Reden halten – aber wie? - Günter Lehmann - E-Book

Reden halten – aber wie? E-Book

Günter Lehmann

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  • Herausgeber: UTB
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Reden halten ist längst nicht mehr das Privileg einiger weniger Repräsentanten. Studierende sowie Fach- und Führungskräfte kommen heute vielfach in die Situation, eine Rede halten zu müssen. Für die Ungeübten bleibt dann meistens wenig Zeit für eine theoretische Einarbeitung, eine praktische Anleitung ist gefragt. Das Buch vermittelt die Grundlagen für alle gängigen Redetypen. utb+: Zusätzlich zum Buch erhalten Leser:innen als digitales Bonusmaterial Check- und Merklisten sowie Zusammenfassungen, die beim Lernen helfen und beim Aufbau der Rede unterstützen.

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Seitenzahl: 237

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Prof. Dr. paed. habil. Günter Lehmann studierte Bauwesen und Berufspädagogik. Als Hochschullehrer und langjähriger Direktor eines freien Instituts hat er über 30 Jahre Diplomand:innen, Promovierende und Habilitierende betreut. Seit mehr als 20 Jahren bereitet er Teilnehmende an Bachelor-, Master- und Promotionsstudien auf das Anfertigen und Präsentieren wissenschaftlicher Arbeiten sowie Führen von Verhandlungen und Halten von Reden vor.

Günter Lehmann

Reden halten – aber wie?

Antworten für Studierende und angehende Führungskräfte

Umschlagabbildung: © iStock.com/Feodora Chiosea

DOI: https://doi.org/10.36198/9783838561462

© 2023 expert verlag

– ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

Internet: www.expertverlag.de

eMail: [email protected]

Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung

utb-Nr. 6146

ISBN 978-3-8252-6146-7 (Print)

ISBN 978-3-8463-6146-7 (ePub)

Das Reden tut dem Menschen gut,

wenn man es nämlich selber tut.

Die Segelflotte der Gedanken,

wie fröhlich fährt sie durch die Schranken

der aufgesperrten Mundesschleuse,

bei gutem Winde auf die Reise,

und steuert auf des Schalles Wellen

nach den bekannten offnen Stellen

am Kopfe, in des Ohres Hafen

der Menschen, die mitunter schlafen.

Vor allem der Politikus gönnt sich der Rede Vollgenuss …

Wilhelm Busch

Inhaltsübersicht

Vorwort)

1Nicht ernst gemeinte Ratschläge

2Rede ist nicht gleich Rede

3Redeziel

4Redepublikum

5Redeaufbau

6Anfragen und Einwände

7Visuelle und technisch-organisatorische Mittel

8Rhetorische Mittel

9Redezeit

10Redemanuskript

11Schwierige Situationen

12Fachvortrag

13Kurzvortrag

14Diskussionsbeitrag

15Stegreifrede

16Tischrede

17Rhetorlin forte?

Quellen und Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Sachwortverzeichnis

Vorwort

In einem Märchen träumt ein König, er werde bald alle Zähne verlieren. Schweißgebadet erwacht er. Voller Sorge lässt er einen Traumdeuter herbeirufen. Der Mann hört sich den Bericht des Königs mit leidvoller Miene an und erwidert: „Oh, mein König, Euer Traum hat eine sehr traurige Bedeutung: Mit jedem Zahn, den Ihr verliert, wird einer Euerer nahen Angehörigen sterben.“ Das hat den König sehr erzürnt. Es ließ den Mann in den Kerker werfen.

Aber der Traum und seine Bedeutung ließen ihn keine Ruhe. Er befahl, einen anderen Traumdeuter zu holen. Dieser hörte sich die Erzählung des Königs lächelnd an und sagte: „Großer König, ich kann Euch eine wunderbare Nachricht übermitteln: Ihr werdet älter als Eure nahen Angehörigen. Ihr werdet sie alle überleben.“ Das hat den König sehr erfreut und er ließ den Mann reichlich entlohnen.

Sie haben sicher bemerkt, liebe Leserinnen und Leser, beide Männer haben ziemlich das Gleiche gesagt. Aber offenbar kommt es nicht nur darauf an, was man sagt, sondern auch wie man es sagt. Das führt uns direkt zum Thema Reden und zur Frage dieses Buches „Reden halten – aber wie?“. Sicher kann ich Ihnen nach der Lektüre keinen Schatz versprechen, aber ich hoffe, auf jeden Fall Gewinn, Gewinn für das Halten von Reden als Studierende und als praktizierende oder angehende Fach- und Führungskräfte.

Manch einer glaubt, zum guten Redner müsse man geboren sein. Talent sei die wesentliche Voraussetzung für eine gute Rede. Der Leser dieser Publikation wird rasch erkennen: Für das Halten einer Rede gibt es regelrechtes Handwerkzeug. Er erfährt, wie eine strukturierte Rede zu entwerfen und überzeugend so vorzutragen ist, dass seine Botschaft mit Interesse vom Publikum aufgenommen wird.

Fach- und Führungskräfte stehen oft vor der Situation, vor einem bekannten oder unbekannten Publikum über eine Sache vorzutragen, zu informieren, zu überzeugen oder gar zu veranlassen. Studierende, vor allem in den höheren Semestern, erleben vielfältige Anforderungssituationen, in denen sie sich als Redner bewähren müssen. In jedem Fall hängt ihr Erfolg von einer eingängigen Struktur der Rede, einer passenden Einführung und einem Schluss, den das Publikum noch längere Zeit in Erinnerung behält. Gut strukturierte Reden erleichtern nicht nur das Verständnis des Inhalts, sondern bieten auch dem Redner einen besseren Zugang zur freien Rede. Eine Fülle von Beispielen zu allen Redeteilen, die der Autor selbst mit Erfolg erprobt hat, soll dieses Wirken unterstützen.

Der Alltag ist reich an Reden zu verschiedenen Anlässen. So werden im Buch auch Empfehlungen zu gesellschaftlichen oder persönlichen Anlässen vorgestellt – vom Kurzvortrag bis hin zur ganz unverhofft verlangten Stehgreifrede. Die Kenntnis entsprechender Handwerkzeuge sichert nicht nur den erfolgreichen Auftritt, sondern erspart auch eine Menge von Aufregung und unnötigen Aufwand in der Vorbereitung.

Um mit der Rede wirklich brillieren zu können, bedarf es mehr als nur des Handwerkzeugs. Sprachliche Sauberkeit, gründliche Kenntnis der Sache, verständliches Sprechen und nicht zuletzt viel Übung machen den guten Redner aus. Das Buch soll helfen, die ersten Stufen bis hin zu einem anspruchsvollen Niveau zu erklimmen.

Der vorliegende Text basiert auf einem Buch des Autors zum gleichen Thema aus dem Jahre 2005 und ist durch die Erfahrungen beim Einsatz in der Lehre bereichert worden. Erfahrungsgemäß wird das Buch von den meisten Lesern bevorzugt anlassbezogen genutzt. Deshalb sind an einigen Stellen Wiederholungen anzutreffen.

Seit geraumer Zeit gibt es um die korrekte Benennung von Personen verschiedener Geschlechter einen regelrechten Kulturkampf. Der Autor beteiligt sich nicht daran und bleibt bei der traditionellen Bezeichnung. Deshalb heißt es hier im Plural „Zuhörer“ oder „Teilnehmer“ und bei der Nennung einer einzelnen Person „Zuhörerin“ bzw. „Zuhörer“ oder „Teilnehmerin“ bzw. „Teilnehmer“.

Bei der Entwicklung des Buches habe ich wertvolle Impulse von den Teilnehmern meiner Kommunikationsseminare erhalten. Mein besonderer Dank gilt Dr. Dieter Mikulin und Ingrid Lehmann für die Beratung und die Durchsicht des Manuskripts sowie Antje Albani für die bewährte Text- und Bildgestaltung und allen zusammen für das Verständnis der nie versiegenden Änderungswünsche des Autors.

Prof. Dr. paed. habil. Günter LehmannApril 2023

Ausgewählte Schemata zu einzelnen Redeformen, Argumentationshilfen, einfache Checklisten sowie Vorlagen für Argumentationskarten finden Sie zum Download unter https://www.utb.de/doi/book/10.36198/9783838561462

Inhaltsverzeichnis

1Nicht ernst gemeinte Ratschläge

2Rede ist nicht gleich Rede

3Redeziel

4Redepublikum

4.1Publikumsanalyse

4.2Publikumstypisierung

4.3Publikumsansprache

5Redeaufbau

5.1Grundstruktur

5.2Anfang

5.3Beispiele Redeeinstieg

Checkliste zum Rede-Einstieg

5.4Exkurs: Storytelling

5.5Redekern

5.5.1Argumentationsschemata

5.5.2Fünfsatz-Redeform in Beispielen

5.5.3Stärken der Argumentationskraft

5.5.4Schemata zum Statement „Lösungsvorschlag“

5.5.5Schemata zur Rede „Überzeugung/Motivation“

5.5.6Schemata zum Fachvortrag

5.6Schluss

5.6.1Kennzeichnung

5.6.2Redeschluss – Beispiele

Checkliste zum Redeschluss

5.7Schrittfolge beim Aufbau

6Anfragen und Einwände

6.1Kennzeichnung

6.2Vorbereiten auf Anfragen und Einwände

6.3Fragen beantworten

6.4Einwände behandeln

7Visuelle und technisch-organisatorische Mittel

7.1Bilder

Checkliste zum Erstellen von Folien

7.2Zahlen

Checkliste zum Umgang mit Zahlen

Checkliste zum Anfertigen von Tabellen

7.3Medien

7.4Empfängerorientierte Formulierungen

7.5Rahmenbedingungen

8Rhetorische Mittel

8.1Übersicht

8.2Verständliche Informationen

8.2.1Fach- und Fremdwörter

8.2.2Modewörter

8.2.3Missverständliche Wörter

8.2.4Verben

Checkliste zum gepflegten Wortstil

8.2.5Satzgestaltung

8.2.6Textverständlichkeit

8.3Anschauliche Informationen

8.4Sprechtechnik

8.5Körpersprache/Kleidung

Checkliste zum Redeverhalten

9Redezeit

10Redemanuskript

10.1Redehilfe

10.2Publikumsinformation

11Schwierige Situationen

12Fachvortrag

Checkliste zum Fachvortrag (Ergänzungen)

13Kurzvortrag

Checkliste zum Kurzvortrag

14Diskussionsbeitrag

15Stegreifrede

Checkliste zur Stegreifrede

16Tischrede

Checkliste zur Tischrede (Suchfeld)

17Rhetorlin forte?

Quellen und Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Sachwortverzeichnis

1Nicht ernst gemeinte Ratschläge

Vor einigen Jahren schrieb mir ein Leser meines Buches zum Wissenschaftlichen Arbeiten, er sei auf das Buch vor allem wegen des originellen Einführungskapitels „(Nicht)ernstgemeinte Ratschläge“ aufmerksam geworden. Während der Lektüre des unterhaltsamen Textes seien ihm Fragen bewusst geworden, die er vorher gar nicht gehabt hätte. Außerdem habe er nun mit Interesse das Buch studiert, um das Gegenteil, also die ernstgemeinten Ratschläge zu finden (die er dann wohl auch gefunden hat).

Deshalb versuche ich es auch in diesem Buch zum Anfang mit nicht ernstgemeinten Ratschlägen – frei nach TUCHOLSKI (1957) – und hoffe, dass ich damit Ihre Neugier anrege, im Buch dann das Gegenteil zu erfahren.

Hier nun also die Ratschläge:

Erscheine als Redner nie pünktlich. Mögen deine Zuhörer ruhig 10 bis 15 Minuten auf dich warten. Das erhöht ihre Spannung und im Übrigen können sie froh darüber sein, dass du überhaupt Zeit für sie gefunden hast.

Fange die Rede nie am Anfang an, sondern immer drei Meilen vor dem Anfang, etwa so:

„Meine Damen und Herren! Bevor ich zum Thema meines heutigen Vortrags kommen, der Ihre geschätzte und volle Konzentration erfordern wird, lassen Sie mich kurz einige Voraussetzungen und Grundlagen für Ihr Verständnis ausführen…“

Hier hast du schon so ziemlich alles, was einen schönen Anfang ausmacht:

•eine steife Anrede,

•der Anfang vor dem Anfang,

•die Ankündigung, dass man einen anstrengenden Vortrag halten will und

•das Wörtchen kurz!

So gewinnst du im Nu die Herzen und Ohren deiner Zuhörer. Denn das hat der Zuhörer besonders gern: Dass er deine Rede wie ein schweres Schulpensum aufbekommt, dass du gewissermaßen mit dem drohst, was du sagen wirst, sagst oder schon gesagt hast.

Sollte es deinen Hörern einfallen, zu Beginn deiner Rede zu zischen, zu lachen, zu pfeifen oder gar mit den Füßen zu trampeln – lass dich dadurch nicht beirren. Setze deine Rede getrost fort und denke daran, dass lebhafte Zuhörer immer noch besser sind, als schlafende. Sollten die Zuhörer aber während deiner Rede einschlafen, messe dem keine besondere Bedeutung bei. Es ist bei weitem angenehmer, vor friedlich schlummernden Hörern zu sprechen, als vor einem zischenden, lachenden, pfeifenden oder trampelnden Auditorium.

Sprich nicht frei – das macht einen so unruhigen Eindruck und lässt vor allem beim Kenner keine Zweifel aufkommen, dass du nicht gründlich vorbereitet seiest. Am besten ist es: du liest deine Rede von vorn bis hinten ab. Das ist sicher, zuverlässig, auch freut es jedermann, wenn der lesende Redner nach jedem Satz misstrauisch in die Runde blickt, ob auch alle noch da sind.

Sprich wie du schreibst – und ich weiß, wie du schreibst. Sprich vor allem mit langen, langen Sätzen – solchen, bei denen du, der du dich zu Hause, wo du ja die Ruhe, derer du so dringend bedarfst, deiner Kinder ungeachtet, hast, vorbereitest, genau weißt, wie das Ende ist, die Nebensätze sauber ineinander geschachtelt, so dass der Hörer, ungeduldig auf seinem Sitz hin und her träumend, sich in einer Vorlesung wähnend, in der er früher so gern geschlummert hat, auf das Ende einer solchen Periode wartet … nun, ich habe dir soeben ein treffendes Beispiel gegeben. So musst du sprechen!

Fang immer bei den alten Römern an und gib stets – egal wovon du sprichst – die geschichtlichen Hintergründe der Sache an. Ich habe einmal an der Universität einen chinesischen Studenten sprechen hören, der sprach glatt und gut Deutsch, aber er begann zur allgemeinen Freude so:

„Lassen Sie mich in aller Kürze die Entwicklungsgeschichte meiner chinesischen Heimat seit dem Jahre 2000 vor der Zeitenwende …“ Er blickte ganz erstaunt auf, weil die Leute lachten.

So musst du es machen. Wer kann schon alles verstehen ohne die geschichtlichen Hintergründe. Die Leute sind doch nicht in deinen Vortrag gekommen, um lebendiges Leben zu hören, sondern sie wollen das hören, was sie auch in Büchern nachlesen können. Immer gib ihnen Historie, lasse nicht nach!

Kümmere dich nicht darum, ob die Wellen, die von dir ins Publikum laufen, auch zurückkommen – das sind Kinkerlitzchen. Sprich unbekümmert um die Wirkung, um die Leute, um die Luft im Saale, immer sprich, mein Guter, das Publikum wird es dir lohnen.

Wichtig ist beim Reden außerdem, dass du alles in die Nebensätze legst. Sage nie: „Die Steuern sind zu hoch“. Das ist zu einfach, zu lapidar. Sage stattdessen besser: „Ich möchte zu dem, was ich soeben gesagt habe, noch kurz bemerken, dass mir frei von subjektiven Erwägungen nach gründlichem Betrachten die Steuern gewissermaßen bei weitem …“ Das hat Stil, so muss man es sagen!

Übrigens: Trink vor den Leuten ab und zu ein Glas Wasser – man sieht das gern. Es ist schließlich eine der wenigen Abwechslungen. Gönne Sie deinen Zuhörern.

Falls du einen Witz machst, lache vorher, damit alle wissen, wo die Pointe ist.

Zu dem, was ich soeben über die Technik der Rede gesagt habe, möchte ich noch kurz bemerken, dass viel Statistik eine Rede immer hebt. Zahlen beruhigen ungemein, und da jeder in der Lage ist, 10 oder auch 15 verschiedene Zahlen mühelos zu behalten, macht Statistik viel Spaß.

Wenn du dich in deiner Rede mit dem Verhalten Einzelner auseinandersetzen musst, scheu dich nicht davor, saloppe Wendungen zu benutzen wie beispielsweise

•„mal anständig abbürsten“,

•„den Rüssel schaben“,

•„über den Tisch ziehen und kurz strecken“ oder

•„den Knorpel aus dem Ohr drehen“.

Solche und ähnliche urwüchsige Aussprüche erhöhen die Originalität deiner Rede und stimulieren zudem ungeheuer die Leistungsbereitschaft der so Angesprochenen – wie übrigens auch eine solch freundschaftliche Bemerkung:

„Damit Sie klar sehen, Ihr Arbeitsplatz wird künftig von den Reisebüros als Ferienplatz angeboten.“

Sei aber andererseits auch feinfühlig, beispielsweise wenn du dich in deiner Rede mit Rechtsverletzungen beschäftigen musst. Nenne solche brutalen Tatsachen wie „Schludern“, „Bummeln“ oder „Klauen“ nicht so deutlich beim Namen. Das brüskiert nur und erschwert außerdem das Verständnis. Kodiere sie deshalb um, möglichst in eine leichter verständliche Sprache – etwa so, dass du vom

„… Phänomen der Restexistenz gesellschaftlich normwidrigen Verhaltens hinsichtlich einer negativen Beziehung der Normverletzer gegenüber dem Charakter der rechtschaffenen Arbeit, dem privaten Eigentum und dem bürgerlichen Recht …“

sprichst. Das versteht auch der Letzte, das geht unter die Haut und verändert Verhalten in Größenordnung.

Langweile kommt auf, wenn die Rede nach den üblichen Gliederungsgerüsten aufgebaut ist und vorgegebene Strukturen jegliche freie Gedankenentfaltung unterbinden. Es ist doch bekannt, dass während des Sprechens neue Gedanken auftauchen, die nicht unterdrückt werden sollten. Dabei ist zunächst unwichtig, ob sie in die geplante Struktur passen und zum Ziel führen. Jetzt müssen sie bekannt werden. Irgendwann kommt der Redner schon auf die geplante Spur zurück, nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel“.

Und schließlich – beinahe hätte ich das vergessen – du musst dir nicht nur eine Disposition machen, du musst sie auch in aller Ausführlichkeit den Leuten vortragen – das würzt eine Rede.

Wenn du die Hälfte der Rede vorgetragen hast, blicke von Zeit zu Zeit auf die Uhr. Dadurch entsteht bei den Zuhörern der Eindruck, dass du ihre kostbare Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen willst.

Kündige den Schluss der Rede lange vorher an, damit die Hörer vor Freude keinen Schlaganfall bekommen, wenn du plötzlich aufhörst. Kündige den Schluss also ausreichend vorher und dann nachfolgend mehrmals an, beginne dann von vorn und rede dann etwa noch eine gute halbe Stunde. Im Bedarfsfall kann der Redner dies mehrmals wiederholen.

Sprich nie unter anderthalb Stunden, sonst lohnt es sich gar nicht erst anzufangen. Wenn einer spricht, müssen die anderen zuhören – das ist deine Gelegenheit. Missbrauche sie!

Nimm nach der Rede noch einen kräftigen Schluck aus dem Wasserglas und beantworte anschließend die Hörerfragen mit Zitaten der alten Philosophen. Sollte das eine oder andere Zitat den Fragesteller nicht befriedigen, weise ihm nach, dass man so die Frage überhaupt nicht stellen kann. Du kannst ziemlich sicher sein, dass es danach keine Fragen mehr gibt.

2Rede ist nicht gleich Rede

BERTOLD BRECHT hat einmal sinngemäß gesagt: Gehen nach Orten, die durch Gehen nicht erreicht werden können, muss man sich abgewöhnen. Reden über Angelegenheiten, die durch Reden nicht entschieden werden können, muss man sich abgewöhnen. Denken über Probleme, die durch Denken nicht gelöst werden können, muss man sich abgewöhnen.

Wir ziehen daraus den Umkehrschluss: Reden über Angelegenheiten, die durch Reden entschieden werden können, ist sinnvoll. Und Denken über Probleme, die durch Denken gelöst werden können, ist notwendig. Denken wir also gemeinsam darüber nach, wie wir wirkungsvoller miteinander reden können. Nicht die Perfektion ist dabei unser Ziel, sondern wir wollen besser werden als bisher.

Als Rednerin oder Redner haben wir vor allem die Aufgabe, unsere Einstellungen mit denen des Publikums zu koordinieren und möglichst keiner Seite Gewalt anzutun, denn das rächt sich schnell. Die Zuhörer haben die „Richtlinienkompetenz“. Ihre Interessen und Verständnismöglichkeiten geben den Rahmen ab, in dem Sie sich als Redner zu bewegen haben.

Reden zu halten, ist schon längst nicht mehr das Privileg einiger weniger Repräsentanten. Jeder von uns kommt vielfach in die Situation, seine Gedanken zu einem Sachverhalt oder einer Person anderen in Form einer Rede zu übermitteln, z. B.

•als Sachverhalt im Berufsfeld für die Vorbereitung einer Entscheidung,

•als Festrede auf einer Familienfeier, um die Anwesenden besinnlich zu stimmen,

•als Appellrede auf einer politischen Veranstaltung, um die Zuhörer zu aktivieren.

Diese wenigen Beispiele lassen bereits erkennen: Reden beziehen sich auf unterschiedliche Gegenstände (Sachen, Personen), verlaufen in verschiedenen Formen und erreichen dementsprechend differenzierte Wirkungen. Die Abb. 1 vermittelt einen Überblick über die Einordnung der Rede in die unterschiedlichen kommunikativen Situationen.

Im Unterschied zum Gespräch oder zur Besprechung erscheint uns die Rede als einseitig kommunikativer Vorgang. In der Tat: Es spricht nur einer. Aber vergessen wir nicht:

•Kommunikation erfolgt nicht nur verbal, sondern auch nonverbal.

•Kommunikation ist immer ein zweiseitiger Vorgang, d. h., auch die Redesituation ist immer eine Wechselbeziehung zwischen Publikum und Redner.

Abb. 1: Die Rede im Ensemble kommunikativer Situationen

KURT TUCHOLSKY spricht davon, „dass eine Rede nicht nur ein Dialog, sondern ein Orchesterstück ist: Eine stumme Masse spricht nämlich ununterbrochen mit …“ (TUCHOLSKI, 1957, S. 269). Allerdings erfolgt die Rückinformation vom Publikum zum Redner in der Regel nicht nur verbal, sondern vor allem nonverbal, also

•mimisch – z. B. als Gesichtsausdruck der Zustimmung, des interessierten Mitgehens, aber auch des Zweifels oder der Ablehnung;

•gestisch – z. B. durch abweisende Bewegungen, Kopfschütteln oder aber applaudierende Rückinformation oder

•durch anderes Ausdrucksverhalten, wie z. B. Gespräch mit dem Nachbarn, Zurufe, Lachen, Einschlafen oder Verlassen des Raumes.

Aus alledem folgt aber: Die Deutung dieser vornehmlich nonverbalen Hörerreaktionen ist ungleich schwieriger als die verbale Antwortreaktion im Gespräch. Der Redner weiß nicht immer genau, ob er „ankommt“, ob er „richtig liegt“.

Schließlich stehen Sie als Redner während Ihrer Ausführungen in besonders auffälliger Weise als Einzelner im Mittelpunkt des kommunikativen Geschehens. Deshalb erleben Sie die Redesituation häufig als eine besondere Anforderungssituation, die Verhalten polarisiert. Die Realität ist: Eine gute Rede trägt immer zum Image bei, im Berufsfeld ebenso wie in der Familie oder im Hobbybereich.

Natürlich ist Rede nicht gleich Rede. Je nach der Absicht, die Sie mit der Rede bei Ihrem Publikum verfolgen, sind folgende Zielqualitäten zu unterscheiden:

•Informieren,

•emotional Bewegen,

•Aktivieren.

Die informierende Rede muss die Erkenntnisfähigkeit der Zuhörer, ihre intellektuelle Wahrnehmungsfähigkeit angemessen berücksichtigen. Als Repräsentant sei der Vortrag als vorwiegend rationale, wissensvermittelnde Darstellung von Sachverhalten genannt. Entsprechende Gebrauchsformen sind u. a.:

•die Vorlesung zu Lehrzwecken,

•das Referat auf Versammlungen,

•der Fachvortrag im Seminar, Workshop oder vor einer Geschäftsleitung.

Bei der Gestaltung von Informationsreden gilt es,

•Neues, Interessantes, Spannendes anzubieten,

•logisch und mit beweiskräftiger Wirkung zu argumentieren,

•Zusammenhänge aufzudecken (Ursache – Wirkung usw.),

•Gedankenfolgen nachvollziehbar aufzubauen,

•Fachausdrücke sinnrichtig zu verwenden.

Die emotional bewegende Rede geht aus von einer sicheren Kenntnis der Erlebnisfähigkeit der Hörer, ihrer emotionalen Kultur. Repräsentant ist die Anerkennungs- oder Würdigungsrede. Der eigene Standpunkt wird dabei vorwiegend durch Gefühle ausgedrückt (Vorsicht vor Gefühlsüberflutung!).

Die bekanntesten Gebrauchsformen sind:

•Festansprache,

•Gratulationsrede,

•Verabschiedungsrede,

•Gedenkrede.

Als besondere Gestaltungshinweise können gelten:

•Gefühlen angemessen, nicht überschwänglich Ausdruck verleihen,

•eindringlich, nicht aufdringlich reden,

•voll auf die Empfindungen, die Erlebniswelt der Zuhörer einstellen,

•bewusst Nachdenklichkeit erzeugen und Besinnung herstellen.

Die aktivierende Rede basiert auf einer klaren Vorstellung vom Willen der Zuhörer zu gemeinschaftlichen Aktivitäten. Als Repräsentanten gelten die Meinungsrede oder der Aufruf als vorwiegend aktivitätsauslösende Appelle an die Handlungsbereitschaft des Publikums. Versammlungsreden, Aufrufe zur Aktion oder Angebotspräsentationen sind typische Gebrauchsformen.

Bei der Gestaltung der aktivierenden Rede kommt es besonders darauf an,

•die Zuhörer zur Identifikation mit dem Ziel der Rede zu bewegen,

•die Bezüge zu vorherrschenden Wertvorstellungen des Publikums herzustellen,

•die persönliche Bedeutsamkeit für den Hörer zu verdeutlichen,

•konzentriert die Fragen zu beantworten:

–Was ist zu tun?

–Warum ist dies notwendig?

–Wie ist es zu tun?

Selbstverständlich können in die eine Art der Rede auch Elemente einer anderen Art eingelagert werden. So überwiegt zwar in der informierenden Rede die logisch einwandfreie Argumentation, schließt aber den Appell im Sinne der aktivierenden Rede nicht aus. Aktivierende Reden wiederum können durch eindringliche, emotional wirkende Darstellungen verstärkt werden.

Dieser Ordnungsversuch nach wesentlichen Merkmalen der einzelnen Redearten soll den Leser dazu anregen, sich der vorherrschenden Absicht seiner Rede bewusst zu werden und durch entsprechende Gestaltung frühzeitig Misserfolge zu vermeiden.

3Redeziel

Die vorherrschende Absicht seiner Rede sich bewusst machen – das war im 2. Kapitel der Appell an den Redner. Das führt uns zum Ziel einer Rede. „Wer vom Ziel nicht weiß, kann den Weg nicht haben“, sagt CHRISTIAN MORGENSTERN und fordert uns damit auf, zielorientiert zu arbeiten.

Fragt man einen Redner vor Beginn seiner Rede nach seinem Ziel, so erhält man recht unterschiedliche Antworten. Viele dieser Antworten beziehen sich auf den Redeinhalt oder auf methodisches Vorgehen. Häufig wird das Ziel auch durch recht allgemeine Formulierungen beschrieben, wie beispielweise „dem Publikum Wissen vermitteln“ oder „dem Publikum einen Überblick geben“. Dem aufmerksamen Leser fällt auf, dass diese Formulierungen Tätigkeiten des Redners beschreiben. Unklar bleibt dagegen, was er damit bei seinen Zuhörern erreichen will. Sollen sie am Ende etwas verstehen, mit dem Redner darüber diskutieren oder sich für eine Alternative entscheiden, für etwas stimmen, etwas unterstützen? Erst nach intensiven Nachfragen stellt sich heraus: Der Redner will mit der Vermittlung von Wissen seine Zuhörer zum Nachdenken anregen, überzeugen, aktivieren oder in Besinnung versetzen.

Daraus ergibt sich: Die Frage nach dem Ziel ist die Frage nach dem Endzustand der Zuhörer, wenn sie den Vortrag gehört haben. Was sollen sie am Ende denken, welche Meinung gewonnen oder möglicherweise korrigiert haben, wie sollen sie handeln oder sich verhalten. Kurz: Was sollen sie tun, wenn sie die Rede gehört haben? Je genauer dieser Endzustand – informiert sein, überzeugt oder aktiviert worden – beschrieben wird, desto begründeter kann der dafür erforderliche Redeinhalt ausgewählt werden. In Abb. 2 sind Zielformulierungen dargestellt, die einem Programm der Fachfortbildung von Sachverständigen entnommen sind. Nach dem hier entwickelten Verständnis von Redezielen erfüllen lediglich die mit „Z“ gekennzeichneten Formulierungen diesen Anspruch. Alle anderen sind Beschreibungen des Inhalts „I“ oder der Methode „M“.

Informationsstand verbessern

Z

Projekt vorstellen

I

Schadensbilder zeigen

M

Know-how demonstrieren

I

Image aufbauen

Z

Vor- und Nachteile des Prüfungsverfahrens darstellen

I

Vertrauen zur Firma und Person herstellen

Z

Handlung auslösen

Z

Abläufe veranschaulichen

I

Problembewusstsein wecken

Z

Entscheidung treffen

Z

Erfolge und Misserfolge analysieren

I

Abb. 2: Beispiele für Zielformulierung

Die Frage nach dem Ziel einer Rede lautet: Was sollen die Teilnehmer während und vor allem nach der Rede tun? Was sollen sie kennengelernt oder verstanden haben? Oder: Wovon sollen sie überzeugt werden, was sollen sie unternehmen oder was sollen sie veranlassen? Wie sollen sie sich künftig verhalten? Besonderer Wert ist auf konkrete Ziele zu legen, beispielsweise:

•den Anlass zur vorgestellten Untersuchung verstehen und nachvollziehen können,

•die gestellte Forschungsfrage und ihre Beantwortung akzeptieren,

•sich für eine der angebotenen Alternativen entscheiden,

•von der Schlüssigkeit der Argumentation zur Umsetzung überzeugt sein,

•das methodische Vorgehen bei der Problemlösung verstehen und bewerten können,

•Vorschläge für die Umsetzung der Ergebnisse unterstützen,

•einer Weiterführung der Untersuchung zustimmen.

Bei der Durchsicht dieser Zielformulierungen sind die drei in Abb. 3 dargestellten Grundrichtungen zu erkennen: Informieren, Überzeugen und Veranlassen. Zwischen diesen drei Richtzielen liegt eine Fülle von Mischformen, aber eines von ihnen wird in der Regel dominieren.

Abb. 3: Richtziele einer Rede

Jedes dieser Richtziele wird durch spezielle Inhalte, Methoden und Mittel umgesetzt. Eben deshalb ist ihre konkrete Formulierung der unverzichtbare erste Schritt in der Vorbereitung einer Rede. Dazu bewehren sich an Anlehnung an NEUMANN (1995, S. 66) folgende Hinweise:

•Erstens ist das Redeziel so konkret wie möglich zu beschreiben.

•Zweitens soll bewusst die Aktivform der Verben verwendet werden.

•Drittens ist der Maßstab zu bestimmen, um den Grad der Zielerreichung feststellen zu können (beispielsweise die konkrete Verhaltens- oder Meinungsänderung).

•Viertens sind realistische Ziele zu setzen, die durch die Rede mit großer Wahrscheinlichkeit erreicht werden können (beispielsweise nicht „alle“, sondern „mindestens 75 % aller Zuhörer“).

Spätestens der vierte Hinweis offenbart, dass konkrete Ziele erst nach genauer Kenntnis des Redepublikums formuliert werden können. Der Annahme, 75 % der Zuhörer überzeugen zu können, liegt offenbar das Analyseergebnis zugrunde, dass es bei einem Teil des Publikums stärkere Vorbehalte gibt. Auch die häufig bei Anlassreden gewählte Zielformulierung „Ich möchte mit meiner Rede die Person X ehren“ sollte besser so formuliert werden: „Die Person X soll sich durch meine Rede geehrt fühlen“. Diese eindeutige Beschreibung des Endzustandes der Person X fordert nun eine Analyse heraus, wodurch sich der Betreffende geehrt fühlt, welche Werte, Interessen, Einstellungen, sozialen Beziehungen er hat.

Nach all diesen Bemühungen um die Zielformulierung stellt sich dem Leser sicher die Frage: Wie realistisch ist das formulierte Ziel, reichen die verfügbaren Inhalte, Methoden und Mittel dafür aus? Werden sich die Teilnehmer auf diese formulierten Ziele der Rede einlassen? Das erfordert noch vor der Auswahl von Inhalten, Methoden und Mitteln zwingend den zweiten Schritt der Vorbereitung: Die Analyse der Teilnehmer! Deshalb wollen wir im Teil 4 Angebote unterbreiten, die dem Redner beim Finden schlüssiger Antworten helfen sollen. Das soll in folgenden drei Schritten erfolgen:

•Analyse des Publikums,

•Typisierung des Publikums und

•Angemessene Ansprache des Publikums.

4Redepublikum

4.1Publikumsanalyse

Wenn man dem Züricher Literaturprofessor URS HERZOG glaubt, gab es in der Barockzeit den Beruf des „Kirchenduslers“. Dessen Aufgabe: Kampf dem Predigtschlaf. Wer eingeduselt war, bekam vom Kirchendusler einen Knuff in die Rippen. Wie rasch geschieht es auch heute, dass der eine oder andere im Schutze einer Anzahl von Menschen seinen Gedanken, seinen Träumen nachhängt. Je langweiliger der Redner, desto lieber führt der Zuhörer seine Gedanken spazieren. Man könnte auch sagen: Aus dem Zuhörer ist ein Aufhörer geworden (FRANKEN, 1997, S. 20), einer, der sich vom Redner verabschiedet hat.

Deshalb lautet der Appell an den Redner: Bringen Sie Ihre Zuhörer nicht durch Reden einfach zum Schweigen, sondern fangen Sie mit Ihrer Rede die Gedanken Ihrer Zuhörer ein, geben Sie Impulse, provozieren Sie auch mal, sprechen Sie zuhörerorientiert. Mit der Analyse des Redepublikums legen Sie den Grundstein dafür, dass Ihre Rede zuhörerorientiert verläuft. „Jedem Sprecher fehlt die Sprache, fehlt dem Hörenden das Ohr“ hat GRILLPARZER vor zwei Jahrhunderten gedichtet und ist damit noch heute aktuell. Eine gründliche Publikumsanalyse bringt ersten Aufschluss über „das Ohr des Hörenden“, stellt fest, wo die Interessen und Erfahrungen, aber auch Vorbehalte und Bedenken Ihrer Zuhörer liegen

Welche Aufschlüsse kann nun die Analyse des Publikums bringen? In der praktischen Arbeit hat sich die in Abb. 4 dargestellte S I E-Analyse aus drei Komponenten bewährt.

Die Komponente Situation umfasst mindestens drei Aspekte:

•Das zum Thema der Rede vorhandene Wissen.Aus dem vorhandenen Wissen können der Erklärungsbedarf und das Verständnis von Fachbegriffen und Fremdwörtern ermessen werden.

•Die zu erwartenden intellektuellen Fähigkeiten.Aus den intellektuellen Fähigkeiten können in etwa das Tempo und der Umfang der Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen abgeleitet werden.

•Der dominierende Wirkungs- und Erfahrungsbereich.Aus dem Wirkungs- und Erfahrungsbereich können Hinweise für die Wahl der Beispiele, das Anknüpfen an Erfahrungen oder für das Formulieren von Appellen gewonnen werden. Außerdem werden Entscheidungsträger recherchiert und der Handlungsspielraum des Publikums festgestellt.

Abb. 4: Fragen in der SIE-Analyse

Die Komponente Interessen ist von besonderer Bedeutung für die Wirkung der Rede, weil sie einen Zugang zum Finden von Nutzenargumenten für die Zuhörer schafft. In der Praxis macht mancher Redner den Fehler, dass er seinen Zuhörern die gleichen Interessen unterstellt, die er selbst hat. Aber die Menschen haben – glücklicherweise – unterschiedliche Interessen, so beispielsweise ein (BÄNSCH, 1998 S. 70 ff.):

Gewinninteresse:

Informationen zur Kostensenkung und/oder Erlössteigerung werden erwartet;

Zeitsparinteresse: