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Ob in der wissenschaftlichen Arbeit oder im betrieblichen Umfeld, überall bietet die Befragung gute Möglichkeit für das Erheben von Daten und Meinungen. Das Buch ist dabei behilflich, die Befragung effektiv, also mit einem hohen Zielerreichungsgrad, durchzuführen. Die schriftliche Befragung mit Fragebogen, das mündliche Interview mit Leitfaden sowie die konstituierenden Elemente „Frage“ und „Antwort“ werden ausführlich behandelt. Empfehlungen zur Rolle der Befragten bilden eine Ergänzung. Die Ausführungen im Buch zielen auf Handlungsorientierung.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
utb 5993
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Prof. Dr. paed. habil. Günter Lehmann studierte Bauwesen und Berufspädagogik. Als Hochschullehrer und langjähriger Direktor eines freien Instituts hat er über 30 Jahre Diplomand:innen, Promovierende und Habilitierende betreut. Seit mehr als 20 Jahren bereitet er Teilnehmende an Bachelor-, Master- und Promotionsstudien auf das Anfertigen und Präsentieren wissenschaftlicher Arbeiten vor.
Günter Lehmann
Ein Ratgeber für die Datenerhebung in der beruflichen und wissenschaftlichen Arbeit
3., überarbeitete und erweiterte Auflage
Umschlagabbildung: © Monster Ztudio – stock.adobe.com
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
3., überarbeitete und erweiterte Auflage 2022
2., aktualisierte Auflage 2017
1. Auflage 2015
DOI: https://www.doi.org/10.36198/9783838559933
© 2022 · expert verlag
– ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
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eMail: [email protected]
Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung, Stuttgart
utb-Nr. 5993
ISBN 978-3-8252-5993-8 (Print)
ISBN 978-3-8385-5993-3 (ePDF)
ISBN 978-3-8463-5993-8 (ePub)
Vorwort
Vorwort zur 2. Auflage
Vorwort zur 3. Auflage
Inhaltsverzeichnis
Prolog
1Kennzeichnung der Befragung
2Fragen als Führungsmittel
3Besonderheiten des Antwortverhaltens
4Vorbereitung der Befragung
5Ausarbeitung des schriftlichen Fragebogens
6Ausarbeitung des Interviewleitfadens
7Pretest
8Datenauswertung
9Durchführung der schriftlichen Befragung
10Durchführung des Interviews
11Checkliste zur Befragung
12Perspektivwechsel: Rolle des Befragten
Quintessenz
Quellen- und Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Sachwortverzeichnis
Die Befragung bietet hervorragende Möglichkeiten, Informationen von unterschiedlichen und teilweise breiten Zielgruppen zu erhalten. Allerdings bleibt der erwartete Erfolg dann aus, wenn der Interviewer so wie im folgenden Beispiel agiert:
Der Mitarbeiter im Lager eines großen Möbelhauses wird vom Interviewer gefragt:
„Wie bewerten Sie die State of the Art-Kompetenzen des Hauses, um den Paradigma-Wechsel der ausdifferenzierten Motivationsfaktoren zu bewältigen?“
Reaktionen: Schweigen, Schulterzucken, Kopfschütteln.
Offenbar sollte der Interviewer nicht nur nach Gutdünken und Intuition vorgehen. Er muss sich der speziellen Beziehungssituation zwischen Fragenden und Befragten bewusst sein. Dazu bedarf es einiger Kenntnisse über geeignete Vorgehensweisen in den unterschiedlichen Befragungsarten und -situationen.
Das Buch möchte behilflich sein, aus der Sicht des Fragenden, des Interviewers, die Befragung
•sowohl im betrieblichen Umfeld zur Vorbereitung von Entscheidungen
•als auch im wissenschaftlichen Arbeitsprozess als Instrument der Feldforschung zum Belegen und Generieren von Hypothesen und nicht zuletzt
•im medizinisch-diagnostischen Interview zur Anamnese
effektiv, also mit einem hohen Zielerreichungsgrad durchzuführen. Empfehlungen zur Rolle des Befragten bilden dazu eine Ergänzung.
Nach einer ausführlichen Kennzeichnung der Befragung, ihrer Modelle, Arten, Formen und Merkmale im 1. Teil werden in einem 2. Teil Formulierungsgrund-sätze und Formen der Frage vorgestellt. Der 3. Teil reflektiert Besonderheiten des Antwortverhaltens und bietet Prüfkriterien für die Verwertbarkeit der Antwort an. Der 4. Teil erläutert die allgemeinen Vorbereitungsaktivitäten für die schriftliche Befragung und das mündliche Interview. Die Ausarbeitung des schriftlichen Fragebogens wird im 5. Teil und des Interviewleitfadens im 6. Teil behandelt. Teil 7 stellt Verfahren für den Pretest beider Instrumente vor. Die Aufbereitung und Auswertung der gewonnen Daten ist Gegenstand des 8. Teils.
Nach einer knappen Darstellung zur Durchführung der schriftlichen Befragung im 9. Teil wird im 10. Teil ausführlich die Phasenstruktur im Leitfadeninterview erläutert. Der 11. Teil schließt mit einer Checkliste zur Befragung die Orientierungen zur Rolle des Interviewers ab. Im 12. Teil wird die Perspektive gewechselt und ergänzt durch Empfehlungen für die Rolle des Befragten im Interview. Die Quintessenz stellt den Bezug zur professionellen Frage im Prolog her.
Das Buch ist so aufgebaut, dass sich auch der eilige Leser ohne Lektüre des gesamten Textes anlassbezogen in den einzelnen Teilen, Kapiteln und Abschnitten Rat holen kann. Das detaillierte Inhaltsverzeichnis soll dabei eine rasche Orientierung ermöglichen.
Im Text wird durchgängig die männliche Sprachform verwendet. Alle Aussagen gelten selbstverständlich für Männer und Frauen gleichzeitig. Wenn z. B. von Interviewern die Rede ist, sind stets Interviewerinnen und Interviewer gemeint.
An dem Buch hat eine Reihe von Personen tatkräftig mitgewirkt. Mein besonderer Dank gilt Frau Antje Albani für die Text- und Bildgestaltung, Frau Ingrid Lehmann für die gründliche Durchsicht des Manuskripts sowie Frau Sandra Buschmann für den Einbandentwurf.
Dem Autor bleibt zu wünschen, dass die Leser von dem Buch in der Weise profitieren können, wie es für ihre erfolgreiche Tätigkeit erforderlich ist.
Prof. Dr. paed. habil. Günter LehmannAugust 2015
Der Ratgeber hat in den letzten beiden Jahren Aufnahme als Lehrmaterial in Seminaren zum wissenschaftlichen Arbeiten und zur Führung von Interviews gefunden. Dabei traten eine Reihe von Fragen im praktischen Umsetzen der Empfehlungen auf. Ihre Beantwortung führte zu Ergänzungen im Text. Sie beziehen sich in der 2. Auflage vor allem auf
•die Vorbereitung der Befragung (Teil 4), mit einer Schrittfolge zum Bilden der Stichprobe (Kapitel 4.3) und Empfehlungen zur Interviewanfrage (Kapitel 4.4),
•die Kontaktphase im Interview (Kapitel 10.1) mit den Schwerpunkten: Geplante Wartezeit, Gesprächseinstieg, Eindrucksbildung und Ablaufvereinbarung.
Der Autor möchte seine Leser ausdrücklich dazu ermuntern, die vorgeschlagenen Empfehlungen auf ihre Nützlichkeit zu hinterfragen, Ergänzungen anzumahnen und neue Fragen zu stellen.
Prof. Dr. paed. habil. Günter LehmannMärz 2017
Auch diese Auflage greift auf Erfahrungen aus Seminaren zum wissenschaftlichen Arbeiten, bei der Betreuung von Graduierungsarbeiten und der Befragung größerer Populationen zurück. Sie unterstreichen erneut den hohen Stellenwert einer gründlichen Vorbereitung des schriftlichen Fragebogens ebenso wie des Interviewleitfadens. Dauerhaft beschäftigen u. a. solche Fragen:
•Wie ist die Grundgesamtheit so zu messen, dass am Ende die Antwort auf die Forschungsfrage ausreichend belegt wird?
•Welcher Stichprobenumfang ist mindestens zu sichern, damit die Ergebnisse der Befragung die Grundgesamtheit angemessen repräsentieren?
In den Teilen 4 und 5, insbesondere im Kapitel 4.4 werden dazu weitere Empfehlungen vorgestellt.
Das Tafelwerk in Teil 11 „Checkliste zur Befragung“ wurde nummeriert den entsprechenden Textstellen zugeordnet. In Abschnitt 8.1.7 wird der Überblick über die Statistikprogramme für die Auswertung der Fragebogen ergänzt.
Prof. Dr. paed. habil. Günter LehmannAugust 2022
Prolog
1Kennzeichnung der Befragung
1.1Erhebungsmethoden
1.2Prozessmodelle
1.3Arten
1.3.1Überblick
1.3.2Postalisch-schriftliche Befragung
1.3.3Online-Befragung
1.3.4Persönlich-mündliche Befragung – Interview
1.3.5Telefoninterview
1.3.6Weitere Befragungsarten
1.4Formen
1.4.1Überblick
1.4.2Freie bzw. unstrukturierte Befragung
1.4.3Strukturierte bzw. halbstrukturierte Befragung
1.4.4Standardisierte Befragung
1.5Typen
1.6Techniken
1.7Merkmale
1.7.1Überblick
1.7.2Rollenverteilung
1.7.3Zielorientierung
1.7.4Verzerrung
1.7.5Reaktivität
1.8Genauigkeitskriterien
1.9Zusammenfassung
2Fragen als Führungsmittel
2.1Formulierungsgrundsätze
2.1.1Überblick
2.1.2Sicherung der Verständlichkeit
2.1.3Begründeter Frageeinsatz
2.1.4Prophylaxe bei Abwehrhaltung
2.2Frageformen
2.2.1Überblick
2.2.2Antwortverhalten beeinflussende Fragen
2.2.3Gegenstandsorientierte Fragen
2.2.4Dialogsteuernde Fragen
2.3Zusammenfassung
3Besonderheiten des Antwortverhaltens
3.1Zur Glaubwürdigkeit/Verwertbarkeit von Antworten
3.1.1Ursachen für Unglaubwürdigkeit
3.1.2Feststellen der Antwortverwertbarkeit
3.2Formale Antworten
3.3Antwortverweigerung
3.4Tricks bei der Antwortverweigerung
3.5Zusammenfassung
4Vorbereitung der Befragung
4.1Überblick
4.2Ziele und Auskunftspersonen bestimmen
4.3Auskunftspersonen analysieren
4.4Grundgesamtheit bestimmen, Stichprobe ziehen
4.5Interviewanfrage stellen
5Ausarbeitung des schriftlichen Fragebogens
5.1Messmodell
5.2Fragebogenaufbau
5.3Formale Gestaltung
6Ausarbeitung des Interviewleitfadens
6.1Entwurf des Frageschemas
6.2Leitfaden abstimmen und testen
6.3Aufzeichnung des Interviews planen
7Pretest
7.1Kennzeichnung
7.2Testverfahren
8Datenauswertung
8.1Standardisierter Fragebogen
8.1.1Überblick
8.1.2Codierung
8.1.3Datenmatrix
8.1.4Fehlerkontrolle
8.1.5Um- und Neubildung von Variablen
8.1.6Statistische Analysen
8.1.7Statistikprogramme
8.2Leitfaden – Interview
8.2.1Überblick
8.2.2Quantitatives Verfahren
8.2.3Pragmatisches Verfahren
8.3Dokumentation der Ergebnisse
8.3.1Inhalt
8.3.2Ergebnisdarstellung
9Durchführung der schriftlichen Befragung
9.1Vorgehensweisen
9.2Anschreiben
9.3Formempfehlungen
9.4Versand
9.5Spezialfall: Online-Befragung
10 Durchführung des Interviews
10.1Kontaktphase
10.2Positionierungsphase
10.3Informationsphase
10.4Ausklangphase
10.5Störfaktoren im Interview
10.5.1Interviewbarrieren
10.5.2Interviewblocker
10.6Spezialfall: Telefoninterview
11 Checkliste zur Befragung
12 Perspektivwechsel: Rolle des Befragten
Quintessenz
Quellen- und Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Sachwortverzeichnis
Fragen zu stellen lohnt sich immer, es sei denn, man stellt sie bewusst mit Rücksicht auf die Antwort.
Die unprofessionelle Fragestellung, die als Antwort keine verwertbare Information bringt:
Ein führender Politiker gab nach einer für seine Partei ungünstig verlaufenen Landtagswahl folgendes Interview:
Reporter:
„Könnte dieses schlechte Ergebnis eine Führungsdiskussion auslösen?“
Politiker:
„Was für‘n Ding?“
Reporter:
„Führungsdiskussion!“
Politiker:
„Was verstehen Sie darunter?“
Reporter:
„Einen Wechsel in der Führung.“
Politiker:
„Ist ein Führungsmitglied an Sie herangetreten?“
Reporter:
„Nein.“
Politiker:
„Oder sind Sie ein Mitglied meiner Partei?“
Reporter:
„Nein.“
Politiker:
„Na, sehen Sie!“
(Quelle: WACLAWCZYK, CH., 2005, S. 56)
Empfehlungen:
Beginne ein Interview niemals mit einer provokativen Frage!
Halte die Rollenverteilung ein; der Interviewer stellt die Fragen!
Die professionelle Fragestellung, die als Antwort eine verwertbare Information bringt:
Zwei Priester, ein Dominikaner und ein Jesuit, streiten darüber, ob es eine Sünde sei, gleichzeitig zu beten und zu rauchen. Weil sie sich nicht einigen können, beschließen sie, ihren jeweiligen Prior zu fragen.
Ein paar Tage später treffen sie sich wieder. Der Dominikaner fragt: „Na, was hat Dein Prior gesagt?“
Der Jesuit antwortet: „Er sagt, das sei schon in Ordnung, es sei keine Sünde, beides gleichzeitig zu tun.“
„Das ist ja lustig“, antwortet der Dominikaner, „Mein Prior sagt, gleichzeitig rauchen und beten sei natürlich eine Sünde.“
Der Jesuit fragt: „Was hast Du ihn denn gefragt?“ Der Dominikaner antwortet: „Ich fragte meinen Prior, ob man beim Beten rauchen darf?“
„Nun“, sagt der Jesuit, „meinen Prior habe ich gefragt, ob man beim Rauchen beten darf.“
(Quelle: BERNINGER, I., 2012, S. 66)
Empfehlung:
Transformiere die Frage in die Nutzens- und Vorteilssicht für den Befragten, hier: Erweiterung hin zum erwünschten Verhalten.
Das Erheben von Fakten und Meinungen gehört zum Alltag der beruflichen Praxis in Wissenschaft und Wirtschaft.
In der wissenschaftlichen Arbeit bewähren sich beispielsweise Befragungen oder Beobachtungen als Instrumente der Feldforschung beim
•Belegen von Annahmen über Zusammenhänge zwischen mehreren Variablen oder beim
•Aufstellen und Belegen von Hypothesen.
In der Wirtschaft sind typische Erhebungssituationen beispielsweise:
•Einholen von Informationen zu Schwachstellen in der Sicherheit oder zur Realität des Qualitätsmanagements im Unternehmen,
•Beobachten des Mitarbeiterverhaltens im Umgang mit flexiblen Arbeitszeiten,
•Befragen von Experten zu Entwicklungsoptionen von Unternehmen, Branchen oder Regionen.
Zum Feststellen der Krankengeschichte spielt in zahlreichen medizinischen Berufen die Anamnese, also das Erheben von Daten zu früheren Krankheiten, Unfällen, Operationen, Lebensgewohnheiten und Arbeitsbedingungen, eine wichtige Rolle (LIEM, T. et al., 2006, S. 54).
In Abb. 1 sind die unterschiedlichen Erhebungsmethoden dargestellt.
Abb. 1: Methoden zur Erhebung von Fakten und Meinungen
Ergänzend erfolgt eine kurze Kennzeichnung der einzelnen Erhebungsmethoden:
Befragung:
Systematisches Vorgehen mit einer wissenschaftlichen Zielsetzung, bei dem Personen durch gezielte Fragen und mitgeteilte Stimuli zur freiwilligen Abgabe von Informationen veranlasst werden sollen, z. B.:
•Erhebungen zu Kenntnissen, Meinungen, Einstellungen, Absichten oder statistischen Aussagen.
Beobachtung:
Planmäßige direkte Erhebung von Gegebenheiten und Verhaltensweisen, die nicht auf Fragen und Antworten beruht. Gegenstand der Beobachtung können Eigenschaften und Verhaltensweisen von Personen sein, z. B.:
•Beobachtung des Freizeitverhaltens der Bevölkerung,
•Beobachtung der Dienstleistungsmentalität einer bestimmten Personengruppe.
Experiment:
Durch Veränderung der Wirkung einer oder mehrerer Größen soll die Auswirkung auf andere Größen festgestellt werden, z. B.:
•Initiieren eines Wettbewerbs zur Gestaltung einer regionalen Kulisse oder die Förderung einer bestimmten Richtung oder
•Einführen flexibler Arbeitszeiten (Gruppe mit dieser Intervention wird mit Gruppe ohne diese Intervention verglichen).
Panel:
Erhebungen über längere Zeiträume hinweg, um Aussagen über die Entwicklung von Daten machen zu können, z. B.:
•den gleichen Personenkreis über einen längeren Zeitraum mehrfach zum gleichen Gegenstand befragen.
In diesem Buch geht es ausschließlich um die Befragung als Forschungsmethode in mündlicher und schriftlicher Form. Dabei erfolgt eine Abgrenzung zu Befragungen in den Bereichen des Rechts, des Journalismus und der Unterhaltungsbranche.
Das Modell in Abb. 2 macht deutlich, dass eine Befragung ein kommunikativer Prozess ist, an dem
•ein Interviewer als Forscher, Manager, Prüfer usw. und
•ein Befragter als Merkmalsinhaber (Datenträger) und Auskunftsperson über sich selbst
beteiligt sind.
Abb. 2: Kommunikationsmodell einer Befragung (in Anlehnung an BARTEL-LINGG, G. et al., 1996, S. 153)
Der Interviewer stellt Fragen, deren Beantwortung geleitet, angeleitet oder nicht geleitet, in jedem Fall aber freiwillig und damit explizit durch offenen Ausgang der Beantwortung gekennzeichnet ist.
Offenbar werden die Antworten der Befragten vor allem durch zwei Filter beeinflusst:
•den Filter Wahrnehmung, bezüglich des Verständnisses der Frage, der Kenntnis des Objektes und des Erfassens des Befragungszieles,
•den Filter Antwortbereitschaft, bezüglich der Übereinstimmung von Befragungszielen mit persönlichen Zielen, der Art der Befragung und der Person des Interviewers.
Eine Befragung weckt bei den Betroffenen unterschiedliche Erwartungen. Wenn nicht offengelegt wird, welcher Sinn und Zweck sich dahinter verbirgt, antworten die Befragten „taktisch“ und bauen eine Mauer des Widerstandes auf.
Die Beziehung des Befragten zum Objekt kann sehr unterschiedlich sein. Hat er irgendwann einmal etwas von diesem gehört, hat er mehr oder weniger ausführlich darüber gelesen oder ist er tagtäglich damit befasst? Entsprechend unterschiedlich werden seine Antworten ausfallen.
Schließlich wird Antwortbereitschaft sehr erheblich durch Vertrauen zum Interviewer gefördert. Dazu gehört die Gewissheit, dass Informationen vertraulich behandelt werden ebenso wie der Eindruck, dass der Interviewer in der Befragung auch etwas lernen bzw. auch Neues und Interessantes erfahren will.
BEISPIEL:
Der Interviewer befragt den Arbeiter an einer Getränkeabfüllanlage. Sein Einstiegssatz lautet:
„Herr Müller, ich möchte Sie gern befragen zum Umweltschutz in Ihrem Unternehmen und zur konkreten Situation an Ihrem Arbeitsplatz.“
Wie reagiert Müller darauf?
·Wenn er die Erfahrung gemacht hat, dass im Ergebnis solcher Befragungen oft organisatorische Veränderungen eingetreten sind, wird er Zurückhaltung üben, wahrscheinlich taktisch antworten.
·Wenn er vermutet, dass sich dahinter die Kontrolle seiner Arbeitsleistungen verbirgt, wird er verunsichert sein und garantiert taktisch oder gar nicht antworten.
·Wenn er gar Sorge hat, dass seine Aussage gegen seine Kollegen oder die Unternehmensleitung verwendet werden, wird er sozial erwünscht antworten.
·Wenn er aber den Eindruck gewinnt, mit seinen Aussagen zur Verbesserung seiner eigenen Situation und der seines Unternehmens beitragen zu können, wird er mit großer Wahrscheinlichkeit offen antworten.
Daraus resultieren bereits an dieser Stelle drei Empfehlungen:
Steuere die Antwortbereitschaft durch Transparenz des Konzeptes und der Ziele der Befragung. Der Befragte muss wissen, welche Konsequenzen sich aus seinen Antworten ergeben können.
Schätze die Antwortbefähigung des Befragten ein und versuche, diese im Gespräch zu erhöhen.
Vereinbare die Verwendung der Antworten, gewährleiste die vom Befragten gewünschte Anonymität und akzeptiere seine Antworten.
Das Phasenmodell in Abb. 3 (SIRKEN, M., SCHECHTER, S., 1999) erklärt den Prozess der Beantwortung einer Frage. Dem informationsverarbeitenden Ablauf folgend prüft der Befragte im Filter 1, ob er die Frage verstanden und in ihrer Bedeutung erschlossen hat (Comprehension). Hier fällt auch eine erste Entscheidung, ob er sich überhaupt einer Beantwortung stellt. Der Befragte muss beispielsweise die Möglichkeit haben, das Forschungsinteresse der Fragenden zu kennen, zu verstehen und mit seinen Interessen zu vergleichen.
Abb. 3: Phasenmodell der Fragenbeantwortung (in Anlehnung an HÄDER, M., 2010, S. 202)
Je nach Verständnis und Bereitschaft zur Beantwortung der Frage werden die erforderlichen Informationen aus dem Gedächtnis abgerufen (Retrieval). Hier treten zwei unterschiedliche Abrufstrategien auf. Einerseits wird als Reaktion auf die gestellte Frage erstmals durch Abruf von Informationen ein Urteil gebildet. Andererseits bestehen zu bestimmten Sachverhalten, die mit der gestellten Frage verbunden sind, bereits fertige Urteile. Je komplizierter der gefragte Sachverhalt und je geringer die Bereitschaft zur Beantwortung ist, desto stärker vermeiden die Befragten ein verwertbares Urteil zu äußern (KROSNICK, J. A., 1999, S. 549).
Sofern konkrete Informationen für die Beantwortung momentan nicht verfügbar sind, konstruiert der Befragte das Urteil aus verschiedenen Bausteinen in der aktuellen Situation. Vor Abgabe der Antwort wird also eine mentale Repräsentation über das Objekt der Frage erstellt (JACOB, R., 2013, S. 43).
In der Phase der Urteilsbildung (Judgement) wird nun aus den abgerufenen Informationen eine, zunächst vorläufige Antwort formuliert bzw. in das vorgegebene Antwortformat eingepasst. Dabei liegen bestimmte Meinungen noch nicht fertig vor, sondern werden erst in der Auseinandersetzung mit der Frage entwickelt, auch mehrfach präzisiert oder gar korrigiert. Der Interviewer kann das durch gezielte Nachfragen befördern.
Angeregt durch eine Untersuchung von PRÜFER, P. und REXROTH, M., (1996, S. 24) wurden in der eigenen Interviewführung bewusst Nachfragen zu ersten Antworten eingesetzt. Die ursprünglichen Urteile erfuhren eine deutliche Korrektur, wie das folgende Beispiel zeigt:
Frage:
„Wieviel Kilometer legen Sie in der Woche zu Fuß an der frischen Luft zurück?“
Antwort:
„Vielleicht 10 bis 15 Kilometer.“
Nachfrage:
„Wie sind Sie jetzt auf 15 Kilometer gekommen?“
Antwort:
„Na ja, auf dem Weg zur Arbeit und zurück benötige ich täglich etwa 40 Minuten zu Fuß, das könnten dann etwa 4 Kilometer sein. Außerdem sind dann noch die Spaziergänge am Wochenende, etwa 2 Stunden – das sind nochmals 10 Kilometer. Also da kommen doch etwa 30 Kilometer pro Woche zusammen.“
Vor Abgabe der Antwort (Response) durchläuft das gewonnene Urteil einen Filter 2. Bevor der Befragte seine Antwort abgibt, prüft er, ob die eigenen Ziele mit den Zielen der Befragung übereinstimmen. Im Ergebnis fällt die Antwort taktisch oder offen aus. Auch Effekte der sozialen Erwünschtheit beeinflussen die Antwort. Beim Multiple Choice projizieren die Befragten ihre individuellen Urteile auf die vorgegebenen Antwortmöglichkeiten. Im zweiten Schritt überprüfen sie diese nach Höflichkeits- und Konsistenzkriterien (HÄDER, M., 2010, S. 205). Bei offenen Fragen beeinflusst die Artikulationsbefähigung des Befragten die Verwertbarkeit seiner Antwort. So sind Antwortunterschiede nicht zwingend nur auf Einstellungsunterschiede zurückzuführen (JACOB, R. et al. 2013, S. 99).
Aus dieser Modellbetrachtung ergeben sich mindestens fünf Handlungsempfehlungen:
Fördere die Bereitschaft zur Beantwortung der gestellten Frage durch Offenlegung von Ziel und Konzept der Befragung.
Sichere das semantische Verstehen der Fragen (wörtliche Bedeutung); vermeide Begriffe, die für sie mehrdeutig und interpretationsfähig sind.
Gewähre dem Befragten ausreichend Zeit zur Beantwortung der Frage. Vermeide unnötiges Drängen zum Antworten.
Bezweifle die Antwort des Befragten nicht, weder verbal noch nonverbal. Versuche ggf. durch Nachfragen eine Präzisierung der Antwort zu erreichen.
Berücksichtige bei der Bewertung der Antworten, vor allem auf offene Fragen, die unterschiedliche Artikulationsfähigkeit der Befragten.
Nach der Art der Kommunikation mit dem Befragten wird zwischen der schriftlichen Befragung und dem mündlichen Interview unterschieden. Zur schriftlichen Befragung gehören
•die schriftliche Befragung mittels Fragebogen und
•die Online-Befragung, perspektivisch mittels Web, TV.
Das mündliche Interview erfolgt als
•persönlich-mündliches (Face-to-Face) Interview oder
•Telefoninterview.
Ein Vergleich der Vor- und Nachteile beider Befragungsarten ist im Teil 11 der Tafel 3 zu entnehmen.
Nach einer bei JACOB, R. et al. (2013, S. 98) veröffentlichten Statistik hatten die einzelnen Befragungsarten in Befragungen der großen Forschungsinstitute 2011 folgende Anteile:
•persönlich-mündlich
24 %,
•telefonisch
34 %,
•postalisch-schriftlich
6 %,
•online
36 %.
Dabei ging in den letzten Jahren in diesem Bereich der Anteil der postalischen Befragung deutlich zurück, während im gleichen Zeitraum die Bedeutung der Online-Befragung kontinuierlich gestiegen ist. Die Dominanz des Telefoninterviews und der Online-Befragung in den großen Forschungseinrichtungen erklärt sich auch aus den dort verfügbaren technischen Möglichkeiten (siehe Abschnitte 1.3.3. und 1.3.5).
Demgegenüber verfügt der Datensammler, Bedarfs- und Meinungsforscher in den meisten Unternehmen oder während der wissenschaftlichen Arbeit im Studium in der Regel nicht über diese Möglichkeiten. Dementsprechend wechseln auch die Anteile der Befragungsarten in dieser Praxis. Eine Analyse von Bachelor-, Diplom-, Master- und Promotionsarbeiten am Europäischen Institut für postgraduale Bildung an der Technischen Universität Dresden e. V. zeigt für den Zeitraum 2008 bis 2014 folgende Verteilung:
•persönlich-mündlich
43 %,
•telefonisch
17 %,
•postalisch-schriftlich
35 %,
•online
5 %,
Unter den Gründen für den nach wie vor geringen Anteil der Online-Befragung dominiert die geringe Rücklaufquote (< 2 %).
Nach Recherchen in den Jahren 2020 bis 2022 an der Dresdner Universität werden in etwa einem Drittel aller sozial-, gesundheits- und wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten Befragungen für die Feldforschung eingesetzt. Dabei dominieren schriftliche Befragungen gegenüber Interviews. Online-Befragungen werden selten festgestellt.
In Abb. 4 wird versucht, die Arten nach bestimmten Kriterien einzuschätzen. Allerdings kann diese Wertung je nach Einsatzbereich unterschiedlich ausfallen.
Abb. 4: Vergleiche unterschiedlicher Befragungsarten (in Anlehnung an PORST, R., 2000, S. 17)
Mit Blick auf die bevorzugten Zielgruppen dieses Buches konzentrieren sich die Ausführungen in den Teilen 4 bis 12 auf die postalisch-schriftliche Befragung und das persönlich-mündliche Interview.
Die schriftliche Befragung mittels standardisiertem Fragebogen wird vor allem beim Ermitteln konkreter Daten eingesetzt. Wenn es sich dagegen um die Erhebung von Ansichten, Stimmungen und Meinungen handelt, liefert sie zwar wichtige Grundaussagen, bedarf aber zur Gewinnung gesicherter Aussagen des anschließenden differenzierten mündlichen Gesprächs. Mit der postalisch-schriftlichen Befragung wird eine große Anzahl an potentiellen Auskunftspersonen und eine hohe Anonymität erreicht. Die Merkmale und das Verhalten des Interviewers bleiben ohne Einfluss auf das Antwortverhalten. Der Befragte kann zudem seine Antworten gründlicher durchdenken. Dennoch sollte die Beantwortung eines Fragebogens 20 Minuten nicht überschreiten. Gegenüber den anderen Befragungsarten sind Kosten und Zeitaufwand geringer. Generell sind Zusicherungen hinsichtlich Folgenlosigkeit und Anonymität der Befragung hier glaubwürdiger (JACOB, R. et al., 2013, S. 107). Für die Auswertung steht computergestützte Datenaufbereitung mit Excel, XLSTAT, AMOS, SPSS und Stata zur Verfügung.