Die Ehre der Orks - Michael Peinkofer - E-Book

Die Ehre der Orks E-Book

Michael Peinkofer

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Beschreibung

Endlich kehrt Michael Peinkofer zu seiner erfolgreichsten Saga zurück: Sie gewannen Kriege. Sie wurden zu Königen ihres Volkes. Sie beleidigten ihre Gegner. Und manchmal auch ihre Verbündeten ... Die rauflustigen Brüder Balbok und Rammar haben alles erreicht, was man sich als Ork aus echtem Tod und Horn erträumen kann. Doch sie haben noch eine Rechnung offen – mit ihrer Vergangenheit. Und der unmöglichen ersten Mission, mit der all ihre Abenteuer begannen. Mit »Die Ehre der Orks« führt Michael Peinkofer erstmals in die Jugendzeit der mutigsten Krieger, die Erdwelt je gesehen hat. Balbok und Rammar waren nämlich nicht immer die, hüstl, glorreichen Helden, als die man sie auf Erdwelt kennt. Im Gegenteil, gleich bei ihrem ersten Auftrag, einen sagenhaften Goldschatz zu suchen, stellen sich die Orks so ungeschickt an, dass aus einer eigentlichen kinderleichten Mission ein welterschütterndes Abenteuer wird.

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Für Mr. Laurel und Mr. Hardy,

die Großartigen und Unvergessenen

ISBN 978-3-492-97356-4

März 2016

© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2016

Covergestaltung: Guter Punkt, München

Covermotiv: Anton Kokarev

Karte: Daniel Ernle

Illustration Axt: Sven Binner

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

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Handelnde Personen

(in der Reihenfolge ihres Auftretens)

Rammar

König der Orks

Balbok

sein Bruder, ebenfalls König

Oisal

Ork, Hofdiener

Pachg

Ork, Krieger

Ochg

Ork, Krieger

Mata

eine Orkin

Girgas

junger Ork, Krieger

Korshok

Ork, Häuptling

Graishak

Anführer der faihok’hai

Borbol

junger Ork

Kagar

junger faihok

Shadag

ein alter Schamane

Onk

ein Waldtroll

Cormack

ein Waldläufer

Spyrion

Prinz der Waldelfen

Lynolier

Hauptmann der Waldelfen

Aylonwyr

Ratsältester von Tirgas Dun

Ulian

sein Stellvertreter

Loreto

Prinz von Tirgas Dun

Norkon

Kommandant der Verlorenen Legion

PROLOG

Sie waren lebende Legenden – und das war weit besser, als wenn sie tote Legenden gewesen wären.

Die Kunde von ihren Taten, von ihren Kämpfen und den Gefahren, die sie im Reich der Menschen überstanden hatten, hatte sich unter den Bewohnern der Insel verbreitet. Jener Insel, die einst als die Fernen Gestade die Heimat und Zukunft der Elfen gewesen war und über die nun die Orks herrschten.

Unruhige Zeiten lagen hinter ihnen.

Sie hatten den Fluch von Tirgas Lan bezwungen, hatten gegen Gnomen, Schlangenkreaturen, Dunkelelfen, Zwerge und anderes Gesocks gekämpft, hatten Throne ins Wanken gebracht und einige davon umgestoßen, hatten Kriege beendet und Zauberkristalle von unschätzbarem Wert zerbrochen, hatten Chaos gestiftet, wohin sie auch gekommen waren, so wie man es von einem Ork aus echtem Tod und Horn erwarten konnte.

Vor allem aber waren sie allen Gefahren zum Trotz am Leben geblieben. Unzählige Male kurz davor, in Kuruls dunkler Grube zu enden, war es ihnen doch immer wieder gelungen zu entkommen – und unterm Strich noch einen guten Schnitt zu machen. So waren Balbok und Rammar, die ungleichen Ork-Brüder, zu Königen geworden, über deren Taten ihre Untertanen voller Bewunderung staunten. Nicht zuletzt deshalb, weil König Rammar die Berichte über seine Taten stets üppig auszuschmücken pflegte. Und weil König Balbok gelernt hatte, dass es weder Sinn hatte noch seinem Wohlbefinden zuträglich war, wenn er seinem Bruder widersprach und bei der Wahrheit zu bleiben versuchte.

So waren sie also zu lebenden Legenden geworden – und das war, wie Rammar nicht müde wurde zu betonen, sehr viel besser, als eine tote Legende zu sein.

Wie viel Zeit verstrichen war, seit die beiden von ihrer letzten Reise zurückgekehrt waren, die sie zurück auf den Kontinent geführt hatte, mitten hinein in einen verheerenden Krieg zwischen Menschen und Zwergen 1, wusste niemand genau zu sagen, am allerwenigsten die Könige selbst. Und eigentlich war es auch gar nicht von Belang, denn zum einen führten Orks keinen Kalender, sondern zogen es vor, im Hier und Jetzt zu leben und einem alten Sprichwort gemäß »den Tag zu massakrieren« 2; zum anderen gehorchte die Zeit, wie sich herausgestellt hatte, an den Fernen Gestaden anderen Gesetzen als auf dem Festland. Uralter Elfenzauber hatte dafür gesorgt, dass Wochen, Monate und Jahre auf der Insel sehr viel langsamer verstrichen als im Rest der Welt, was vor allem König Rammar dazu bewogen hatte, sich noch kräfteschonender zu bewegen, als es in Anbetracht seiner üppigen Leibesfülle ohnehin schon immer der Fall gewesen war. Entsprechend hatte sein Thron bereits mehrmals verbreitert werden müssen, wogegen der von König Balbok, seinem großgewachsenen und hageren Bruder, stets derselbe geblieben war. Und das, obwohl beide dem Blutbier und dem bru-mill in hohem Maße zusprachen.

Die Jahre des Kampfes waren vorbei.

Selbst Balbok, der früher stets von Tatendrang erfüllt gewesen war und seinen Bruder damit manches Mal fast in den Wahnsinn getrieben hatte, hatte gelernt, die Sonnenseiten seines Daseins als König zu genießen. Denn auch wenn die Tage der großen Schlachten und blutigen Kämpfe gezählt sein mochten – wenn es darum ging, Nachschlag beim Rachenputzer zu ergattern oder sich ein extra großes Filetstück aus dem Rattenbraten zu schneiden, wurden im Thronsaal der Orkfestung nach wie vor heftige Gefechte ausgetragen, wilde Schlägereien, bei denen Balbok den einen oder anderen Zahn eingebüßt und Rammar den einen oder anderen Schädel eingeschlagen hatte.

Kurz, es war ein gutes, abwechslungsreiches Leben, das die beiden Brüder führten … bis auf die Pflichten, die es hin und wieder zu erfüllen galt.

»Schon wieder?«, raunzte Rammar unwirsch, während er sich auf dem Thron von einer Hälfte seines asar auf die andere bettete. Seine grüne Miene hatte sich verdrießlich verzerrt. »Was ist es denn diesmal?«

»Ein Streit«, erwiderte Oisal, ein kräftiger Krieger, der ihnen als Kastellan diente. An den Königshöfen der Menschen hatten Balbok und Rammar gesehen, dass es dort immer jemanden gab, der Besucher an- und abkündigte. Und was den Milchgesichtern recht war, konnte den Königen der Orks nur billig sein.

»Was für ein Streit?«, verlangte Balbok zu wissen. Wissbegierig schob er seinen großen Unterkiefer vor und kratzte sich gleichzeitig am Hinterkopf.

»Es geht um ein Fass Blutbier«, erklärte Oisal, der sich untertänig vor den Königen verbeugte. »Jeder der beiden behauptet, dass es ihm gehört.«

»So«, knurrte Rammar. »Und warum regeln die beiden das nicht einfach unter sich wie zwei echte Orks?«

»Weil du es ihnen bei Strafe verboten hast, schrecklich rasender Rammar«, erwiderte der Hofdiener achselzuckend.

»Habe ich das?« Rammar drehte den dicken Hals und sah zu seinem Bruder.

»Korr«, versicherte Balbok. »Weil wir auf einer Insel leben, wollten wir vermeiden, dass unsere Untertanen sich alle gegenseitig umbringen. Deshalb …«

Rammars breite Stirn zerknitterte sich, er erinnerte sich dunkel. Wenn man über eine Insel herrschte, deren Einwohnerzahl begrenzt war, dann sorgte man besser dafür, dass man auch Untertanen hatte, oder es würde eines Tages vorbei sein mit dem Königtum. Auch das hatten sie von den Menschen gelernt.

»Wenn ich das so gesagt habe, hat es natürlich seine Richtigkeit«, polterte Rammar – wenngleich er speziell in diesem Moment nichts dagegen gehabt hätte, ein paar Untertanen weniger zu haben. Balbok und er waren gerade dabei gewesen, die Bestellung für das nächste Gelage aufzugeben … »Schick die beiden umbal’hai herein. Wenn sie sich nicht einig werden, machen wir kurzen Prozess mit ihnen und reißen ihnen die Zungen raus, dann ist wenigstens Ruhe. Und wenn das noch immer nichts hilft, werfen wir einen der beiden ins Meer zu den Haien.«

»Und welchen?«, fragte Balbok herüber.

Rammar seufzte tief. Schon als er am Morgen aufgewacht war und man ihn zu seinem Thron getragen hatte, hatte er geahnt, dass dies ein anstrengender Tag werden würde …

»Korr«, stimmte Oisal zu und verschwand aus dem Gewölbe – um schon kurz darauf wieder zurückzukehren. Bei ihm waren die beiden Streithähne – zwei Orks, die Rammar noch nie zuvor gesehen hatte, vermutlich stammten sie aus einem der kleinen Käffer auf der anderen Seite der Insel.

Trotzdem kamen sie ihm unerklärlicherweise bekannt vor.

Der eine war klein und so fett, dass seine Körpergröße mit der Breite im Wettstreit zu liegen schien; dazu war er hässlich wie die Nacht und sah dämlich aus wie Borsh der Stinkfisch. Der andere war ein Lulatsch, groß und hager, und wirkte nicht weniger bescheuert. Rammar hätte beim besten Willen nicht zu sagen vermocht, was es war, aber etwas an den beiden war ihm auf seltsame Weise vertraut …

»Nennt den Königen eure Namen«, verlangte Oisal.

»Pachg aus dem bolboug Bratash«, erwiderte der Dürre.

»Ochg«, fügte der Feiste hinzu.

Rammar grunzte und nickte, so als wüsste er genau, wo sich das Dorf der beiden befand. Dabei war es ihm so egal, wie wenn im Moderwald ein Trolldarm platzte. »Und was wollt ihr?«, fragte er unwirsch.

»Es geht um ein Fass Blutbier«, erklärte Pochg.

»Altgelagert?«, wollte Balbok wissen.

»Was hat denn das damit zu tun?«, plärrte Rammar dazwischen.

»Ich mein’ ja nur …«

»Überlass das Meinen mir, genau wie das Denken«, wies Rammar seinen Bruder zurecht und wandte sich wieder seinen Untertanen zu. »Also, wem von euch beiden umbal’hai gehört das Fass?«

»Mir«, antworteten beide gleichzeitig.

»Der alte Mathum hat es mir versprochen«, behauptete Ochg ergänzend.

»Nein, mir«, hielt sein hagerer Kontrahent dagegen.

Rammar seufzte abermals. Wie, bei Kuruls Flamme, sollte er diesen Streit schlichten? Indem er die königliche Vorratskammer öffnete und den beiden ein zweites Blutbierfass schenkte, damit wieder Ruhe einkehrte? Ganz sicher nicht!

Sein Blick fiel auf die faihok’hai, die entlang der Gewölbewände Wache hielten – hünenhafte, bis an die Zähne bewaffnete Orkkrieger, die bereit waren, für ihre Könige bis zum Äußersten zu gehen. Es wäre ein Leichtes gewesen, ihnen zu befehlen, die beiden Idioten in Stücke zu hacken und ihren Streit damit gütlich beizulegen.

Aber aus irgendeinem Grund wollte König Rammar das nicht – und plötzlich stieg aus den dunkelsten Tiefen seines winzig kleinen Gehirns eine vage Ahnung auf, weshalb ihm die beiden so vertraut erschienen. Erinnerungen kamen hoch, unvermeidlich und süß wie Honigkotze, und ein wölfisches Grinsen spielte um die Züge des Orkkönigs, dessen Augen sich zu Schlitzen verengten …

»Wisst ihr«, begann er und beugte sich in seinem Thron so weit vor, dass sein kobiger Schädel über den beiden Streithähnen schwebte, »normalerweise pflege ich Maden wie euch noch vor dem Frühstück zu zerquetschen. Aber ihr habt Glück.«

»Glück?« Pachg und Ochg wechselten verstohlene Blicke.

»Genau das«, bestätigte Rammar grinsend. »Wenn jemand, der euch in kleine Stücke hauen lassen und an die Haie verfüttern könnte, euch stattdessen eine Geschichte erzählt, solltet ihr besser gut zuhören. Also sperrt die Lauscher auf, ihr umbal’hai, und passt auf, was König Rammar der schrecklich Rasende euch zu erzählen hat …«

BUCH I

DACHOSH (HEIMAT)

1

TROLOK TUDOK!

Der Baumtroll war riesig.

Ein von dicker brauner Haut überzogenes Monstrum, von dessen schmalem Haupt grünes Haar wucherte. Auf seinem mächtigen pfeilerartigen Bein stand er, während seine langen dürren Arme nach den beiden jungen Orks griffen und sie zu packen suchten – doch die beiden entgingen der Attacke.

Der eine, indem er sich dünn machte und unter dem Arm des Trolls hindurchtauchte. Der andere, indem er an Ort und Stelle blieb und einfach zuschlug.

Seine Axt, ebenso kurz und dick wie er selbst, schlug zu und durchtrennte den Arm. Es krachte und splitterte und die Klauenhand der Bestie fiel ins hohe Gras. Dass kein Blut aus dem Stumpf schoss, störte den feisten Ork-Jüngling ebenso wenig wie die Tatsache, dass der Troll keinen Laut von sich gab. Schweigen lag über der Lichtung – von den Kampfschreien abgesehen, die die beiden jungen Orks ausstießen.

Seine Axt über dem Kopf schwingend und dabei ein schrilles Heulen ausstoßend, sprang auch der andere heran, der für sein Alter ungewöhnlich groß war, jedoch dürr wie ein abgenagter Knochen. Die Wucht, mit der er das Axtblatt in das Bein des Trolls senkte, war dennoch beachtlich. Abermals krachte es und Splitter flogen nach allen Seiten.

Für den Dicken war dies das Signal zu einem weiteren Angriff. Mit für seine Postur erstaunlicher Behändigkeit tauchte er unter dem verbliebenen Arm hindurch, wirbelte um seine Achse und drosch mit der Axt nach oben, brachte dem Troll eine weitere klaffende Wunde bei. Die Bestie ertrug es mit derselben Gleichgültigkeit, mit der sie auch die anderen Verstümmelungen hingenommen hatte – die beiden Orks hinderte das nicht daran, sie erneut zu attackieren.

Wilde Kriegsschreie ausstoßend versenkten sie den Stahl ihrer Äxte ein um das andere Mal in dem Ungetüm. Während der Hagere sich weiter auf das Bein des Trolls konzentrierte, hatte der Feiste es nun auf den Oberkörper abgesehen. Wie ein Ball sprang er an der mächtigen Gestalt des Trolls auf und ab und hieb gnadenlos zu, was ihn allerdings ziemlich anstrengte. Schon kurz darauf übertönte sein Keuchen das Kampfgeschrei seines Gefährten und schließlich unterbrach er seine Attacken und ließ heiser schnaufend von seinem Gegner ab – anders als der Hagere, der noch einmal angriff und dem Troll den Rest gab.

Mit einem letzten furchtbaren Hieb durchtrennte er das Bein der Bestie unmittelbar über ihrem Fuß. Ein helles Bersten und Splittern war die Folge – der Troll wankte!

»Achtung, Troll fällt!«, schrie der Hagere aus Leibeskräften – und im nächsten Moment neigte sich die zu Tode getroffene Kreatur bereits, bis sie endlich Schlagseite bekam und rauschend zu Boden ging, geradewegs zwischen die beiden Orks, wo sie bebend liegen blieb.

»Shnorsh«, ereiferte sich der Feiste, der sein schwarzes Haar zu einem faltash, einem dünnen Schopf gebunden hatte, »das ist doch lächerlich!«

»Aber Rammar, auch die faihok’hai machen es so«, verteidigte sich der Hagere und breitete ein wenig hilflos die langen Arme aus. »Man muss die Kameraden warnen, bevor der Troll umfällt.«

»Es ist aber kein Troll«, beschied der Dicke ihm, auf die zwischen ihnen liegenden Massen deutend, »sondern bloß ein blöder Baum, den du Halbhirn umgehauen hast.«

»Korr«, räumte Balbok zögernd ein und blickte ein wenig betreten drein, so als würde jetzt erst klar, dass alles nur ein Spiel gewesen war und sie sich den Troll nur eingebildet hatten. »Aber sporsh hat es trotzdem gemacht, oder etwa nicht?«

»Dir vielleicht«, versetzte Rammar gehässig, »ich bin langsam zu alt für so was. Mir wird es zu dumm, auf Felsbrocken und Bäume einzuhauen – als ob die jemals angreifen würden! Deshalb habe ich mich beworben.«

»Bei wem denn?«, wollte Balbok wissen.

»Bei wem wohl, Schmalhirn? Bei den faihok’hai natürlich«, versetzte Rammar mit breitem Grinsen.

Das saß.

Balboks ohnehin schmales Gesicht wurde noch schmaler und nahm die Farbe von grünem Schimmel an. »Du … du willst ein faihok werden?«, fragte er stammelnd.

»Schau an, er hat es kapiert«, grunzte Rammar. »Du warst schon immer einer von den ganz Schnellen.«

»Aber … die faihok’hai nehmen nur die besten und stärksten Krieger des bolboug in ihre Reihen auf.«

Rammar hob die Axt, als wollte er sie werfen. »Willst du behaupten, ich wäre nicht stark genug?«

»Douk«, beeilte sich Balbok zu versichern. »Aber wenn du ein faihok wirst, dann musst du unsere Höhle verlassen …«

»Ja, und?«

Balbok schob den Unterkiefer vor. Seine gelben Augen blickten traurig. »Ich dachte nur …«

»Was?«, fuhr Rammar ihn an. »Dass es mir etwas ausmachen würde, das enge Loch zu verlassen, in dem wir hausen? Dass ich zögern würde, dich zurückzulassen? Oder hast du vielleicht sogar geglaubt, ich würde dich mitnehmen?«

Balbok blieb eine Antwort schuldig – und das war in gewissem Sinne auch eine Antwort.

»Douk, verdammt noch mal!«, schrie Rammar aufgebracht und hieb seine Axt mit derartiger Wucht in den Stamm des gefällten Baumes, dass er Mühe hatte, sie wieder freizubekommen. Mit zusammengebissenen Zähnen zerrte er am Schaft, während er wüste Verwünschungen hervorstieß. »Ich habe es satt, immer auf dich aufzupassen, du elender umbal! Und das nur, weil ich der Ältere von uns beiden bin!«

»Aber nur um ein paar Augenblicke«, wandte Balbok ein.

»Um so schlimmer!«, beteuerte Rammar. Noch einmal zerrte er an der Axt, aber sie rührte sich nicht – und er beschloss, sie an Ort und Stelle zu lassen. »Dann bleibt das Mistding eben hier!«, wetterte er weiter. »Wenn ich erst bei den faihok’hai bin, werde ich sowieso meinen eigenen saparak bekommen. Und dann werde ich mir echten Ruhm und Ehre erwerben und brauche diesen ganzen shnorsh hier nicht mehr!«

»Aber Rammar«, wandte Balbok ein, »wir haben doch immer gerne hier im Wald gespielt! Weißt du nicht mehr? Ich bin Balbok der Brutale und du bist Rammar der schrecklich Ra…«

»Hör auf!«, herrschte Rammar ihn an, dass es über die ganze Lichtung scholl. »Genau davon spreche ich! Wann wirst du endlich begreifen, dass wir zu alt sind für solche Spiele! Das ganze bolboug lacht schon über uns!«

»Ich habe schon fünf Gnomen erschlagen«, verteidigte sich Balbok. »Und du auch …«

»Die waren altersschwach und halb tot«, wandte Rammar ein. »Ich spreche von echten Raubzügen gegen echte Feinde! Gnomen, Ghule und anderes Gesocks – von Schmalaugen 3 und Milchgesichtern4 ganz zu schweigen!«

»Schma… Schmalaugen?«, fragte Balbok erschrocken.

»Kämpfe auf Leben und Tod«, bestätigte Rammar, wobei seine kleinen Schweinsäuglein vor Begeisterung leuchteten, »Feinde, die um Gnade winseln, und Ströme von Blut! Das ist es, wonach es einen Ork aus echtem Blut und Horn gelüstet!«

»So?«, fragte Balbok.

»Du kannst hierbleiben, weiter Bäume umhauen und dir einbilden, es wären Trolle gewesen – aber ich werde diesem stinkenden bolboug den Rücken kehren! Ich werde mich den faihok’hai anschließen und ausziehen, um große Abenteuer zu erleben und die Klinge des saparak im Blut meiner Feinde zu baden, bis sie …«

»Rammar!«, erklang in diesem Moment eine schrille Stimme. »Balbok …!«

»Shnorsh«, knurrte Rammar – und seine eben noch vor Begeisterung und Blutdurst bebenden Züge erschlafften.

»Hier!«, rief Balbok laut und schon im nächsten Moment teilte sich das dichte Unterholz und eine Orkin trat auf die Lichtung.

Sie war nicht besonders groß und von einer für ein Ork-Weib zierlicher, beinahe zerbrechlich wirkender Postur – doch der Schein trog. Denn unter ihrer grünen, mit dunklen Flecken gesprenkelten Haut arbeiteten Sehnen und Muskeln, die nicht weniger zäh waren als das Leder ihres Kleides. An ihrem Gürtel waren allerhand Gegenstände und Talismane befestigt, darunter ein gebogenes Messer und ein Gnomenschädel; das Oberteil ihrer Bekleidung bestand im Wesentlichen aus zwei Halbkugeln aus rostigem Eisen, die die trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch üppige Brust bedeckten – und das, obwohl sie zwei Orklinge damit gesäugt hatte, von denen zumindest einer einen schier unstillbaren Appetit gehabt hatte. Ihre Gesichtszüge waren für eine Orkin vergleichsweise ebenmäßig und hatten die Farbe frischen Farns; eine einzelne Narbe verlief über ihre linke Wange und einer ihrer Hauer war abgebrochen; ihr schwarzgraues Haar war zu zahllosen Zöpfen geflochten, an deren Enden Knochen und Schädel von Ratten und anderem Kleingetier hingen; ihre Stirn war in strenge Falten gelegt und der Blick, der darunter hervorstach, war dazu angetan, jedwede Kreatur zu Stein erstarren zu lassen.

»Hier steckt ihr also!«, keifte sie, wobei Blitze aus ihren gelben Augen zu schlagen schienen. »Was fällt euch ein, euch hier im Wald zu verkriechen, wenn ich frischen bru-mill auf dem Feuer habe?«

Der Zorn, der Rammar soeben noch erfüllt hatte, verpuffte jäh, Furcht fuhr ihm und Balbok in die Glieder.

»Korr«, erwiderten beide wie aus einem Maule, denn eines wussten beide nur zu genau.

Wenn ihre Mutter etwas sagte, widersprach man besser nicht.

2

EUGASH BAISH

Der Weg zurück zur Höhle glich wie immer einem Spießrutenlauf, denn er führte mitten durch den bolboug.

Orks waren keine Baumeister, und darauf waren sie stolz. Mauern, Türme und sonstige Behausungen aus festen Wänden überließen sie lieber anderen – Orks gefielen sich mehr darin, das von anderen Errichtete zu plündern und bis auf die Grundmauern zu zerstören. Entsprechend legten sie auch keinen Wert darauf, in Häusern zu leben, sondern pflegten in Höhlen zu hausen, die entweder eine Laune der Natur geformt oder – wie im Fall ihres bolboug – vorher jemand anderem als Zuflucht gedient hatte.

Die Wildmenschen, die einst über die Pässe gekommen waren, um auf dieser Seite des Schwarzgebirges zu siedeln, waren ebenso hässlich gewesen wie dumm – einfältige, verweichlichte Kreaturen, die dem rauen Leben in der Modermark nicht genügt hatten und schon bald wieder verschwunden waren. Sei es, weil eine Seuche sie dahingerafft oder eine Horde Trolle sie gefressen hatte. Ihre Behausungen jedoch waren geblieben, und so hatte ein Stamm von Orks die Höhlen bezogen, die zu beiden Seiten in eine schmale Schlucht mündeten und durch Stege und Hängebrücken miteinander verbunden waren, über die man bequem von einer Seite der Schlucht zur anderen gelangen konnte.

Balbok fand, dass es der schönste bolboug weit und breit war. Nicht, dass er je ein anderes Dorf zu sehen bekommen hätte; Aber er konnte sich einfach keinen Ort in ganz sochgal vorstellen, an dem er sich wohler gefühlt hätte als an diesem: Rauch kräuselte von den Höhleneingängen hinauf zum bereits dämmernden Himmel und ein durchdringender Geruch von Moder und Fäulnis lag in der Luft, der sich noch steigerte, je weiter man in die Schlucht vordrang. Für Balbok war es der Inbegriff von dachosh, wie die Orks ihre Heimat zu nennen pflegten – für Rammar hingegen war es wie ein Schlag ins grüne Gesicht.

Wie er diesen Ort hasste!

Wie er es verabscheute, von allen anderen Einwohnern des Dorfes angestarrt und hinter seinem Rücken ausgelacht zu werden, ganz besonders von den faihok’hai, den stärksten und verwegensten Kriegern der Horde. Und das alles nur, weil Balbok und er nicht wie andere Orklinge der Obhut des Stammesältesten übergeben worden waren, nachdem sie der Schoß ihrer Mutter ausgespuckt hatte. Die alte Mata hatte darauf bestanden, die Brüder selbst zu behalten und aufzuziehen – und so waren sie als die einzigen Orklinge des bolbougs herangewachsen, die ihre Mutter kannten. Und was noch ungleich schlimmer war: Rammar war der einzige Ork im bolboug, der einen leiblichen Bruder hatte – und dieser Bruder war ohne Frage das dämlichste, nutzloseste und ungeschickteste Geschöpf, das Kurul je in die Welt gespien hatte. Rammar brauchte nur den Kopf zu drehen und Balboks Silhouette zu sehen, um zu spüren, wie Übelkeit in ihm emporstieg. Warum, bei Narkods Hammer, musste ausgerechnet er mit einem Bruder geschlagen sein, der so hirnloser umbal war?

Einmal mehr haderte Rammar mit dem Schicksal. Zentnerschwer fühlte er die Blicke der anderen Orks auf sich lasten, die in den Eingängen ihrer Höhlen lungerten, Blutbier soffen, ihre Klingen schliffen oder mit Knochen würfelten, und am liebsten wäre er vor Scham im Boden versunken. Er spürte ihre Blicke, sah den Spott in ihren Augen und das Grinsen in ihren Visagen …

Aber nicht mehr lange, und all das würde vorbei sein!

Nur noch eine Nacht, sagte er sich, dann würde er es allen zeigen. Er würde den Staub dieses verlausten Kaffs von seinen Füßen schütteln und hinausgehen in die Welt, um sich Ruhm und Ehre zu erwerben. Und dann, das schwor er bei Gulz dem Schlächter, würde niemand es mehr wagen, hinter seinem Rücken zu lachen, ohne dafür seinen Kopf zu verlieren!

Als sie ihre Höhle erreichten, die im hinteren Bereich der Schlucht lag, unweit der Häuptlingshöhle, wo der Geruch von Moder am stärksten war, war es bereits dunkel geworden. Die Fackel, die vor dem Höhleneingang brannte, beleuchtete den klobigen Schädel, der daneben auf einem Pfahl steckte. Er hatte einem unvorsichtigen Orkkrieger gehört, der im Blutbiersuff auf den verhängnisvollen Gedanken gekommen war, die alte Mata begatten zu wollen. Die Orkin hatte ihm unmissverständlich klargemacht, dass sie sein Verhalten unangemessen fand – und seinen Kopf auf einen Spieß gesteckt und am Höhleneingang platziert, um auch allen anderen zu verdeutlichen, dass sie keine männliche Gesellschaft wünschte.

Mehr als zehn Winter lag das zurück.

Balbok und Rammar waren damals noch Orklinge gewesen und konnten sich kaum an den Kampf erinnern. Aber seither waren sie die einzigen männlichen Wesen, die Matas Behausung noch betreten hatten.

Als sie in das Halbdunkel der Höhle traten, strömte ihnen bereits der strenge Geruch frischen bru-mills entgegen. Und obwohl Rammars Laune auf dem Tiefpunkt war, merkte er doch, dass sich ziemlicher Appetit in ihm regte.

»Bru-mill«, stellte Balbok scharfsinnigerweise fest und schnüffelte und schmatzte dabei wie weiland Gonz der Fresssack. »Mein Leibgericht.«

»Was du nicht sagst, Dummling«, versetzte Rammar gehässig, während er sich an dem grob gezimmerten Tisch in der Höhle niederließ. »Aber ich kriege zuerst, dass das klar ist! Schließlich bin ich der Ältere von …«

»Halt den Rand!«, rief Mata, ihre Stimme scharf wie ein Messer. »Wer in dieser Höhle sein Fressen zuerst bekommt, bestimme immer noch ich«, fügte sie hinzu. Dabei schüttelte sie unwirsch den Kopf, dass die Zöpfe mit den eingeflochtenen Knochen nur so flogen. »Geht das in deinen Schädel?«

»Korr«, versicherte Rammar kleinlaut.

Er hatte keine Lust, sich mit ihr zu streiten. Schon deshalb nicht, weil von vornherein feststand, dass er verlieren würde. Außerdem würde man ihr Gekeife bis hinaus in die Schlucht hören und die anderen Orks würden nur noch mehr Grund zum Lachen haben. Das galt es zu verhindern.

»Sind auch Ghulaugen drin, Mati?«, fragte Balbok beflissen, nach dem großen Kessel schielend, der über dem Feuer hing und in dem eine dicke Flüssigkeit blubberte. Solange Rammar zurückdenken konnte, pflegte sein Bruder die Alte so zu nennen – ob es eine Abwandlung ihres tatsächlichen Namens war oder des Wortes mathorr, war dabei nicht eindeutig festzustellen. Letzteres wäre Mata vermutlich nur recht gewesen, denn anders als die übrigen Orkinnen des Dorfes, die Kriegerinnen oder Jägerinnen waren oder einfach nur dazu da, den Männern zur Verfügung zu stehen und immer neue Orklinge zu gebären, schien ihr Lebensinhalt darin zu bestehen, eine Mutter zu sein und ihre Söhne großzuziehen – und dies um so mehr, da der Vater der beiden vor vielen Jahren von einem Troll gefressen worden war.

Wie Mata auf diesen Gedanken gekommen war, war nicht schwer zu erraten – Rammar wusste, dass sie sich als junge Kriegerin an Raubzügen über das Schwarzgebirge beteiligt hatte. Dabei war sie auch auf Menschen getroffen und hatte bei ihnen wohl einige Dinge gesehen und gehört, die ihr nicht bekommen waren …

»Nein, mein Orkling«, entgegnete sie mit einer Stimme, die sehr viel weicher und sanfter klang, als wenn sie mit Rammar sprach, »aber Gria die Jägerin hatte Trollkutteln im Angebot, da konnte ich nicht widerstehen.«

»Fein«, freute sich Balbok und machte große Augen, als sie eine üppig gefüllte Schüssel vor ihm auf den Tisch stellte, über die er sich sogleich heißhungrig hermachte – während sich Rammar beinahe der geräumige Magen umdrehte.

Zwar hatte er ziemlichen Hunger, aber Trollgedärme gehörten gewiss nicht zu seinen Leibspeisen. »Gibt es dazu wenigstens einen Schluck Blutbier, damit man das Zeug runterspülen kann?«, fragte er übellaunig.

»Douk«, verneinte Mata, »das kommt nicht infrage. Mancher Orkling ist darüber schon in saobh5 verfallen, aus dem er nicht wieder herausgefunden hat.«

»Falls du es noch nicht gemerkt hast – ich bin kein Orkling mehr«, erwiderte Rammar säuerlich.

»Trotzdem«, beharrte sie, während sie eine weitere Schüssel mit bru-mill füllte. Obwohl Trollkutteln drin waren, die in glitschigen Fäden über den Rand der Schlüssel hingen, musste Rammar sich eingestehen, dass das Zeug fabelhaft roch …

»Außerdem«, flüsterte er mit einem raubtierhaften Grinsen, wobei er seinen Bruder mit einem vielsagenden Seitenblick streifte, »braucht man bekanntlich ja nur jemanden abzustechen, um wieder aus dem saobh herauszufinden …«

Mata fuhr herum. »Das habe ich mitbekommen!«, schrie sie mit ihrer Messerstimme, obwohl Rammar Stein und Bein geschworen hätte, dass sie ihm die ganze Zeit den Rücken zugewandt und auch sie nur vorn zwei Augen hatte. Und statt die bis zum Rand gefüllte Schüssel vor Rammar auf den Tisch zu stellen, schüttete sie ihren Inhalt wieder in den Kessel zurück.

»Was machst du?«, ächzte Rammar.

»Was wohl? Wer seinem eigenen Fleisch und Blut nach dem Leben trachtet, braucht nichts zu fressen. Du wirst heute hungrig schlafen gehen!«

»Was?« Rammars Blick wurde schlagartig flehend. »Nur das nicht …«

»Zu spät«, beschied sie ihm unbarmherzig und verschränkte die Arme vor der ehernen Brust – ein untrügliches Zeichen dafür, dass ihre Entscheidung unverrückbar feststand.

»A-aber ich brauche Nahrung!«, beteuerte Rammar und gab sich Mühe, möglichst bedürftig und mager auszusehen, was in Anbetracht seiner Leibesfülle allerdings schwierig war. Als auch das nicht fruchtete, wollte er kurzerhand zu Balbok hinübergreifen, um sich seine Schüssel zu schnappen – doch einmal mehr hatte er die Rechnung ohne seine Mutter gemacht. Rammar hatte die Schüssel noch nicht erreicht, da bohrte sich neben seiner Klaue ein schartiges Fleischerbeil in die Tischplatte.

Er zuckte zusammen.

»Noch ein Stück weiter«, beschied Mata ihm zähneknirschend, wobei sie ihn strafend taxierte, »und deine Klaue wandert ebenfalls in den bru-mill.«

Rammar schluckte, ein dicker Kloß wanderte seinen kaum vorhandenen Hals hinauf und wieder hinab.

Die Alte meinte es ernst, keine Frage.

Vorsichtig zog er seinen Arm zurück.

»Wenn du so weitermachst, wirst du deine Klaue noch irgendwann verlieren«, prophezeihte sie ihm.

»Aber ich brauche Nahrung!«, jaulte Rammar noch einmal. »Als Krieger muss ich bei Kräften bleiben, wenn ich den bolboug verteidigen soll …«

»Du bist kein Krieger«, beschied sie ihm gelassen.

»Noch nicht«, gab er zu. »Aber schon morgen werde ich einer sein, damit du’s nur weißt!«

»Morgen?« Mata legte den Kopf schief, ihre eben noch so großen Augen verengten sich. »Was soll das heißen? Was ist morgen?«

Rammar holte tief Luft, genoss das Gefühl, wenigstens ein einziges Mal mehr zu wissen als sie. »Die Aufnahmeprüfung der faihok’hai«, erklärte er dann mit vor Stolz geschwellter Brust und richtete sich am Tisch zu seiner vollen Größe auf, »und ich werde daran teilnehmen!«

Mata musterte ihn durchdringend. Wenn sie überrascht war, dann ließ sie es sich nicht anmerken. Was hinter ihren grünen Zügen vor sich ging, war unmöglich zu deuten.

»Du willst ein faihok werden.«

»Das sagte ich doch gerade.«

»Du willst mich verlassen.«

»Genau das«, bestätigte Rammar schnaubend. »Ich bin alt genug, ob es dir passt oder nicht.«

Eine Zeit lang herrschte eisige Stille in der Höhle. Nur der bru-mill blubberte über dem Feuer vor sich hin.

»Und dein Bruder?«

»Was soll schon mit ihm sein?« Rammar schickte Balbok einen verächtlichen Blick. »Das lange Elend kommt auch allein zurecht. Mach ihm nur weiter seinen bru-mill und gib ihm ein paar Bäume, die er umhauen kann, dann ist er zufrieden.«

»Korr«, stimmte Balbok eifrig nickend zu.

»Aber mir reicht das nicht«, fuhr Rammar fort. »Ich will hinausziehen in die Welt und mir Ehre erwerben, verstehst du das? Ich will ein gefürchteter Krieger werden, der größte und schrecklichste, den unser Volk je gesehen hat!«

Der Blick ihrer gelben Augen ruhte auf ihm, so lange, dass Rammar ganz unwohl wurde in seiner Haut und er schon fürchtete, sie könnte es ihm verbieten.

»Korr«, erwiderte sie jedoch nur.

Und das war fast noch schlimmer.

3

LARKA UR’DOUCHAINN

Ein glutroter Himmel, in dem dunkle Wolkenfetzen schwammen, spannte sich an diesem Morgen über der Schlucht und kündigte schlechtes Wetter an.

Nicht mehr lange, und ein Unwetter würde sich an den Westhängen des Schwarzgebirges entladen und den Boden im Dämmerwald in Morast verwandeln. Doch die balash’hai, die jungen Orks, die sich auf dem Vorplatz der Häuptlingshöhle versammelt hatten, scherten sich nicht darum – ihr einziges Ansinnen bestand darin, die Prüfung zu bestehen, die man ihnen auferlegen würde und deren Ausgang darüber entschied, ob sie in den Kreis der faihok’hai aufgenommen wurden oder nicht. Entsprechend aufgeregt waren sie, drängten sich aneinander wie junge Ferkel im Koben, während sie darauf warteten, dass Korshok, der Häuptling des Dorfes, vor sie trat.

Unter ihnen war auch Rammar.

Die Nacht über hatte er vor Aufregung kaum ein Auge zugetan, entsprechend schlapp und müde fühlte er sich. Wie die anderen Bewerber war auch er nur mit einem Ledenschurz aus Wildleder bekleidet, über den seine grünen Körpermassen zu fließen schienen; sein Haar war wie immer zum faltash gebunden, seine einzige Bewaffnung war ein Messer. Mehr war nicht erlaubt. Die Prüfung zur Aufnahme in die Horde der faihok’hai war kein Duell und auch kein gewöhnliches Kräftemessen. Es war vor allem eine Prüfung des Willens – und wenn Rammar etwas um jeden Preis wollte, dann dies hier.

Wieder einmal konnte er die Blicke der anderen spüren – und leider blieb es nicht dabei …

»Das Muttersöhnchen ist auch da«, tönte ein anderer balash, der sich ebenfalls um Aufnahme bewarb, in seinem Lendenschurz allerdings eine sehr viel muskulösere Erscheinung bot. »Ob sie ihm gesagt haben, dass er marschieren muss? Wie er aussieht, sollte er lieber rollen …«

Die anderen lachten. Obwohl sie an diesem Morgen alle Konkurrenten waren und nur ein paar von ihnen tatsächlich in den Stand der Krieger aufgenommen würden, schienen sie sich in ihrem Spott einig zu sein.

»Euch wird das Lachen schon vergehen«, beschied Rammar ihnen zähneknirschend. »Ich bin ein Ork aus echtem Tod und Horn!«

»Korr – voraugesetzt, die alte Mata erlaubt es dir«, konterte der andere und traf damit Rammars wunden Punkt.

»Ich bin ein Krieger, genau wie ihr!«, begehrte er auf und schüttelte sich, dass sein grüner Bauchspeck nur so wackelte.

»So? Wie lautet denn dann dein Kriegsname? Rammar der Verfressene?«

»Rammar der schrecklich Rasende«, verbesserte Rammar und gab sich Mühe, dabei auch möglichst grässlich auszusehen, indem er die Zähne fletschte und mit den Augen rollte.

»Ich shnorsh mir gleich in den Schurz«, versichert der andere grinsend. »Mein Name ist Girgas – und eines Tages werde ich der stärkste und gefährlichste Krieger des bolboug sein. Ihr werdet schon sehen, was ich mir in den Schädel gesetzt habe, das mache ich auch wahr!«

»Korr«, knurrte Rammar halblaut. »Dann solltest du besser gut aufpassen auf deinen Schädel …«

In diesem Moment teilten sich die Reihen der Schaulustigen, die sich ebenfalls auf dem Dorfplatz versammelt hatten – schließlich versprach ein douchainn stets ein spannendes Spektakel –, und niemand anders als Mata trat vor, gefolgt von Balbok.

Nicht auch das noch.

Rammar hätte am liebsten die Flucht ergriffen, so sehr schämte er sich.

»Hier steckst du also«, stellte die Orkin mit einiger Strenge fest. »Du hast die Höhle verlassen ohne etwas zu essen. Also habe ich dir das hier mitgebracht.«

»Was ist das?«, wollte Rammar wissen, auf den Lederbeutel starrend, den sie ihm hinhielt.

»Getrocknete Ghul-Augen, die magst du doch, oder nicht? Irgendetwas musst du ja fressen, damit du nicht vom Fleisch fällst – schließlich hast du gestern nichts bekommen …«

Rammar, dem der Magen tatsächlich bis zu den Knien hing, wollte reflexhaft danach greifen – doch plötzlich zögerte er, wissend, dass aller Augen auf ihn gerichtet waren.

»Hat deine mathorr dir ein Fresschen gemacht?«, drang es prompt herüber. »Damit du groß und stark wirst, Rammar … naja, wenigstens stark.«

Die anderen bogen sich vor Gelächter, worauf Mata in ein heiseres Zischen verfiel. »Haltet bloß den Rand, ihr dämlichen Kerle!«, fuhr sie die Jungorks an und brachte es fertig, dabei so böse und mordlüstern dreinzublicken, dass sogar Girgas für einen Moment das Grinsen verging. »Wenn einer von euch meinem Rammar auch nur ein Haar krümmt, bekommt ihr es mit mir …«

»Nicht, mathorr«, rief Ramarr sie halblaut zur Ordnung. Vor Scham wäre es ihm am liebsten gewesen, ein Bodenmaul hätte sich aufgetan und ihn verschluckt. »Du machst es nur noch schlimmer.«

»Noch schlimmer?« Sie bedachte zuerst die anderen, dann Rammar mit einem giftigen Blick. »Wie diese umbal’hai dich behandeln, das ist schlimm! Nimm erst mal ein paar Ghulaugen, dann sieht sochgal gleich ganz anders aus!«

Rammar nickte und wollte beherzt zugreifen – aber er tat es nicht. Stattdessen ertappte er sich dabei, dass er seine Klaue wieder zurückzog.

»Was hast du denn?«, wollte Mata wissen.

»Kein Hunger«, erklärte er kategorisch.

»Das ist lächerlich und das weißt du.«

Rammar nickte – er wusste es nur zu gut. Doch er brauchte nur einen Blick in Richtung seiner Mitbewerber zu werfen, um zu begreifen, dass es nicht der richtige Augenblick war für Ghul-Augen. Auch nicht, wenn sie getrocknet waren …

»Korr, dann nehme ich sie«, erklärte Balbok gleichmütig und noch ehe Rammar etwas unternehmen konnte, hatte sein hagerer Bruder bereits nach dem Beutel gegriffen, den Kopf in den Nacken gelegt und sich die Dörraugen in den Schlund geschüttet. »Gut«, bemerkte er schmatzend.

»Was du nicht sagst«, versetzte Rammar säuerlich. Einen Augenblick lang überlegte er, sein Messer zu benutzen – vielleicht hätte ihm das unter seinen Gleichaltrigen ein wenig Respekt verschafft.

Doch in diesem Augenblick trat ein Trupp Orkkrieger aus der Häuptlingshöhle. Ihnen folgte Korshok, das Oberhaupt des Stammes, aber Rammar und die anderen Bewerber hatten nur Augen für die faihok’hai, die den Häuptling eskortierten und einfach großartig aussahen.

Kettenhemden, unter denen stahlharte Muskeln arbeiteten, spannten sich über ihren Körpern. Ihre Helme waren aus Eisen und mit Hörnern oder Büscheln aus Gnomenhaar verziert, unter denen Augenpaare in kalter Mordlust blitzten; die Mienen der faihok’hai waren starre Masken, die Klingen ihrer saparak’hai blitzten im Licht des neuen Tages.

Und wenn die Sonne unterging, sagte sich Rammar, würde er selbst zu ihnen gehören …

»Bewerber um die Gunst, ein faihok zu werden«, wandte sich Korshok an die Versammelten. »Der Tag des douchainn ist angebrochen – der Tag, der alles verändern wird. Es könnte der erste Tag eines eines neuen Lebens für euch werden – oder euer letzter«, fügte er achselzuckend hinzu. »Denn die Prüfung, die vor euch liegt, ist schwer – zu schwer für manchen unter euch, und ihr werdet sie nicht alle überleben.«

Die Kandidaten nickten. Alle wussten, dass einige von ihnen auf der Strecke bleiben würden, das war bei jeder Aufnahmeprüfung so. Gewöhnlich trösteten sich die Teilnehmer damit, dass es schon irgendjemand anders sein würde, der in Kuruls Grube stürzte. An diesem Morgen jedoch schienen sich alle ziemlich einig darüber zu sein, wer als Erster ins feuchte Gras des Dämmerwaldes biss, denn aller Augen richteten sich in freudiger Erwartung auf Rammar.

»Ich erwarte, dass ihr alles gebt«, fuhr Korshok fort. »Bewegt euch schnell, bleibt niemals stehen – wer es dennoch tut, hat schon verloren. Wer aufgibt und umkehrt, den werden die Pfeile der faihok’hai ereilen, denn er war es nicht wert, sich um Aufnahme zu bewerben.«

»Hast du gehört, Fettsack?«, raute jemand Rammar zu. »Das hat dir gegolten!«

Wieder lachten welche. Rammar versuchte es zu ignorieren, während der Häuptling damit fortfuhr, von Mut und Tapferkeit zu reden und vom Unwert des Lebens. Rammar bekam kaum etwas davon mit. Allein hier zu stehen und zu denen zu gehören, die es versuchen durften, erfüllte ihn mit grimmiger Genugtuung. Und die Tatsache, dass sein dämlicher Bruder dabei zusehen musste und er endlich einmal etwas tun durfte, ohne das Halbhirn dabei im Schlepp zu haben, beflügelte ihn noch zusätzlich. Balbok winkte zu ihm herüber, aber Rammar tat so, als bemerkte er es gar nicht. Schließlich wollte er Girgas und den anderen nicht noch mehr Gründe liefern, sich über ihn lustig zu machen. Ganz im Gegenteil – das Lachen würde diesen umbal’hai schon bald in ihren Kehlen stecken bleiben …

»Beim Wettlauf durch den Dämmerwald gibt es keine Regeln«, schärfte Korshok ihnen ein. »Diejenigen, die die Prüfung bestehen und ins bolboug zurückkehren, werden in die Gruppe der faihok’hai aufgenommen. Auf dem Weg dorthin ist alles erlaubt, also kommt hinterher nicht angekrochen und beschwert euch, weil jemand euch die Knochen gebrochen oder euch ein Auge ausgestochen hat. In den Reihen meiner faihok’hai ist nur für die Stärksten Platz«, erklärte er.

Oder für die Schlausten, fügte Rammar in Gedanken hinzu und grinste breit.

»Was grinst du denn so, Fettgesicht?«, wollte Girgas prompt von ihm wissen. »Du glaubst nicht ernsthaft, dass du das schaffst?«

»Abwarten«, knurrte Rammar nur.

Den Rest von dem, was Korshok schwafelte, bekam er nicht mehr mit. Das Oberhaupt des bolboug war berüchtigt dafür, für einen Ork ungewöhnlich viel zu reden, sodass mancher bereits erwogen hatte, ihn deshalb zu meucheln. Aber alle, die es versucht hatten, waren selbst in Kuruls Grube geendet – die Schädel, die den Eingang der Häuptlingshöhle säumten, legten davon Zeugnis ab.

Dann endlich war die Ansprache zu Ende. »Möge der Wettstreit beginnen – und die Rücksichtslosesten gewinnen!«, brüllte Korshok und winkte zum Rand der Schlucht hinauf.

Fünf faihok’hai standen dort und spannten ihre ungeheuren, aus Ogerhörnern gefertigten Bogen, und schon im nächsten Moment ließen sie die Geschosse von den Sehnen schnellen.

Die Pfeile flogen in weitem Bogen davon, tief hinein in den dunklen Wald, der im Westen an das Gebiet des bolboug grenzte und wo es vor Trollen, Gnomen, verfeindeten Orks und anderen Gefahren nur so wimmelte.

»Wer einen dieser Pfeile findet und zu mir zurückbringt, kann sich schon heute Abend rühmen, ein echter faihok zu sein!«, rief der Häuptling und gab den Befehl, den Wettkampf zu beginnen: »Tosash!«

Und unter dem Gegröle und den Anfeuerungsrufen der Schaulustigen begann die Prüfung.

4

KOURRA SOCHGOUD

Rammar hatte befürchtet, dass es beschwerlich werden würde – aber nicht so.

Gleich hinter dem bolboug, wo ein schmaler Hohlweg aus der Schlucht führte, stieg das Gelände steil an und schon nach einer kurzen Wegstrecke war Rammar völlig außer Atem. Ein Mitbewerber nach dem anderen hatte ihn überholt und war an ihm vorbeigezogen und nicht einer von ihnen hatte es versäumt, ihm einen Fausthieb oder wenigstens eine spöttische Bemerkung mitzugeben. Rammars Wut und sein Hass auf seine Konkurrenten waren dabei nur noch größer geworden – allerdings auch seine Angst davor, dass sie alle womöglich recht haben und er nicht zum faihok taugen könnte.

Panik stieg in ihm auf, mit aller Macht musste er sich zur Ruhe zwingen. Keuchend und schnaubend rannte er weiter, wenn auch sehr viel langsamer als die anderen – sein Laufschritt ähnelte mehr dem Gang eines liebeskranken Ogers als dem eines zukünftigen .

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