es zwar lieber früher getan, aber es ist noch früh genug, wenn es gut genug ist. Ich werde es für zum richtigen Zeitpunkt erschienen halten, wenn ich feststelle, dass es der Kirche Gottes mehr nützt als zuvor. Das ist mein einziger Wunsch.
Ich wäre für meine Arbeit wirklich schlecht belohnt, wenn ich mich nicht mit der Anerkennung Gottes allein zufrieden geben würde und die törichten und verdrehten Urteile unwissender Menschen ebenso verachten würde wie die Verleumdungen und Verunglimpfungen der Bösen. Denn obwohl Gott meinen Geist ganz dem Studium der Erweiterung seines Reiches und der Förderung des allgemeinen Wohls gewidmet hat und ich das Zeugnis meines eigenen Gewissens, der Engel und Gottes selbst habe, dass ich, seit ich das Amt eines Lehrers in der Kirche übernommen habe, kein anderes Ziel vor Augen hatte, als der Kirche durch die Aufrechterhaltung der reinen Lehre der Frömmigkeit zu nützen, so gibt es doch wohl keinen Menschen, der mehr verleumdet und verleumdet wird als ich. Als dieses Vorwort bereits gedruckt war, erhielt ich die sichere Information, dass in Augsburg, wo die Stände des Reiches versammelt waren, ein Bericht über meinen Abfall zum Papsttum in Umlauf gebracht worden war und an den Fürstenhöfen mit ungebührlicher Begeisterung aufgenommen worden war. Das ist die Dankbarkeit derer, die die zahlreichen Beweise meiner Standhaftigkeit nicht unbekannt sein können, die nicht nur eine so üble Verleumdung widerlegen, sondern mich auch vor allen gerechten und menschlichen Richtern davor schützen sollten. Aber der Teufel mit all seiner Schar ist getäuscht, wenn er glaubt, mich mit abscheulichen Lügen überwältigen oder mich durch solche Demütigungen ängstlicher, träge oder zögerlich machen zu können. Denn ich vertraue darauf, dass Gott in seiner unendlichen Güte mir die Kraft geben wird, mit geduldiger Standhaftigkeit den Weg meiner heiligen Berufung weiterzugehen, wovon ich meinen frommen Lesern in dieser Ausgabe einen neuen Beweis liefere.
Nun, meine Absicht in diesem Werk war es, Theologiestudenten auf das Lesen des göttlichen Wortes vorzubereiten und zu befähigen, damit sie einen leichten Zugang dazu finden und ohne Hindernisse darin fortfahren können. Denn ich glaube, dass ich alle Bereiche der Religion so umfassend zusammengefasst und geordnet habe, dass es bei genauer Betrachtung niemandem schwerfallen wird, die Hauptgegenstände seiner Forschung in der Heiligen Schrift zu bestimmen und zu erkennen, zu welchem Zweck er sich auf den Inhalt der Heiligen Schrift beziehen soll. Da nun diese Grundlage geschaffen ist, werde ich, sollte ich in Zukunft weitere Auslegungen der Heiligen Schrift veröffentlichen, keine langen Diskussionen über Lehrsätze oder Abschweifungen zu allgemeinen Themen einführen müssen und werde mich daher immer auf das Wesentliche beschränken können. Dies wird dem frommen Leser große Mühe und Langeweile ersparen, vorausgesetzt, er verfügt bereits über die notwendigen Informationen aus der Lektüre des vorliegenden Werkes. Da jedoch der Grund für diese Vorgehensweise in meinen zahlreichen Kommentaren sehr deutlich wird, möchte ich lieber, dass sie aus der Tatsache selbst hervorgeht als aus meiner Erklärung.
Leb wohl, lieber Leser, und wenn du von meiner Arbeit profitierst, dann bitte Gott, unseren Vater, dass er mir hilft.
Genf, 1. August 1559.
An Seine Christliche Majestät, Franz, König von Frankreich, und seinen Souverän, wünscht Johannes Calvin Frieden und Heil in Christus.
Als ich dieses Werk begann, war es mir fern, ein Buch zu schreiben, das später Eurer Majestät überreicht werden sollte. Meine Absicht war lediglich, einige Grundprinzipien festzuhalten, anhand derer Suchende in Sachen Religion über die Natur wahrer Frömmigkeit unterrichtet werden könnten. Und diese Arbeit habe ich vor allem für meine Landsleute, die Franzosen, unternommen, von denen ich viele nach Christus hungern und dürsten sah, aber nur sehr wenige, die ihn wirklich kannten. Dass dies meine Absicht war, beweist das Buch selbst durch seine einfache Methode und seinen schmucklosen Stil. Als ich aber sah, dass die Wut einiger böser Leute in deinem Königreich so groß geworden war, dass sie keinen Platz mehr für die reine Lehre ließen, dachte ich, ich könnte etwas Nützliches tun, wenn ich ihnen in demselben Werk meine Anweisungen gebe und dir mein Bekenntnis darlege, damit du die Natur dieser Lehre erkennst, die Gegenstand der grenzenlosen Wut dieser Verrückten ist, die jetzt das Land mit Feuer und Schwert unsicher machen. Denn ich scheue mich nicht zu bekennen, dass diese Abhandlung eine Zusammenfassung genau dieser Lehre enthält, die nach ihrem Geschrei mit Gefängnis, Verbannung, Verfolgung und Feuer bestraft und von der Erde getilgt werden soll. Ich weiß sehr wohl, mit welchen grausamen Unterstellungen sie eure Ohren gefüllt haben, um unsere Sache in euren Augen verabscheuungswürdig zu machen; aber eure Milde sollte euch zu der Überlegung veranlassen, dass, wenn Anschuldigungen als ausreichender Beweis für Schuld gelten, alle Unschuld in Worten und Taten ein Ende hätte. Wenn jemand, um die Lehre, die ich zu verteidigen versuche, in Verruf zu bringen, behaupten sollte, dass sie längst durch allgemeinen Konsens verurteilt und durch viele gerichtliche Entscheidungen unterdrückt worden sei, so würde dies nur bedeuten, dass sie manchmal durch den Einfluss und die Macht ihrer Gegner gewaltsam abgelehnt und manchmal durch Lügen, List und Verleumdungen heimtückisch und betrügerisch unterdrückt worden ist. Gewalt wird angewendet, wenn blutige Urteile gegen sie gefällt werden, ohne dass sie angehört wird, und Betrug, wenn sie zu Unrecht der Aufruhr und des Unheils beschuldigt wird. Damit niemand unsere Klagen für unbegründet hält, kannst du selbst, Majestät, die falschen Verleumdungen bezeugen, mit denen sie täglich diffamiert wird, dass ihr einziges Ziel darin besteht, den Königen das Zepter aus der Hand zu reißen, alle Gerichte und Gerichtsverfahren zu stürzen, alle Ordnung und Regierungen zu unterwandern, den Frieden und die Ruhe des Volkes zu stören, alle Gesetze aufzuheben, alle Eigentumsrechte und Besitztümer zu zerstören und, mit einem Wort, alles in völlige Verwirrung zu stürzen. Und doch hört ihr nur den kleinsten Teil dessen, was gegen sie vorgebracht wird; denn unter dem gemeinen Volk werden so schreckliche Dinge verbreitet, dass, wenn sie wahr wären, die ganze Welt sie und ihre Anstifter zu Recht für tausend Feuer und Galgen würdig erklären würde. Wer wundert sich dann, dass sie zum Gegenstand des öffentlichen Hasses geworden ist, wo man solchen ungerechten Anschuldigungen Glauben schenkt? Das ist der Grund für die allgemeine Zustimmung und Verschwörung, uns und unsere Lehre zu verurteilen. Von diesem Impuls getrieben, verkünden diejenigen, die zu Gericht sitzen, die Vorurteile, die sie von zu Hause mitgebracht haben, als Urteile und glauben, ihre Pflicht sei erfüllt, wenn sie nur diejenigen zur Strafe verurteilen, die durch ihr eigenes Geständnis oder durch ausreichende Beweise überführt sind. Verurteilt wegen welcher Verbrechen? Wegen dieser verurteilten Lehre, sagen sie. Aber mit welcher Gerechtigkeit wird sie verurteilt? Nun bestand die Verteidigung nicht darin, die Lehre selbst abzuschwören, sondern ihre Wahrheit zu verteidigen. Zu diesem Thema darf jedoch kein Wort gesagt werden.
Deshalb bitte ich dich, Majestät – und das ist sicher keine unvernünftige Bitte –, die gesamte Kenntnis dieser Sache auf dich zu nehmen, die bisher verwirrend und nachlässig, ohne jede Rechtsordnung und eher mit empörender Leidenschaft als mit richterlicher Ernsthaftigkeit behandelt wurde. Denkt nicht, dass ich jetzt über meine eigene Verteidigung nachdenke, um eine sichere Rückkehr in mein Heimatland zu erreichen; denn obwohl ich die Zuneigung empfinde, die jeder Mensch für sein Land empfinden sollte, bereue ich unter den gegenwärtigen Umständen meine Entfernung nicht. Aber ich plädiere für die Sache aller Frommen und damit für Christus selbst, die in diesen Zeiten in deinem Reich auf alle Weise verfolgt und mit Füßen getreten wurde und nun in einem höchst beklagenswerten Zustand ist; und dies in der Tat eher durch die Tyrannei bestimmter Pharisäer als mit deinem Wissen. Wie es dazu gekommen ist, steht mir hier nicht zu sagen; aber es ist zweifellos ein höchst bedauerlicher Zustand. Denn die Gottlosen sind so weit gegangen, dass die Wahrheit Christi, wenn sie nicht besiegt, zerstreut und gänzlich vernichtet ist, sozusagen in unwürdiger Verborgenheit begraben liegt, während die arme, verachtete Kirche entweder durch grausame Massaker vernichtet oder in die Verbannung getrieben oder durch Drohungen und Schrecken zum völligen Schweigen gebracht wird. Und dennoch setzen sie ihren gewohnten Wahnsinn und ihre Grausamkeit fort, drängen gewaltsam gegen die bereits gebeugte Wand und vollenden den Ruin, den sie begonnen haben. In der Zwischenzeit tritt niemand hervor, um gegen solche Wutausbrüche zu plädieren. Wenn es Personen gibt, die sich der Wahrheit gegenüber wohlwollend zeigen wollen, wagen sie nur die Meinung, dass man den Irrtum und die Unbesonnenheit unwissender Menschen verzeihen sollte. Denn das ist die Sprache dieser gemäßigten Männer, die das, was sie als die sichere Wahrheit Gottes erkennen, als Irrtum und Unbesonnenheit bezeichnen, und jene unwissenden Menschen, deren Verstand sie nicht für so gering halten, dass Christus ihnen die Geheimnisse seiner himmlischen Weisheit vorenthalten hätte. So schämen sich alle des Evangeliums. Aber es soll Ihnen, Majestät, nicht zuwider sein, Ihre Ohren und Gedanken von einer so gerechten Verteidigung abzuwenden, besonders in einer so wichtigen Sache wie der Aufrechterhaltung der unverminderten Ehre Gottes in der Welt, der Bewahrung der Ehre der göttlichen Wahrheit und dem Fortbestand des Reiches Christi unter uns. Dies ist eine Sache, die deiner Aufmerksamkeit würdig ist, deiner Erkenntnis würdig ist, deines Throns würdig ist. Diese Überlegung macht wahre Königswürde aus, sich in der Regierung seines Reiches als Diener Gottes zu erkennen. Denn wo nicht die Ehre Gottes das Ziel der Regierung ist, ist es keine legitime Herrschaft, sondern eine Usurpation. Und wer in einem Reich, das nicht durch das Zepter Gottes, also durch sein heiliges Wort, regiert wird, dauerhaften Wohlstand erwartet, der täuscht sich. Denn das himmlische Orakel kann nicht irren, wenn es sagt: „Wo keine Vision ist, geht das Volk zugrunde.“ 2 Du solltest dich auch nicht durch Verachtung unserer Niedrigkeit von diesem Streben abbringen lassen. Wir sind uns selbst völlig bewusst, wie armselig und erbärmlich wir sind, da wir vor Gott elende Sünder sind und von den Menschen als höchst verachtenswert angesehen werden; da wir (wenn man so will) der Abschaum der Welt sind und die schlimmsten Bezeichnungen verdienen, die man finden kann; so dass uns vor Gott nichts bleibt, worauf wir uns rühmen können, außer seiner Barmherzigkeit allein, durch die wir ohne unser Verdienst zur Hoffnung auf das ewige Heil zugelassen worden sind, und vor den Menschen nichts als unsere Schwäche, deren geringstes Bekenntnis von ihnen als größte Schande angesehen wird. Aber unsere Lehre muss über alle Herrlichkeit erhaben und unbesiegbar durch alle Macht der Welt auf den Tribünen stehen; denn sie ist nicht unsere, sondern die Lehre des lebendigen Gottes und seines Christus, den der Vater zum König eingesetzt hat, damit er von Meer zu Meer und vom Fluss bis an die Enden der Erde herrsche und dass er so regieren möge, dass die ganze Erde mit ihrer eisernen Stärke und mit ihrer Pracht aus Gold und Silber, geschlagen von der Rute seines Mundes, zerschmettert werde wie ein Töpfergefäß; 3 denn so sagen die Propheten die Herrlichkeit seines Reiches voraus.
Unsere Gegner sagen, dass wir das Wort Gottes nur vortäuschen und es in Wirklichkeit verdrehen. Aber dass das nicht nur eine böse Lüge ist, sondern auch eine große Frechheit, kannst du selbst sehen, wenn du unser Bekenntnis liest. Aber es gibt noch etwas, das ich sagen muss, um dich darauf aufmerksam zu machen oder dich zumindest darauf vorzubereiten. Paulus' Anweisung, dass jede Prophezeiung „nach der Analogie des Glaubens“ formuliert sein soll 4, hat einen unveränderlichen Maßstab festgelegt, an dem jede Auslegung der Schrift gemessen werden muss. Wenn unsere Grundsätze anhand dieser Glaubensregel geprüft werden, ist der Sieg unser. Denn was ist mit dem Glauben vereinbarer, als uns selbst aller Tugend beraubt zu erkennen, damit wir von Gott bekleidet werden können; aller Güte entleert, damit wir von ihm erfüllt werden können; Sklaven der Sünde, damit wir von ihm befreit werden können; blind, damit wir von ihm erleuchtet werden können; lahm, damit wir geführt werden können; schwach, damit wir von ihm gestützt werden können; uns aller Gründe zum Ruhm zu entäußern, damit er allein über alle Maßen ruhmreich sei und wir uns seiner rühmen können? Wenn wir diese und ähnliche Gedanken äußern, unterbrechen sie uns mit Beschwerden, dass dies der Weg sei, ich weiß nicht was, blindes Licht der Natur, vorgegebene Vorbereitungen, freier Wille und Werke, die ewige Erlösung verdienen, zusammen mit all ihren Überflüssen zu stürzen; weil sie es nicht ertragen können, dass der Lob und die Ehre aller Güte, Stärke, Gerechtigkeit und Weisheit ganz bei Gott bleiben sollen. Aber wir lesen nirgendwo, dass jemand dafür getadelt wird, dass er zu reichlich aus der Quelle des lebendigen Wassers geschöpft hat; im Gegenteil, diejenigen werden streng getadelt, die sich „Zisternen gehauen haben, Zisternen, die kein Wasser halten können“. 5 Was ist wieder mehr mit dem Glauben vereinbar, als uns zu versichern, dass Gott ein gnädiger Vater ist, wo Christus als Bruder und Mittler anerkannt wird? Als sicher alles Wohl und Glück von ihm zu erwarten, dessen unaussprechliche Liebe zu uns so weit ging, dass er „seinen eigenen Sohn nicht verschonte, sondern ihn für uns hingab“? 6 Als in der sicheren Erwartung des Heils und des ewigen Lebens zu ruhen, wenn wir uns die Gabe des Vaters vor Augen halten, in der solche Schätze verborgen sind? Hier widersprechen sie uns und beklagen, dass diese Gewissheit des Vertrauens mit Arroganz und Anmaßung zu belasten sei. Aber so wie wir nichts von uns selbst annehmen dürfen, so sollten wir alles von Gott annehmen; und wir werden nicht aus irgendeinem anderen Grund der eitlen Ehre beraubt, als damit wir lernen, uns des Herrn zu rühmen. Was soll ich noch sagen? Schau dir, Herr, alle Teile unserer Sache an und betrachte uns als schlimmer als die Verworfensten der Menschheit, wenn du nicht klar erkennst, dass wir so „mühen und Schmach erleiden, weil wir auf den lebendigen Gott hoffen 7“, weil wir glauben, dass „das ewiges Leben ist, den einzigen wahren Gott zu erkennen und Jesus Christus, den er gesandt hat“. 8 Um dieser Hoffnung willen sind einige von uns in Ketten gelegt, andere werden mit Peitschen geschlagen, andere werden als Gespött herumgetragen, andere sind geächtet, andere werden grausam gefoltert, andere fliehen, aber wir alle sind in äußerste Verwirrung gestürzt, mit schrecklichen Flüchen verflucht, grausam verleumdet und mit den größten Demütigungen behandelt. Schaut nun auf unsere Gegner (ich spreche von der Priesterordnung, auf deren Willen und Anweisung andere diese Feindseligkeiten gegen uns ausüben) und überlegt mit mir ein wenig, von welchen Grundsätzen sie getrieben werden. Die wahre Religion, die in der Heiligen Schrift gelehrt wird und allgemein aufrechterhalten werden sollte, lassen sie bereitwillig sowohl sich selbst als auch anderen vorenthalten und mit Verachtung und Geringschätzung behandeln. Sie halten es für unwichtig, was jemand über Gott und Christus glaubt oder leugnet, solange er sich mit unbedingten Glauben (wie sie es nennen) dem Urteil der Kirche unterwirft. Es berührt sie auch nicht sonderlich, wenn die Ehre Gottes durch offene Gotteslästerungen verletzt wird, solange niemand einen Finger gegen die Vorrangstellung des Apostolischen Stuhls und die Autorität ihrer heiligen Mutter Kirche erhebt. Warum streiten sie dann mit solcher Bitterkeit und Grausamkeit um die Messe, das Fegefeuer, die Wallfahrten und ähnliche Kleinigkeiten und leugnen, dass man ohne einen, sozusagen, ausdrücklichen Glauben an diese Dinge fromm sein kann, obwohl sie nichts davon aus dem Wort Gottes beweisen können? Weil ihr Bauch ihr Gott ist, ihre Küche ihre Religion; ohne sie betrachten sie sich nicht mehr als Christen oder gar als Menschen. Denn obwohl einige sich in Pracht und Prunk laben und andere sich von karger Kost ernähren, leben doch alle von demselben Topf, der ohne diesen Brennstoff nicht nur erkühlen, sondern völlig erkalten würde. Jeder von ihnen, der sich am meisten um seinen Bauch sorgt, erweist sich daher als ein eifriger Verfechter ihres Glaubens. In der Tat bemühen sie sich alle um die Erhaltung ihres Reiches und die Füllung ihrer Bäuche, aber keiner von ihnen zeigt auch nur den geringsten Anflug von aufrichtigem Eifer.
Ihre Angriffe auf unsere Lehre hören damit aber nicht auf; sie bringen alle möglichen Vorwürfe und Beschimpfungen vor, um sie zum Gegenstand von Hass und Misstrauen zu machen. Sie nennen sie neu und von jüngerem Ursprung, sie kritisieren sie als zweifelhaft und ungewiss, sie fragen, durch welche Wunder sie bestätigt wird, sie fragen, ob es richtig ist, sie entgegen dem Einverständnis so vieler heiliger Väter und entgegen dem Brauch der höchsten Antike anzunehmen,– sie drängen uns zu bekennen, dass sie schismatisch sei, weil sie Widerstand gegen die Kirche aufrüttle, oder dass die Kirche viele Jahrhunderte lang völlig ausgestorben gewesen sei, in denen nichts dergleichen bekannt gewesen sei. – Schließlich sagen sie, alle Argumente seien unnötig, da ihre Natur an ihren Früchten zu erkennen sei, da sie eine solche Vielzahl von Sekten, so viele parteiische Unruhen und eine so große Zügellosigkeit der Laster hervorgebracht habe. Es ist für sie wirklich sehr leicht, eine verlassene Sache mit der leichtgläubigen und unwissenden Menge zu beleidigen; aber wenn wir auch die Freiheit hätten, unsererseits zu sprechen, würde diese Bitterkeit, die sie jetzt in gleicher Zügellosigkeit und Straffreiheit gegen uns zum Ausdruck bringen, bald abkühlen.
Zuerst mal ist es echt beleidigend für Gott, wenn sie es neu nennen, denn sein heiliges Wort verdient es nicht, der Neuheit bezichtigt zu werden. Ich hab keinen Zweifel, dass es für sie neu ist, für die Jesus Christus und das Evangelium gleichermaßen neu sind. Aber diejenigen, die die Altertümlichkeit dieser Verkündigung des Paulus kennen, „dass Jesus Christus für unsere Sünden gestorben und wieder auferstanden ist zu unserer Rechtfertigung“ 9, werden bei uns nichts Neues finden. Dass sie lange Zeit verborgen, begraben und unbekannt war, ist das Verbrechen der menschlichen Gottlosigkeit. Nun, da die Güte Gottes sie uns wiedergegeben hat, sollte ihr zumindest ihr gerechter Anspruch auf Altertümlichkeit zugestanden werden.
Aus derselben Quelle der Unwissenheit entspringt auch die Vorstellung, dass sie zweifelhaft und unsicher sei. Genau das beklagt der Herr durch seinen Propheten: „Der Ochse kennt seinen Meister und der Esel die Futterkrippe seines Herrn 10“, aber sein Volk kennt ihn nicht. Aber wie sehr sie auch über ihre Unsicherheit lachen mögen, wenn sie aufgefordert würden, ihre eigene Lehre mit ihrem Blut und ihrem Leben zu besiegeln, würde sich zeigen, wie sehr sie sie schätzen. Ganz anders ist unser Vertrauen, das weder die Schrecken des Todes noch das Gericht Gottes fürchtet.
Dass sie von uns Wunder verlangen, ist völlig unvernünftig; denn wir erfinden kein neues Evangelium, sondern halten an genau dem fest, dessen Wahrheit durch alle Wunder bestätigt wurde, die Christus und die Apostel je gewirkt haben. Aber sie haben diesen besonderen Vorteil vor uns, dass sie ihren Glauben bis zum heutigen Tag durch fortwährende Wunder bestätigen können. Die Wahrheit ist jedoch, dass sie Wunder anführen, die darauf abzielen, einen ansonsten gefestigten Geist zu verunsichern, da sie so leichtfertig und lächerlich oder eitel und falsch sind. Selbst wenn sie noch so übernatürlich wären, dürften sie kein Gewicht gegen die Wahrheit Gottes haben, da der Name Gottes an allen Orten und zu allen Zeiten geheiligt werden soll, sei es durch Wundereignisse oder durch die gewöhnliche Ordnung der Natur. Dieser Trugschluss könnte vielleicht plausibler sein, wenn die Schrift uns nicht über den legitimen Zweck und Gebrauch von Wundern aufgeklärt hätte. Denn Markus sagt uns, dass die Wunder, die auf die Predigt der Apostel folgten, zu ihrer Bestätigung11 gewirkt wurden, und Lukas sagt uns,12 dass„ der Herr das Wort seiner Gnade bezeugte“, als „Zeichen und Wunder“ durch die Hände der Apostel geschahen. Ganz ähnlich ist die Aussage des Apostels, dass „das Heil bestätigt wurde“ durch die Verkündigung des Evangeliums, „wobei Gott auch Zeugnis ablegte durch Zeichen, Wunder und mancherlei Krafttaten“. 13 Aber sollen wir das, was uns als Siegel des Evangeliums gesagt wird, verdrehen, um den Glauben an das Evangelium zu untergraben? Sollen wir das, was als Zeugnis für die Wahrheit gedacht war, dazu benutzen, die Lüge zu bestätigen? Es ist daher richtig, dass die Lehre, die nach dem Evangelisten die erste Aufmerksamkeit verdient, zuerst geprüft und erprobt wird; und wenn sie sich bewährt, dann sollte sie durch Wunder bestätigt werden. Aber es ist das Merkmal einer gesunden Lehre, die Christus gegeben hat, dass sie nicht die Ehre der Menschen, sondern die Ehre Gottes fördert. 14 Da Christus diesen Beweis für eine Lehre gegeben hat, ist es falsch, jene Wunder zu schätzen, die einem anderen Zweck dienen als der Verherrlichung des Namens Gottes allein. Und wir sollten daran denken, dass Satan seine Wunder hat, die zwar eher Zaubertricks als echte Wunder sind, aber dennoch geeignet sind, die Unwissenden und Unerfahrenen zu täuschen. Zauberer und Hexer waren schon immer für ihre Wunder berühmt; der Götzendienst wurde durch erstaunliche Wunder gestützt; und doch erkennen wir sie nicht als Beweise für den Aberglauben der Zauberer oder Götzendiener an. Mit diesem Mittel wurde in der Antike auch die Einfachheit des Volkes von den Donatisten angegriffen, die mit Wundern um sich warfen. Deshalb geben wir unseren Gegnern heute dieselbe Antwort,15 die Augustinus den Donatisten gegeben hat, nämlich dass unser Herr uns vor diesen Wundertätern gewarnt hat, indem er voraussagte, dass falsche Propheten auftreten würden, die durch verschiedene Zeichen und lügnerische Wunder „die Auserwählten (wenn möglich) verführen“ würden. 16 Und Paulus hat uns gesagt, dass das Reich des Antichristen „mit aller Macht und mit Zeichen und lügenhaften Wundern“ kommen werde. 17 Aber diese Wunder (sagen sie) werden nicht von Götzen, Zauberern oder falschen Propheten gewirkt, sondern von Heiligen; als ob wir nicht wüssten, dass es eine List Satans ist, sich „in einen Engel des Lichts zu verwandeln“. 18 Am Grab Jeremias, 19 der in Ägypten begraben wurde, brachten die Ägypter früher Opfer und andere göttliche Ehren dar. War das nicht eine Missbrauchs des heiligen Propheten Gottes zum Zwecke der Götzenverehrung? Dennoch glaubten sie, dass diese Verehrung seines Grabes mit der Heilung von Schlangenbissen belohnt würde. Was sollen wir sagen, außer dass es die gerechteste Rache Gottes war und immer sein wird, „denen, die die Liebe zur Wahrheit nicht annehmen, eine starke Verblendung zu senden, damit sie der Lüge glauben“? 20 Wir sind keineswegs ohne Wunder, und zwar solche, die sicher und nicht anfechtbar sind. Aber diejenigen, unter denen sie sich verstecken, sind bloße Täuschungen Satans, die das Volk von der wahren Verehrung Gottes zur Eitelkeit verführen.
Eine weitere Verleumdung ist, dass sie uns vorwerfen, wir würden uns den Vätern widersetzen – ich meine die Schriftsteller der früheren und reineren Zeiten –, als wären diese Schriftsteller Mithelfer ihrer Gottlosigkeit; wenn der Streit durch diese Autorität entschieden würde, wäre der Sieg in den meisten Teilen der Kontroverse – um es ganz bescheiden auszudrücken – auf unserer Seite. Aber obwohl die Schriften dieser Väter viele weise und ausgezeichnete Dinge enthalten, haben sie doch in mancher Hinsicht das allgemeine Schicksal der Menschheit erlitten; diese sehr pflichtbewussten Kinder verehren nur ihre Irrtümer und Fehler, aber ihre Vorzüge übersehen sie entweder, verbergen sie oder verfälschen sie, so dass man wahrhaftig sagen kann, dass es ihr einziges Studium ist, den Schlacke aus der Mitte des Goldes zu sammeln. Dann überhäufen sie uns mit sinnlosem Geschrei, als Verächter und Feinde der Väter. Aber wir verachten sie nicht so sehr, dass ich, wenn es mit meiner gegenwärtigen Absicht vereinbar wäre, nicht die meisten der Ansichten, die wir jetzt vertreten, leicht durch ihre Stimmen stützen könnte. Aber während wir ihre Schriften nutzen, denken wir immer daran, dass „alles uns gehört“, um uns zur Seite zu stehen, nicht um über uns zu herrschen, und dass „wir allein Christi sind“ 21 und ihm universellen Gehorsam schulden. Wer diese Unterscheidung vernachlässigt, wird in der Religion zu keiner Entscheidung kommen; denn diese heiligen Männer wussten vieles nicht, waren oft unterschiedlicher Meinung und manchmal sogar in Widerspruch zu sich selbst. Es gibt einen guten Grund, sagen sie, für die Ermahnung Salomos, „die alten Grenzen, die unsere Väter gesetzt haben, nicht zu überschreiten oder zu entfernen“. 22 Aber dieselbe Regel gilt nicht für die Abgrenzung von Feldern und für den Gehorsam des Glaubens, der bereit sein sollte, „sein eigenes Volk und das Haus seines Vaters zu vergessen“. 23 Aber wenn sie so gern allegorisch denken, warum erklären sie dann nicht die Apostel als jene Väter, deren festgesetzte Grenzsteine es so unrecht ist zu entfernen? Denn das ist die Auslegung des Hieronymus, dessen Werke sie in ihre Kanones aufgenommen haben. Wenn sie aber darauf bestehen, die Grenzsteine derer zu bewahren, die sie als die Bezeichneten verstehen, warum überschreiten sie sie dann selbst so frei? Es gab zwei Väter, von denen 24 der eine sagte, dass unser Gott weder isst noch trinkt und daher weder Becher noch Schüsseln braucht, und der andere, dass heilige Dinge kein Gold brauchen und dass Gold kein Vorzug für etwas ist, das nicht mit Gold gekauft wurde. Diese Grenze wird also von denen überschritten, die sich bei heiligen Dingen so sehr an Gold, Silber, Elfenbein, Marmor, Juwelen und Seide erfreuen und meinen, dass Gott nicht richtig verehrt wird, wenn nicht alles in exquisiter Pracht oder vielmehr in verschwenderischer Überfülle erstrahlt. Es gab einen Vater,25 der sagte, er esse an einem Tag, an dem andere fasteten, frei Fleisch, weil er Christ sei. Sie überschreiten daher die Grenzen, wenn sie die Seele verfluchen, die in der Fastenzeit Fleisch isst. Es gab zwei Väter, von denen 26 der eine sagte, ein Mönch, der nicht mit seinen Händen arbeite, sei einem Betrüger oder Räuber gleichgestellt, und der andere, dass es Mönchen verboten sei, von fremdem Gut zu leben, ungeachtet ihrer Fleißigkeit in Kontemplation, Studium und Gebet; und sie haben diese Grenze überschritten, indem sie die faulen und aufgeblähten Leiber von Mönchen in Zellen und Bordelle gebracht haben, um sie mit der Substanz anderer zu verwöhnen. Es gab einen Vater,27 der meinte, dass es eine schreckliche Abscheulichkeit sei, ein gemaltes Bild von Christus oder einem Heiligen in den Tempeln der Christen zu sehen. Das war nicht nur die Meinung eines Einzelnen, sondern es wurde auch von einem Kirchenrat beschlossen, dass das Objekt der Verehrung nicht an die Wände gemalt werden dürfe. Sie beschränken sich jedoch keineswegs auf diese Grenzen, denn jeder Winkel ist mit Bildern gefüllt.Ein anderer Vater28 hat geraten, dass wir, nachdem wir die Pflicht der Menschlichkeit gegenüber den Toten durch die Bestattungsriten erfüllt haben, sie ihrer Ruhe überlassen sollen. Sie brechen diese Grenzen, indem sie eine ständige Sorge um die Toten einflößen. Es gab einen der Väter29, der behauptete, dass die Substanz von Brot und Wein in der Eucharistie nicht aufhöre, sondern bestehen bleibe, so wie die Substanz der menschlichen Natur in Christus, dem Herrn, mit der göttlichen Natur vereint, bestehen bleibe. Sie überschreiten diese Grenze, indem sie behaupten, dass bei der Rezitation der Worte des Herrn die Substanz von Brot und Wein aufhöre und in seinen Leib und sein Blut verwandelt werde. Es gab Väter30, die der gesamten Kirche nur eine Eucharistie vorhielten und allen skandalösen und unmoralischen Personen die Teilnahme daran verboten, gleichzeitig aber alle streng verurteilten, die anwesend waren und nicht daran teilnahmen. Wie weit haben sie diese Grenzen verschoben, wenn sie nicht nur die Kirchen, sondern sogar Privathäuser mit ihren Messen füllen, alle zulassen, die zuschauen wollen, und zwar jeden umso eher, je größer sein Beitrag ist, wie sehr er auch mit Unreinheit und Bosheit belastet sein mag! Sie laden niemanden zum Glauben an Christus und zur treuen Teilnahme an den Sakramenten ein, sondern bringen aus Gewinnsucht ihr eigenes Werk anstelle der Gnade und des Verdienstes Christi vor. Es gab zwei Väter, von denen der eine behauptete, dass die Teilnahme am heiligen Abendmahl Christi denen, die sich mit der Teilnahme an einer Art begnügten und von der anderen Abstand nahmen, gänzlich verboten werden sollte 31; der andere behauptete mit Nachdruck, dass den Christen das Blut ihres Herrn nicht verweigert werden dürfe, für dessen Bekenntnis sie ihr eigenes Blut zu vergießen bereit sind. Auch diese Grundsätze haben sie aufgehoben, indem sie durch ein unumstößliches Gesetz genau das vorgeschrieben haben, was die einen mit Exkommunikation bestraft und die anderen mit einem gewichtigen Grund abgelehnt haben. Es gab einen Kirchenvater32, der es für vermessen hielt, sich ohne klare und eindeutige Aussagen der Heiligen Schrift für eine Seite in einer unklaren Frage zu entscheiden. Diese Grenze haben sie vergessen, als sie so viele Verfassungen, Kanones und gerichtliche Entscheidungen ohne jede Autorität aus dem Wort Gottes erlassen haben. Es gab einen Kirchenvater33, der Montanus vorwarf, unter anderen Häresien als erster Gesetze zur Einhaltung von Fastenzeiten eingeführt zu haben. Auch diese Grenze haben sie weit überschritten, indem sie Fastenzeiten durch strengste Gesetze festgelegt haben. Es gab einen Vater34, der leugnete, dass die Ehe den Geistlichen der Kirche verboten sein sollte, und der das Zusammenleben mit einer Frau als echte Keuschheit bezeichnete; und es gab Väter, die seinem Urteil zustimmten. Sie haben diese Grundsätze übertreten, indem sie ihren Priestern das strengste Zölibat auferlegt haben. Es gab einen Vater, der meinte, man solle nur auf Christus achten, von dem gesagt wird: „Hört auf ihn“, und dass man nicht darauf achten solle, was andere vor uns gesagt oder getan haben, sondern nur auf das, was Christus geboten hat, der über allen steht. Diese Grenze schreiben sie weder sich selbst vor, noch erlauben sie anderen, sie zu beachten, wenn sie sich selbst und anderen andere Herren als Christus vorhalten. Es gab einen Vater35, der behauptete, die Kirche dürfe nicht Vorrang vor Christus haben, weil sein Urteil immer der Wahrheit entspricht, während kirchliche Richter wie andere Menschen auch im Allgemeinen getäuscht werden können. Auch diese Grenze brechen sie und behaupten ohne Skrupel, dass die ganze Autorität der Schrift von der Entscheidung der Kirche abhängt. Alle Väter haben mit einem Herzen und einer Stimme erklärt, dass es abscheulich und verabscheuungswürdig ist, wenn das heilige Wort Gottes mit den Spitzfindigkeiten der Sophisten verunreinigt und durch die Streitigkeiten der Logiker verwirrt wird. Beschränken sie sich auf diese Grundsätze, wenn ihr ganzes Leben darauf ausgerichtet ist, die Einfachheit der Schrift in endlose Kontroversen und noch schlimmere sophistische Streitigkeiten zu verwickeln? Wenn die Väter jetzt wieder zum Leben erweckt würden und diese Streitkunst hörten, die sie spekulative Göttlichkeit nennen, würden sie nicht vermuten, dass diese Auseinandersetzung auch nur im Entferntesten etwas mit Gott zu tun hat. Aber wenn ich alle Fälle aufzählen würde, in denen die Autorität der Väter von denen, die sich als ihre pflichtbewussten Kinder betrachten, unverschämt abgelehnt wird, würde meine Rede alle vernünftigen Grenzen sprengen. Monate und Jahre würden mir nicht ausreichen. Und doch ist ihre vollendete und unverbesserliche Unverschämtheit so groß, dass sie es wagen, uns dafür zu tadeln, dass wir es wagen, die alten Grenzen zu überschreiten.
Auch können sie mit ihrem Argument der Gewohnheit keinen Vorteil gegen uns erringen; denn wenn wir gezwungen wären, uns der Gewohnheit zu unterwerfen, müssten wir uns über größte Ungerechtigkeit beklagen. Wenn die Urteile der Menschen richtig wären, müsste man die Gewohnheit unter den Guten suchen. Aber die Wirklichkeit sieht oft ganz anders aus. Was von vielen praktiziert wird, erhält bald den Charakter einer Gewohnheit. Und die menschlichen Angelegenheiten waren wohl kaum jemals in einem so guten Zustand, dass die Mehrheit mit wirklich hervorragenden Dingen zufrieden war. Aus den privaten Lastern der Massen ist daher ein öffentlicher Irrtum entstanden, oder vielmehr eine allgemeine Übereinkunft über Laster, die diese guten Menschen nun als Gesetz akzeptieren müssten. Für alle, die Augen haben, ist es offensichtlich, dass die Welt von mehr als einem Ozean des Bösen überschwemmt ist, dass sie von zahlreichen zerstörerischen Plagen heimgesucht wird, dass alles schnell dem Untergang entgegengeht, so dass wir entweder ganz verzweifeln oder uns energisch und sogar gewaltsam gegen solch unermessliches Übel wehren müssen. Und das Heilmittel wird aus keinem anderen Grund abgelehnt, als dass wir uns so lange an das Böse gewöhnt haben. Aber möge der öffentliche Irrtum in der menschlichen Gesellschaft geduldet werden; im Reich Gottes soll nichts anderes gehört und beachtet werden als seine ewige Wahrheit, die keine Abfolge von Jahren, kein Brauch, kein Bündnis einschränken kann. So lehrte Jesaja einst das auserwählte Volk Gottes: „Sagt nicht: Ein Bund, zu allen, die dieses Volk sagt: Ein Bund“, das heißt, sie sollen sich nicht in der bösen Zustimmung des Volkes vereinen; „fürchtet nicht ihre Furcht und erschreckt nicht“, sondern „heiligt den Herrn der Heerscharen“, damit er „ihre Furcht und ihr Schrecken“ sein könnte. 36 Nun sollen sie also, wenn sie wollen, uns vergangene Zeiten und gegenwärtige Beispiele vorhalten; wenn wir „den Herrn der Heerscharen heiligen“, werden wir uns nicht sehr fürchten. Denn ob viele Zeitalter in ähnlicher Gottlosigkeit übereinstimmen, er ist mächtig, Rache zu nehmen an der dritten und vierten Generation; oder ob die ganze Welt sich in derselben Ungerechtigkeit vereinigt, er hat ein Beispiel gegeben für das verhängnisvolle Ende derer, die mit einer Menge sündigen, indem er alle Menschen durch eine Sintflut vernichtete und Noah und seine kleine Familie bewahrte, damit sein individueller Glaube die ganze Welt verurteilen könnte. Schließlich ist ein verdorbener Brauch nichts anderes als eine epidemische Seuche, die für ihre Opfer gleichermaßen tödlich ist, auch wenn sie in großer Zahl fallen. Außerdem sollten sie eine Bemerkung von Cyprian berücksichtigen, dass Menschen, die aus Unwissenheit sündigen, zwar nicht vollständig entschuldigt werden können, 37 aber dennoch in gewissem Maße entschuldbar sind; diejenigen jedoch, die die von der göttlichen Güte angebotene Wahrheit hartnäckig ablehnen, sind völlig entschuldbar.
Wir sind auch nicht so verlegen wegen ihres Dilemmas, dass wir bekennen müssten, dass die Kirche eine Zeit lang ausgestorben war oder dass wir jetzt einen Streit mit der Kirche haben. Die Kirche Christi hat gelebt und wird weiterleben, solange Christus zur Rechten des Vaters regiert, durch dessen Hand sie erhalten wird, durch dessen Schutz sie verteidigt wird, durch dessen Macht sie in Sicherheit bewahrt wird. Denn er wird zweifellos erfüllen, was er einmal versprochen hat, nämlich mit seinem Volk „bis zum Ende der Welt“ zu sein. 38 Wir haben keinen Streit mit der Kirche, denn wir sind einig mit der ganzen Schar der Gläubigen in der Verehrung und Anbetung des einen Gottes und Christus, des Herrn, wie er von allen Frommen in allen Zeiten angebetet worden ist. Aber unsere Gegner weichen weit von der Wahrheit ab, wenn sie keine andere Kirche anerkennen als die, die mit den körperlichen Augen sichtbar ist, und sie mit Grenzen zu umschreiben versuchen, innerhalb derer sie bei weitem nicht enthalten ist. Unsere Kontroverse hängt von den beiden folgenden Punkten ab: Erstens behaupten sie, dass die Form der Kirche immer sichtbar und augenscheinlich ist; zweitens legen sie diese Form in den Sitz der römischen Kirche und ihre Ordnung der Prälaten. Wir behaupten dagegen erstens, dass die Kirche auch ohne sichtbare Form existieren kann, und zweitens, dass ihre Form nicht in dem äußeren Glanz liegt, den sie törichterweise bewundern, sondern sich durch ein ganz anderes Kriterium auszeichnet, nämlich durch die reine Verkündigung des Wortes Gottes und die rechtmäßige Verwaltung der Sakramente. Sie sind nicht zufrieden, wenn man nicht immer mit dem Finger auf die Kirche zeigen kann. Aber wie oft war sie unter dem jüdischen Volk so zerfallen, dass sie keine sichtbare Form mehr hatte? Welche prächtige Form, so fragen wir, konnte man sehen, als Elias beklagte, dass er allein zurückgeblieben war? 39 Wie lange blieb sie nach dem Kommen Christi ohne äußere Form? Wie oft haben seit dieser Zeit Kriege, Aufstände und Häresien sie unterdrückt und völlig verdunkelt? Hätten sie in dieser Zeit gelebt, hätten sie geglaubt, dass es eine Kirche gab? Doch Elias wurde mitgeteilt, dass es „siebentausend“ übrig geblieben waren, die „ihre Knie nicht vor Baal gebeugt hatten“. Wir sollten auch keinen Zweifel daran haben, dass Christus seit seiner Himmelfahrt immer auf Erden regiert hat. Aber wenn die Frommen in solchen Zeiten nach einer für ihre Sinne erkennbaren Form gesucht hätten, wären ihre Herzen dann nicht völlig entmutigt gewesen? Tatsächlich hielt Hilarius es schon zu seiner Zeit für einen schweren Irrtum, dass die Menschen in törichter Bewunderung der bischöflichen Würde versunken waren und die schrecklichen Übel nicht wahrnahmen, die sich unter dieser Verkleidung verbargen. Denn so spricht er: 40 „Eines rate ich euch: Hütet euch vor dem Antichrist, denn ihr hängt zu sehr an Mauern; eure Verehrung für die Kirche Gottes ist fehl am Platz auf Häusern und Gebäuden; ihr führt unter ihnen zu Unrecht den Namen des Friedens ein. Gibt es irgendeinen Zweifel, dass sie Sitze des Antichristen sein werden? Ich halte Berge, Wälder und Seen, Gefängnisse und Strudel für weniger gefährlich; denn dies waren die Orte der Zurückgezogenheit oder Verbannung, an denen die Propheten prophezeiten.“ Aber was weckt heute die Verehrung der Menge für ihre gehörnten Bischöfe, wenn nicht die Annahme, dass es sich um heilige Prälaten der Religion handelt, die sie über große Städte herrschen sehen? Weg also mit solch törichter Bewunderung. Überlassen wir es lieber dem Herrn, da er allein „die Seinen kennt“ 41, manchmal alles äußere Wissen über seine Kirche der menschlichen Wahrnehmung zu entziehen. Ich gebe zu, dass dies ein schreckliches Urteil Gottes über die Erde ist; aber wenn es durch die Gottlosigkeit der Menschen verdient ist, warum versuchen wir dann, uns der gerechten Rache Gottes zu widersetzen? So hat der Herr die Undankbarkeit der Menschen in früheren Zeiten bestraft; denn aufgrund ihres Widerstands gegen seine Wahrheit und der Auslöschung des Lichts, das er ihnen gegeben hatte, ließ er zu, dass sie von den Sinnen geblendet, von absurden Lügen getäuscht und in tiefe Finsternis gestürzt wurden, so dass von der wahren Kirche nichts mehr zu sehen war; doch gleichzeitig bewahrte er inmitten der Finsternis und Irrtümer sein zerstreutes und verborgenes Volk vor der völligen Vernichtung. Das ist auch nicht verwunderlich, denn er wusste, wie er in all der Verwirrung Babylons und in den Flammen des Feuerofens retten konnte. Aber wie gefährlich ist es, die Form der Kirche nach ich weiß nicht welcher eitlen Pracht zu beurteilen, um die sie streiten! Ich werde es lieber kurz andeuten, als ausführlich darlegen, damit ich diese Rede nicht übermäßig in die Länge ziehe. Der Papst, sagen sie, der den apostolischen Stuhl innehat, und die von ihm gesalbten und geweihten Bischöfe, sofern sie mit Mitra und Bischofsstab ausgestattet sind, repräsentieren die Kirche und müssen als die Kirche betrachtet werden. Deshalb können sie nicht irren. Wie kommt das? Weil sie Hirten der Kirche sind und dem Herrn geweiht sind. Und gehörte der Hirtencharakter nicht Aaron und den anderen Herrschern Israels? Doch Aaron und seine Söhne sind nach ihrer Ernennung zum Priestertum in Irrtum gefallen, als sie das goldene Kalb gemacht haben. 42 Warum sollten nach dieser Argumentation nicht auch die vierhundert Propheten, die Ahab belogen haben, die Kirche vertreten haben? 43 Aber die Kirche blieb auf der Seite Michas, so einsam und verachtet er auch war, und aus seinem Mund kam die Wahrheit. Haben nicht jene Propheten, die sich mit vereinten Kräften gegen Jeremia erhoben und drohten und prahlten: „Das Gesetz wird nicht vom Priester verschwinden, noch der Rat vom Weisen, noch das Wort vom Propheten“, sowohl den Namen als auch das Aussehen der Kirche gezeigt? 44 Jeremia wird allein gegen die ganze Menge der Propheten geschickt, mit einer Verurteilung vom Herrn, dass „das Gesetz vom Priester verschwinden wird, der Rat vom Weisen und das Wort vom Propheten“. 45 Und gab es nicht eine ähnliche äußere Ehrwürdigkeit in dem Rat, den die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Pharisäer einberufen hatten, um über die Tötung Christi zu beraten? 46 Nun sollen sie gehen und an der äußeren Erscheinung festhalten und dadurch Christus und alle Propheten zu Schismatikern machen und andererseits die Diener Satans zu Werkzeugen des Heiligen Geistes. Wenn sie aber ihre wahren Gefühle sagen wollen, sollen sie mir aufrichtig antworten, welches Volk oder welchen Ort sie als Sitz der Kirche betrachten, seitdem Eugenius durch ein Dekret des Konzils von Basel abgesetzt und vom Pontifikat enthoben und Amadeus an seine Stelle gesetzt wurde. Sie können nicht leugnen, dass das Konzil, soweit es die äußeren Formen betrifft, rechtmäßig war und nicht nur von einem Papst, sondern von zwei einberufen wurde. Dort wurde Eugenius zusammen mit allen Kardinälen und Bischöfen, die sich ihm angeschlossen hatten, um das Konzil aufzulösen, der Schisma, des Aufstands und der Hartnäckigkeit für schuldig erklärt. Doch später, mit Hilfe der Fürsten, erlangte er wieder den ruhigen Besitz seiner früheren Würde. Die Wahl Amadeus', obwohl formell durch die Autorität eines allgemeinen und heiligen Synods getroffen, löste sich in Rauch auf, und er wurde mit einem Kardinalshut besänftigt wie ein bellender Hund mit einem Brocken. Aus der Mitte dieser Ketzer und Rebellen sind seitdem alle Päpste, Kardinäle, Bischöfe, Äbte und Priester hervorgegangen. Hier müssen sie innehalten. Denn welcher Partei werden sie den Titel der Kirche geben? Werden sie leugnen, dass dies ein allgemeines Konzil war, dem es an nichts fehlte, um seine äußere Würde zu vervollständigen, das feierlich durch zwei päpstliche Bullen einberufen, von einem präsidierenden Legaten des römischen Stuhls geweiht, in jeder Ordnungsfrage gut geregelt war und bis zum Schluss unverändert dieselbe Würde bewahrte? Wollen sie Eugen mit all seinen Anhängern, von denen sie alle geweiht worden sind, als Schismatiker anerkennen? Entweder also geben sie eine andere Definition der Form der Kirche, oder, wie zahlreich sie auch sein mögen, werden wir sie alle als Schismatiker betrachten, da sie wissentlich und freiwillig von Ketzern geweiht worden sind. Aber wenn es nicht schon vorher klar war, dass die Kirche nicht auf äußeren Prunk beschränkt ist, würden sie uns selbst reichlich Beweise dafür liefern, die sie sich so lange hochmütig unter dem Titel der Kirche der Welt präsentiert haben, obwohl sie gleichzeitig ihre tödlichen Plagen waren. Ich rede nicht von ihrer Moral und ihren tragischen Taten, mit denen ihr ganzes Leben voll ist, da sie sich selbst als Pharisäer bezeichnen, die man hören, aber nicht nachahmen soll. Ich beziehe mich auf die Lehre selbst, auf die sie ihren Anspruch gründen, als Kirche angesehen zu werden. Wenn Ihr einen Teil Eurer Muße der Lektüre unserer Schriften widmet, werdet Ihr deutlich erkennen, dass diese Lehre eine tödliche Seuche für die Seelen, ein Feuerbrand, der Untergang und die Zerstörung der Kirche ist.
Schließlich zeigen sie einen großen Mangel an Aufrichtigkeit, indem sie in boshafter Absicht wiederholen, welche großen Unruhen, Tumulte und Streitigkeiten die Verkündigung unserer Lehre begleitet haben und welche Auswirkungen sie auf viele Menschen hat. Denn es ist unfair, ihr jene Übel anzulasten, die der Bosheit Satans zugeschrieben werden müssen. Es ist das eigentliche Wesen des göttlichen Wortes, niemals in Erscheinung zu treten, ohne Satan zu stören und seinen Widerstand zu wecken. Dies ist das sicherste und eindeutigste Kriterium, durch das es sich von falschen Lehren unterscheidet, die leicht verbreitet werden, wenn sie mit allgemeiner Aufmerksamkeit gehört und von der Welt mit Beifall aufgenommen werden. So hat sich in manchen Zeiten, als alles in tiefer Finsternis lag, der Fürst dieser Welt mit der Allgemeinheit der Menschen vergnügt und sich wie ein Sardanapalus in vollkommener Ruhe seiner Bequemlichkeit und seinen Vergnügungen hingegeben; denn was hätte er anderes tun können, als sich zu vergnügen und zu amüsieren, in der stillen und ungestörten Besitz seines Reiches? Aber als das Licht von oben einen Teil seiner Finsternis zerstreute – als der Mächtige sein Reich alarmierte und angriff –, da begann er, seine gewohnte Trägheit abzuschütteln und sich seine Rüstung anzulegen. Zunächst rief er die Macht der Menschen auf, die Wahrheit bei ihrem ersten Erscheinen mit Gewalt zu unterdrücken; und als sich dies als wirkungslos erwies, griff er zu List. Er machte die Katabaptisten und andere berüchtigte Gestalten zu Werkzeugen, um Zwietracht und Lehrstreitigkeiten zu schüren, mit dem Ziel, sie zu verdunkeln und schließlich auszulöschen. Und nun fährt er fort, sie auf beide Arten anzugreifen; denn er bemüht sich, diesen echten Samen mit menschlicher Gewalt auszurotten, und versucht gleichzeitig mit allen Mitteln, ihn mit seinem Unkraut zu ersticken, damit er nicht wachsen und Frucht bringen kann. Aber alle seine Versuche werden vergeblich sein, wenn wir auf die Ermahnungen des Herrn hören, der uns schon vor langer Zeit mit seinen Plänen vertraut gemacht hat, damit wir nicht von ihm überrascht werden, und uns mit ausreichenden Mitteln zur Verteidigung gegen alle seine Angriffe ausgerüstet hat. Aber das Wort Gottes mit dem Vorwurf der Aufruhr zu belasten, der von bösen und rebellischen Menschen gegen es geschürt wird, oder mit dem Vorwurf, es sei eine von Betrügern gegründete Sekte – ist das nicht extreme Bosheit? Doch dafür gibt es Beispiele aus früheren Zeiten. Elias wurde gefragt, ob er es sei, „der Israel beunruhigt“. 47 Christus wurde von den Juden der Aufruhr bezichtigt. 48 Die Apostel wurden beschuldigt, Volksaufstände anzuzetteln. 49 Worin unterscheidet sich das von dem Verhalten derer, die uns heute alle Unruhen, Tumulte und Streitigkeiten vorwerfen, die gegen uns ausbrechen? Die richtige Antwort auf solche Anschuldigungen hat uns Elias gelehrt, dass die Verbreitung von Irrtümern und das Anstacheln zu Tumulten nicht uns anzulasten sind, sondern denen, die sich der Macht Gottes widersetzen. Aber so wie diese eine Antwort ausreicht, um ihre Kühnheit zu unterdrücken, so müssen wir andererseits der Schwäche einiger Menschen begegnen, die häufig durch solche Vergehen beunruhigt werden und in ihrem Geist verunsichert und schwankend werden. Damit sie in dieser Unruhe und Verwirrung nicht straucheln und fallen, sollen sie wissen, dass die Apostel zu ihrer Zeit dasselbe erlebt haben, was jetzt uns widerfährt. Es gab „ungebildete und unbeständige“ Leute, sagt Petrus, die die inspirierten Schriften des Paulus „zu ihrem eigenen Verderben verdrehten“. 50 Es gab Leute, die Gott verachteten und, als sie hörten, dass „die Gnade viel mehr über die Sünde überfloss“, sofort dachten: Lasst uns „in der Sünde weiterleben, damit die Gnade überfließt“. Als sie hörten, dass die Gläubigen „nicht unter dem Gesetz“ seien, krächzten sie sofort: „Wir werden sündigen, weil wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind.“ 51 Es gab einige, die ihn als Anstifter zur Sünde beschuldigten. Viele falsche Apostel schlichen sich ein, um die von ihm gegründeten Gemeinden zu zerstören. „Einige predigten“ das Evangelium „aus Neid und Streit, nicht in Aufrichtigkeit“, in böser Absicht, „um seine Fesseln noch schwerer zu machen“. 52 An manchen Orten brachte das Evangelium wenig Nutzen. „Alle suchten das Ihre, nicht das, was Jesus Christus gehört.“ 53 Andere kehrten zurück „wie Hunde zu ihrem Erbrochenen und wie Schweine zu ihrer Schlammgrube“. 54 Viele verdrehten die Freiheit des Geistes in die Zügellosigkeit des Fleisches. Viele gaben sich als Brüder aus, die später die Frommen in Gefahr brachten. Unter den Brüdern selbst wurden verschiedene Streitigkeiten angefacht. Was sollten die Apostel unter solchen Umständen tun? Hätten sie nicht eine Zeit lang heucheln oder lieber das Evangelium ablehnen und verlassen sollen, das so viele Streitigkeiten, so viele Gefahren und so viele Vergehen zu verursachen schien? Aber in solchen Schwierigkeiten wurden sie durch den Gedanken getröstet, dass Christus der „Stein des Anstoßes und der Fels, an dem man sich stößt“ 55 „zum Fall und zum Wiederaufstehen vieler und zum Zeichen, dem man widersprechen wird“ 56 gesetzt worden war, und mit dieser Zuversicht gingen sie mutig durch alle Gefahren von Unruhen und Vergehen. Die gleiche Überlegung sollte uns stützen, da Paulus erklärt, dass es das ewige Wesen des Evangeliums ist, dass es „dener, die verloren gehen, ein Geruch des Todes zum Tode“ 57 obwohl es uns vielmehr gegeben wurde, um „dener, die leben, Lebensduft zu sein“ und „Gottes Kraft zum Heil“ der Gläubigen; 58 was wir auch sicherlich erfahren würden, wenn wir diese hervorragende Gabe Gottes nicht durch unsere Undankbarkeit verderben und das, was ein Hauptinstrument unserer Erlösung sein sollte, zu unserem Verderben verdrehen würden.
Aber ich komme zurück zu dir, Herr. Lass dich nicht von den grundlosen Anschuldigungen erschrecken, mit denen unsere Gegner versuchen, dich einzuschüchtern, dass nämlich die einzige Tendenz und Absicht dieses neuen Evangeliums – wie sie es nennen – darin bestehe, einen Vorwand für Aufruhr zu liefern und Straffreiheit für alle Verbrechen zu erlangen. „Denn Gott ist nicht der Urheber der Verwirrung, sondern des Friedens“ 59, und auch nicht „der Sohn Gottes“, der gekommen ist, „um die Werke des Teufels, des Dieners der Sünde, zu zerstören“ 60. Und es ist ungerecht, uns solche Motive und Absichten vorzuwerfen, für die wir nie den geringsten Anlass gegeben haben. Ist es wahrscheinlich, dass wir die Umstürzung von Königreichen planen – wir, die wir nie ein aufrührerisches Wort gesagt haben, deren Leben unter eurer Regierung stets friedlich und ehrlich war und die auch jetzt, im Exil, nicht aufhören, für euer Wohlergehen und das eures Königreichs zu beten? Ist es wahrscheinlich, dass wir eine unbegrenzte Freiheit suchen, um ungestraft Verbrechen zu begehen? In unserem Verhalten gibt es zwar vieles, was man kritisieren kann, aber nichts, was einen so schweren Vorwurf verdient! Auch haben wir durch Gottes Gnade nicht so wenig vom Evangelium profitiert, dass unser Leben unseren Verleumdern nicht als Beispiel für Keuschheit, Freigebigkeit, Barmherzigkeit, Mäßigkeit, Geduld, Bescheidenheit und alle anderen Tugenden dienen könnte. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass wir Gott aufrichtig fürchten und verehren, dessen Namen wir sowohl durch unser Leben als auch durch unseren Tod heiligen wollen; und selbst der Neid muss die Unschuld und die bürgerliche Integrität einiger von uns bezeugen, die den Tod für genau das erlitten haben, was als ihr höchstes Lob gelten sollte. Wenn aber das Evangelium zum Vorwand für Unruhen gemacht wird, was in deinem Königreich noch nicht geschehen ist, wenn irgendjemand die Freiheit der göttlichen Gnade als Entschuldigung für die Zügellosigkeit seiner Laster benutzt, von denen ich viele kenne, dann gibt es Gesetze und Strafen, mit denen sie ihrer Schuld entsprechend bestraft werden können; nur lasst nicht das Evangelium Gottes für die Verbrechen böser Menschen verantwortlich machen. Ihr habt nun, Majestät, die bösartige Ungerechtigkeit unserer Verleumder in einer ausreichenden Anzahl von Beispielen vor euch, damit Ihr ihre Anschuldigungen nicht allzu leichtgläubig aufnehmt. Ich fürchte, ich bin zu sehr ins Detail gegangen, da diese Vorrede bereits den Umfang einer vollständigen Apologie annimmt, während ich nicht beabsichtigte, unsere Verteidigung darin zu enthalten, sondern nur Euren Geist darauf vorzubereiten, die Plädoyers für unsere Sache anzuhören; denn obwohl du jetzt abgeneigt und uns entfremdet bist und sogar gegen uns aufgebracht bist, geben wir die Hoffnung nicht auf, deine Gunst zurückzugewinnen, wenn du nur einmal in Ruhe und Gelassenheit dieses unser Bekenntnis liest, das wir als unsere Verteidigung vor deiner Majestät verstehen. Wenn aber eure Ohren so sehr mit dem Geflüster der Böswilligen beschäftigt sind, dass ihr den Angeklagten keine Gelegenheit lasst, für sich selbst zu sprechen, und wenn diese empörten Furien mit eurer Duldung weiterhin mit Gefängnis, Peitschenhieben, Folter, Beschlagnahmungen und Flammen verfolgen, werden wir in der Tat wie Schafe, die zur Schlachtbank geführt werden, in größte Not geraten. Dennoch werden wir in Geduld unsere Seelen bewahren und auf die mächtige Hand des Herrn warten, die zweifellos zu gegebener Zeit erscheinen und sich bewaffnet zeigen wird, um die Armen aus ihrer Not zu befreien und ihre Verächter zu bestrafen, die sich jetzt in solcher Sicherheit rühmen. Möge der Herr, der König der Könige, deinen Thron mit Gerechtigkeit und dein Königreich mit Gerechtigkeit festigen.
Basilius, 1. August 1536.
