Die digitale Bücherwelt / La revolución digital del mundo editorial - Holger Ehling - E-Book

Die digitale Bücherwelt / La revolución digital del mundo editorial E-Book

Holger Ehling

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Beschreibung

Uns alle beschäftigt seit einigen Jahren die Digitalisierung in der Buchbranche, und wir alle haben mit Erstaunen gesehen, wie schnell das Randphänomen E-Books in den USA zu einem Mainstream-Phänomen geworden ist. Dementsprechend groß ist das Bedürfnis nach Information; wer eifrig ist und über ein gut gefülltes Spesenkonto verfügt, könnte wohl problemlos jeden Tag des Jahres mit der Teilnahme an Konferenzen verbringen, die sich der "Digitalen Revolution" widmen. Der Tenor dieser Konferenzen ist fast überall gleich: Die digitale Zukunft der elektronischen Bücher strahlt in den Farben des Regenbogens; die analoge Vergangenheit erscheint dagegen grau und trist. Wer nicht schnellstens Teil dieser schönen, neuen Welt wird, hat seine Zukunft bereits hinter sich. Wer Bücher als etwas versteht, das aus Papier besteht und zwischen zwei Deckeln eingebunden ist, lebt schon ganz in der Vergangenheit.

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Die digitale Bücherwelt

La revolución digital del mundo editorial

Holger Ehling

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DEUTSCH

ESPAÑOL

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Vorwort

Was ist ein Buch?

Das Buch zwischen Kultur und Kommerz

Buchmessen

Autoren

Verlage

Zwischenbuchhändler

Buchhändler

Bibliotheken

Leser

Fazit

Bibliographie

Anhang

Recommendation concerning the International Standardization of Statistics Relating to Book Production and Periodicals

Die 55 Thesen zur Zukunft der Buchbranche im Überblick

Über den Autor

Über Fleet Street Press

Buch + Media bei Fleet Street Press

Impressum

E-Book-Ausgabe Juni 2013

© 2013 Fleet Street Press, Oberer Kalbacher Weg 10, 603437 Frankfurt am Main, Deutschland

Kontakt: [email protected]

Covergestaltung: Julia Graff, Weil der Stadt

Bildnachweis Icon: © istockphoto.com/sodafish

Übersetzung ins Spanische: Inés Recio Fernandez

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar.

Die Verwertung dieses Textes, insbesondere Vervielfältigung, Sendung, Aufführung, Übersetzung, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Genehmigung durch den Verlag urheberrechtswidrig und nicht gestattet.

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-944479-97-2

Vorwort

Uns alle beschäftigt seit einigen Jahren die Digitalisierung in der Buchbranche, und wir alle haben mit Erstaunen gesehen, wie schnell das Randphänomen E-Books in den USA zu einem Mainstream-Phänomen geworden ist. Dementsprechend groß ist das Bedürfnis nach Information; wer eifrig ist und über ein gut gefülltes Spesenkonto verfügt, könnte wohl problemlos jeden Tag des Jahres mit der Teilnahme an Konferenzen verbringen, die sich der „Digitalen Revolution“ widmen. Der Tenor dieser Konferenzen ist fast überall gleich: Die digitale Zukunft der elektronischen Bücher strahlt in den Farben des Regenbogens; die analoge Vergangenheit erscheint dagegen grau und trist. Wer nicht schnellstens Teil dieser schönen, neuen Welt wird, hat seine Zukunft bereits hinter sich. Wer Bücher als etwas versteht, das aus Papier besteht und zwischen zwei Deckeln eingebunden ist, lebt schon ganz in der Vergangenheit.

Ich bin argwöhnisch ob solcher Parolen. Ja, wir als „Bücherleute“, als Autoren, Verleger, Buchhändler, Distributoren, Bibliothekare und, ja, auch als Leser, müssen uns beschäftigen mit den Chancen und den Herausforderungen der „Digitalen Revolution“.

Ist die „Digitale Revolution“ eigentlich eine Revolution? Grundsätzlich geht es ja bei Revolutionen darum, eine bestehende Ordnung schlagartig zu verändern – sei es, weil die bestehende Situation unerträglich geworden ist, sei es, weil etwas grundsätzlich Neues das Bestehende aus den Angeln hebt. Die Einführung neuer Maschinen und Prozesse im 18. Jahrhundert veränderte die Landwirtschaft und die Produktionsweisen von Gütern schlagartig und nachhaltig, ihre gesellschaftlichen Folgen – von der Entstehung der Arbeiterklasse bis zur Abschaffung der Sklaverei – waren vielfältig: Die Industrielle Revolution war sicherlich eine Revolution im eigentlichen Sinne. Politische Revolutionen, sei es in Frankreich und den USA im 18 Jahrhundert, sei es in Russland im 20. Jahrhundert, waren das Ergebnis gesellschaftlicher Veränderungen. Aber was geschieht, wenn die Ursachen der ursprünglichen Revolution beseitigt sind? Nur selten ist es in der Geschichte gelungen, Revolutionen sinnvoll zum Ende zu bringen. Fast immer verlangen die Revoluzzer nach einem immer weiter, immer mehr: „Hasta la victoria siempre!“ – nicht zuletzt, um durch den perpetuierten Ausnahmezustand die eigene Position zu sichern. Robbespierre, Fidél Castro und Konsorten lassen grüßen. Im Jahr 1955 erschien im damaligen Westdeutschland das Buch Die Revolution entlässt ihre Kinder, eine politische Autobiografie des ehemaligen kommunistischen Elitekaders Wolfgang Leonhard. Darin beschreibt er seine Jugend als Kind deutscher Kommunisten in Moskau, die vor den Nazis flüchten mussten, und seinen Weg durch die sowjetischen Kaderschmieden. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kam er als hoffnungsvoller Jungfunktionär nach Ost-Berlin, verzweifelte an der ideologischen Härte seine stalinistischen Genossen und flüchtete in den Westen Deutschlands. Niemand hat so genau und so kühl die Mechanismen der stalinistischen Unterdrückung beschrieben wie dieser Ex-Funktionär, der sein ganzes Leben lang dazu ausgebildet wurde, eben diese Mechanismen der Unterdrückung anzuwenden und sie ideologisch zu rechtfertigen.

Warum ich das erzähle? Weil dies für mich immer noch das beste Beispiel dafür ist, um den Unterschied deutlich zu machen zwischen dem Bild, das man als Außenseiter gewinnen kann, wenn man Entwicklungen in der Gesellschaft oder in Unternehmen beobachtet und jenem Bild, das man gewinnt, wenn man als Insider tatsächlich diese Entwicklungen gestaltet. Oft ist das, was sich von außen als groß und beeindruckend darstellt, aus der Innensicht ziemlich banal. Und manches Mal ist das, was als harmlos oder freundlich oder sogar cool erscheint, tatsächlich ziemlich perfide. Das wird deutlich, wenn man Insiderberichte hört und liest von ehemaligen Mitarbeitern der drei Giganten des neuen digitalen Zeitalters: Ob es um Arbeitsbedingungen bei Amazon geht, Steuertricksereien bei Google und Apple oder den Protest von zehntausenden Menschen in China gegen unmenschliche Bedingungen bei den Herstellern der Geräte von Apple – nach der Lektüre solcher Berichte bleiben keine Illusionen.

Das erste E-Book wurde bereits 1971 erstellt. Es hat fast 40 Jahre gedauert, bis die „Digitale Revolution“ die Buchbranche wirklich und nachhaltig erreicht hat; der Kick kam mit der Präsentation des ersten Kindle, der ab November 2007 in den USA in den Handel kam. Das ist noch nicht einmal sechs Jahre her. Aber diese „Digitale Revolution“ hat seither unsere Branche verändert. Die Konsequenzen sind neue Produkte und Geschäftsmodelle, neue Arten der Darbietung von Inhalten, neue Arten des Kundenkontakts, neue Tätigkeitsbeschreibungen in den Verlagen und beim Handel.

Trotz dieser Veränderungen gibt es allerdings keinen Grund, ängstlich zu sein. Und es gibt erst recht keinen Grund, gedruckte Bücher für überflüssig zu halten: Außerhalb der englischsprachigen Welt bestehen weiterhin mindestens 97 Prozent der Buchumsätze aus dem Verkauf gedruckter Bücher. Wir dürfen ob der Verheißungen des digitalen Geschäfts der Zukunft nicht versäumen, uns um unser Stammgeschäft zu kümmern. Wir müssen die Strukturen, in denen wir arbeiten, erhalten und verbessern. Es geht in unserer Branche um Bildung, um Information und auch um Unterhaltung – das ist eine große gesellschaftliche Verantwortung, der wir uns auch in der Zukunft stellen müssen.

Dieser Text basiert auf Vorträgen, die ich im Mai und Juni 2013 bei der Feria Internacional del Libro de Santa Cruz (Bolivien) halten durfte. Ich bedanke mich bei der Cámara Departamental del Libro de Santa Cruz und beim Deutsch-Französischen Kulturzentrum für die Einladung. Steffen Meier, Thomas Sittler und Monika Trebert danke ich für die kritische Durchsicht des Texts.

Santa Cruz de la Sierra, Mai/Juni 2013

Was ist ein Buch?

Fragen wir uns also zunächst einmal, was dieses Ding, das wir „Buch“ nennen, eigentlich ist. Die UNESCO hat im Jahr 1964 eine Definition verabschiedet, die uns heute noch behilflich sein kann. Darin heisst es unter anderem:

A book is a non-periodical printed publication of at least 49 pages, exclusive of the cover pages, published in the country and made available to the public;

A pamphlet is a non-periodical printed publication of at least 5 but not more han 48 pages, exclusive of the cover pages, published in a particular country and made available to the public;

Gut, die Festlegung auf einen Mindestumfang von 49 Seiten ist sicherlich willkürlich. Trotzdem: Viel einfacher und treffender kann eine Definition eigentlich nicht sein; sie trägt durchaus auch heute, fast 50 Jahre später, in der Zeit der E-Books. Denn in weiser Voraussicht legt die UNESCO auch fest, was mit dem Begriff „Druck“ gemeint ist: „The term printed includes reproduction by any method of mechanical impression, whatever it may be“. Damit ist klar, dass E-Books genauso als Bücher gelten können oder müssen wie ihre gedruckten Geschwister.

Nachdem wir also die mechanische Definition des Begriffs „Buch“ einigermaßen befriedigend gelöst haben, kommen wir zum inhaltlichen Teil – dieser sollte eigentlich irrelevant sein, denn ob Inhalte nun gedruckt oder digital transportiert werden, spielt für die inhaltlichen Aussagen der Texte keine besondere Rolle.

Allerdings entzünden sich an der Frage, ob Texte gedruckt oder digital dargeboten werden sollen, seit Jahren heftige Diskussionen. Dabei spielen in die Debatte um die Digitalisierung von Büchern häufig Sentimente hinein, die in dieser Form bei der Debatte um andere Medienträger nicht aufscheinen: Das Argument vom Buch als Kulturgut, das besonderen Schutzes bedarf (und ihn in vielfältiger Weise auch genießt), das Argument von der Unverzichtbarkeit der haptischen Erfahrung des Anfassens von Papier und des Umblätterns von Buchseiten. Dies ist eine Besonderheit der Bücherwelt – zwar kam es auch bei der Ablösung der Schallplatten aus Vinyl duch die CD zu fundamentalistischen Grabenkämpfen, und auch der Wert von traditionellen Filmen wird von Cineasten gerne betont, wenn wieder einmal verschollen geglaubte Teile von Klassikern auftauchen. Bei diesen Debatten spielt übrigens die Tatsache, dass besonders ältere und wertvolle Bücher durch die Darstellung auf digitalen Datenträgern, sei es als CD/DVD oder im Internet, in der Regel besonders gut erfahrbar sind, eine untergeordnete Rolle.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat sich, wohl um der Debatte einen Kick in Richtung Zukunftsfähigkeit zu geben, das „Prinzip Buch“ auf die Fahnen geschrieben: „Diese Begriffsschöpfung soll den Spagat ermöglichen, einerseits vom gedruckten Buch zu abstrahieren und es andererseits als Leitbild für eine Branche zu erhalten, in der die Digitalisierung Veränderungsprozesse in Gang gesetzt hat, deren mittel- und langfristige Folgen noch überhaupt nicht absehbar sind.“ (Wengenroth)

Torsten Casimir hat sich im Börsenblatt an einer Definition versucht und kommt zu folgenden Vorschlägen:

Definitorische Sätze.

• Bücher speichern hauptsächlich Sprachzeichen, aber schon auch Zahlen, Bilder, Noten, Töne und Bewegtbilder.

• Im Hybridfall stellen wir die Verdachtsdiagnose Buch, wenn der das Medium prägende Inhalt durch Schrift codiert wird.

• Die Rezeption von Büchern bleibt daher an Lesefähigkeit gebunden.

• Bücher sind nach ihrer Erstellung ein abgeschlossenes Werk.

• Sie entstehen bei thematischer Fokussierung des Werkschöpfers.

• Das Produkt wird handwerklich oder maschinell hergestellt.

• Sowohl körperliche Objekte als auch elektronische Speichermedien können Träger des Inhalts sein.

• Bücher entwickeln den Gang ihrer Gedanken und Informationen in der Regel linear.

• Bücher können lineares Erzählen auch verweigern, wobei das Raffinement dann in der Enttäuschung der regelhaften Erwartung liegt.

• Ein Beispiel von vielen: der Roman »Rayuela« von Julio Cortázar, fraglos ein Buch, das aber alternative Lesetracks anbietet.

• Bücher haben einen Mindestumfang, aber keinen gewissen; die Unesco-Festlegung von 49 oder mehr Seiten ist einigermaßen arbiträr.

• Bücher dienen der Überlieferung, Aufbewahrung und Verbreitung geistig-immaterieller Inhalte.

• Zum »Prinzip Buch« gehört die doppelte Codierung des Handelsgegenstands als Wirtschafts- und Kulturgut.

Definitorische Fragen

• Kommt man mit einem Katalog produktbezogener Eigenschaften hin, der das Buch unterscheidbar hält gegen seine mediale Umwelt?

• Oder gehört zum »Prinzip Buch« auch eine für dieses Medium spezifische soziale Formation?

• Ist ein unabdingbarer Teil dieser Formation der »Vorsprung« des Autors vor dem Leser?

• Sind in eine solche Formation neben Autor und Leser auch Produzenten, Händler und andere Vermittler einzubeziehen?

• Ist eine gewisse Rezeptionsmühe und -fitness (Lesen, Zeitaufwand) typisch für das »Prinzip Buch«?

• Soll Fokussierung nur als Haltung des Autors gefordert sein, oder auch als die seines Lesers, dem nach Selektivität und Vertiefung der Sinn steht?

• Ist der Händler, der Selektivität durch ausgesuchte Beratung produziert, definitorisch ebenfalls von Belang?

• Sind inhaltliche Relevanz und Qualität brauchbare Attribute, um Bücher von anderen Medien zu unterscheiden?

• Taugen sie, falls schon nicht als feststellbare Eigenschaften, zumindest als unterstellbare Ambition auf Autor- und Herstellerseite?

• Sollten wir vom »Prinzip Content« sprechen?

• Ist eine Crowd ein vorstellbarer Buch-»Autor«, und wäre dann der Prozess des Verlegens als Crowdsourcing denkbar?

• Ist dauerhafte Haltbarkeit der von einem Buch konservierten Inhalte ein Alleinstellungsmerkmal des Mediums?

• Und wie steht es mit dauerhafter Verfügbarkeit?

• Kommt das »Prinzip Buch« auch ohne das Kriterium der Abgeschlossenheit eines Werkes aus?

• Wird Abgeschlossenheit irgendwann als historische Übergangsphase zwischen mündlicher und digitaler Überlieferung relativiert?

• Gehören Elemente wie Aura, Auftritt, Inszenierung des Buches zu unserer gesuchten Merkmalsmenge?

• Können diese Elemente auch digitalen Büchern zugewiesen werden?

• Ist es konstitutiv für das »Prinzip Buch«, dass es lesebiografische Spuren (Prints!) hinterlässt?

• Gilt das auch für nicht gedruckte Bücher, die einen ja nach der Lektüre nicht sichtbar weiterbegleiten?

Mit seiner Begriffsschöpfung hat der Börsenverein – immerhin der größte Buchbranchenverband der Welt – sich verabschiedet von der Festlegung auf das Trägermedium Papier. Das ist sicherlich sinnvoll und trägt der veränderten Realität Rechnung, die seit Jahren vor allem im Bereich der Wissenschaften und der Fachinformation zu beobachten ist (siehe Abschnitt „Verlage). Das Trägermedium Papier reicht heute sicherlich nicht mehr aus, um eine Branchenidentität zu begründen. Wenn man diesen Ansatz weiterdenkt, „müsste man folglich Webseiten wie bspw. Nach 100 Jahren (Annette von Droste-Hülshoff in Briefen) als Buch bezeichnen. Interessanterweise bezeichnet der bekannte Blog Mashable die thematisch orientierte Zusammenstellung von Blog-Artikeln als eine Art Buch“ (Wattig). Dieser Interpretation steht nichts im Wege – außer einer gestrigen Ideologie, die in der Branche zuweilen gerne gepflegt wird.

Das Buch zwischen Kultur und Kommerz

In den meisten europäischen Ländern wird die Debatte um die Folgen der Digitalisierung des Buches dadurch erschwert, dass für die journalistische Wirtschafts- und Politikberichterstattung das Thema Buch in den Bereich der Kultur gehört. Dies bedeutet, dass die wirtschaftlichen Entwicklungen in der Buchbranche nur selten kommentiert werden. Das journalistische Feuilleton hingegen stilisiert das Thema der Digitalisierung gerne zur Frage, ob dadurch das Ende des gedruckten Buches eingeläutet wird. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den technischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Implikationen der Digitalisierung von Büchern findet nur selten statt.

Grundsätzlich wird dabei oft übersehen, dass das Buch als Träger von Kultur und Information seit seiner Entstehung ein kommerzielles Gut war und ist. Dokumente belegen, dass bereits die ersten in der Werkstatt von Johannes Gutenberg in Mainz produzierten Bücher bei der bereits seit dem Mittelalter existierenden Frankfurter Büchermesse gehandelt wurden. Diese kommerziellen Handelsstrukturen sorgten dafür, dass im frühneuzeitlichen Europa Texte zwischen Süden, Norden, Osten und Westen ausgetauscht werden konnten. Sie waren wesentlich verantwortlich für die Verbreitung des Gedankenguts der Renaissance, der Reformation und der Aufklärung und damit für das Entstehen der geistigen Strukturen des modernen Europas. Sie sorgten auch dafür, dass der europäischen Erfindung des Letterndrucks ein anderes Schicksal beschieden war als der Letterndruck-Technik Koreas (Jigji), die früher entstanden war, sich in Asien aber nicht kommerziell durchsetzen konnte.

Die technische Bearbeitung von Büchern zur Lesbarmachung abseits der traditionellen gedruckten Ausgaben ist kein neues Phänomen. Bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nutzen vor allem die Bibliotheken die Technik des Fotografierens zur Produktion von Mikroformen (Mikrofilm, Mikrofiches) und machten damit gute Erfahrungen bezüglich der Schonung von alten Buchbeständen und der Verbreitung von seltenen Büchern – übrigens werden heute noch digital entstandene Inhalte auf Mikrofilm gespeichert, weil dieser eine wesentlich längere Haltbarkeit bietet als jeder digitale Datentäger. Vor allem die wissenschaftlichen Verlage entwickelten daraus sehr gut funktionierende Geschäftsmodelle, die über Jahrzehnte allen Beteiligten eine zufriedenstellende Kooperation ermöglicht haben.

Bereits 1949 patentierte Ángela Ruiz Robles „Enciclopedia Mecánica“ in Spanien; am 4. Juli 1971 stellte Michael Stern Hart die US-amerikanische Unabhängigkeitserklärung in das interne Netzwerk der Universität Illinois – das ist die Geburtstunde des E-Books. Sein Hauptargument: „he announced that the greatest value created by computers would not be computing, but would be the storage, retrieval, and searching of what was stored in our libraries.“ (Hart) Seither treibt das von ihm angeregte „Project Gutenberg“ die Digitalisierung von alten Buchbeständen voran.

In den 1990er Jahre erblickte ein digitales Lexikon aus dem Bertelsmann-Verlag als erstes wirklich kommerzielles Projekt das Licht – es wurde viel beachtet, aber wenig gekauft: Es wurde als Hybrid-Produkt angeboten, mit gekürzter Druckfassung und CDs – so etwas ist bis heute ein Rezept fürs Scheitern. Nicht viel besser erging es William Gibson mit seinem Roman Mona Lisa Overdrive, der 1988 wurde als erstes E-Book in den Handel kam, das sich vollständig am Computerbildschirm lesen ließ.

Zwei wesentliche technische Entwicklungen stehen am Beginn der Debatte um die Digitalisierung von Büchern: Zum ersten die Entwicklung leistungsfähiger Speichermedien und Software, die eine kostengünstige Bearbeitung ermöglichten; zum zweiten das Auftreten und die Verbreitung des Internets seit 1993. Seither haben vor allem Bibliotheken sowie wissenschaftliche Institutionen und Verlage eine Vorreiterrolle bei der Digitalisierung eingenommen. Grundsätzlich geht es dabei darum, folgende Ziele zu erreichen:

• Allgemeine Verfügbarkeit von Texten für Forscher, Lehrende und Studierende

• Bessere Vernetzung und Information der Forscher durch Umgehen der Probleme der physischen Distribution von Büchern und Zeitschriften

• Verbesserte Recherchefunktionen in öffentlichen und institutionellen Datenbanken

• Kostensenkung beim Ankauf von Texten und Materialien.

Mit dieser Entwicklung einher ging im Bereich der Wissenschaft eine Debatte um die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen, die unter dem Stichwort Open Access