Die Burgkirche von Raron - Sophie Providoli - E-Book

Die Burgkirche von Raron E-Book

Sophie Providoli

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Beschreibung

Die Burgkirche St. Roman liegt malerisch auf einem Hügel über dem Rhonetal. Sie wurde 1512–1518 von Ulrich Ruffiner errichtet, einem Baumeister aus dem Valsesia (Piemont), der damals im Wallis grösste Anerkennung genoss. Ruffiner schuf eine der eindrücklichsten spätgotischen Kirchenbauten der Schweiz, indem er einen alten befestigten Wohnbau aus dem 14. Jh. in ein Kirchenschiff umwandelte. Das Innere mit eleganten Netz- und Sterngewölben zeigt an der nördlichen Schiffswand zwei hervorragende Darstellungen des Jüngsten Gerichts. Eine davon kann dem im Wallis sehr aktiven Maler Hans Rinischer zugeschrieben werden, der auch für die ausgezeichneten Gewölbemalereien und weitere Dekore verantwortlich ist. Der berühmte Dichter Rainer Maria Rilke wählte den Friedhof der Burgkirche für seine Grabstätte, die auch heute noch viele Besuchende anzieht.

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S. Providoli • M. Portmann • W. Ruppen • B. Duvillard • C. Kuonen Ackermann • M.-C. Schöpfer • M. Walter

Die Burgkirche von Raron

Kanton Wallis

Die Burgkirche im Kontext der Pfarrgeschichte von Raron

Die Burganlage

Das alte Pfarrhaus auf der Burg

Die Burgkirche St. Roman

Geschichtliches

Beschreibung

Die Wandmalereien

Die Ausstattung

Die Wandgemälde des Jüngsten Gerichts

Das Jüngste Gericht des Nordostfensters

Das Jüngste Gericht der Nordwand

Vergleiche und Schlussfolgerungen

Glocken und Glockenspiel

Rainer Maria Rilke und sein Grab

Die Felsenkirche St. Michael und das neue Pfarrhaus

Anhang

Die Burgkirche im Kontext der Pfarrgeschichte von Raron

ABB. 1 Südansicht des rechtsufrig der Rhone gelegenen Dorfs Raron. Zeichnung Hans Ludolff zugeschrieben, um 1650.

Als ursprüngliches Zentrum der ehemaligen Grosspfarrei Raron gilt das bereits im 8./9. Jh. über ein Gotteshaus verfügende Dorf St. German, das seinen Namen vom Heiligtum herleitete, das seinem Patron, dem heiligen Bischof Germanus von Auxerre geweiht war. In Raron werden 1285 die einstige Romanuskirche «auf dem Biel», 1299 ihr seltenes Patrozinium des heiligen Märtyrers Romanus von Caesarea und 1309 der Friedhof aktenkundig. Obschon gesicherte archäologische Befunde fehlen, deuten die in den Quellen fassbaren Indizien darauf hin, dass das Gotteshaus spätestens bis zum 14. Jh. zum Mittelpunkt der Grosspfarrei aufstieg, welche die vier Viertelsgemeinden Raron-St. German, Ausserberg, Bürchen und Unterbäch umfasste. Die Ortschaft gewann dadurch nicht nur als herrschaftlicher Sitz, Drehscheibe des Verkehrs- und Wirtschaftsgefüges und Stätte von Kunst und Kultur an Bedeutung, sondern auch als Mittelpunkt des religiösen Lebens.

Vermutlich im Gefolge der schweren Überschwemmungen von 1495 wurde die Romanuskirche unter dem Geschiebe des Bietschbachs begraben. Zu sehen blieb einzig der romanische Turm, der bis zu seinem Einsturz im Frühjahr 1938 Zeugnis von den immensen Schäden der Naturkatastrophe ablegte. Mit einem Schiedsspruch vom 17. August 1505 ordnete deshalb der Bischof von Sitten und spätere Kardinal Matthäus Schiner (1465–1522) den Wiederaufbau der Pfarrkirche von Raron an, nachdem Uneinigkeiten zwischen den Viertelsgemeinden über den Standort das obrigkeitliche Einschreiten nach sich gezogen hatten. Eine Befragung der Bevölkerung und die Ortsschau durch Schiner führten zum Entscheid, den aufgelassenen Palas auf dem Burghügel zu einer neuen Kirche auszubauen (ABB. 1).

Mit der Errichtung beauftragt wurde der in Raron niedergelassene Ulrich Ruffiner von Prismell (ca. 1480–1549/1556), der zwischen 1512 und 1518 den imposanten Sakralbau unter Mitwirkung der Frondienste leistenden Pfarrgenossen schuf und mit zahlreichen, für sein Wirken charakteristischen Stilelementen ausstattete. Das Gotteshaus stellt das erste fassbare Werk des bekanntesten Baumeisters der Walliser Spätgotik dar. Obschon das kirchliche Leben sich nach dem Bau der Felsenkirche 1974 wieder in die Ebene verlagerte, prägt die mit prächtigen Wand-und Gewölbemalereien des Künstlers Hans Rinischer(† 1530) ausgestattete Burgkirche noch heute – stolz über dem Dorf thronend – als pittoreskes Wahrzeichen das Ortsbild von Raron.

Marie-Claude Schöpfer

Die Burganlage

Die Burganlage ist auf einer Felskuppe errichtet, die im Westen durch eine schroff zum Dorf hinabfallende Felswand gekennzeichnet ist (ABB. 2). In der natürlichen Senke nördlich der Kuppe führt der Weg von Raron nach St. German. Im Rahmen der grossen Restaurierungsarbeiten von 1970–1972 wurde der Burghügel durch Werner Stöckli archäologisch untersucht.

Der bereits in der Jungsteinzeit besiedelte Burghügel (702 m ü. M.) wurde wohl im 11. Jh. mit einer Ringmauer ausgestattet und diente vielleicht als Volksburg (ABB. 3a). Im 12. Jh. entstand auf dem höchsten Punkt des Burgareals der heute noch erhaltene Wohnturm (ABB. 3b). 1268 wird die Burg in den Schriftquellen erstmals erwähnt. Zu Beginn des 14. Jh. wurde an der südwestlichen Grenze des Burgareals ein imposanter Wohnbau (heutiges Schiff der Kirche) errichtet und dabei die Ringmauer im Westen weiter an den Rand des Burgfelsens verschoben (ABB. 3c). Zu dieser Zeit müssen auf dem Hügel weitere Wohn- und Wirtschaftsgebäude für nichtadelige Personen gestanden haben.

ABB. 2 Ansicht der Baugruppe auf dem Burghügel von Nordwesten, mit Wohnturm (links), Pfarrhaus und Kirche.

2022 untersuchten Philipp Kalbermatter und Gregor Zenhäusern die mittelalterliche Geschichte von Raron neu. 1146 sind die Herren von «Opelingen» (Opplingen), die als Stammväter der im Wallis seit dem 13. Jh. belegten Freiherren von Raron gelten, Besitzer von Gütern und Rechten am Neuenburgersee, in «Rarun» (Raron) und Brienz. Es ist unklar, ob der Wohnturm zu dieser Zeit bereits stand und Teil des Allods«Rarun» war. Auf alle Fälle gehörte der Turm zum Vizedominat von Raron, das vor 1235 in den Händen der Familie von Raron lag. Als Viztume traten die Herren von Raron und ihre Nachfolger als Verwaltungs- und Gerichtsbeamte des Bischofs auf. Ob die Herren von Opelingen, die Herren von Raron oder der Fürstbischof (als Landesherr für seinen Viztum) Erbauer des romanischen Wohnturms sind, bleibt offen. Der letzte Viztum von Raron, Nikolaus de Chevron, verkaufte 1538 den vier Vierteln der Pfarrei Raron das Vizedominat.

ABB. 3 Chronologische Abfolge der Entstehung der mittelalterlichen Burganlage.

a Ringmauer, 11. Jh.

b Wohnturm, 12. Jh.

c «Palas», Anfang 14. Jh.

d Umbau «Palas» in eine Hallenkirche, 1512–1518.

Der strenge Quaderbau von 9,5 m Länge, 9,1 m Breite und 14 m Höhe (bis zur Traufe) (ABB. 4) wurde von Werner Stöckli als «der besterhaltene und wohl schönste Zeuge romanischer Profanbaukunst im Wallis» bezeichnet. Der ursprünglich nur mit schmalen Lichtöffnungen ausgestattete und wohl nur im dritten Obergeschoss und eventuell im Dachgeschoss bewohnte Turm zeigt auf der Westseite im dritten Obergeschoss einen heute zugemauerten Hocheingang mit Rundbogen. Im 16. Jh. liessen die Viertel der Grosspfarrei Raron den Turm, wohl unter Leitung von Baumeister Ulrich Ruffiner, zu ihrem Zendenrathaus umbauen. Bündig zur Westfassade wurde im Norden ein Treppenhaus mit Wendeltreppe, rundbogigem Tuffportal und tuffgerahmten Rechteckfenstern angebaut. Am Wohnturm wurden neue Treppengiebel aufgesetzt und neue Öffnungen ausgebrochen, darunter mehrere Doppelfenster mit Tuffrahmen.

ABB. 4 Der romanische Wohnturm, umgebaut im 16. Jh. Ansicht von Südwesten.