Die Burgen des Chaos - Roger Zelazny - E-Book

Die Burgen des Chaos E-Book

Roger Zelazny

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Beschreibung

"Das Farbigste, Exotischste und Unvergesslichste, was unser Genre je gesehen hat." George R.R. Martin Corwin sieht sich gezwungen, eine Kopie des ursprünglichen Musters zu erschaffen. Währenddessen bläst Brand zum Kampf gegen Corwin, bei dem es nur einen Sieger geben kann und dessen Ausgang über die Zukunft Ambers entscheiden wird. Prinz Corwin lebte nach einem Gedächtnisverlust auf der Erde, ohne zu wissen, wer er ist. Als eines Tages ein Mitglied seiner Familie versucht, ihn zu töten, beginnt er, nach seiner Vergangenheit zu forschen. Und so setzt er alles daran, in das Königreich Amber zurückzukehren. Bald schon erfährt er, dass seine Verwandtschaft über einige sehr ungewöhnliche Kräfte verfügt. Alle Nachfahren des Königshauses können zwischen Amber, den Schattenwelten und dem Chaos hin- und herreisen, indem sie die Realität manipulieren. Sie benutzen magische Spielkarten, um zu kommunizieren und sich an andere Orte zu versetzen. Aber vor allem sind sie alle in einen erbarmungslosen Kampf um den Thron verstrickt. Und nicht zuletzt muss das Geheimnis um das Verschwinden ihres königlichen Vaters Oberon aufgedeckt werden.

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Seitenzahl: 251

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Roger Zelazny

Die Chroniken von Amber

5

DIE BURGEN DES CHAOS

Aus dem Englischen von Thomas Schlück

Klett-Cotta

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Übersetzung wurde für diese Neuausgabe vollständig überarbeitet.

Hobbit Presse

www.hobbitpresse.de

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

»The Courts of Chaos« im Verlag Gollancz, London

© 1978 by Roger Zelazny

© 2015 by Amber Ltd

Für die deutsche Ausgabe

© 2018 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Cover und Illustration: Birgit Gitschier, Augsburg

Datenkonvertierung: Dörlemann Satz, Lemförde

Printausgabe: ISBN978-3-608-98131-5

E-Book: ISBN 978-3-608-10985-6

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

1.

Amber: hell strahlend auf dem Gipfel Kolvirs, mitten am Tag. Eine schwarze Straße: vom Chaos aus dem Süden durch Garnath herführend, flach und finster. Ich: fluchend und auf und ab gehend, ein gelegentlicher Benutzer der Bibliothek des Palasts von Amber. Die Tür zu dieser Bibliothek: verschlossen und verriegelt.

Der verrückte Prinz von Amber setzte sich an den Tisch, richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das geöffnete Buch. Es klopfte an die Tür.

»Verschwinde!«, rief ich.

»Corwin. Ich bin es – Random. Mach auf, ja? Ich habe dir sogar etwas zu essen mitgebracht.«

»Einen Augenblick.«

Ich stand auf, ging um den Tisch herum, durchquerte den Raum. Als ich die Tür öffnete, nickte Random. Er hielt ein Tablett in der Hand, das er auf einem kleinen Tisch neben dem Lesepult abstellte.

»Das ist ja reichlich«, stellte ich fest.

»Ich habe auch Hunger.«

»Also tu etwas dagegen.«

Dieser Aufforderung kam er nach. Wir nahmen Platz und aßen. Er führte das Messer, reichte mir Fleisch auf einem Stück Brot. Er schenkte Wein ein.

»Ich weiß, du bist immer noch sehr zornig«, sagte er nach längerer Zeit.

»Und du bist es nicht mehr?«

»Nun ja, vielleicht habe ich mich schon mehr an das Gefühl gewöhnt. Ich weiß es nicht. Trotzdem … Ja, es kam so plötzlich, nicht wahr?«

»Plötzlich?« Ich trank einen großen Schluck Wein. »Es ist im Grunde wie früher. Nein, schlimmer. Irgendwie hatte ich ihn sogar gemocht, solange er uns den Ganelon vorspielte. Wo er nun wieder das Sagen hat, gibt er sich so herrisch wie eh und je. Er hat uns Befehle zugebrüllt, ohne jegliche Begründung, und dann ist er von neuem verschwunden.«

»Er hat aber gesagt, er würde sich bald wieder melden.«

»Das hatte er das letzte Mal wohl auch vor.«

»Dessen bin ich mir nicht so sicher.«

»Und zu seiner ersten Abwesenheit hat er nichts gesagt. Eigentlich hat er uns gar nichts erklärt.«

»Dafür hat er sicher seine Gründe.«

»Daran beginne ich zu zweifeln, Random. Glaubst du, dass er allmählich den Verstand verliert?«

»Jedenfalls hat er noch ausgereicht, um dich zu täuschen.«

»Das war eine Kombination aus primitiver animalischer Schläue und seiner Fähigkeit zur Gestaltveränderung.«

»Aber das Ziel hat er erreicht, oder nicht?«

»Ja. Es hat funktioniert.«

»Corwin, besteht die Möglichkeit, dass du es ihm nicht gönnst, dass er einen funktionierenden Plan schmiedet? Möchtest du vielleicht gar nicht, dass er recht hat?«

»Das ist lächerlich. Mir liegt nicht weniger als jedem anderen von uns daran, das Durcheinander zu ordnen.«

»Ja, aber wäre es dir nicht lieber, wenn die Lösung aus einer anderen Richtung käme?«

»Worauf willst du hinaus?«

»Du willst ihm nicht trauen.«

»Das gebe ich zu. Ich habe ihn verdammt lange nicht gesehen – zumindest nicht in seiner wahren Gestalt – und …«

Er schüttelte den Kopf.

»Das meine ich nicht. Du ärgerst dich, dass er wieder da ist, habe ich nicht recht? Du hattest gehofft, wir wären ihn ein für alle Mal los.«

Ich wandte den Blick ab.

»Da ist was dran«, antwortete ich schließlich. »Doch nicht wegen des leeren Throns oder jedenfalls nicht ausschließlich deswegen. Es liegt an ihm, Random. An ihm. Das ist alles.«

»Ich weiß«, sagte er. »Aber du musst zugeben, dass er Brand hereingelegt hat, was nun wirklich keine Kleinigkeit ist. Seinen Trick begreife ich immer noch nicht: Wie hat er dich nur dazu bringen können, den Arm von Tir-na Nog’th mitzubringen? Wie hat er mich veranlasst, den Arm an Benedict weiterzugeben, wie hat er Benedict im richtigen Moment an den richtigen Ort manövriert, damit sich alles nach Plan entwickelte und er das Juwel zurückerhielt? Im Umgang mit den Schatten ist er eben noch immer geschickter als wir. Er erreichte sein Ziel auf dem Kolvir, als er uns zum Urmuster brachte. Ich wäre dazu nicht in der Lage. Und du auch nicht. Er schaffte es, Gérard zu schlagen. Ich glaube nicht, dass seine Kräfte nachlassen. Meiner Meinung nach weiß er genau, was er tut. Und er ist wohl der Einzige, der mit der augenblicklichen Lage fertigwerden kann.«

»Willst du mir damit einreden, dass ich ihm vertrauen sollte?«

»Ich will dir nur sagen, dass du keine andere Wahl hast.«

Ich seufzte.

»Da hast du wahrscheinlich genau ins Schwarze getroffen«, gab ich zu. »Es ist sinnlos, verbittert zu reagieren. Trotzdem –«

»Dich bekümmert der Angriffsbefehl, nicht wahr?«

»Ja, unter anderem. Wenn wir noch warten, können Benedict und ich eine noch größere Streitmacht ins Feld führen. Für eine solche Aktion reichen drei Tage Vorbereitung nicht aus. Nicht, wenn man so wenig über den Gegner weiß.«

»Das muss aber nicht sein. Er hat sich lange unter vier Augen mit Benedict unterhalten.«

»Und das ist das Zweite. Die getrennten Befehle. Seine Geheimniskrämerei. Er vertraut uns nicht mehr an, als er unbedingt muss.«

Random lachte leise und ich ebenso.

»Na schön«, räumte ich ein. »Vielleicht würde ich an seiner Stelle nicht anders handeln. Aber drei Tage, um einen Krieg vorzubereiten!« Ich schüttelte den Kopf. »Ich hoffe bloß, dass er mehr weiß als wir.«

»Ich habe den Eindruck, dass es eher ein Überraschungsschlag als ein Krieg sein wird.«

»Nur hat er sich nicht die Mühe gemacht, uns zu sagen, worum es dabei geht.«

Random zuckte die Achseln und schenkte Wein nach.

»Vielleicht verrät er uns mehr, wenn er zurückkommt. Du hast keine Sonderbefehle erhalten, oder?«

»Ich soll mich nur bereithalten und warten, weiter nichts. Was ist mit dir?«

Er schüttelte den Kopf.

»Er hat mir gesagt, ich wüsste schon Bescheid, wenn der richtige Augenblick gekommen sei. Immerhin hat er Julian angewiesen, seine Truppen bereitzuhalten, um auf Befehl sofort losmarschieren zu können.«

»Ach ja? Stehen die denn nicht in Arden?«

Er nickte.

»Wann hat er diesen Befehl gegeben?«

»Als du schon weg warst. Er rief Julian durch den Trumpf hier herauf und gab ihm seine Anordnungen; anschließend ritten beide fort. Ich hörte Vater sagen, er würde ihn auf dem Rückweg ein Stück begleiten.«

»Haben sie den östlichen Pfad über den Kolvir genommen?«

»Ja. Ich habe sie ein Stück begleitet.«

»Interessant. Was habe ich sonst noch versäumt?«

Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her.

»Etwas, das mir zu schaffen macht«, antwortete er. »Als Vater in den Sattel stieg und mir zum Abschied zuwinkte, blickte er mich an und sagte: ›Und pass auf Martin auf!‹«

»Ist das alles?«

»Das ist alles. Aber er lachte dabei.«

»Das natürliche Misstrauen gegenüber einem Neuankömmling, würde ich sagen.«

»Warum aber das Lachen?«

»Keine Ahnung.«

Ich schnitt mir ein Stück Käse ab und aß es.

»Vielleicht liege ich doch nicht so falsch. Kann sein, dass er Martin nicht verdächtigt, sondern nur meint, er müsse vor etwas beschützt werden. Vielleicht ist es auch beides. Oder nichts von alledem. Du weißt ja, wie er sein kann.«

Random stand auf. »So weit hatte ich das noch nicht durchdacht. Jetzt kommst du aber mit, ja? Du hast dich den ganzen Vormittag hier verkrochen.«

»Na gut.« Ich erhob mich und legte Grayswandir um. »Wo ist Martin überhaupt?«

»Ich habe ihn unten im Erdgeschoss zurückgelassen. Er unterhielt sich mit Gérard.«

»Dann ist er ja in guten Händen. Bleibt Gérard hier oder kehrt er zur Flotte zurück?«

»Keine Ahnung. Er wollte sich über seine Befehle nicht auslassen.«

Wir verließen die Bibliothek und gingen zur Treppe.

Unterwegs hörten wir Lärm von unten, und ich beschleunigte meine Schritte. Ich ließ meinen Blick über das Geländer schweifen und entdeckte am Eingang zum Thronsaal eine Gruppe Wächter, die von Gérards mächtiger Gestalt überragt wurden. Alle wandten uns den Rücken zu. Ich sprang die letzten Stufen hinab. Random war nicht weit hinter mir. Ich drängte mich durch die Gruppe. »Was geht hier vor, Gérard?«, fragte ich.

»Wenn ich das nur wüsste«, antwortete er. »Schau doch selbst! Allerdings kann niemand hinein.«

Er wich zur Seite, und ich machte noch einen Schritt vorwärts. Und einen zweiten. Mehr aber nicht. Es war, als stemmte ich mich gegen eine unsichtbare Mauer, die zwar geringfügig nachgab, aber undurchdringlich war. Jenseits des Hindernisses spielte sich eine Szene ab, die meine Erinnerungen und Gefühle in Aufruhr brachte. Die Angst packte mich im Genick und lähmte meine Hände – und das war keine Kleinigkeit.

Lächelnd hielt Martin einen Trumpf in der linken Hand, vor sich Benedict, der anscheinend eben erst gerufen worden war. Ganz in der Nähe, auf dem Podest des Throns, stand ein Mädchen mit abgewandtem Gesicht. Die beiden Männer schienen miteinander zu sprechen, aber ich konnte die Worte nicht hören.

Endlich wandte Benedict sich um und sprach offenbar zu dem Mädchen. Nach einiger Zeit schien sie ihm zu antworten. Martin begab sich auf ihre linke Seite. Während sie etwas sagte, erstieg Benedict das Thronpodest. Nun konnte ich ihr Gesicht erkennen. Das Gespräch wurde fortgesetzt.

»Das Mädchen kommt mir irgendwie bekannt vor«, sagte Gérard, der vorgetreten war und nun neben mir stand.

»Mag sein, dass du sie kurz gesehen hast, als sie an uns vorbeiritt«, sagte ich, »an dem Tag, als Eric starb. Das ist Dara.«

Ich hörte, wie ihm der Atem stockte.

»Dara!«, rief er. »Dann hast du –« Seine Stimme erstarb.

»Ich habe nicht gelogen«, sagte ich. »Es gibt sie wirklich.«

»Martin!«, rief Random, der rechts neben mir auftauchte. »Martin! Was geht da vor?«

Er erhielt keine Antwort.

»Ich glaube, er kann dich gar nicht hören«, meinte Gérard. »Diese Barriere scheint uns völlig zu trennen.«

Randoms Hände stießen gegen etwas Unsichtbares. Er drückte mit voller Kraft dagegen.

»Probieren wir es alle zusammen«, sagte er.

Ich versuchte es also noch einmal, und auch Gérard stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die unsichtbare Mauer.

Als wir uns eine halbe Minute lang vergeblich bemüht hatten, trat ich zurück. »Es hat keinen Sinn«, sagte ich. »Wir können das Ding nicht aus dem Weg schaffen.«

»Was ist das nur?«, fragte Random aufgebracht. »Was hält uns da auf?«

Ich hatte sofort eine gewisse Vorstellung gehabt von dem, was vorging, eine Ahnung, die sich von einem starken Gefühl des Déjà vu herleitete. Jetzt allerdings … jetzt krampfte sich meine Hand um die Schwertscheide, um sicher zu sein, dass Grayswandir noch an meiner Hüfte hing.

Die Waffe war noch da.

Wie ließ sich aber das Auftauchen meiner auffälligen Klinge erklären, deren kunstvolle Ornamente vor aller Augen schimmerten, eine Klinge, die urplötzlich in der Luft erschienen war und dort nun in der Luft schwebte, die Spitze auf Daras Hals gerichtet?

Eine Erklärung hatte ich nicht.

Die Szene hatte allerdings eine zu große Ähnlichkeit mit den nächtlichen Ereignissen in Tir-na Nog’th, der Traumstadt am Himmel, als dass es sich um einen Zufall handeln konnte. Es fehlte das ganze Drumherum – die Dunkelheit, die Verwirrung, die dichten Schatten, die Gefühlsstürme, die mich geschüttelt hatten – und doch spielte sich die Szene ungefähr so ab wie in jener Nacht. Es bestand eine große Ähnlichkeit, wenn auch keine hundertprozentige Übereinstimmung. Benedicts Haltung sah irgendwie anders aus – aus größerer Entfernung bildete sein Körper einen anderen Winkel. Ich konnte Dara die Worte nicht von den Lippen ablesen, fragte mich aber, ob sie dieselben seltsamen Fragen stellte. Ich nahm es nicht an. Das Tableau – der erlebten Szene ähnlich, aber auch wieder nicht – war vermutlich am anderen Ende durch die Einflüsse gefärbt worden, die Tir-na Nog’ths Kräfte damals auf meinen Geist gehabt hatten – wenn es überhaupt eine Verbindung gab.

»Corwin«, sagte Random, »was da vor ihr schwebt, sieht mir sehr nach Grayswandir aus.«

»Kann man wohl sagen«, gab ich zurück. »Aber du siehst selbst, dass ich meine Klinge bei mir habe.«

»Es gibt doch keine zweite Waffe dieser Art, oder? Weißt du, was da vor sich geht?«

»Ich habe allmählich das Gefühl, als könnte ich es wissen«, antwortete ich. »Was es auch ist, ich kann es jedenfalls nicht aufhalten.«

Plötzlich zuckte Benedicts Klinge aus der Scheide und griff die andere Waffe an, die der meinen ähnelte. Im nächsten Augenblick focht er gegen einen unsichtbaren Gegner.

»Zeig’s ihm, Benedict!«, rief Random.

»Sinnlos«, meinte ich. »Gleich wird er entwaffnet.«

»Woher weißt du das?«, wollte Gérard wissen.

»Irgendwie bin ich das, der da drinnen gegen Benedict kämpft«, entgegnete ich. »Vor uns sehen wir die andere Seite meines Traums in Tir-na Nog’th. Ich weiß nicht, wie er das geschafft hat, doch es ist der Preis dafür, dass Vater das Juwel zurückbekommen hat.«

»Das verstehe ich nicht«, sagte er.

Ich schüttelte den Kopf.

»Ich habe auch keine Ahnung, wie so etwas möglich ist«, sagte ich. »Auf jeden Fall können wir erst eintreten, wenn zwei Dinge aus dem Thronsaal verschwunden sind.«

»Welche beiden Dinge?«

»Pass nur auf!«

Benedict hatte das Schwert in die rechte Hand genommen, und seine schimmernde Prothese zuckte vor und suchte sich sein unsichtbares Ziel. Die Klingen parierten die gegnerischen Hiebe, überkreuzten sich und pressten gegeneinander, wobei die Spitzen langsam zur Decke emporstiegen. Benedicts rechte Hand verkrampfte sich immer mehr.

Plötzlich kam die Grayswandir-Klinge frei und bewegte sich an der anderen vorbei. Sie führte einen gewaltigen Hieb auf Benedicts rechten Arm aus, auf den Übergang zwischen Prothese und Armstumpf. Im nächsten Augenblick drehte sich Benedict um, und mehrere Sekunden lang konnten wir nicht erkennen, was geschah.

Endlich hatten wir wieder freie Sicht: Benedict sank in der Drehung auf die Knie. Er umklammerte seinen Armstumpf. Der mechanische Arm mit der Hand hing nahe Grayswandir in der Luft. Er entfernte sich von Benedict und verlor dabei an Höhe, die Klinge ebenfalls. Als beide den Boden erreichten, prallten sie nicht auf, sondern glitten hindurch und waren gleich darauf nicht mehr zu sehen.

Ich stolperte, gewann das Gleichgewicht wieder und drängte nach vorne. Das Hindernis war verschwunden.

Martin und Dara waren vor uns bei Benedict. Als Gérard, Random und ich das Podest erstiegen, hatte Dara einen Streifen von ihrem Umhang abgerissen und verband damit Benedicts Armstumpf.

Random packte Martin an der Schulter und drehte ihn zu sich herum. »Was ist geschehen?«, fragte er.

»Dara … Dara wollte Amber sehen«, antwortete er. »Da ich jetzt hier lebe, erklärte ich mich einverstanden, sie hindurchzuholen und herumzuführen. Dann …«

»Hindurchzuholen? Du meinst, durch einen Trumpf?«

»Nun … ja.«

»Deinen oder ihren?«

Martin biss sich auf die Unterlippe.

»Also, weißt du …«

»Gib mir die Karten«, forderte Random und riss Martin das Etui aus dem Gürtel. Er öffnete es und begann die Karten durchzublättern.

»Dann kam ich auf den Gedanken, Benedict zu verständigen, da er sich für sie interessierte«, fuhr Martin fort. »Benedict wollte kommen und sehen …«

»Zum Teufel!«, rief Random. »Hier haben wir einen Trumpf von dir, einen von ihr und einen von einem Kerl, den ich noch nie gesehen habe. Woher hast du die?«

»Zeig mal«, sagte ich.

Er reichte mir die drei Karten.

»Nun?«, fragte er. »Hast du sie von Brand? Meines Wissens ist er heutzutage der Einzige, der noch Trümpfe machen kann.«

»Ich will mit Brand nichts zu tun haben«, antwortete Martin, »außer ihn umzubringen!«

Doch ich wusste bereits, dass diese Karten nicht von Brand stammten. Sie entsprachen nicht seinem Stil. Die Art der Gestaltung war mir völlig unbekannt. Mehr noch beschäftigten mich die Gesichtszüge der dritten Person, des Mannes, von dem Random behauptete, er habe ihn nie zuvor gesehen. Ich aber kannte ihn. Vor mir sah ich das Gesicht des Jünglings, der sich mir vor den Burgen des Chaos mit einer Armbrust in den Weg gestellt hatte, der mich erkannt hatte und daraufhin nicht mehr schießen wollte.

Ich streckte Martin die Karte hin.

»Martin, wer ist das?«, wollte ich wissen.

»Der Mann, der die zusätzlichen Trümpfe gefertigt hat«, gab er zur Antwort. »Da er schon einmal dabei war, zeichnete er gleich noch einen von sich selbst. Seinen Namen kenne ich nicht. Er ist ein Freund Daras.«

»Du lügst«, behauptete Random.

»Dann soll Dara uns Antwort geben«, sagte ich und wandte mich an sie.

Sie kniete noch immer neben Benedict, obwohl sie mit dem Wundverband fertig war und er sich wieder aufgerichtet hatte.

»Na, wie steht es?«, fragte ich und fuchtelte ihr mit der Karte vor dem Gesicht herum. »Wer ist dieser Mann?«

Sie blickte auf die Karte und sah dann mich an. Sie lächelte.

»Weißt du es wirklich nicht?«, fragte sie.

»Würde ich sonst fragen?«

»Dann schau dir das Bild noch einmal an und anschließend in einen Spiegel. Er ist so sehr dein Sohn wie der meine. Er heißt Merlin.«

Ich bin nicht leicht zu verblüffen, doch dies war ja auch nichts Leichtes. Mir war schwindlig. Mein Verstand jedoch arbeitete schnell. Bei einem entsprechenden Zeitunterschied war so etwas möglich.

»Dara«, sagte ich, »was willst du?«

»Ich habe dir schon gesagt, als ich das Muster beschritt«, antwortete sie, »dass Amber vernichtet werden muss. Ich will nur meinen rechtmäßigen Anteil daran.«

»Du sollst meine alte Zelle bekommen«, sagte ich. »Nein, die Zelle daneben. Wächter!«

»Corwin, es ist schon gut«, sagte Benedict und stand auf. »Es ist nicht so schlimm, wie es sich anhört. Sie kann alles erklären.«

»Dann soll sie damit anfangen!«

»Nein. Unter uns, im Kreis der Familie.«

Ich winkte die Wächter zurück, die meinem Ruf gefolgt waren.

»Also gut. Ziehen wir uns in eines der Zimmer zurück, die an den Thronsaal stoßen.«

Er nickte, und Dara umfasste seinen linken Arm. Random, Gérard, Martin und ich folgten den beiden. Einmal schaute ich auf die leere Stelle zurück, an der mein Traum Wirklichkeit geworden war. So ist der Stoff beschaffen.

2.

Ich ritt über Kolvirs Gipfel und stieg an meinem Grabmal ab. Ich trat ein und öffnete den Sarkophag. Er war leer. Gut. Ich begann, mir meine Gedanken zu machen. Halb hatte ich schon damit gerechnet, mich selbst dort aufgebahrt liegen zu sehen, als Beweis für die Tatsache, dass ich trotz aller Vorzeichen und Intuitionen doch irgendwie in den falschen Schatten geraten war.

Nun kehrte ich nach draußen zurück und rieb Star die Nase. Die Sonne strahlte, der Wind war kühl. Plötzlich verspürte ich den Wunsch, eine Seefahrt zu machen. Doch ich setzte mich nur auf die Bank und beschäftigte mich mit meiner Pfeife.

Wir hatten uns unterhalten. Dara hatte mit untergeschlagenen Beinen auf dem braunen Sofa gesessen, hatte gelächelt und die Geschichte ihrer Abkunft von Benedict und Lintra, dem Höllenmädchen, erzählt, von ihrer Jugend in und bei den Burgen des Chaos, eines extrem nicht-euklidischen Reiches, in dem die Zeit seltsame Verteilungsprobleme machte.

»Was du mir bei unserem Kennenlernen erzählt hast, war alles gelogen«, sagte ich. »Warum sollte ich dir jetzt glauben?«

Sie hatte gelächelt und ihre Fingernägel betrachtet.

»Damals musste ich dich anlügen«, erklärte sie, »um von dir zu bekommen, was ich wollte.«

»Und das war …?«

»Kenntnisse über die Familie, das Muster, die Trümpfe, über Amber. Dein Vertrauen gewinnen. Dein Kind empfangen.«

»Und die Wahrheit hätte dir dabei nichts genützt?«

»Wohl kaum. Schließlich komme ich vom Feind. Meine Gründe, warum ich diese Dinge erstrebte, waren nicht so beschaffen, dass sie deine Zustimmung gefunden hätten.«

»Dein Umgang mit dem Schwert …? Du sagtest mir, Benedict habe dich ausgebildet.«

Wieder lächelte sie, und in ihren Augen loderte ein düsteres Feuer.

»Ich bin beim großen Herzog Borel persönlich in die Schule gegangen, einem Hohen Lord des Chaos.«

»… und dein Aussehen«, fragte ich, »es änderte sich bei mehreren Gelegenheiten, als ich dich das Muster beschreiten sah. Wie? Und warum?«

»Jeder, dessen Herkunft sich vom Chaos ableitet, ist zugleich Gestaltveränderer«, antwortete sie.

Ich dachte an den Abend, an dem Dworkin meine Gestalt angenommen hatte.

Benedict nickte. »Vater hat uns mit seiner Ganelon-Verkleidung getäuscht.«

»Oberon ist ein Sohn des Chaos«, gab Dara zurück, »ein Rebellensohn eines Rebellenvaters. Trotzdem ist die Kraft noch vorhanden.«

»Warum besitzen wir sie dann nicht?«, wollte Random wissen.

Sie zuckte die Achseln.

»Habt ihr es jemals versucht? Vielleicht besitzt ihr ja die Fähigkeit. Andererseits mag sie mit eurer Generation ausgestorben sein. Ich weiß es nicht. Was mich betrifft, so habe ich bestimmte Lieblingsformen, auf die ich im Notfall zurückgreife. Ich wuchs an einem Ort auf, an dem so etwas die Regel war, an dem die andere Gestalt zuweilen sogar überwog. Diesen Reflex habe ich mir bis heute bewahrt. Und das hast du beobachtet, damals.«

»Dara«, sagte ich, »warum warst du auf diese Dinge aus, die du uns eben genannt hast – Kenntnisse über die Familie, das Muster, die Trümpfe, Amber? Und einen Sohn?«

»Also gut«, sagte sie seufzend. »Also gut. Ihr kennt inzwischen Brands Pläne. Vernichtung und Neuaufbau Ambers.«

»Ja.«

»Dies setzte unser Einverständnis und Mitwirken voraus.«

»Einschließlich des Mordes an Martin?«, fragte Random.

»Nein«, sagte sie. »Wir wussten nicht, wen er als – Mittelsperson benutzen wollte.«

»Hättest du dich davon abbringen lassen, wenn du Bescheid gewusst hättest?«

»Das ist eine hypothetische Frage«, gab sie zurück, »die du dir selbst beantworten kannst. Ich freue mich jedenfalls, dass Martin noch lebt. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«

»Na schön«, sagte Random. »Was ist nun mit Brand?«

»Er vermochte sich mit unseren Führern durch Methoden in Verbindung zu setzen, die er von Dworkin gelernt hatte. Er hatte ehrgeizige Pläne. Er brauchte Wissen und Macht. Er machte uns ein Angebot.«

»Was für Wissen?«

»Zum einen wusste er nicht, wie er das Muster vernichten konnte …«

»Dann warst du also für seine Untat verantwortlich«, sagte Random. »Wenn du es so sehen willst.«

»Das will ich.«

Sie zuckte die Achseln und blickte mich an. »Wollt ihr seine Geschichte hören?«

»Sprich weiter.« Ich sah zu Random hinüber, und er nickte.

»Brand erhielt, was er gewünscht hatte«, fuhr sie fort, »doch man traute ihm nicht. Man hatte Sorge, dass er sich nicht mit der Herrschaft über ein umgestaltetes Amber begnügen würde, wenn er erst einmal die Macht besaß, die Welt nach seinem Willen zu formen. Er würde versuchen, seinen Einfluss auch über das Chaos auszudehnen. Unser Ziel war ein geschwächtes Amber, neben dem das Chaos stärker werden konnte, als es jetzt ist – die Schaffung eines neuen Gleichgewichts, durch das uns mehr Schattenländer zufallen sollten, die zwischen unseren Reichen liegen. Man hatte schon vor langer Zeit erkannt, dass sich die beiden Königreiche niemals miteinander verschmelzen lassen und dass keines der beiden gar zerstört werden kann, ohne zugleich all jene Vorgänge auseinanderzureißen, die zwischen den beiden Polen ständig im Gange sind. Das Ergebnis wäre völliger Stillstand oder totales Chaos. Wenngleich unsere Führer erkannten, was Brand im Schilde führte, trafen sie eine Vereinbarung mit ihm. Es war die beste Gelegenheit, die sich seit Langem bot. Man durfte sie nicht verstreichen lassen. Man hatte das Gefühl, dass man sich mit Brand zu gegebener Zeit auseinandersetzen und ihn dann sogar ersetzen konnte.«

»Ihr wolltet ihn also von vornherein betrügen«, sagte Random.

»Nicht wenn er sich an sein Wort hielt. Aber wir wussten genau, dass er das nicht tun würde. Wir schufen also die Ausgangsbasis für unsere Aktion gegen ihn.«

»Wie?«

»Wir wollten ihm gestatten, sein Ziel zu erreichen, und ihn dann vernichten. Sein Nachfolger sollte ein Mitglied der Königsfamilie von Amber sein, zugleich ein Angehöriger der ersten Familie der Burgen, ein Mann, der bei uns erzogen und für diese Position ausgebildet worden war. Merlins Verbindung zu Amber leitet sich sogar von beiden Seiten her, durch meinen Vorfahren Benedict und direkt von dir selbst – von den beiden hoffnungsvollsten Kandidaten für euren Thron also.«

»Du entstammst dem königlichen Haus des Chaos?«

Sie lächelte.

Ich stand auf. Entfernte mich. Starrte in die Asche auf dem Kaminrost.

»Es stört mich natürlich, dass ich für ein nüchternes Fortpflanzungsprojekt ausgenutzt worden bin«, sagte ich schließlich. »Aber wenn das so ist und wenn man – für den Augenblick – deine Äußerungen als wahr annimmt, warum erzählst du uns das alles gerade jetzt?«

»Weil ich die Befürchtung habe«, antwortete sie, »dass die Lords meines Reiches für ihre Visionen so weit gehen würden wie Brand für die seinen. Und vielleicht noch weiter. Dabei geht es mir um das Gleichgewicht, von dem ich gesprochen habe. Nur wenigen scheint bewusst zu sein, wie leicht diese Balance gestört werden kann.

Ich bin durch die Schattenländer nahe Amber gereist, ich bin durch das eigentliche Amber gegangen. Ich kenne die Schatten auf der Seite des Chaos. Ich habe viele Leute kennengelernt und viele Dinge gesehen. Als ich Martin begegnete und mit ihm sprach, wuchs in mir die Überzeugung, dass die Veränderungen, die man mir als wünschenswert dargestellt hatte, nicht einfach zu einer Umgestaltung Ambers im Sinne der Vorstellungen meiner Familienoberen führen würden. Vielleicht würde Amber durch sie zu einem bloßen Auswuchs der Burgen werden, die meisten Schatten würden davondriften und sich dem Chaos anschließen. Amber würde als Insel dastehen.

Etliche führende Persönlichkeiten gesetzteren Alters, denen es missfällt, dass Dworkin Amber überhaupt entstehen ließ, wollen zu den Zeiten vor diesem Ereignis zurückkehren. Zum totalen Chaos, aus dem alle anderen Dinge erstehen. Ich finde die augenblickliche Lage erstrebenswerter und möchte sie erhalten. Mein Wunsch wäre, dass aus einem Konflikt keine Seite als Sieger hervorgeht.«

Ich wandte mich um und bekam noch mit, dass Benedict den Kopf schüttelte.

»Dann stehst du also auf keiner Seite«, bemerkte er.

»Ich sehe es gern so, dass ich auf beiden Seiten stehe«, gab sie zurück.

»Martin«, fragte ich, »bist du mit ihr in die Sache verwickelt?«

Er nickte.

Random lachte. »Ihr beide? Gegen Amber und die Burgen des Chaos? Was hofft ihr zu erreichen? Wie gedenkt ihr eure Vorstellung von einem Gleichgewicht durchzusetzen?«

»Wir sind nicht allein«, antwortete sie, »und der Plan stammt auch nicht von uns.«

Daras Finger verschwanden in einer Tasche. Als sie sie wieder herauszog, schimmerte etwas darin. Sie hielt das Gebilde ins Licht. Es war der Siegelring unseres Vaters.

»Woher hast du ihn?«, fragte Random.

»Woher wohl?«

Benedict ging auf sie zu und hielt ihr die Hand hin. Sie gab ihm den Ring. Er betrachtete das Schmuckstück.

»Es ist wirklich sein Ring«, meinte er. »Hier sind kleine Markierungen auf der Rückseite, die ich schon einmal gesehen habe. Warum hast du den Ring?«

»In erster Linie um euch zu überzeugen, dass ich autorisiert bin, seine Befehle zu übermitteln«, sagte sie.

»Wie kommt es, dass du ihn überhaupt kennst?«, fragte ich.

»Ich lernte ihn vor einiger Zeit kennen, als er seine – Schwierigkeiten hatte«, erwiderte sie. »Im Grunde kann man sogar sagen, dass ich dabei geholfen habe, ihn davon zu befreien. Damals war ich Martin schon begegnet, und meine Sympathie galt in größerem Maße Amber. Abgesehen davon ist euer Vater ein charmanter Mann, der zu überzeugen versteht. Ich kam zu dem Schluss, dass ich nicht einfach zusehen durfte, wie er von meinesgleichen gefangen gehalten wurde.«

»Weißt du, wie er ursprünglich festgesetzt wurde?«

Sie schüttelte den Kopf. »Mir ist nur bekannt, dass Brand für seine Anwesenheit in einem Schatten gesorgt hat, der so weit von Amber entfernt war, dass er dort überwältigt werden konnte. Wenn ich mich nicht irre, ging es um die Suche nach einem erfundenen Zauberwerkzeug, mit dem sich das Muster hätte instand setzen lassen. Inzwischen weiß er, dass nur das Juwel dazu in der Lage ist.«

»Dass du ihm bei der Flucht geholfen hast – wie wirkte sich das auf die Beziehung zu deinen eigenen Leuten aus?«

»Nicht besonders gut«, sagte sie. »Ich bin vorübergehend ohne Heimat.«

»Und die suchst du hier?«

Wieder lächelte sie.

»Das hängt davon ab, wie sich die Dinge entwickeln. Wenn meine Leute sich durchsetzen, kann ich genauso gut zurückkehren – oder in den Schatten bleiben, die den Kampf überstehen.«

Ich zog einen Trumpf und betrachtete ihn.

»Was ist mit Merlin? Wo befindet er sich im Augenblick?«

»Sie haben ihn«, antwortete sie. »Ich fürchte, dass er inzwischen auf ihrer Seite steht. Er weiß, wer seine Eltern sind, aber man hat seine Erziehung lange unter Kontrolle gehabt. Ich kann nicht sagen, ob man ihn dort irgendwie herausbekommt.«

Ich hob den Trumpf und starrte auf das Bild.

»Es nützt nichts«, meinte sie. »Zwischen hier und dort funktioniert das nicht.«

Mir fiel ein, wie schwer die Verständigung durch die Trümpfe im Grenzbereich jener Welt gewesen war. Ich versuchte es trotzdem.

Die Karte in meiner Hand fühlte sich plötzlich kalt an, und ich suchte die Verbindung. Denkbar schwach flackerte der Impuls einer Wesenheit. Ich verstärkte meine Anstrengungen.

»Merlin, hier ist Corwin«, sagte ich. »Hörst du mich?«

Ich glaubte eine Antwort zu hören, es klang wie: »Ich kann nicht …« Und dann nichts mehr. Die Karte verlor ihre Kühle.

»Hast du ihn erreicht?«, fragte sie.

»Ich weiß es nicht genau«, sagte ich. »Aber ich nehme es an. Für einen kurzen Augenblick.«

»Besser als ich gedacht hätte«, meinte sie. »Entweder sind die Bedingungen gut, oder euer Verstand ist sehr ähnlich.«

»Als du Vaters Siegelring hervorgezogen hast, sagtest du etwas von Befehlen«, sagte Random. »Was für Befehle? Und warum schickt er sie durch dich?«

»Es ist eine Frage der zeitlichen Abstimmung.«

»Zeitliche Abstimmung? Himmel! Er ist doch erst heute hier abgerauscht!«

»Ehe er mit etwas Neuem anfangen konnte, musste er eine andere Sache zu Ende bringen. Er hatte keine Ahnung, wie lange das dauern würde. Ich habe mit ihm gesprochen, unmittelbar bevor ich hierherkam – wenn ich auch nicht auf einen solchen Empfang gefasst war. Er ist jedenfalls bereit, die nächste Phase in Angriff zu nehmen.«

»Wo hast du mit ihm gesprochen?«, fragte ich. »Wo ist er?«

»Keine Ahnung. Er setzte sich mit mir in Verbindung.«

»Und …?«

»Er möchte, dass Benedict sofort angreift.«

Nun rührte sich Gérard in dem riesigen Ohrensessel, in dem er das Gespräch verfolgt hatte. Er stand auf, hakte die Daumen in den Gürtel und blickte auf Dara hinab.

»Ein solcher Befehl müsste schon direkt von Vater kommen.«

»Das tut er auch«, sagte sie.

Er schüttelte den Kopf. »Ich sehe keinen Sinn darin. Warum sollte er jemanden wie dich ansprechen – jemanden, dem zu trauen wir wenig Grund haben – und nicht einen von uns?«

»Ich nehme nicht an, dass er euch im Augenblick erreichen könnte. Mich aber vermochte er anzusprechen.«

»Warum?«

»Er arbeitete ohne Trumpf. Für mich hat er gar keinen. Er machte sich einen Rückstrahl-Effekt der schwarzen Straße zunutze, ähnlich wie Brand einmal Corwin entkommen konnte.«