Die drei !!!, 1,2,3 Sommer! (drei Ausrufezeichen) - Mira Sol - E-Book
SONDERANGEBOT

Die drei !!!, 1,2,3 Sommer! (drei Ausrufezeichen) E-Book

Mira Sol

0,0
7,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Kim, Franzi und Marie sind "Die drei !!!". Mutig und clever ermitteln die drei Freundinnen und sind jedem Fall gewachsen. Die drei !!! sind auf Urlaubsmission. Ob auf der legendären Pferderennbahn in Ascot oder beim Hauptstadt-Shopping in Berlin – die drei Kult-Detektivinnen müssen auf ihren nächsten Fall nicht lange warten. Skandal auf der Rennbahn: Eigentlich wollten die drei !!! ihren Sprachkurs in England dafür nutzen, endlich einmal nur Urlaub zu machen. Doch als sie auf der legendären Rennbahn in Ascot seltsame Vorkommnisse beobachten, können die drei Detektivinnen nicht einfach wegschauen. Haben sie es hier wirklich mit Doping und Wettbetrug zu tun? Franzi, Kim und Marie riskieren Kopf und Kragen, um diesen Fall zu lösen ... Jagd im Untergrund: Die drei !!! können ihr Glück kaum fassen: Sie nehmen an einem Theater-Festival in Berlin teil. Das bedeutet eine Woche Theater, Shoppen, Nachtleben – Hauptstadt-Feeling pur! Doch kaum sind sie in Berlin angekommen, haben sie auch schon ihren nächsten Fall. Scheinbar sollen die Bewohner eines alternativen Szene-Viertels von einem skrupellosen Immobilien-Hai aus ihren Häusern vertrieben werden, damit der dort Luxus-Wohnungen bauen kann. Doch bei genauerem Hinsehen, kommen Kim, Franzi und Marie einem ganz anderen Verbrechen auf die Spur und tauchen ein in die geheime Berliner Unterwelt ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 311

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Petra Steckelmann Mira Sol

1, 2, 3 – Sommer!

Kosmos

Umschlagillustration von Ina Biber, Gilching

Umschlaggestaltung von Friedhelm Steinen-Broo, eSTUDIO CALAMAR

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele

weitere Informationen zu unseren Büchern,

Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und

Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2017, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-15787-9

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Petra Steckelmann

Skandal auf der Rennbahn

Kosmos

Albtraumferien?

Franzi sah Kim schon von weitem an, dass sie etwas bedrückte. Sie ging mit hängenden Schultern auf das Café Lomo zu. Franzi legte einen Zahn zu und sauste mit ihren Inlineskates direkt auf Kim zu. Als Kim gerade die Tür öffnete, rief Franzi ihr zu:

»Hey, Kim, was ist denn mit dir passiert? Haben dir Ben und Lukas Steine in die Tasche gepackt? Oder noch schlimmer: stinkende Kröten?«

So ganz unwahrscheinlich war das noch nicht mal. Bei all den verrückten Sachen, die die beiden 9-jährigen Zwillinge schon angestellt hatten, wäre auch das möglich gewesen. Kim zuckte zusammen, als Franzi neben ihr zum Stehen kam.

»Herrje, hast du mich erschreckt.«

»Keine Steine in der Tasche, stimmt’s? Los, erzähl schon! Was ist so Schreckliches passiert, dass du so ins Lomo schleichst?«

»Ach«, winkte Kim ab. »Lass mich erst einmal einen Kakao Spezial trinken. Unser Lieblingsgetränk zaubert bestimmt in null Komma nichts ein Lächeln auf meine Lippen. Und wenn das nichts hilft, tut es bestimmt ein Dutzend Muffins.«

Dass Kim Süßem nicht widerstehen konnte, wusste Franzi. Aber musste es gleich ein Dutzend sein? Sonst brauchte Kim nur dann besonders viel Nervennahrung, wenn ein Fall zu lösen war. Aber der Detektivclub, den Kim ins Leben gerufen hatte, hatte schon seit ein paar Wochen keinen Fall mehr. Ob das an Kims Nerven zerrte? Dass kein neuer Fall für die drei !!! in Sicht war? Und das so kurz vor den Sommerferien.

Kim steuerte ihren Stammplatz, das Sofa in der Ecke an, und kauerte sich seufzend in die Polster.

Franzi ließ sich lässig neben Kim aufs Sofa fallen, zog ihre Inlineskates aus und schlüpfte in ihre Turnschuhe.

»Für mich auch einen Kakao Spezial, bitte«, nuschelte sie der Kellnerin zu, während sie die Schuhe zuband.

»Findet die Sitzung heute unter dem Tisch statt?«, fragte Marie, die jetzt ebenfalls im Café Lomo auftauchte. Sie beugte sich zu Franzi und zwinkerte ihr zu. Ihre langen blonden Haare hielt sie elegant mit den Fingerspitzen zurück, damit diese nicht wie ein Vorhang vor ihr Gesicht fielen.

Franzi starrte auf Maries Schuhe. Wow, dachte sie, die sehen mehr als unbequem aus. Dann rappelte sie sich hoch, und staunte noch mehr.

»Marie«, hauchte sie und hielt sich die Hand vor den Mund. Sonst hätte sie auf der Stelle losgekichert.

»Gefällt dir mein neuer Lidschatten etwa nicht? Glaub mir, das ist die Trendfarbe des Sommers.«

»Schwarz ist keine Farbe«, sagte Franzi trocken. »Du siehst aus, als wärst du zu den Satanisten übergelaufen.«

»So ein Quatsch.« Marie schüttelte den Kopf, setzte sich mit übereinandergeschlagenen Beinen zu Franzi und Kim aufs Sofa und wippte lässig mit dem linken Fuß. »Keiner dieser abgedrehten Gruftis würde jemals solche Schuhe tragen.«

Stimmt, dachte Franzi. Pinkfarbene Clogs mit Efeuranken aus schwarz funkelnden Strass-Steinen wären bestimmt nicht der letzte Schrei in der dunklen Szene. Eines musste sie Marie lassen: Egal wie schrill ihr Outfit manchmal auch war, es war nie langweilig und erfüllte stets die neusten Modestandards.

»Na, wie auch immer. Zumindest scheinen diese Clogs einen Siebenmeilenstiefelmodus zu haben. Du warst doch noch nie pünktlich!«, stichelte Franzi.

»Witzig.« Marie zog die Nase kraus. »Ich hatte ausnahmsweise mal keine Termine. Das ist alles. Schauspielunterricht war gestern, Gesangsunterricht fiel aus, weil die Lehrerin schon frühzeitig die Sommerpause eingeläutet hat, und …«

»Schon gut, schon gut.« Franzi wollte gar nicht mehr hören. Marie war pünktlich zum verabredeten Zeitpunkt erschienen, und das allein sollte reichen. Es gab in der Vergangenheit eh schon genügend Diskussionen um Maries viele Aktivitäten, die sie immer wieder davon abhielten, pünktlich zu den Treffen der drei !!! zu erscheinen.

»Zurück zu dir, Kim. Was ist los? Du machst ein Gesicht wie hundert Tage Regenwetter. Jetzt mach deinem Ärger schon Luft«, forderte Franzi Kim auf.

Kim nippte an ihrem Kakao, holte tief Luft und zog dann einen Prospekt aus ihrer Tasche. Wortlos legte sie ihn auf den Tisch.

»Was ist das?«, fragten Franzi und Marie gleichzeitig.

»Sunny Times?«, las Marie vor und fragte noch einmal: »Was ist das?«

»Sprachferien in England. Das ist das. Sunny Times bietet deutschen Schülern die Möglichkeit, auch in den Ferien die Nase in Bücher zu stecken. Toll, was?« Kims Stimme klang genervt. »Meine Mutter hat mich dazu verdonnert, weil ich in der letzten Englischarbeit eine Vier geschrieben habe.«

Nachdem Kim den letzten Englischtest vor den Sommerferien vergeigt hatte, wedelte Frau Jülich nun bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit mit der Broschüre des Sprachreiseunternehmens vor Kims Nase herum. Als Grundschullehrerin gingen ihr gute Noten über alles. Erfolgreicher Detektivclub hin, erfolgreicher Detektivclub her – so konnte es nicht weitergehen! Die deutlichen Worte ihrer Mutter hallten Kim jetzt noch in den Ohren.

»Ich werde meine Sommerferien also mit Unterricht verbringen«, sagte sie frustriert, nahm einen großen Schluck Kakao und nuschelte dann leise: »So was Doofes.«

»Hey, das ist doch klasse«, rief Marie überzogen fröhlich und sprang auf. »Ich komme mit! Ich konnte mich sowieso noch nicht entscheiden, was ich in den Sommerferien machen soll. Mein Vater hat vorgeschlagen, dass wir gemeinsam …«

»Marie Grevenbroich, egozentrisch wie eh und je«, unterbrach Franzi, und wünschte, sie hätte sich rechtzeitig auf die Zunge gebissen. »Tut mir leid, Kim, ich wollte nicht schon wieder damit anfangen.« Sie wusste, wie sehr Kim die ewigen Sticheleien zwischen Marie und ihr auf die Nerven gingen. Zu Marie gewandt presste sie kleinlaut ein »’tschuldigung« hervor.

»Ach, ist doch egal«, winkte Marie großzügig ab. »Hey, wäre es nicht toll, wenn wir alle drei gemeinsam fahren würden?«

Kim und Franzi sahen sie verwundert an.

»Du weißt doch genau, dass meine Eltern nicht so viel Geld haben. Wovon sollen sie denn eine so teure Sprachreise bezahlen?«

Marie ignorierte sie und plapperte munter weiter.

»Nicht sie sollen die Reise bezahlen, sondern du!«

»Ich?« Franzi verschluckte sich beinahe an ihrem Kakao.

»Wenn du überhaupt Lust hast, die Ferien mit Kim und mir am Strand in England zu verbringen!« Freundschaftlich legte Marie den Arm um Franzi und sah sie aufmunternd an.

»Ferien auf der Schulbank!«, erinnerte Kim und verdrehte die Augen.

»Ach, das bisschen Lernen, das sitzen wir doch auf einer Backe ab.« Marie schilderte in den schillernsten Farben, wie sie sich den Urlaub in England vorstellte. »Disco, Cafés und jede Menge Spaß. Langweilig wird uns bestimmt nicht«, garantierte sie zum Abschluss.

»Und woher willst du das wissen? Immerhin geht es hier um Sprachferien. Das heißt büffeln bis zum umfallen!« Kim schnaubte verächtlich.

»Och, der Unterricht ist doch nur so was wie ein Lockvogel, damit die Eltern ihren Kindern so eine Reise erlauben und sie bezahlen.«

»Womit wir wieder beim Thema Geld wären«, stöhnte Franzi und zog ein langes Gesicht. »Für mich werden die Sommerferien in Billershausen stattfinden. Ein Besuch bei Oma Lotti sei genau das Richtige, findet meine Mutter. Das kostet auch nicht so viel«, schob Franzi nach. Und als Marie den Mund öffnete, wehrte sie schnell alles ab, was Marie noch hätte sagen können. »Vergiss es, Marie! Niemals zahlen meine Eltern das. Dafür sind meine Noten in Englisch nicht schlecht genug.«

»Nun hör mir doch mal zu!«, sagte Marie und strahlte Franzi an. »Wir haben für die Lösung unseres letzten Falles so viel Geld bekommen. Selbst wenn wir neue Möbel fürs Hauptquartier gekauft haben, bleibt immer noch genügend Geld übrig. Und außerdem …«

Jetzt war es Kim, die Marie ins Wort fiel. »Genau!«, rief sie und war mit einem Mal gar nicht mehr so niedergeschlagen. »Wir fahren alle zusammen! Los Franzi, das wird schon! Und die Detektivausrüstung können wir später immer noch aufstocken!«

Franzi überlegte kurz. Die strahlenden Gesichter von Kim und Marie überzeugten sie.

»Aber wir brauchen dringend …«, versuchte Franzi ihren Wunsch nach einer Erweiterung der Detektivausrüstung ein letztes Mal vorzubringen.

»Papperlapapp! Wir sind so gut ausgerüstet. Da fehlt nichts, was wir dringend für unsere Ausrüstung bräuchten!«, beharrte Kim, der der Sprachaufenthalt in England zusammen mit ihren Freundinnen auf einmal gar nicht mehr wie blöder Schulunterricht vorkam. Das würde bestimmt lustig werden!

Franzi überlegte kurz und gab sich geschlagen. »Dann muss ich jetzt nur noch meine Eltern überreden.« Feierlich hob Franzi den Kakaobecher. »Lasst uns auf England anstoßen!«

Die Becher klirrten, der Kakao schwappte, und Kim, Franzi und Marie strahlten sich an.

Munter durcheinander redend verließen sie das Café Lomo. Kim war sicher, dass ihrer Mutter der Mund offen stehen bleiben würde, wenn sie ihr erzählte, dass sie sich jetzt doch auf die Sprachferien freute. Marie überlegte, ob sie ihren Vater einfach so vor vollendete Tatsachen stellen sollte. Und Franzi ging in Gedanken 1000 Argumente durch, die bei ihren Eltern einfach durchschlagen mussten.

Noch am selben Abend schaffte es Marie, ihren Vater von der Notwendigkeit des Spaß … äh Sprachaufenthaltes an der englischen Südküste zu überzeugen. Ein neckischer Augenaufschlag und ein süßes Haarsträhne-um-den-Finger-Wickeln reichten aus, ihn dazu zu bringen, das Anmeldeformular auszufüllen. Noch ein zuckersüßes »Bitte, bitte« hinterher, und er legte auch noch ein saftiges Taschengeld obendrauf. Er konnte es sich ja auch leisten, seine Tochter nach Strich und Faden zu verwöhnen. Als erfolgreicher Darsteller des Hauptkommissars Brockmeier in der Vorabendserie Die Vorstadtwache verdiente er genug, um noch nicht einmal mit der Wimper zu zucken, als Marie auch noch auf einem neuen Sommeroutfit bestand. Da hatte sie für den Parisaufenthalt im letzten Jahr deutlich mehr Überzeugungskraft aufbringen müssen.

Franzi musste sich schon mehr einfallen lassen. Ihre guten Englischnoten gaben kein schlüssiges Argument her, um ihre Eltern zu überzeugen.

»Und wer kümmert sich um dein Pony Tinka? Und was ist mit Polly? Du weißt, dass deine Schwester Chrissie sich nicht drum reißen wird, dein hinkendes Huhn zu füttern, wenn du weg bist. Stefan gibt dir bestimmt Nachhilfeunterricht in den Ferien, wenn du wirklich glaubst, nicht gut genug in Englisch zu sein«, schlug ihre Mutter stattdessen vor. Das hatte Franzi gerade noch gefehlt! In den Ferien gemeinsam mit ihrem älteren Bruder über den Büchern zu sitzen und Englisch zu pauken. Soweit durfte es nicht kommen!

Franzi musste also tiefer in die Trickkiste greifen, um von ihren Eltern die Unterschrift für die Anmeldung zu bekommen. Aber ihr fiel beim besten Willen nichts ein. Ausser dem einen: Sie versprach ihrer Mutter hoch und heilig, in Zukunft mehr für die Schule zu tun, und weniger Detektivarbeit zu leisten. Dass sie bei dem letzten Versprechen die Finger hinter ihrem Rücken kreuzte, sah Frau Winkler zum Glück nicht.

Drei Wochen später war es soweit. Die Anmeldeformulare waren ausgefüllt und unterschrieben, die Reiseunterlagen angekommen und von Franzi, Marie und Kim genaustens studiert worden. Auch die Koffer waren längst gepackt.

Sie trafen sich, entgegen ihren Gewohnheiten, nicht im Hauptquartier der drei !!!. So sehr Franzi, Kim und Marie ihren Detektivclub auch liebten, sie freuten sich schon drauf, nach dem letzten spektakulären Fall, den sie gelöst hatten, den Pferdeschuppen mit der blauen Kutsche mal für ein paar Wochen nicht zu sehen. Sie saßen in Kims Zimmer und malten sich aus, wie herrlich es sein würde, am Strand zu liegen und Kakao Spezial zu schlürfen – natürlich mit Eiswürfeln – der mindestens genauso lecker sein würde wie im Café Lomo.

Sie waren bester Laune. Bis Marie den verheerenden Fehler machte, einen Tick zu neugierig zu werden.

Sie zupfte die sorgfältig zusammengelegten T-Shirts aus Kims Koffer, schüttelte den Kopf und sagte: »Mit diesem altmodischen Shirt angelst du dir aber keinen flotten Engländer!« Da entdeckte sie es: das Detektivtagebuch!

»Oh nein, das Ding bleibt hier!« Mit spitzen Fingern fischte sie das zerfledderte Heft, das Kim als Detektivtagebuch benutzte, wenn ihr der Computer nicht zur Verfügung stand, zwischen zwei rosa-grün gemusterten Tank-Tops hervor.

»Wir fahren in die Ferien! Südküste – England – Strand und Meer! Schon vergessen?«

»Du scheinst etwas vergessen zu haben«, blaffte Kim Marie an und stopfte Buch und T-Shirts zurück in den Koffer. »Erinnerst du dich an Paris? Na, klickert da was bei dir?« Kim sah Marie herausfordernd an. »Da wurde auch nichts aus unserem gemütlichen Einkaufsbummel über die Champs-Elysées. Stattdessen haben wir einen Schmuggler quer durch den Schlosspark von Versailles gejagt. Dieses Mal will ich vorbereitet sein. Nur für den Fall, dass ein neuer Fall auf die drei !!! wartet.«

»Oh je, Kim!«, stöhnte Franzi. »Nicht an jedem Ferienort wimmelt es nur so von Gangstern und Ganoven. Es wird doch mal einen Urlaub ohne Verbrechen geben! Diesen Sommer machen wir einfach nur die Beine lang und lassen uns die Sonne auf den Pelz scheinen! Wir lassen »Die drei !!!« hier. Sperren sie in die Kutsche in unserem Hauptquartier und fliegen als Kim Jülich, Franziska Winkler und Marie Grevenbroich in erholsame, ruhige Sommerferien!«

»Man kann nie wissen«, beendete Kim die Diskussion und klappte den Koffer zu. Und damit auch wirklich klar war, dass das Buch blieb, wo es jetzt war, setzte sie sich auf den Koffer. »Und, habt ihr schon alles zusammengepackt?«, fragte sie zur Ablenkung.

Marie schlug sich erschrocken an die Stirn. »Verdammt, verdammt, verdammt«, fluchte sie und sauste aus dem Zimmer. »Ich komme gleich wieder«, rief sie rasch, bevor von ihr nur noch der wippende blonde Pferdeschwanz zu sehen war.

»Wow, die hat es aber plötzlich eilig. Hoffentlich holt sie jetzt nicht unsere gesamte Detektivausrüstung«, sagte Franzi und sah sich in Gedanken schon mit einem superschweren Rucksack prall gefüllt mit Aufnahmegerät, Fingerabdruckset, Fernglas, Lupe, Taschenlampe und Notebook an der Strandpromenade flanieren.

»Wahrscheinlich hat sie einfach nur vergessen, wasserfestes Mascara in der neusten Trendfarbe zu kaufen«, meinte Kim gelassen.

Franzi verdrehte die Augen. »Farblich passend zu den Trägern ihres Bikinis, wetten!«

Das kann ja heiter werden, dachte Kim. Hören die spitzen Bemerkungen der beiden denn nie auf?

Detektivtagebuch von Kim Jülich

Freitag, 21:07 Uhr

Die letzte Nacht vor dem Abflug nach England!

Bevor wir nach Eastbourne abreisen, möchte ich noch schnell sagen, dass der Detektivclub nicht auf Eis gelegt wird. Aber uns Dreien tun 3 Wochen Erholung sicherlich gut. Die letzten Fälle waren schließlich anstrengend und gefährlich genug. Wir haben uns eine Pause verdient!!!

Aber damit wir nicht vergessen, wer wir sind, hat Marie etwas völlig Irres gemacht!

Es dauerte eine Ewigkeit, bis Marie zurückkam, nachdem sie vorhin so plötzlich aufgesprungen und aus meinem Zimmer gestürmt war. Franzi und ich haben uns die Zeit mit Surfen im Internet vertrieben. Wir waren noch einmal auf der Website von Eastbourne. Die kleine Stadt ist irgendwie süß. Auf den Bildern sieht sie ein bisschen so aus wie eine Modelleisenbahnstadt. Alles ist sauber und ordentlich, so als würde die ganze Stadt vor dem Ansturm der Students (so nennen die Engländer die Sprachschüler aus aller Welt, die ab Juli die Küste belagern) noch mal auf Vordermann getrimmt. Auf dem Pier, der weit ins Wasser ragt, ist ein riesiges Spieleparadies mit blinkenden Flippern und den neuesten Videospielen. Aber am meisten hat mich Beachy Head beeindruckt. Das ist ein riesiger Kreidefelsen am westlichen Ende des Strandes (der übrigens aus Kieselsteinen besteht – nix mit Sandstrand und so). In dem Felsen gibt es alte Schmugglerhöhlen. Und wer weiß, vielleicht können wir ja mal einen Fall aus der Vergangenheit lösen. Möglicherweise finden wir ja irgendeinen alten Piratenschatz, der nur darauf wartet, von den drei !!! entdeckt zu werden!

Aber ich wollte eigentlich von Marie und ihrer irren Idee erzählen. Also: Marie stürmte später mit wehenden Haaren in mein Zimmer und kramte völlig ausser Atem in ihrer Tasche herum. Stolz hielt sie Franzi und mir ihre Beute unter die Nase. Drei Bikinis, einen in Pink, den sie sich gleich unter den Nagel riss, einen in Petrol und einen in Nachtblau … und jetzt kommt der Clou: An der linken Seite der Bikinihosen war unser Logo aufgedruckt – drei bunte Ausrufezeichen auf schwarzem Grund! Franzi war sofort begeistert und griff nach dem petrolfarbenen Bikini. Mir wäre ein Badeanzug lieber gewesen. Ich habe um die Hüften schon wieder so einen ekelhaften Speckring. Franzi hat nur die Augen verdreht, als ich den Bikini kritisch anstarrte. Sie wusste sofort, was mir durch den Kopf ging. »Mach dich nicht verrückt! Wir fahren ans Meer! Bewegung im Wasser wirkt wahre Wunder. Da schmelzen die Kilos von alleine.« Franzi hat gut reden. Weiß sie denn nicht, dass es in England die besten Muffins der Welt gibt? Wie soll ich denen widerstehen?

Wenigstens ist der nachtblaue Bikini nicht so auffällig wie der in Pink. Ich wette, dass Marie dazu ihren himbeerfarbenen Lipgloss auftragen wird, und ihren pinkfarbenen MP3-Player neckisch an die Bikinihose klemmt. So perfekt, wie sie ihr Styling immer durchplant, wird sie auch noch irgendwo eine Gummimatratze in Pink aufgetrieben haben.

So, jetzt kann ich den Koffer endgültig verschließen. Und das Detektivtagebuch bleibt drin, man kann ja nie wissen! (Ich sag nur Schmugglerhöhlen!) Es kann losgehen! Auf nach England!

England, wir kommen!

Der Abschied am Flughafen war kurz und tränenlos. Maries Vater hatte keine Zeit, seine Tochter zum Flughafen zu bringen, weil er schon wieder auf dem Weg zum nächsten Dreh war. Und auch Franzis Eltern nahmen nur zu dankbar den angebotenen Abholdienst von Kims Eltern an. Sie hatten sich vor der Haustür von ihrer Tochter verabschiedet und ihr schöne Sommerferien gewünscht. Nachdem beim letzten Abflug von Kim, Marie und Franzi nach Nizza alles gut ging, vertrauten sie jetzt darauf, dass es auch dieses Mal keine Probleme geben würde. »Wer so viel reist wie du, ist offensichtlich schon groß genug, seinen Koffer alleine durch das Flughafengebäude zu schleppen und auf das Laufband am Check-in-Schalter zu hieven«, hatte Franzis Vater noch augenzwinkernd gesagt, bevor er seine Tochter ins Auto von Kims Eltern steigen ließ. Kims Eltern warteten jetzt geduldig, bis der Flugbegleiter von Sunny Times auftauchte und die Schülerinnen in Empfang nahm. Er stellte sich als John Candlish vor, und erklärte, dass er für die nächsten Wochen ihr Ansprechpartner sein würde. Kurz darauf hatten die Mädchen eingecheckt. Michi stand daneben und schaute wie ein begossener Pudel drein. Er fand es gar nicht gut, dass Kim schon wieder verreiste.

Er zog sie zum Abschied dicht an sich und beschwerte sich mit zartem Ohrenknabbern. »Wenn du mich nach der Sprachreise auch nur noch einen Tag alleine lässt, fresse ich dich ganz auf!«, drohte er und biss noch mal in ihr Ohrläppchen. Kim wurde ganz warm ums Herz. Sie war jetzt schon so lange mit Michi zusammen, aber er schaffte es immer noch, sie völlig zu verwirren.

»Und wenn du noch mal mit einer süßen Italienerin ins Kino gehst, und mir nicht gleich sagst, dass es sich nur um die siebenjährige Tochter des Eisdielenbesitzers handelt, handelst du dir eine Menge Ärger mit mir ein: Kussentzug für mindestens 100 Jahre«, scherzte Kim.

Michi lachte nur und sagte: »Keine Sorge, ich bin dir treu. Bis in alle Ewigkeit!«

Der Flug nach London wurde aufgerufen, und Kim löste sich schweren Herzens aus Michis Umarmung.

Kims Mutter gab den Mädchen nur noch eines mit auf den Weg: »Denkt dran, ihr seit nicht nur zum Spaß in England! Es ist für eure Englischnoten!«

Marie stieß Franzi in die Seite, als sie ihre Plätze im Flieger eingenommen hatten. Sie hatte längst andere Dinge im Kopf als Schule und Noten.

»Und, ist das nicht ’ne irre Idee mit den Bikinis gewesen? Wozu Copyshops doch alles gut sind. Erst wollte ich die drei Ausrufezeichen ja hinten auf die Bikinihosen drucken lassen. Mitten drauf! Aber dann dachte ich, dass es sicherlich ziemlich komisch aussehen wird, wenn wir drei gemeinsam ins Wasser gehen und auf unseren Hinterteilen dann insgesamt neun bunte Ausrufezeichen auf und ab wackeln.« Marie kicherte.

»Nee, ist schon gut so. Sehen echt klasse aus, die Bikinis! Danke noch mal!«, sagte Franzi. »Was heißt Ausrufezeichen noch mal auf Englisch?«

»Exclamation mark«, erwiderte Marie wie aus der Pistole geschossen.

»Bist du sicher, dass ausgerechnet du Sprachferien in England nötig hast? Du hättest eher ein Trainingscamp für Jungschauspieler besuchen sollen. Dein Augenaufschlag ist längst nicht mehr so überzeugend wie früher!«, stichelte Franzi, wofür sie sich von Marie einen wütend funkelnden Blick einhandelte, der seine Wirkung nicht verfehlte. Franzi hielt die nächsten fünf Minuten lieber den Mund.

Kim hatte gerade keine Zeit, sich um das Rumgezicke der beiden zu kümmern. Ihre Flugangst breitete sich in dieser Sekunde vom Bauch bis zum Herzen aus. Sie dachte schnell an Michi, an seinen letzten Kuss vor dem Abflug, und an seine zärtliche Drohung, sie aufzufressen. Das half. Statt Flugangst nahm wieder ein Schwarm Schmetterlinge von ihrem Bauch Besitz.

Die Zeit in der Luft verging sprichwörtlich wie im Fluge. Und ehe sich Kim, Marie und Franzi versahen, war der Flieger gelandet, die Koffer vom Rollband gerettet und der Zoll passiert. Einmal quer durch den Londoner Flughafen folgten Marie, Franzi und Kim den Hinweis-Pfeilen mit der Aufschrift Coaches. Der Bus mit dem knallgelben Logo des Sprachferienbetreibers war schnell gefunden. Der ganze Bus, der sie von London nach Eastbourne bringen würde, war großflächig mit dem Schriftzug Sunny Times lackiert. Man konnte ihn gar nicht übersehen.

Da Kim, Franzi und Marie im hintersten Teil des Flugzeuges gesessen hatten, waren sie mit die letzten Sprachschüler aus Deutschland, die sich in den bereits gut gefüllten Bus zwängten. Drei zusammenhängende Plätze gab es nicht mehr. Und auf der von allen so begehrten Rückbank hatten sich zwei echte Surfertypen niedergelassen, die die Südküste Englands mit Hawaii zu verwechseln schienen. Hätten sie zu den bunten Klamotten, die sie trugen, noch Surfbretter über die Knie gelegt gehabt, hätte Franzi das auch nicht gewundert. »Wir quatschen später weiter«, sagte sie zu Kim und Marie, und quetschte sich auf den nächstbesten freien Platz, genauso wie Kim. Nur Marie blieb noch unschlüssig im Gang stehen, schüttelte die Haare und ließ den Blick lässig über die anderen Fahrgäste streifen. Gelangweilt nahm sie dann neben einem Jungen Platz, der ihr erstaunlich wenig Aufmerksamkeit schenkte.

Zwei Stunden später hatten sie ihr Ziel erreicht. Auf dem Busbahnhof hinter den Eisenbahngleisen war die Fahrt zu Ende und der Startschuss ins Abenteuer Sprachferien durch das laute Fluchen des Fahrers, der den Bordstein mit der Radkappe gestreift hatte, gegeben. Für die Sprachschüler war das Öffnen der Bustüren das Signal, wie wild durcheinanderzureden und aus dem Bus zu stürmen. Einige Schülerinnen und Schüler wurden von ihren Gasteltern abgeholt. Für die anderen stand der Fahrservice von Sunny Times bereit. Da Kim, Franzi und Marie nicht weit voneinander entfernt bei ihren unterschiedlichen Gasteltern untergebracht waren, krabbelten sie gemeinsam auf die Rückbank des Vans, aus dem der Fahrer ihnen zugewunken hatte. Nach drei Minuten Fahrt stieg Franzi als Erste aus. »Wir treffen uns in einer Stunde am Pier, ok? Findet ihr den auch bestimmt?«

»Ja, ja«, sagten Marie und Franzi wie aus einem Mund. Sie hatten auf dem Flug nach London schließlich mehr als einmal den Stadtplan studiert und besprochen, wann sie sich wo treffen wollten.

»Bye, bye – have a good time!«, verabschiedete sich der Fahrer von Franzi und fuhr mit Kim und Marie weiter.

Franzi stand unschlüssig mit ihren Koffern vor dem Eisenwarenladen, vor dem der Busfahrer sie hatte aussteigen lassen. Sie kramte umständlich in ihrer Jackentasche nach dem Zettel mit der Adresse ihrer Gastfamilie. Ja, sie war richtig. Dort stand es auch:

The Magnet Store, Mr Appleton, Longstone Rd., Eastbourne

Na dann los, dachte Franzi und drückte die Türklinke herunter. Eine Glocke ertönte, als sie in den kleinen Laden trat, in dem überall Kartons voller Schrauben, Muttern und Nägel standen. Sofort kam ein älterer Herr durch die Tür hinter dem Verkaufstresen gestürmt, neigte seinen Kopf und schaute Franzi über den Rand seiner Brille an.

»Can I help you?«, fragte er freundlich.

Franzi nickte. Yes, please, schoss es ihr durch den Kopf. Aber sie traute sich nicht, es auszusprechen. Ein dicker Kloß hatte sich in ihrem Hals festgesetzt. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Also nickte sie nur. Reiß dich zusammen, Franzi, so schwer ist das nicht. Englischunterricht erstes Jahr. Trau dich!, befahl sie sich selbst.

»Hello, my name is Franzi. I’m from Germany.« Puh, geschafft!

Sofort kam der Ladenbesitzer hinter seinem Tresen hervor und begrüßte Franzi. »Welcome, I’m Mister Appleton.« Von dem Wortschwall, der gleich darauf folgte, völlig überfahren, nickte Franzi nur immer wieder und versuchte, das Übersetzungsprogramm in ihrem Kopf anzuschalten. Es versagte. Außer »Follow me«, verstand sie nichts. Bereitwillig ließ sie sich den schweren Koffer aus der Hand nehmen. Sie folgte Mr Appleton durch den Laden und die angrenzende Küche hindurch, die Treppen im Flur nach oben und dann in das kleine Gästezimmer, das für die kommenden drei Wochen ihr Zuhause sein würde.

Marie erging es ähnlich wie Franzi, als sie bei ihrer Gastfamilie eintraf. Auch sie wurde von einem Redeschwall übergossen. Doch im Gegensatz zu Franzi hatte sie keine Hemmungen, auf Englisch zu antworten. Nicht nur dass sie notentechnisch besser dran war als Franzi, sie hatte beim Schauspielunterricht schon oft englische Texte lernen müssen, und vor Anderen vorgetragen, sodass ihr der Begriff »peinlich« überhaupt nicht in den Sinn kam.

Allerdings waren es bei ihrer Gastfamilie drei Münder, die nicht mehr stillstanden, seit sie durch die Tür getreten war. Die Gastmutter und – oh Schreck – Zwillinge! Sie waren im selben Alter wie Kims Brüder. Für eine Sekunde blieb Marie der Mund offen stehen, woraufhin die Gastmutter erschrocken fragte: »Are you well, my dear?«

Na, das kann ja heiter werden, dachte Marie. Hoffentlich machen die nicht so viel Unfug wie Ben und Lukas.

Nur Kim wurde nicht mit einem Redeschwall begrüßt, als sie in das Haus ihrer Gastmutter trat. Und von Haus konnte eigentlich auch nicht die Rede sein. Nachdem der Fahrer sie abgesetzt hatte, fand sie sich in einer Hotelhalle wieder. Verwundert schaute sie sich in der vornehmen Eingangshalle um. Sie fühlte sich augenblicklich ins 19.Jahrhundert zurückversetzt. Wäre Charles Dickens jetzt mit sperrigen Koffern neben ihr aufgetaucht, hätte sie das nicht gewundert. Doch ausser ihr war niemand in der Halle. Selbst die Rezeption war nicht besetzt. Der Fahrer hat sich bestimmt geirrt, dachte Kim und faltete den Zettel mit der Adresse der Gastfamilie auseinander.

Queens, Marine Parade, Eastbourne, Mrs Green

Kim stutzte. Sie hatte nicht gedacht, dass der Name Queens sich auf ein Hotel beziehen würde. Aber dort war sie jetzt eindeutig gelandet – im Queens Hotel. Spitze, freute sie sich und sah sich interessiert um. Es war zwar durchaus elegant, aber längst nicht so einschüchternd wie das Hotel, in dem sie mit Marie und Franzi in der Nähe von St. Tropez übernachtet hatten, als sie Maries Vater zu Dreharbeiten begleitet hatten. Von kühler Eleganz war hier nichts zu spüren. Die geblümten Tapeten an den Wänden strahlten Wärme aus. Plüschige Sessel standen zusammen mit einem Beistelltisch in der einen Ecke, während in einer anderen Ecke Säulen mit Grünpflanzen und einem alten Grammophon ein hübsches Ambiente bildeten. Fehlt nur noch der Butler, der mir gleich den Koffer in mein Zimmer tragen wird, dachte Kim und blickte sich hoffnungsvoll um. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, trat ein älterer Herr hinter einem schweren Samtvorhang hervor und schritt auf Kim zu. Kim war im Herzen eine echte Detektivin. Selbst wenn sie in den Ferien war, prägte sich sofort seine Personenbeschreibung ein. Stichworte hätte sie sich gar nicht merken müssen, denn er sah aus wie eine ältere Ausgabe von Clark Gable in Vom Winde verweht. Groß, schlank, schmaler Schnurrbart, schelmisch blitzende dunkle Augen und überaus elegant gekleidet.

»You must be Kim Jülich«, sagte er und stellte sich vor. »My name is Clark Stuart. I am the father of Jasmin Green, your hostmother.« Als er seinen Namen nannte, musste Kim innerlich grinsen. Clark Stuart passte zu ihm. Wobei Clark Gable natürlich noch viel besser gepasst hätte. Freundlich reichte Kim ihm die Hand und stellte sich ebenfalls vor. Den Knicks konnte sie sich gerade noch verkneifen. Aber in dieser Kulisse wäre er nicht unbedingt unangebracht gewesen. Marie hätte sich sicherlich wie in einem Theaterstück gefühlt.

»Jasmin hat dich noch nicht willkommen geheißen, stimmt’s?«, sagte Mr Stuart auf Deutsch. Er sprach fast akzentfrei, wunderte sich Kim.

»Sie ist in der Hauptsaison immer so beschäftigt, dass sie alles um sich herum vergisst. Sogar ihre persönlichen Gäste. Ach, meine gute Jasmin, hat immer tausend Sachen im Kopf. Sie war schon als Kind so. Immer in Eile.«

Mr Stuart führte Kim an der Rezeption vorbei, schob den Samtvorhang dahinter zur Seite und lotste sie durch die schmalen Gänge im hinteren Teils des Hotels. Dabei redete er ununterbrochen.

Sicherlich bin ich in einer kleinen Besenkammer gleich neben der Küche untergebracht, dachte sie und kam aus dem Staunen kaum heraus, als sie sich kurz darauf mit Mr Stuart in einer riesigen Bibliothek wiederfand. »Wow«, entfuhr es ihr. Die Menge der Bücher war überwältigend. Bis unter die hohe Zimmerdecke reichten die Regale, die nicht einen Zentimeter der Wand frei ließen. Kim wäre am liebsten sofort eine der Schiebeleitern hochgekrabbelt und hätte in den wertvollen alten Büchern geblättert, die ganz oben im Regal standen. Die goldenen Lettern glänzten wie frisch poliert. Nur das verblichene Rot der Leinenrücken ließ erahnen, wie alt die Bücher sein mochten. Uralt.

Mr Stuarts Augen blitzten auf, als er Kims Blick folgte. »Die haben meinem Urgroßvater gehört. Sie sind seit über 100 Jahren in Familienbesitz. Diese Bücher können dir alles über England erzählen – die ganze Geschichte des Landes in 70 Bänden. Unglaublich, nicht wahr?«

Selbst auf den kleinen Tischen, die im angrenzenden Raum zwischen zwei wuchtigen Ledersesseln vor dem Kamin standen, stapelten sich Bücher. Mr Stuart setzte sich in einen der Sessel und bat Kim, in dem anderen Platz zu nehmen. Die hohe Lehne des Ohrenbackensessels verschluckte sie fast. Trotzdem konnte sie den Blick von Agatha Christi im Nacken spüren. Der alten Dame auf dem Ölgemälde über dem Kaminsims schien nichts zu entgehen. Ihr Blick war starr und Spott schien auf ihren Lippen zu liegen. Kim fühlte sich beobachtet. Von einem Gemälde! Nervös rutschte sie auf dem abgewetzten Leder hin und her.

Unbeirrt sprach Mr Stuart weiter.

»Jasmin glaubt, dass ich in den Sommermonaten, wenn sie sich nicht um mich kümmern kann, Unterhaltung brauchen könnte. Deshalb bietet sie Sunny Times jeden Sommer großzügig an, einen Sprachschüler aufzunehmen. Aus Deutschland versteht sich. Denn sie weiß, dass es meinem alten Hirn gut tut, mal wieder ein paar Sätze in Deutsch zu sprechen. Damit ich nicht verkalke!« Mr Stuart lachte warmherzig.

»Ihr Deutsch ist sehr gut!«, lobte Kim. War sie wirklich hier, um Mr Stuarts Unterhaltungsdame zu sein? Sie dachte, sie sollte ihr Englisch aufbessern, und nicht dem Deutsch eines Engländers auf die Sprünge helfen.

»Waren sie mal in Deutschland?«, fragte sie ihn.

»Oh ja, ich habe in den 70er Jahren einige Zeit in Frankfurt gelebt. Als Hotelier kann es schließlich nie schaden, sich andere Häuser mal genauer anzusehen. Im Frankfurter Hof traf ich übrigens auf die Dame hinter uns. Wir verbrachten viele Nachmittage bei englischem Tee und Kräckern auf der Terrasse und unterhielten uns angeregt.«

»Sie haben die berühmte Krimiautorin gekannt?« Kims Herz klopfte vor Aufregung. Seit sie selbst angefangen hatte, einen Krimi zu schreiben, verehrte sie Agatha Christi. Allerdings war sie mit ihrem Krimi nicht wirklich weitergekommen, seit sie den Detektivclub gegründet hatte. War ihr deshalb der Blick der alten Lady so unangenehm? Fühlte sie sich deshalb so klein unter dem Bild – weil die großartigste Krimiautorin der Welt ihr im Nacken saß und sie vielleicht aus dem Grabe heraus belächelte für ihre Schreibversuche? Kim rutschte noch tiefer in den Sessel.

»Oh, ich kenne noch mehr Autoren«, fuhr Mr Stuart fort, nahm ein Buch vom Tisch und schlug es auf. Kim las laut vor: »Turf by Margret Sullivan – to my dear friend Clark.« Der Name der Autorin sagte Kim ebenso wenig wie der Titel.

Höflich fragte sie nach, was turf bedeutete.

»Das Buch handelt vom Pferderennsport. Margret ist nicht nur eine gute Freundin von mir, sondern auch eine der erfahrensten Autorinnen auf diesem Gebiet. Sie schreibt auch für die hiesige Zeitung Berichte über die großen Rennen Englands.«

»Mh.« Kim fiel nicht mehr dazu ein. Pferde waren Franzis Fachgebiet, nicht ihres. Da interessierte sie das signierte Buch von Agatha Christi wirklich mehr, das Clark jetzt hervorgekramt hatte und ihr stolz zeigte. Schade, dass in diesem Moment Jasmin Green auftauchte und das nette Gespräch mit Mr Stuart beendete.

Kim verabschiedete sich und folgte Mrs Green, die sie auf ihr Zimmer brachte. Und das lag in einem Turm. Das war nicht nur wahnsinnig romantisch, sondern sie hatte auch noch einen irren Blick über ganz Eastbourne!

Verdächtiger Geruch

Die blauen Zeiger der viktorianischen Standuhr auf dem Pier zeigten 18:00 Uhr an. Wo blieb Kim nur? Franzi sah Marie an. »Wir warten jetzt schon zehn Minuten.« Marie zuckte nur die Schultern und sagte: »Die kommt sicherlich gleich. Ist das nicht herrlich hier? Der Wind um uns, das Rauschen der Wellen unter uns, na ja, wenn jetzt nicht grade Ebbe wäre, und vor uns jede Menge hübscher Jungs aus der ganzen Welt.« Sie zupfte ihren schlichten Sommerrock zurecht, strich sich durch die Haare und versuchte den Blick eines vorbeischlendernden Jungen zu fesseln. Vergebens, denn der hatte nur Augen für das hübsche dunkelhaarige Mädchen an seiner Seite. Beleidigt drehte Marie sich zu Franzi. »Tse, kann ja nicht jeder auf Blond stehen. Wo bleibt Kim denn jetzt?«

»Wäre der Junge auf dein Wimperngeklimper abgefahren, hättest du doch augenblicklich vergessen, wer Kim überhaupt ist. Ah, da kommt sie ja schon!«

»Entschuldigung!«, sagte Kim, als sie den Pier erreicht hatte und in die vorwurfsvollen Gesichter von Franzi und Marie blickte. »Mir ist was völlig Irres passiert. Ich bin in einem dieser viktorianischen Hotels untergebracht. In einem Turm! Ich kann von meinem Zimmer aus bis zum Horizont blicken! Völlig abgefahren!«

»Schön, dass du da bist.« Marie strahlte.

»Wollen wir jetzt den Pier erkunden, oder gleich ein Café ausgucken – bevor wir noch Entzugserscheinungen bekommen. Ich bräuchte nämlich dringend einen Kakao Spezial!«, sagte sie und deutete auf das Café gegenüber vom Pier.

»Ja, lasst uns erst Stärkung holen! Der Pier ist im Abendlicht bestimmt viel spannender.« Franzi hatte das Bild vor Augen, das sie auf dem Prospekt von Sunny Times gesehen hatte. Um den Pier herum wand sich eine Lichterkette in bunten Farben, und der Kuppelbau am Ende des Piers war sogar mit einem riesigen Netz aus Glühlämpchen bespannt.

Vor dem Café waren noch viele Plätze frei. Die meisten Gäste bestellten einen Coffee To Go und nahmen ihn mit an den Strand.

Franzi, Kim und Marie sahen sich kurz fragend an. Gute Idee, da waren sie sich einig. Es gab zwar keinen Kakao Spezial mit Vanillearoma, aber eisgekühlter Kakao mit Vanilleeis kam dem schon sehr nahe. Und auch die Muffins sahen verführerisch aus, was bei Kim augenblicklich einen Heißhunger hervorrief, der sich mit lautem Bauchgrummeln bemerkbar machte.

»Hm, lecker!«, murmelte Kim und sog gleich noch mal an dem Strohhalm. »Der ist echt spitze. Ich glaube, das Café Lomo werde ich in diesem Sommer nicht vermissen. Meerblick beim Kakaoschlürfen hat was! Und diese Muffins sind absolut köstlich. Wenn jetzt das Wasser auch noch da wäre, wäre der Abend für mich schon perfekt. Was meint ihr?«

Marie starrte sehnsuchtsvoll am Strand entlang. »Mit Ebbe und Flut kann ich leben, aber schade, dass hier alles voller Kieselsteine ist, sonst könnte ich jeden Morgen am Strand joggen.«

»Kannst du nicht einmal dein Sportprogramm vergessen, und so tun, als gäbe es etwas wichtigeres im Leben als Fitness? Faulenzen zum Beispiel. Oder von mir aus auch Flirten.« Jetzt war es Franzis Blick, der einem Jungen hinterherglitt. »Hey, habt ihr den gesehen?«

»Ja ja, der musste dir ja auffallen. Die Ähnlichkeit mit Benni ist unverkennbar. Ich dachte, dass du in diesem Urlaub mal nicht an deinen Freund, oder Ex-Freund, oder was auch immer, denken wolltest. Oder geht jetzt das Drama vom Schiertaler See weiter? Da konntest du dich auch nicht entspannen und hast viel zu oft an Benni gedacht.« Maries Worte waren deutlich. Franzi schluckte. Sie wusste, dass Marie recht hatte. Aber warum dachte sie jetzt an Benni. Einfach so? Nur weil ein blonder Junge vorbeiging? Benni war in den letzten Tagen vor ihrem Abflug total süß zu ihr gewesen. Und vorhin hatte sie sogar eine SMS von ihm bekommen. Zurückgeschrieben hatte sie noch nicht. Sie wusste einfach noch nicht, was.

»Hallo! Wir sind nicht zum Streiten extra nach England geflogen«, sagte Kim.

»Stimmt. Wir sind hier, um Spaß zu haben!«, sagte Marie.

Und zum Lernen, fügte Kim in Gedanken hinzu.

Nachdem Franzi, Kim und Marie sich gestärkt hatten, gingen sie auf den Pier, um sich von den Glückspielautomaten, die sich dicht an dicht in einer großen Halle aneinanderreihten, ein paar Pennys aus der Tasche ziehen zu lassen. Die Abenddämmerung hatte längst eingesetzt, als Kim, Marie und Franzi um ein paar englische Pfund leichter, dafür aber vergnügt und lachend den Pier verließen. Mit dem letzten Sonnenstrahl des Tages verschwanden auch die unzähligen Stare, die immerzu über dem Pier gekreist waren, um Krümel von Fischbrötchen, Muffins und Pommes zu erhaschen. Nur die Möwen segelten noch immer kreischend über dem Meer, als die drei Mädchen sich voneinander verabschiedeten.

»Unsere Schule ist im Footballclub?« Marie riss erstaunt die Augen auf, als sie am nächsten Morgen am Spielfeldrand standen und auf das Schild Sunny Times welcomes you! starrten.

»Laut Plan ist sie das«, bemerkte Franzi trocken und öffnete das kleine Eisentor. »Dann mal los!«

Als sie über das Spielfeld gingen, um zum Clubhaus zu kommen, kam ein Junge, den sie gestern schon auf dem Pier gesehen hatten, auf sie zu.