Die Einhornchroniken 2 - Das Geheimnis des Flüsterers - Bruce Coville - E-Book

Die Einhornchroniken 2 - Das Geheimnis des Flüsterers E-Book

Bruce Coville

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Beschreibung

Die Fantasy-Reihe von Bruce Coville entführt Leserinnen ab 10 Jahren in eine märchenhafte Welt voller Magie und zauberhafter Fabelwesen. Das magische Land Kirin hat Cara vollkommen in seinen Bann gezogen. Doch über diesem wundervollen Ort schwebt eine unheilvolle Bedrohung: Der Blutmond steht bevor – und mit ihm der Überfall der gnadenlosen Beloved und ihrer Jäger. Damit nicht genug: Ein geheimnisvolles Flüstern vergiftet die Herzen der Einwohner Kirins. Doch wer oder was ist dieser Flüsterer? Und woher rührt sein Hass auf die Einhörner? Cara steht vor einer fast unlösbaren Aufgabe. Gemeinsam mit ihren Freunden macht sie sich auf den Weg ins Tal der Zentauren – dort, so wird gemunkelt, kenne man das dunkle Geheimnis. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt ... "Das Geheimnis des Flüsterers" ist der zweite Band der Einhornchroniken.

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Die Legende der Großen Jagd

Zum siebten Male greife ich, Grimwald, Hüter der Einhornchroniken, zum Stift, um niederzuschreiben, wie die Große Jagd ihren Anfang nahm. Die Tradition verlangt, diese Geschichte einmal alle zehn Jahre zu Papier zu bringen, und jeder Hüter der Chroniken hat sich daran gehalten, seit dem Tag, als die Einhörner Kirin zum ersten Mal betraten. Dies tun wir, weil in dieser Geschichte der Ursprung liegt für alles, was den Einhörnern seit jenem Tag widerfahren ist. Und es ist unsere Art, die Erinnerung daran lebendig zu erhalten.

Woher die Einhörner kamen, weiß niemand. Doch es besteht kein Zweifel daran, dass ihr Erscheinen aus der alten Erde einen reicheren und süßeren Ort machte. Zu dieser Zeit lebten Menschen und Einhörner größtenteils getrennt voneinander. Und dennoch waren sie nicht verfeindet.

Nun verhält es sich so: Obschon Einhörner sehr lange leben, sind sie nicht unsterblich. Und schließlich kam der Tag, an dem das erste verstarb. Leider wurde sein Horn – denn nichts sonst war von ihm übrig geblieben, da sein Körper sich aufgelöst hatte, wie es bei den Einhörnern nun einmal so ist – von einem Mann gefunden, der bald darauf entdeckte, dass darin noch immer ein mächtiger Heilzauber ruhte. Damit hätte er sich zufriedengeben können. Aber er wollte tapfer und wagemutig erscheinen und so prahlte er damit, dass das Einhorn – das lange tot gewesen war, bevor der Mann das Horn überhaupt fand – eine grässliche Bedrohung gewesen sei. Und er habe mit ihm bis zum Tode gerungen.

Wie Lügen es an sich haben, verbreitete sich diese Geschichte vom blutrünstigen Einhorn wie ein Lauffeuer – ebenso wie die Wahrheit über die heilenden Kräfte des Horns.

Zu dieser Zeit begab es sich, dass die Tochter eines Mannes – ein Jäger durch und durch – lebensbedrohlich erkrankte. Der Vater beschloss, sich auf die Suche nach solch einem magischen Horn zu machen, um sie zu retten, und bereitete sich auf den Kampf mit einer grauenhaften Bestie vor. Da seine Frau bereits tot war, nahm er seine Tochter (die er Beloved getauft hatte, da sein Herz nur für sie schlug) mit sich und trug sie auf seinem Rücken in den Wald.

Eines verhängnisvollen Tages ließ der Jäger Beloved auf einer Lichtung zurück, wo sie sich ausruhen sollte, während er weiter sein Ziel verfolgte. An jenem Nachmittag erfasste ein unglücklicher Windstoß den Geruch des Kindes und seiner Krankheit und trug ihn zu einem Einhorn namens Weißling. Weißling kam auf die Lichtung, um zu helfen. Behutsam und zärtlich näherte er sich, kniete sich zu Beloved und presste die Spitze seines Horns auf ihre Brust und durchdrang ihr Fleisch, um sie zu heilen.

In diesem Moment kehrte der Jäger zurück und schrie entsetzt auf, da er dachte, er müsse mit ansehen, wie ein Einhorn seine Tochter tötete. Flink feuerte er einen Pfeil ab. Dieser bohrte sich dem Einhorn ins Herz, im selben Augenblick, da auch das Horn ins Herz des Not leidenden Mädchens drang.

Vor Schreck und Schmerz riss Weißling den Kopf in die Höhe – eine so plötzliche Bewegung, dass die Spitze des Horns abbrach und in Beloveds Herzen stecken blieb.

Der Jäger stürzte sich auf Weißling und vor den Augen des verängstigten Mädchens kämpften Mann und Einhorn einen Kampf bis auf den Tod. Sie sah mit an, wie beide ihr Leben ließen, und die Worte ihres Vaters über die Bösartigkeit der Einhörner brannten sich in Beloveds Herz ein, das an diesem Tag zum ungewöhnlichsten Herzen der ganzen Welt geworden war. Denn immerfort, in jedem Augenblick, wird es von dem Splitter darin verwundet und gleichzeitig vom mächtigen Zauber des Horns wieder geheilt.

Angetrieben von Schmerz und Wut und am Leben gehalten von dieser seltsamen Magie, wurde Beloved zum erbitterten, ewigen Feind der Einhörner. Fortan strebte sie danach, die magischen Wesen zu vernichten, um Rache für ihren Vater zu üben und ebenso um ihnen die nie endenden Qualen ihres auf alle Zeit verwundeten, auf alle Zeit heilenden Herzens zu vergelten.

Dies war der Anbeginn der langen Jagd, die schon jahrhundertelang dauert, da die unsterbliche Beloved noch immer nichts sehnlicher erstrebt, als die Ausrottung derer, denen sie die Schuld an ihrem Unglück gibt.

Grimwald

Vierter Hüter der Einhornchroniken

Königlicher Hain, Kirin

Prolog

Der Dumbeltum blieb stehen, sah sich um, schnupperte. Einen Moment lang meinte das gewaltige Wesen, etwas Unangenehmes gewittert zu haben … etwas Gefährliches. So ruhig und still wie die silbrigblauen Stämme der Eldrimbäume ringsumher stand er da und lauschte.

Nichts.

Er wartete noch eine Weile, dann setzte er seinen Weg fort. Vor zwei Tagen erst hatte sich das behäbige Geschöpf von dem Greifen Medafil verabschiedet. Nun war er auf dem Rückweg in sein eigenes Revier.

Es war schon viele Jahre her, seit er das letzte Mal in diesem Teil Kirins gewesen war. Trotzdem konnte sich der Bärenmann darauf verlassen, dass sein scharfer Instinkt ihm die richtige Richtung wies. Zum Glück, musste man sagen. Denn er hatte eine lange Reise hinter sich, auf der er seiner Freundin Cara geholfen hatte, ihre Großmutter zu finden. Diese Reise hatte ihn weiter von zu Hause fortgeführt, als er es gewohnt war. Nun zog es ihn wieder zurück in seine eigene gemütliche und vertraute Höhle, den Mittelpunkt seiner Welt.

Etwa eine Stunde später hielt der Dumbeltum erneut an, diesmal, um sich Sonnenbeeren von einem niedrig gewachsenen Busch zu pflücken. Die hellgelben Früchte waren süß und klebrig – und schmeckten einfach herrlich. Während er mampfte, fiel ihm ein, wie sehr Cara ihren Geschmack geliebt hatte. Er fragte sich, wie es ihr bei den Einhörnern wohl ergehen mochte.

Unwillkürlich verzog er die Oberlippe zu einer Grimasse – eine Art spöttisches Grinsen, vermischt mit einem Knurren. Abgesehen von Lightfoot hatte der Dumbeltum für Einhörner wenig übrig. Was auf Gegenseitigkeit beruhte. Dafür gab es einen guten Grund, auch wenn er sich nicht mehr daran erinnern konnte. Wie so vieles war auch dieser Teil seiner Erinnerung in tiefen Nebel gehüllt.

Murrend schob der Dumbeltum den Gedanken beiseite. Fürs Erste würde er sich um Einhörner nicht mehr kümmern müssen. Er wollte sich lieber angenehmeren Dingen zuwenden. Also beschloss er, für sein Abendessen einen Fisch zu fangen – vielleicht einen dieser silbernen mit den blauen Streifen und dem süßen Fleisch.

Die Sonne, die heiß auf seinen zotteligen Pelz brannte, machte ihn müde. Er gähnte und sperrte dabei das große Maul so weit auf, dass man seine Reißzähne in all ihrer Pracht sehen konnte. Dann schüttelte er sich und rieb sich mit den Tatzen über sein merkwürdiges Gesicht. Es sah ein bisschen aus wie das eines Bären, der sich gerade in einen Menschen verwandeln wollte, aber dabei auf halbem Weg unterbrochen worden war.

In den Bäumen über ihm surrten Insekten und ihr träges Gesumme machte ihn noch schläfriger. Wie gerne hätte er sich ein Nickerchen gegönnt. Noch lieber wollte er allerdings nach Hause. Also brach er wieder auf.

Der Dumbeltum lief gerade unter einem Kilpumbaum vorbei, da hörte er das Flüstern einer vertrauten Stimme: »Ich weiß, was du dir wünschst.«

Der Dumbeltum blieb stehen. Er sah nach oben, konnte aber niemanden entdecken. Da wisperte es wieder: »Ich weiß, was du dir wünschst.«

»Verschwinde«, brummte der Dumbeltum. Er schüttelte den Kopf und lief weiter.

Doch das Flüstern hörte nicht auf, es raunte weiter, so sanft und süß wie Honig. »Ich könnte in eine ganz andere Welt verschwinden und wäre doch nie fern. Und egal, wohin ich auch gehe: Ich weiß, was du willst. Die Frage ist nur: Weißt auch du, was du dafür geben würdest, es zu bekommen?«

»Verschwinde!«, brüllte der Dumbeltum.

»Wie du wünschssst«, seufzte die Stimme.

Der Dumbeltum hörte ein Rascheln, dann war alles still. Noch lange stand er mit gespitzten Ohren da und wartete. Dann lehnte er sich gegen einen Baum, hob die Pranken ans Gesicht und weinte.

Cara und Lightfoot

Diese Warterei ist einfach schrecklich«, beschwerte Cara sich.

Sie und Lightfoot spazierten am Ufer eines Stroms entlang. Der Fluss bildete die östliche Grenze von Autumngrove, einem der vier großen Rückzugsorte der Einhörner von Kirin. Caras Hand ruhte auf der Flanke des Einhornprinzen, damit sie in Gedanken miteinander sprechen konnten.

Bei ihren Worten schüttelte sich Lightfoot. Dabei fiel ihm seine Mähne wie silbernes Wasser über die Schulter. »Jetzt, wo die Jäger eins der königlichen Amulette an sich gebracht haben, ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis sie versuchen, in Kirin einzufallen. Aber wann? Und wo? Wir wissen ja nicht einmal, wie viele es eigentlich sind.«

»Wir hätten meinen Vater fragen sollen, als wir noch die Gelegenheit dazu hatten«, sagte Cara niedergeschlagen.

Als Cara ihren Vater erwähnte, schüttelte Lightfoot seinen Kopf erneut. »Deine Familie ist schon ein komischer Haufen!«

»Es ist auch deine Familie«, gab ihm Cara etwas scharf zur Antwort. »Immerhin sind wir verwandt.«

»Ich hätte mir nie träumen lassen, mal einen Menschen in der Verwandtschaft zu haben!«, entgegnete Lightfoot. Durch ihre besondere Verbindung verstand Cara seine Verwirrung umso deutlicher.

»Und ich wäre nie im Leben auf die Idee gekommen, dass meine Großmutter eigentlich ein Einhorn ist, das man in einen menschlichen Körper gesperrt hat. Ich weiß immer noch nicht, was ich davon halten soll – was ich von mir selbst halten soll! Ich meine, was bin ich?«

Sie waren an eine Stelle gekommen, an der sich der Strom zu einem Teich weitete. Ohne ein Wort zu wechseln, entschieden die beiden anzuhalten. Lightfoot reckte den Hals, um von den späten Früchten einer Gualparanke zu naschen. Cara zog ihre Stiefel aus und watete in das glitzernde Wasser. Der Schlamm zwischen ihren Zehen fühlte sich gut an.

»Wir sollten allmählich wieder umkehren«, sagte sie nach einer Weile – diesmal laut, da sie mit Lightfoot nicht mehr in Verbindung stand.

»Ich werde dich später aufsitzen lassen. So kommen wir schneller zurück zum Hof. – Was heißt, dass wir jetzt noch ein bisschen bleiben können.«

»Ja, gerne.« Obwohl sie es genoss, auf Lightfoot zu reiten, hätte ihn Cara von sich aus nie wirklich um dieses Privileg gebeten. Der Gedanke erschien ihr irgendwie anmaßend. Sie wartete lieber darauf, dass der Prinz es ihr anbot.

Sie war noch immer verblüfft darüber, dass das junge Einhorn – jung für ein Einhorn, tatsächlich war es über ein Jahrhundert alt – ein Prinz war. Als sie ihn das erste Mal im Wald getroffen hatte – als er in die Höhle des Dumbeltum gekommen war, um sie zu heilen –, war er ihr mehr wie ein rebellischer Teenager vorgekommen. Aber damals war sie auch gerade erst in Kirin angekommen und wusste rein gar nichts über Einhörner. Am allerwenigsten, dass ihre eigene Oma auch eines war. Andererseits hatte nicht einmal ihre Großmutter die erschreckende Wahrheit gekannt, bis man sie vor ein paar Tagen zurückverwandelt hatte.

Cara zog sich das Hemd aus – ein bequemes, handgewebtes Kleidungsstück, das ihr die Geomantikerin geschenkt hatte – und warf es in die Böschung. Dann tauchte sie ihr Gesicht ins Wasser. Der Fluss war unglaublich klar. Sie hätte sogar die winzigen silbernen Elritzen zählen können, die an ihren Beinen vorbeiflitzten – zumindest, wenn sie eine Sekunde lang stillgehalten hätten. Als sie anfing, Stirn und Wangen abzuschrubben, huschte der Schwarm blitzschnell davon. Dabei schwammen die Winzlinge so dicht beieinander, dass sie aussahen wie ein einziges großes Tier.

Cara hob das Gesicht aus dem Strom, schüttelte sich das Wasser von den Händen und stapfte zurück ans Ufer. Dort angelte sie nach ihrem Hemd und trocknete sich damit ab. Sie war wirklich gern in Kirin. Aber mit der Sauberkeit war das so eine Sache. Immerhin gab es hier weder Waschmaschinen noch heiße Duschen oder irgendeins der anderen Dinge, die das Leben so schön leicht machten – und die sie auf der Erde für selbstverständlich gehalten hatte.

Auf der anderen Seite gab es in der Welt der Einhörner keinen Lärm, keine Menschenmassen und keine Umweltverschmutzung – was auf der Erde für sie leider ebenfalls zum Alltag geworden war. Außerdem blieb sie hier verschont von all den Hänseleien und Schikanierungen, die man als leicht verträumtes Kind mit grellroten Haaren über sich ergehen lassen musste.

Nachdem sie sich ihre Kleidung wieder übergestreift hatte, spazierte Cara unter den herabhängenden Zweigen einer Seidenweide entlang, die über dem Teich eine Art blauen Vorhang bildeten. Die Sonne schien durch die flatternden Blätter, die aussahen wie kleine Speerspitzen, und malte ein Tupfenmuster aus Licht und Schatten auf das Wasser. Träge fing Cara an, drei der dünnen Zweige miteinander zu verflechten, und dachte dabei – wie so oft – an ihre Mutter. Sie fragte sich, wie sie jemals einen Weg finden sollte, sie aus dem Regenbogengefängnis zu befreien. Den großen scharlachroten Edelstein, den Grimwald ihr geschenkt hatte, hatte sie ihrem Vater gegeben. Erst durch den Stein hatte sie erfahren, dass ihre Mutter gefangen gehalten wurde. Nun war Ian Hunter losgezogen, um das zu tun, was er am besten konnte: jagen. Nur war er diesmal nicht auf der Jagd nach Einhörnern, sondern auf der Suche nach seiner verlorenen Frau.

Zu gerne hätte Cara gewusst, wo er gerade war und wie er vorankam. So wohl sie sich auch bei den Einhörnern in Kirin fühlte, sehnte sie sich doch noch viel mehr danach, ihre Familie wiederzuhaben.

So tief war das Mädchen in seine Gedanken versunken, dass ihm das Rascheln in den Bäumen über sich gar nicht auffiel. Zumindest nicht, bis daraus eine kleine haarige Kreatur direkt auf seine Schulter plumpste. Cara fuhr erschrocken zusammen. Dann aber verdrehte sie die Augen, als eine hohe Quietschestimme rief: »Superduper! Böses Mädchen lang weg ohne Skijum. Stinkiges Versteckding, du! Aber Skijum Superfinder!«

Als Cara den Skijum zum ersten Mal getroffen hatte, war sein Geplapper für sie wenig mehr als ein Mischmasch an Lauten gewesen. Aber seit ihr die Drachendame Firethroat die Gabe der vielen Zungen geschenkt hatte, konnte sie jedes Wesen Kirins verstehen und mit ihm reden. Der Schreck saß ihr aber noch immer in den Gliedern. Deshalb konnte sie sich eine kleine Standpauke nicht verkneifen: »Skijum, lass das gefälligst.«

»Sei lieb!«, schrie der Skijum und patschte mit seiner dreifingrigen Pfote nach ihr.

»Sei du mal besser lieb!«, entgegnete sie scharf und hob ihn von ihrer Schulter, damit sie ihm in die Augen sehen konnte. Sein dickes graues Fell – am Rücken dunkel, am Bauch heller – fühlte sich schön weich an. Und in den hellblauen Pupillen blitzte der Schalk. Ein bisschen sah er aus wie ein Eichhörnchen, ein bisschen wie ein Affe und vollkommen wie er selbst.

»Stinkeding!«, piepste er. »Lass Skijum runter!«

»Skijum, jetzt hör mal zu«, sagte sie ernst und hielt ihn fest. »Bei all dem, was hier gerade los ist – wo wir jederzeit damit rechnen, von den Jägern angegriffen zu werden –, kannst du so was einfach nicht machen. Es wird dich noch jemand aufspießen, wenn du nicht aufpasst.«

»Pah! Gemeines Superkneife-Ding«, grummelte der Skijum beleidigt. Aber er hörte auf, sich aus ihrem Griff winden zu wollen. Schließlich setzte Cara ihn zurück auf ihre Schulter. Das quirlige Geschöpf ließ es sich allerdings nicht nehmen, sie zum Zeichen seiner Entrüstung noch einmal an den Haaren zu ziehen. Dann hockte er sich hin. Cara seufzte, sagte aber nichts. Obwohl er manchmal eine ganz schöne Nervensäge sein konnte, hatte sie das kleine Wesen längst ins Herz geschlossen.

»Sei nicht zu streng mit ihm«, sagte da eine sanfte Stimme. »Die Königin hat uns tatsächlich geschickt, um euch zu holen.«

Cara drehte sich um und war angenehm überrascht.

»Finder! Woher wusstest du, dass wir hier sind?«

Das große Einhorn – das größte, das Cara bisher in Kirin getroffen hatte – stand schon neben Lightfoot.

»Warum wohl, meinst du, nennen sie mich Finder?«, antwortete es mit einem gutmütigen Lachen. Dann wurde sein Ausdruck ernst. »Ich hätte euch beiden gerne eure Ruhe gelassen. Aber es ist etwas passiert. Und die Königin will, dass ihr zwei zurück zum Hof kommt. Wir müssen uns beeilen.«

»Etwas Schlimmes?«, fragte Cara besorgt.

Finder schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass deine Großmutter uns gebeten hat, sofort den inneren Rat einzuberufen. Außer dir und Lightfoot waren alle schon in der Nähe. Ich schätze, ich muss nicht erst erwähnen, dass Moonheart dazu etwas zu sagen hatte.«

»Gibt es denn überhaupt etwas, wozu mein Onkel nichts zu sagen hat?«, warf Lightfoot etwas säuerlich ein.

Finder lachte – ein tiefer, melodischer Ton, den Cara beruhigend und schön fand. »Er würde nicht immer so einen Aufstand machen, wenn du ihm egal wärst.«

»Ich hab ihn nicht darum gebeten, den Babysitter zu spielen!«, antwortete Lightfoot. Er seufzte. »Na schön, lasst uns aufbrechen und sehen, was so wichtig ist. Wenigstens werden wir nicht angegriffen. Steig auf, Cara.«

Es war keine Zeit, sich die Füße zu trocknen, deshalb band Cara ihre Schnürsenkel aneinander und warf sich die Stiefel über die rechte Schulter. Mit dem Skijum auf der linken kletterte sie auf Lightfoots Rücken und schob ihre Finger in seine seidige Mähne. Dann machten sie sich auf zum Hof.

Der Blinde

Hier entlang, Sahib. Hier entlang!«

Ian Hunter folgte dem schmächtigen Jungen namens Rajiv über das enge Kopfsteinpflaster, wo er sich seinen Weg durch die wogende Menschenmenge bahnte. Dabei gingen Ian drei Dinge durch den Kopf: Einerseits hielt er begierig nach der nächsten Spur Ausschau, die ihn seinem Ziel näher bringen würde. Gleichzeitig war er ständig auf der Hut vor möglichen Gefahren, vor allem achtete er darauf, ob sie womöglich verfolgt wurden. Und außerdem dachte er an seine Tochter. Und das, obwohl er sich eigentlich keine Ablenkung erlauben durfte. Aber er konnte sich den Gedanken einfach nicht verkneifen. Wo in Kirin mochte Cara gerade sein? Was tat sie?

Vor ihm schlüpfte der Junge durch die Trauben von Menschen mit der Leichtigkeit eines kleinen Fisches, der sich durch Seetang schlängelte. Ian, der größer und in der Stadt eindeutig fremd war, tat sich um einiges schwerer.

»Beeilung, Sahib«, drängte Rajiv, der zu ihm zurückgelaufen kam und ihn an der Hand nahm.

Die beiden gaben ein seltsames Paar ab: Rajiv, wenig größer als einen Meter zwanzig, hatte dunkle Haut, Augen wie aus schwarzem Glas und auf seinem Kopf hatte er einen rabenschwarzen Schopf. Ian dagegen war fast einen Meter neunzig, durchtrainiert, hatte kurz geschnittenes rotbraunes Haar und stechende haselnussbraune Augen.

Ian vermutete hinter Rajivs Eile nichts anderes als den Wunsch, so schnell wie möglich die versprochenen Rupien zu kassieren. Die sollte er bekommen, wenn er Ian zu einer bestimmten Adresse bringen konnte.

Ian Hunter war nach Indien gekommen, weil er hoffte, hier einige der Geheimnisse um das Regenbogengefängnis zu lüften. Denn dort hielt Beloved seine Frau gefangen. Es war nicht sein erster Besuch auf dem Subkontinent. Hier hatte ein Teil seiner Ausbildung stattgefunden, nachdem Beloved ihn für ihren Krieg gegen die Einhörner rekrutiert hatte. Damals hatte er gelernt, wie man einen unruhigen Geist besänftigte, um in seine Tiefen einzutauchen und zu deren verborgenem Wissen vorzudringen.

Das war, als er noch an Beloved und ihren Kreuzzug geglaubt hatte – bevor seine mutige Tochter ihm die Augen geöffnet und ihn dazu gebracht hatte, sich von den Jägern und ihrem mörderischen Plan abzuwenden. Trotz seiner Sinneswandlung schätzte er noch immer die Unterweisungen, die er durch Beloved erhalten hatte. Das Training war hart gewesen und in manchen Augenblicken hatte er daran gezweifelt, es zu überleben. Aber dafür hatte er Kräfte und Fähigkeiten entwickelt, die er sich in seinem alten Leben als Lehrer nie hätte träumen lassen. Mehr noch, er hatte dadurch eine unglaubliche und faszinierende Welt kennengelernt: eine Gemeinschaft, die ihre Arbeit verborgenem Wissen und geheimen Überlieferungen widmete.

Aus diesen Reihen stammte auch der Kontakt, der ihm von dem Mann erzählt hatte, den er nun suchte. Ein mysteriöser Blinder, der – so behauptete Ians Quelle – über erstaunliches Wissen verfügte.

Wäre der Anlass ein anderer gewesen, hätte sich Ian gefreut, wieder in Indien zu sein. Seit er ein Jäger geworden war, war er schon weit in der Welt herumgekommen. Aber nirgends sonst spürte er so deutlich die Gegenwart von etwas Altem und Heiligem. Dieses Gefühl war fast schon greifbar, selbst in dem Wirrwarr an Farben, Klängen und Gerüchen, das die Straßen Alt-Delhis erfüllte.

Das hier war Chandni Chowk, das sagenumwobene Marktviertel im alten Teil der Stadt. Ein Taxi hatte ihn hierhergebracht. Gleich nachdem er ausgestiegen war, hatten ihm unzählige Jungen lautstark ihre Dienste angeboten. Doch Ians Wahl war instinktiv auf Rajiv gefallen. Er spürte in diesen dunklen, blitzenden Augen eine lebhafte Intelligenz. Obwohl das Kind in staubigen Lumpen herumlief, sprach es ausgezeichnet Englisch – nicht dass das in Indien etwas Außergewöhnliches war. Im Land gab es Hunderte von verschiedenen Dialekten. Deshalb war man wieder dazu übergegangen, Englisch als Landessprache zu verwenden. – Möglicherweise das nützlichste Überbleibsel aus den Tagen des Raj, als ganz Indien unter der Herrschaft Großbritanniens stand.

Ein Motorrad knatterte an ihnen vorbei und schlängelte sich durch die vielen Kauflustigen in der schmalen Gasse. Zu ihrer Rechten führte eine Treppe hinunter in ein Kellergeschäft, das alte Saris aus herrlicher, farbenfroher Seide verkaufte. Auf einem Dach über ihnen entdeckte Ian einen Affen, der sie anstarrte. Er erinnerte ihn an das merkwürdige kleine Wesen, mit dem sich seine Tochter angefreundet hatte – den »Skijum«, wie sie ihn nannte.

Wieder kehrten seine Gedanken zurück zu Cara, so wie viele Hundert Mal am Tag. Als man sie ihm weggenommen hatte, war sie gerade erst drei gewesen – verschleppt von der Mutter seiner Frau. Das war der schwärzeste Tag seines Lebens gewesen. Sie zu verlieren, hatte sein ganzes Dasein von Grund auf verändert, wie er es sich in seinen wildesten Träumen nicht hätte ausmalen können.

Seit Caras Entführung hatte Ian eine Menge durchgemacht. Doch er hatte sich geschworen, sie wiederzufinden, und vor weniger als drei Monaten war es ihm endlich gelungen. Er hatte herausgefunden, wo sie war. Aber inzwischen war er ein völlig anderer Mensch geworden als der Vater, dem man sie einst gestohlen hatte. Aus diesem Grund hatte er sie erneut verloren – hatte diesmal ihr Herz verloren. Denn während er zu Beloved und den Jägern gehalten hatte, galt ihre Treue den Einhörnern.

Nach diesem zweiten Verlust war Ian zutiefst verbittert gewesen. Doch dann, vor einer Woche erst, waren er und seine Tochter sich abermals begegnet. Dieses Mal hatten Caras Mut und Not ihn dazu gebracht, Beloveds unbarmherzige Anweisungen zu vergessen – diese Gehirnwäsche, wie er jetzt wütend einsah. Doch obwohl sie endlich wieder eine innige und starke Verbindung zueinander aufgebaut hatten, war Cara nach Kirin zurückgekehrt. Sie fühlte sich verpflichtet, ihren Platz an der Seite der Einhörner einzunehmen. So hatte er seine Tochter wieder verloren.

Nein, korrigierte er sich selbst. Ich habe sie nicht verloren. Diesmal nicht. Unsere Herzen gehören wieder zusammen.

Trotzdem, dass sie in Kirin war, machte die Angelegenheit nicht einfacher. Die Einhörner trauten ihm nicht. Nicht dass er es ihnen übel nehmen konnte. Unglücklicherweise misstrauten ihm nun auch die Jäger, nachdem sie erfahren hatten, dass er ihre Sache verraten hatte. Wahrscheinlich machten sie schon Jagd auf ihn – auch jetzt, wo er selbst auf der Suche nach seiner Frau war.

Oder vielmehr nach ihrer Seele. Wo ihr Körper war, wusste er.

Nach alledem fühlte sich Ian Hunter einsamer als je zuvor in seinem Leben. Sonderbarerweise war er aber gleichzeitig auch hoffnungsvoller, als er für möglich gehalten hätte.

Jäh wurde er von Rajiv aus seinen Gedanken gerissen, als der seine Hand nahm. Die schmalen, dunkelhäutigen Finger des Jungen packten fest zu, als er ihm eindringlich zuflüsterte: »Hier entlang, Sahib! Hier entlang!«

Sie bogen in eine Gasse ein, die sogar noch enger war als die, durch die sie eben noch gegangen waren. In aller Ruhe drängte sich eine Kuh an ihnen vorbei. Sie wusste, dass sie nichts zu befürchten hatte.

Zu beiden Seiten der kleinen Straße lagen unscheinbare Hauseingänge. Doch an ihrem Ende tat sich ein kleiner Hof auf, in dem Tausende von Blumen prangten. Jede einzelne war eine farbenfrohe Pracht aus Purpur oder Gold. Inmitten der Blüten lag eine Tür, die größer war als die anderen. Sie war verziert mit kunstvollen Schnitzereien und eingerahmt von prachtvollen, bunten Kacheln.

»Das ist der Ort, nach dem du suchst«, sagte Rajiv ein wenig nervös.

»Danke.« Ian drückte ihm einige Rupien in die Hand – zugegeben, einige mehr als abgemacht. Doch wenn er an seine Tochter dachte, konnte er einfach nicht anders.

»Soll ich auf dich warten, Sahib?«, fragte Rajiv und seine dunklen Augen glänzten eifrig. »Macht nur fünfzig Rupien mehr.«

»Ich finde allein zurück«, sagte Ian barsch.

»Schon möglich. Trotzdem ist es immer gut, einen Freund an der Seite zu haben, wenn man an einem fremden Ort ist«, entgegnete Rajiv und verband meisterlich einen klugen Rat mit einem Hauch von Betteln.

»Ich komme schon zurecht«, meinte Ian. Seit seiner Zeit als Jäger hatte er schon mit zu vielen Straßenkindern zu tun gehabt, um auf diese Taktik reinzufallen. Aber es schlugen zwei Herzen in seiner Brust. Und das eine, das sich an seine Jahre als Lehrer erinnerte, wollte dem Jungen nur zu gerne helfen. Entschlossen verkniff er sich diesen Drang und erinnerte sich selbst daran, dass er eine Aufgabe zu erledigen hatte. Ohne Rajiv einen weiteren Blick zu schenken, trat er auf die Tür zu und zog an der Glocke.

Kurz darauf öffnete ihm eine alte Frau. Sie war traditionell gekleidet, trug einen wunderschönen Sari und dazu einen dunkelroten Punkt – ein Bindi – mitten auf der Stirn.

»Sie sind MrHunter?«, fragte sie und lächelte sanft, als Ian überrascht die Augen aufriss. »Wir haben Sie schon erwartet. Bitte, kommen Sie herein.«

Er folgte ihrer Einladung. Als er ihren missbilligenden Blick auf seine Schuhe sah, zog er sie aus.

Die Frau nickte zufrieden. »Folgen Sie mir.«

Das Haus war angenehm kühl, was ihn angesichts der Hitze draußen überraschte. Ian tappte der Frau hinterher und betrachtete fasziniert die Mischung aus modernen und traditionellen Kunstwerken an den Wänden. Sie kamen an zwei oder drei Türen vorbei. Dann führte sie ihn in ein dunkles Zimmer, in dem ein süßer Geruch hing. Sie deutete eine Verbeugung an, dann verließ sie ihn und schloss die Tür hinter sich. Sofort war der Raum in undurchdringliche Schwärze getaucht.

Ian widerstand dem Impuls, zur Tür zu springen und sie aufzureißen. Stattdessen stand er ganz still und wartete. Seine für die Jagd trainierten Ohren lauschten in die Dunkelheit. Am anderen Ende des Zimmers hörte er jemanden angestrengt atmen.

»Sie sind Ian Hunter?«, fragte eine Männerstimme.

Ruhig antwortete Ian: »Ja, das bin ich.«

»Entschuldigen Sie die Dunkelheit. Da ich selbst blind bin, ist sie eine Art … gerechter Ausgleich.«

»Es wäre gerechter, wenn auch ich jahrelang Zeit gehabt hätte, mich daran zu gewöhnen und mir den Grundriss dieses Zimmers einzuprägen.«

»Aha, keine Spur von Mitleid. Das ist gut. Ich mag es nicht, bemitleidet zu werden. Genauso wenig, wie ich gerne Zeit verschwende. Lassen Sie uns also zur Sache kommen. Sie interessieren sich für das Regenbogengefängnis. Genauer genommen für das Rubinportal, von wo aus Sie durch den roten Schacht ins Innere des Gefängnisses gelangen können.«

»Woher wissen Sie das?«, wollte Ian wissen. Doch sofort begriff er, dass sein eigener Informant auch den blinden Mann über sein Kommen und seine Absicht informiert haben musste.

Sein Gastgeber bestätigte ihm die Vermutung. Vorwurfsvoll schnalzte er mit der Zunge: »Ich bitte Sie, MrHunter. Woher haben Sie denn gewusst, dass Sie sich an mich wenden sollten, um mehr darüber herauszufinden? Wir haben beide unsere Quellen.«

Ian schwieg. Die Pause erschien nur normal, als würde er sich seine nächsten Worte überlegen – was er tatsächlich auch tat. Gleichzeitig konzentrierte er sich aber darauf, ob er sonst noch jemanden atmen hören konnte. Nein, sie beide waren allein hier in der Finsternis. Trotzdem war ihm nicht wohl bei der Sache.

Unwillkürlich kam ihm der Gedanke, dass man ihn womöglich in eine Falle gelockt hatte. Aber er geriet nicht in Panik – ganz so, wie man es ihm beigebracht hatte. Dafür versuchte er, den Abstand zu der Stimme auszuloten. Und er überlegte, wie stark die Tür sein mochte, durch die er eingetreten war. Er hatte kein Einrasten oder Schaben gehört, als die Frau gegangen war. Das war ein gutes Zeichen. Zumindest, wenn er davon ausging, dass ein Schloss sich kaum perfekt ölen und damit vollkommen geräuschlos verriegeln ließ.

»Nun?«, fragte die Stimme.

Ian traf eine Entscheidung. In unterwürfigem Ton, wie von Schüler zu Lehrmeister, sagte er demütig: »Ihr habt recht. Ich bin gekommen, um etwas über das Regenbogengefängnis in Erfahrung zu bringen.«

»Und warum sollte ich mein Wissen preisgeben?«

»Weil Wissen süßer schmeckt, wenn man es teilt.«

Dafür erntete er Gelächter. »Auch süßeres Wissen bringt keinen Reis auf den Tisch.«

»Dann sagt mir, welcher Lohn angemessen wäre.«

»Das kommt darauf an, wie viel Sie wissen wollen.«

»So viel wie möglich. Wie ist das Regenbogengefängnis entstanden? Wie groß ist es? Wie kommt man hinein? Wie kann man drinnen jemanden finden? Und am allerwichtigsten: Wie kommt man wieder heraus?«

»Alles gute Fragen. Doch das ist eine Menge an Informationen, die Sie da verlangen, MrHunter. Wissen dieser Art hat einen hohen Preis. Auch ich habe viel dafür geben müssen.«

»Was habt Ihr dafür gezahlt?«

Die Antwort ließ Ian das Blut gefrieren.

»Ich habe mein Augenlicht dafür gegeben. Sagen Sie mir also, MrHunter, was ist dieser kostbare Schatz an Wissen Ihnen wert?«

Worte aus der Vergangenheit

Immer wenn die Einhörner in Autumngrove waren, traf sich der Königliche Rat am Fuß eines kleinen Wasserfalls, wo sich der Fluss zu einem Teich von etwa zwanzig Yard Breite weitete. Die nassen Felsen glitzerten in der Nachmittagssonne. Hier und da war ihre rötliche Oberfläche mit blaugrünem Moos überzogen. Links vom Wasserfall stieg das Land sanft an, wie die Seite einer riesigen flachen Schüssel. Auf diesem Hang drängten sich nun an die hundert Einhörner und etwa zehn Menschen – ungewöhnlich viele Zweibeiner in Kirin. Unter ihnen sah Cara einige, die sie kannte. Darunter auch Jacques, den alten Mann, der einst mit ihrer Großmutter verheiratet gewesen und der vielleicht – oder vielleicht auch nicht – ihr Großvater war. Wie üblich blickte er erschöpft und schwermütig drein. Und Cara fragte sich, ob vielleicht auch er vergeblich um eine private Audienz bei der Königin gebeten hatte.

Neben Jacques stand Thomas der Kesselflicker, unverkennbar in seinem bunten Flickenmantel, dessen Vorderseite mit zahlreichen goldenen Uhrenketten dekoriert war. Thomas war der erste Mensch gewesen, den Cara in Kirin getroffen hatte. Obwohl sie ihn noch nicht sehr lange kannte, hatte sie mit ihm schon so viel durchgestanden, dass er für sie wie ein alter Freund war. In den vergangenen Wochen hatte er ihr beigebracht, wie man mit einem Schwert umging. Er hatte ihr seine Zeit und sein Wissen geschenkt, wofür Cara ihm ungeheuer dankbar war. Es hatte sie überrascht, wie viel der fröhliche Mann über tödliche Kampfkünste wusste.

Am Rande des Teiches stand ihre Großmutter. All die Jahre, in denen sie im Körper eines Menschen gefangen war, hatte man sie sowohl als Ivy Morris als auch als »die Wanderin« gekannt. Jetzt hatte sie mit ihrer wahren Gestalt auch ihre wahre Identität wieder: Amalia Flickerfoot, Enkelin der kürzlich verblichenen Arabella Skydancer und neue Königin der Einhörner.

Zur rechten Seite der Königin stand der alte Zwerg Grimwald, Hüter der Einhornchroniken. Er trug eine erdfarbene Robe aus grobem Stoff. Links der Königin und beinahe doppelt so groß wie der Zwerg war M’Gama, auch bekannt als »die Geomantikerin«. Die elegante Frau mit tiefschwarzer Haut war Meisterin der Erdmagie. Im Gegensatz zu Grimwald hatten ihre Kleider kräftige und lebendige Farben. Goldene Ringe, besetzt mit Saphiren, Rubinen, Smaragden und anderen Edelsteinen, glitzerten an den langen Fingern ihrer linken Hand. Ihre rechte dagegen war völlig schmucklos.

Cara, Lightfoot, Finder und der Skijum traten an den oberen Rand des Talkessels. Als die Königin sie erblickte, nickte sie ihnen zu und sagte mit klarer Stimme, die den Lärm des Wasserfalls mit Leichtigkeit übertönte: »Die letzten unserer Mitglieder sind eingetroffen. Lasst uns beginnen.«

Nur wenige Einhörner drehten sich um. Eines davon war Belle, die grimmige Kriegerin, die Cara auf der Suche nach ihrer Großmutter begleitet hatte. Belle stand neben Lightfoots Onkel Moonheart. Cara erwartete, dass auch er sich nach ihnen umsehen würde, aber er rührte sich nicht. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf die Königin gerichtet – die gleichzeitig seine Schwester war.

»Wie ihr alle wisst, schweben wir in großer Gefahr«, begann die Königin. »Nun, da Beloved eines der Amulette an sich gebracht hat, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie und ihre Jäger Kirin überfallen. Wir müssen uns rüsten und darauf vorbereiten. Das wird umso schwerer, weil wir nicht wissen, wo sie in das Land eindringen werden. Bis vor Kurzem wussten wir nicht einmal, wann. Doch zum Glück hat M’Gama einen Teil dieses Rätsels für uns lösen können.«

Sie wandte sich der hochgewachsenen Frau zu, die kurz nickte und nach vorn trat.

Zu ihr gesellte sich ein Einhorn, das aus dem Schatten herausgetreten war.

Eine leichte Brise bauschte M’Gamas rote und purpurne Gewänder auf. Als sie sprach, war ihre kräftige und tiefe Stimme über die ganze Ebene gut zu hören: »Ich habe die Steine und das Erdreich befragt, die Knochen der Welt zurate gezogen und ich bin zuversichtlich, dass Beloved vor dem nächsten Mond kein neues Tor öffnen kann.«

M’Gama berichtete in der Sprache der Menschen. Sie hielt inne, während ihre Worte von dem Einhorn an ihrer Seite wiederholt wurden. Sowohl sie als auch Grimwald beherrschten die Sprache der Einhörner. Trotzdem war ein Übersetzer eine große Hilfe, wenn sie viel und vor einer großen Gruppe sprechen mussten.

»Sie meint den Blutmond«, murmelte Lightfoot und schauderte.

Cara legte eine Hand auf seine Flanke, damit sie in Gedanken miteinander reden konnten, und fragte: »Blutmond? Was meinst du damit?«

»Wir haben einen Namen für jeden Vollmond des Jahres. Der nächste heißt Blutmond.«

»Das ist ja ein scheußlicher Name!«

»Nun, den hat er nicht ohne Grund. Eigentlich gibt es sogar zwei Gründe. Zum einen schimmert er rötlich. Und zweitens schien er zu der Zeit, als Weißling und Beloveds Vater miteinander gekämpft und sich gegenseitig getötet haben.« Wieder überlief ihn ein Schaudern. »Es ist nicht gerade meine Lieblingsnacht im Jahr.«

Die Geomantikerin fuhr fort: »Dass unser Feind nicht früher eine Möglichkeit für den Übergang nach Kirin hat, ist die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass der Angriff nahezu sicher in dieser Nacht stattfinden wird. Damit hätten wir drei Wochen, um uns vorzubereiten. Ein Problem dabei – eins von vielen – ist, dass wir nicht wissen, wo in Kirin sie ankommen werden. Sofern es Beloved überhaupt gelingt, ein Tor zu öffnen. Es könnte Hunderte von Kilometern weit entfernt sein, was uns sogar noch mehr Zeit für die Vorbereitungen verschaffen würde. Andererseits könnte es auch genau hier in Autumngrove erscheinen. Meine Aufgabe wird es nun sein, herauszufinden, wo sich der Durchgang am wahrscheinlichsten öffnen wird. Dem werde ich mich voll und ganz widmen. Leider kann ich euch keinen Erfolg versprechen.«

Sie verbeugte sich leicht und trat dann zurück an die Seite der Königin.

»So wichtig diese Nachricht auch ist, ist der Hauptgrund für unsere Versammlung ein anderer«, sagte Amalia Flickerfoot. »Eine Angelegenheit ist zutage gekommen, die geheimnisvoll und womöglich ebenfalls dringend ist. Wie ihr alle wisst, ist es dem Stück Horn in Beloveds Herz zu verdanken, dass sie schon so viele Jahrhunderte überlebt. Dennoch haben einige von uns schon immer vermutet, dass es noch einen anderen Grund geben muss, weshalb sie derart von uns besessen ist. Ihr Hass währt schon lange und nichts hat ihn in all der Zeit besänftigen können. Was hält ihren Zorn so lebendig? Woraus nährt er sich, woher hat er diese Macht und dieses Feuer? Liegt es nur an ihrem Schmerz? Oder gibt es da noch etwas anderes?« Die Königin schüttelte den Kopf. »Ich habe darauf keine Antworten. Doch Grimwald hat etwas gefunden, das uns vielleicht einen Hinweis geben kann.«

Sie nickte dem Zwerg neben ihr zu. Cara fiel jetzt auf, dass er ein Stück Papier in den Händen hielt.

Grimwald machte einen Schritt nach vorn. Er nahm sich einen Moment Zeit und warf einen langen Blick in die Runde. Es war, als wolle er sichergehen, dass sich jedes Einhorn persönlich angesprochen fühlte. Dann begann er: »Während Cara und die anderen auf der Suche nach der Wanderin waren, durchkämmte ich die Chroniken. In einer der ältesten Schriftrollen, die zu Anbeginn Kirins verfasst wurde, fand ich dies.«

Er hielt das Papier hoch, rollte es aus und las vor:

»In der dunkelsten Stunde

Ihres dunkelsten Tages

Müssen die Einhörner sich

Der eigenen Dunkelheit stellen.

Was war ihr Vergehen?

Wofür müssen sie zahlen?

Dies ist das Rätsel,

Welches die Weißgehörnten

Entwirren müssen.

Haben sie die Nacht vergessen?

Sind sie vor der Tat geflohen?

Der Flüsterer weiß es,

Doch nicht er allein.

Ebenso, so mag es sein, die Delfer.«

Als er fertig war, rollte Grimwald die Schriftrolle wieder zusammen und ließ sie in seiner Robe verschwinden.

Cara hörte, wie die Einhörner aufgebracht miteinander tuschelten.

»Was soll das bedeuten?«, fragte Moonheart schließlich. In seiner tiefen Stimme, die sich deutlich über die der anderen erhob, lag Spott. »Welches Verbrechen haben wir denn schon begangen? Was haben wir mit den Delfern zu tun? Oder irgendetwas davon mit Beloved?«

Allein die Erwähnung der Delfer weckte in Cara ein ungutes Gefühl. Eine dieser fiesen Kreaturen hatte sie damals angegriffen – nur wenige Minuten, nachdem sie in Kirin angekommen war. Noch immer kam es vor, dass sie mitten in der Nacht aus Albträumen hochschreckte, zitternd und schweißgebadet – dann träumte sie von kalten Fingern, die sich um ihre Kehle legten, von Glupschaugen und klammer Haut.

»Ich kenne die Antworten auf deine Fragen nicht, Moonheart«, sagte Grimwald. »Doch Verse wie diese landen nicht aus Versehen in den Chroniken.«

Moonheart warf ungehalten den Kopf in die Höhe. »Ich verstehe noch immer nicht, was das mit Beloved zu tun haben soll!«

Da wandte sich die Königin an Grimwald. »Lies die ersten Zeilen bitte noch einmal vor.«

Der alte Zwerg nickte und las:

»In der dunkelsten Stunde

Ihres dunkelsten Tages

Müssen die Einhörner sich

Der eigenen Dunkelheit stellen.«

»›Die dunkelste Stunde ihres dunkelsten Tages‹«, wiederholte die Königin. »Nachdem Beloved gerade ihre Invasion plant, stehen uns dieser Tag und diese Stunde wohl kurz bevor, Moonheart. Sollte dies eine Prophezeiung sein, besteht kein Zweifel, dass sie sich bald erfüllen wird. Grimwald, in dem Text ist ein Name aufgetaucht, der mir nicht vertraut ist. Wer ist ›der Flüsterer‹?«

»Das weiß ich nicht. Ich habe nachgesehen, ob er in den älteren Chroniken erwähnt wird, aber …«

Der Zwerg unterbrach sich und blickte betreten drein.

»Nun …?«, hakte die Königin nach.

»Ich glaube, ich habe ihn an zwei Stellen gefunden.«

»Du glaubst, du hast ihn gefunden?«, schnaubte Moonheart. »Was soll das nun wieder heißen, Grimwald? Entweder du hast ihn gefunden oder nicht.«

Die Königin warf ihrem Bruder einen scharfen Blick zu. Er senkte das Horn. Eine Geste der Unterwerfung – er wusste, dass nicht ihm, sondern ihr das Recht zustand, die Fragen zu stellen.

Grimwald meinte unterdessen: »In einer der ersten Aufzeichnungen bin ich auf eine geschwärzte Stelle gestoßen.«

Bei diesen Worten breitete sich unter den anmutigen Einhörnern aufgebrachtes Gemurmel aus. Einige waren schockiert, einige erschrocken, wieder andere wütend, wie Cara bemerkte.

»Die Chroniken sind heilig«, erklärte ihr Lightfoot in Gedanken. »Nichts darin sollte ausradiert werden. Niemals.«

Grimwald wartete, bis sich die Aufregung gelegt hatte, dann sagte er: »Jemand hat die Wörter auf jener Seite mit Tinte übermalt – etwas, das mir nie zuvor untergekommen ist. Ich habe die Seite aufmerksam untersucht, Licht darauf scheinen lassen, sie dann vor eine Kerze gehalten, damit das Licht von hinten hindurchscheinen konnte. Obwohl ich das Ganze auch dann nicht lesen konnte, konnte ich zumindest einzelne Worte erkennen – genug, um mich davon zu überzeugen, dass der Name ›Flüsterer‹ dort mehrmals geschrieben steht.«

»Du sagtest, du hättest ihn an zwei Stellen gefunden«, warf die Königin ein.

»Gefunden ist zu viel gesagt«, sagte Grimwald. »Aber während ich in einem der anderen alten Bücher blätterte, entdeckte ich, dass mehrere Seiten herausgerissen waren! Wie bei dem geschwärzten Text vorher habe ich auch so etwas noch nie erlebt.«

Wieder ging ein unruhiges Geraune durch die Menge.

»Aus welcher Geschichte hat man die Seiten entfernt?«, fragte die Königin.

»Es war eine Geschichte über die Delfer aus der Zeit, als sie das erste Mal in Kirin auftauchten – oder zumindest aus der Zeit, als sie für die Einhörner allmählich zum Problem wurden.«

Die Königin erhob die Stimme. »Hat vielleicht irgendjemand von euch schon einmal davon gehört? Weiß irgendjemand etwas von diesem Flüsterer?«

Einen Augenblick lang herrschte Stille, dann erklang eine trockene heisere Stimme: »Ja, ich.«

Gnurflax

Die Musiker von Delfharken gaben alles. Die Trommler hatten sich in einen Rausch gespielt. Aus Leibeskräften hieben sie auf die sorgfältig ausgehöhlten Steine, die im Halbkreis um sie herumstanden. Der Delfer, der die Skerzilknochen spielte, hatte extra für den König ein neues Stück komponiert. Abgerundet wurde die Melodie vom seltsam näselnden Klang der Eidechsendarm-Harfen.

Doch nichts davon konnte König Gnurflax erfreuen – nach einer Weile winkte er die Musiker mit einer Handbewegung davon. Er ignorierte die besorgten Blicke seiner Königin und seines Hofmagiers Namza, verließ den Prunksaal und zog sich in Richtung seiner Gemächer zurück. Allerdings betrat er nicht seine privaten Höhlen, sondern ging an ihnen vorbei bis zu einem weiteren Hohlraum – einem Ort, der für jeden außer ihm selbst streng verboten war.

Dort war es dunkel, doch mit Dunkelheit kommen Delfer gut zurecht.

Es war still, doch Stille war in der unterirdischen Welt von Delfharken nichts Ungewöhnliches.

Er wartete, dass etwas diese Stille durchbrechen würde, wartete, bis jeder Nerv in seinem Körper so angespannt schien wie die Saiten der Eidechsendarm-Harfen. Schließlich raunte er: »Wo bist du, Freund?«

Langsam drehte er sich um die eigene Achse und stierte in die Finsternis der Höhle. Auch wenn ihn sein eigenes Verhalten anwiderte: Es war töricht, zu suchen. Die ganze Zeit über, in der die geheimnisvolle Stimme zu ihm gesprochen hatte, war nie auch nur das Geringste zu sehen gewesen. Trotzdem hoffte er noch immer darauf.

Er war schon so weit, dass er sich nach der Stimme sehnte und sich unwohl fühlte, wenn sie zu lange schwieg. Aber kein Wunder! Hatte ihm die Stimme nicht unverzichtbare Geheimnisse zugeflüstert, die er brauchte, um den Untergang der Einhörner voranzutreiben?

Mit einem Seufzen gab er auf und ging in seine eigenen Räume.

Es gab dort einen Stein, mit dem er reden wollte.

Natürlich kann Stein nicht denken. Aber wenn man einen Delfer in einem Brocken Stein einschließt und seinen Körper mit dem Fels verschmilzt, sieht die Sache schon anders aus. Dies war das Schicksal von Gamzil. Er hatte König Gnurflax enttäuscht. Eines der Fünf – eines der Amulette, die den Weg zwischen der Erde und Kirin öffnen – hatte er zuerst gestohlen, dann aber wieder verloren. Jedenfalls hatte er es nicht in den Kammern von Delfharken abliefern können. Aus diesem Grund war er nun in einem Felsbrocken gefangen, Fleisch und Stein untrennbar miteinander verschmolzen.

Lebendig in einem Stein begraben zu sein, war lange nicht die schlimmstmögliche Strafe für einen Delfer. Gnurflax kannte Methoden, die wesentlich grausamer und schmerzvoller waren. Aber Gamzil war ein Neffe von Namza und der alte Zauberer hatte für ihn um Gnade gebeten. Trotz seiner Wut – Gnurflax war in den vergangenen Jahren zusehends reizbarer geworden – wusste er, dass es niemals klug war, einen Magier zu verärgern. Und so hatte er der Bitte nachgegeben. Darum war Gamzil nun auch in einem großen Stein in den Privatgemächern des Königs eingeschlossen anstatt in einem der Kellergewölbe – gemeinsam mit Kreaturen, die mit Genuss an seinen Zehen geknabbert hätten.

Als junger Delfer war Gnurflax selbst einmal für zwei Jahre auf diese Art eingesperrt gewesen. Damals war er dafür bestraft worden, den Stolz seines Vaters verletzt zu haben. Er wusste also nur zu gut, wie Angst einflößend und frustrierend es war – unfähig sich zu rühren, unfähig zu reden, aber durchaus fähig zu denken. Und zu hören. Aus diesem Grund genoss er es auch, sich mit Gamzil zu unterhalten. Er wusste aus Erfahrung, dass all die Flüche und Beleidigungen, die er auf den Felsen mit dem kleinen Skwarmint darin abfeuerte, ihr Ziel nicht verfehlten.

Nun beugte er sich zu dem Brocken und zischte: »Schon längst würde ich das Amulett in meinen Händen halten, wenn du idiotischer Kieselkopf es nicht vermasselt hättest!«

Es gefiel ihm, dass ihm Gamzil keine seiner weinerlichen Entschuldigungen vorjammern konnte: Weil doch der Dumbeltum – dieser verfluchte Trampel! – ihm den Anhänger wieder abgenommen hatte, nachdem er, Gamzil, ihn dem Mädchen vom Hals gerissen hatte. Gnurflax konnte Entschuldigungen auf den Tod nicht ausstehen. Das war nur Dreck unter den Füßen eines Delfers, brüchig, weich und dumm, nicht hart und wahrhaftig wie Fels.

Andererseits, wenn Gnurflax ehrlich war, bescherte der Delferbrocken ihm noch aus einem anderen Grund ein diebisches Vergnügen – abgesehen von der bequemen Möglichkeit, seinen täglichen Ärger an ihm auszulassen. So hatte er nämlich außerdem jemanden, dem er von seinen geheimen Machenschaften erzählen konnte. Und zwar, ohne fürchten zu müssen, dass diese auch anderswo jemandem zugeflüstert wurden.

»Diese Erdenfrau, diese Beloved, hat nun ein Amulett. Also meint sie, sie braucht mich nicht mehr. Dabei hat sie nie meinen wahren Plan gekannt. Oh, es hat mir nichts ausgemacht, ihr und den Jägern dabei zu helfen, die Grenze zu überqueren. Sollen die und die Einhörner doch ihren kleinen Krieg austragen. Wenn sie damit fertig sind, wird ganz Delfharken, oben wie unten, den Delfern gehören. So wie es schon immer hat sein sollen, seitdem der Schöpfer es aus dem Stück eines gefallenen Sterns geformt und zum Wachsen gebracht hat. Aber das ist noch nicht alles. Noch lange nicht. Ich will noch immer eins dieser Amulette für mich haben. Fünf Trupps habe ich ausgeschickt. Und sie sind in diesem Moment auf der Suche nach dem Mädchen. Sie finden sie. Sie werden siegen, wo du versagt hast. Und wenn ich es dann endlich habe, werde ich den Weg in die andere Richtung gehen … zurück zur Erde.«

Gamzil sagte dazu natürlich gar nichts.

Die Geschichtenjäger

Cara sah zu, wie eine mit einem Umhang verhüllte Gestalt aus der zweiten Reihe der Versammelten zwischen den Einhörnern hervortrat. Die Erscheinung lief langsam und gebückt. Das Gesicht war von einer Kapuze verdeckt und Cara konnte nicht sagen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte.

Wenn ich es mir recht überlege, dachte sie, nachdem ich hier in Kirin bin, kann ich wahrscheinlich nicht einmal sicher sein, dass es sich überhaupt um einen Menschen handelt.

Trotzdem wirkte die Gestalt merkwürdig vertraut. Cara fiel ein, dass sie denselben Umhang schon einmal gesehen hatte, und zwar an dem Tag, als sich die Einhörner versammelt hatten, um sich von der alten Königin zu verabschieden. Damals war sie viel zu sehr in ihre eigene Trauer versunken, um sich um Fremde zu kümmern. Aber jetzt legte sie die Hand auf Lightfoots Schulter und fragte wortlos: »Wer ist das?«

»Alma Leonetti. Sie ist der älteste Mensch in ganz Kirin. Über sie erzählt man sich fast so viele Geschichten wie über deine Großmutter.«

Die Frau blieb vor der Königin stehen und neigte den Kopf. Die Königin raunte ihr einen Gruß zu, den Cara von ihrem Platz aus nicht verstehen konnte.

Als die Frau den Kopf wieder hob, nickten ihr Grimwald und M’Gama respektvoll zu.

Alma Leonetti hob ihre runzeligen Hände und schob die Kapuze zurück. Ihr Haar, weiß wie die Mähne der Königin, saß in einem Knoten mitten auf ihrem Kopf. Cara wünschte, die alte Frau würde sich umdrehen, damit sie ihr Gesicht sehen könnte. Aber Alma Leonetti sprach direkt zur Königin.

»Ich weiß nicht viel darüber«, sagte sie mit erstaunlich kräftiger Stimme für jemanden, der so alt war. »Und was ich weiß, kenne ich nur vom Hörensagen. Doch hört selbst: Der Flüsterer – ich möchte lieber sagen das Flüstern, denn ich kann nicht sagen, ob es männlich oder weiblich ist oder gar jenseits solcher Unterscheidungen – ist Euer ältester und erbittertster Feind. Seine Wurzeln sind eng mit den Euren verknüpft.«

»Wie kommt es, dass ich noch nie von diesem … diesem Wesen gehört habe?«, fragte die Königin.

»Manchmal verdrängen wir, woran wir uns nicht erinnern wollen. Was wir lange genug verdrängen, verschwindet manchmal ganz und gar aus unserem Gedächtnis. Doch deshalb ist es nicht fort.«

Die Königin nickte und sagte dann: »Wo habt Ihr zum ersten Mal von diesem … Flüsterer gehört?«

»Vergebt mir, meine Königin, aber wie Ihr wisst, bin ich viele Jahrhunderte alt. Die Erinnerung an diesen Namen liegt unendlich weit zurück in der Vergangenheit und erscheint mir wie hinter Nebelschleiern. Ich werde nachdenken, mir den Kopf zerbrechen und versuchen, mich genauer zu erinnern – ich kann aber nichts garantieren. Darf ich in der Zwischenzeit etwas vorschlagen?«

»Aber gerne.«

»Ihr mögt vielleicht gut daran tun, einen Boten zum Chiron zu schicken, um ihn zu befragen.«

Beklommenes Raunen wurde laut. Es war wenig mehr als das Geräusch einer Brise, die über eine Wiese weht, und doch so greifbar, dass es Cara kalt über den Rücken lief. Fast hätte sie aufgeblickt, um nachzusehen, ob die Sonne vielleicht hinter einer Wolke verschwunden war.

»Der Chiron?«, schickte Cara ihren Gedanken zu Lightfoot.

»So nennen die Zentauren ihren Herrscher.«

»Ich wusste gar nicht, dass es in Kirin auch Zentauren gibt!«

»Wir haben hier ein bisschen von allem«, antwortete der Prinz und klang dabei nicht besonders glücklich.

»Anscheinend gefällt dir der Vorschlag nicht – oder sonst jemandem, so wie es sich anhört.«

»Sie sind nicht gerade gut auf uns zu sprechen. Man kann nicht behaupten, dass die Einhörner und die Zentauren je die dicksten Freunde gewesen sind, immerhin … Warte! Die Königin sagt etwas.«

»Ihr bringt mich in eine schwierige Lage, Madame Leonetti«, sagte Amalia Flickerfoot. »Angesichts der drohenden Gefahr kann ich kaum vier Hufe entbehren, um sie auf solch eine Mission zu schicken. Dennoch scheint es, dass ich keine andere Wahl habe. Nun, ich werde das mit dem Rat besprechen. Bis dahin danke ich Euch von Herzen für Eure Auskunft.«

Die alte Frau verbeugte sich, wandte sich um und humpelte zurück an ihren Platz. Die Königin ließ den Blick über die Versammelten schweifen: »Hat sonst jemand schon einmal von diesem Flüsterer gehört?«

Niemand antwortete.

»In Ordnung, ich danke euch allen dafür, dass ihr gekommen seid. Diejenigen von euch, die Mitglieder des Rats sind, möchten sich bitte mit mir im Versammlungshain treffen. Es gibt viel zu besprechen. Der Rest von euch kann gehen. Aber bitte entfernt euch nicht zu weit von Autumngrove. Und was noch wichtiger ist: Bis diese Bedrohung vorüber ist, reist nie allein. Egal, wohin ihr auch geht, und egal, wie sicher es zu sein scheint, ihr solltet immer zu zweit sein.«

»Warum gerade zu zweit?«, wollte Cara von Lightfoot wissen.

»Das ist Taktik. Sollte man tatsächlich von einem Jäger – oder gleich von mehreren – angegriffen werden, wird eins der beiden Einhörner ein Ablenkungsmanöver starten. So kann das andere den Hof darüber verständigen, dass die große Jagd begonnen hat.«

»Aber das eine, das sie ablenkt …«

Lightfoot brachte den Gedanken zu Ende: »… wird höchstwahrscheinlich sterben.«

Cara fröstelte.

»Wer versucht, die Jäger fortzulocken, und wer zum Hof zurückkehrt, muss man ausmachen, bevor man aufbricht«, erklärte der Prinz weiter. »Denn wenn es tatsächlich zum Angriff kommt, bleibt dafür keine Zeit mehr. Einer der Gründe, weshalb die Königin will, dass wir diese Entscheidung jetzt treffen, ist, dass wir uns so an den Gedanken gewöhnen können. Damit wir auch wirklich bereit sind, wenn es losgehen sollte.«

Die meisten Einhörner hatten die Versammlung so leise verlassen wie Blätter im Wind und waren schon fort. Als Cara den letzten hinterhersah, fühlte sie etwas hinter sich. Es war Finder, der ihr den Kopf auf die Schulter legte. Seine seidige Wange an ihrer sagte er sanft: »Wir sehen uns später wieder.«

Cara drehte sich um und umarmte ihn. Dann machten sie und Lightfoot sich den Hang hinunter auf den Weg. Beide waren sie Teil des Königlichen Rats, auch wenn Cara sich dieser Aufgabe kaum gewachsen fühlte. Unterwegs kamen sie an Belle vorbei, die den Kopf in die Höhe riss und offensichtlich sauer war: »Wie schön, dass du dich auch mal wieder blicken lässt, Lightfoot.«

»Früher oder später mache ich das immer.«

»Meistens später«, entgegnete Belle und schüttelte ihre Mähne. Dann drehte sie sich um und trabte den Hügel hinauf.

»Gehört sich das denn, so mit einem Prinzen zu reden?«, meinte Cara, verärgert, dass man ihren Freund so behandelte.

»Als würde es Belle interessieren, dass ich ein Prinz bin! Mich übrigens auch nicht, wo wir schon dabei sind. Du weißt genau, dass ich gut darauf verzichten könnte.«

Cara wusste, wie Lightfoot darüber dachte, und fing allmählich sogar an, ihn zu verstehen. Als sie klein war, hatte sie immer gedacht, Prinzessin zu sein wäre wundervoll. Jetzt, da sich herausgestellt hatte, dass sie tatsächlich eine war, hatte sie das Gefühl, die Verantwortung würde sie erschlagen.

Natürlich war sie nur so eine Art Prinzessin, da weder sie selbst noch sonst jemand genau zu wissen schien, welchen Rang sie in dieser Hinsicht eigentlich hatte. Obwohl ihre Großmutter ohne Zweifel die Königin der Einhörner war, war sie selbst ein Mensch – oder zumindest zum größten Teil.

Manchmal fand Cara die ganze Sache so verwirrend, dass sie Angst hatte, ihr Kopf würde explodieren, wenn sie zu lange darüber nachdachte. Sie wandte ihre Gedanken lieber wieder Lightfoot zu. Sie hatte schwer den Verdacht, dass der Prinz insgeheim in Belle verliebt war. Aber die wenigen Male, als sie ihn damit aufziehen wollte, war er so stinkig geworden, dass sie es lieber sein ließ. Trotzdem war es leichter – und wesentlich unterhaltsamer –, darüber nachzugrübeln als über ihren Platz in der Einhornwelt.

Sie war mehr als froh darüber, dass der Prinz ihre Gedanken nicht wirklich lesen konnte, wenn sie sich auf diese Art unterhielten. Das wäre zu peinlich! Zum Glück konnte er nur die Gedanken empfangen, die sie ihm gezielt zuschickte.

Cara wurde in ihren Überlegungen von Moonheart unterbrochen, der ihren Freund ungeduldig anfuhr: »Beeilung, Neffe! Wir haben heute schon genug Zeit damit verschwendet, auf dich zu warten.«

Lightfoot seufzte und legte einen Schritt zu.

Cara musste nun neben ihm herrennen, um nicht zurückzubleiben.

Eigentlich bestand der Königliche Rat nur aus genau zwölf Einhörnern. Neben Lightfoot und Moonheart waren da noch drei Gedächtnishüter – Einhörner, die ein viertel Jahrhundert auf der Erde verbracht hatten. Dort sollten sie an das erinnern, was die Menschen verloren hatten, als die magischen Wesen nach Kirin flüchteten. Drei andere Einhörner – Silvertail, Fire-Eye und Windfoot – waren Cousins oder Neffen der Königin. Die anderen Ratsmitglieder waren Freunde oder Vertraute der früheren Herrscherin. Amalia Flickerfoot hatte sie gebeten, zu bleiben und sie zu beraten.

Außerdem hatte man neben Cara noch vier andere Menschen hinzugezogen: M’Gama, Jacques, Thomas und Alma Leonetti. Grimwald war auch dabei, aber Cara war sich nicht ganz sicher, ob er als Mensch zählte oder nicht.

Als die Diskussion anfing, fragte sich Cara auf einmal, welche Rolle sie wohl in der bevorstehenden Schlacht spielen würde. Ein Teil von ihr wünschte sich, mittendrin zu sein und Seite an Seite mit den Einhörnern zu kämpfen. Ein anderer Teil war sich nur zu klar darüber, dass ein Schlachtfeld kein Platz für ein zwölfjähriges Mädchen war.

Aber was bleibt mir anderes übrig?, dachte sie ängstlich und gleichzeitig trotzig. Meine Familie steckt viel zu tief mit drin, ich kann mich nicht einfach umdrehen und gehen.

Niemand war überrascht, als Moonheart als Erster das Wort ergriff. »Ich sage, wir ignorieren diese fixe Idee von Grimwald. Ich stimme zwar zu, dass das Verschandeln der Chroniken ein Skandal ist. Aber es ist nun schon zu lange her, um für uns heute noch irgendwie von Bedeutung zu sein.«

»Nach dieser Logik dürfte Beloved auch kein Problem sein«, warf Fire-Eye ein. »Die Tragödie, wegen der sie ihren Rachefeldzug angefangen hat, ist immerhin auch schon eine Ewigkeit her.«

»Das ist doch etwas völlig anderes«, fuhr Moonheart ihn an. »Beloved und ihre Jäger waren zu jeder Zeit eine Bedrohung für uns. Dieses andere Ding … dieser Flüsterer … davon haben wir bis jetzt noch nie etwas gehört.«

»Die Schatten der Vergangenheit sind länger, als irgendeiner von uns sich überhaupt vorstellen kann«, meinte Alma Leonetti sanft. »Die Zeit ist wie ein Teppich, Moonheart. Gesponnen aus unzähligen Fäden, langen und kurzen, die allesamt miteinander verknüpft sind. Nimm irgendein Ereignis, wie belanglos es auch sein mag – und du kannst den Faden Jahrhundert für Jahrhundert zurückverfolgen. Sehen, welche anderen er kreuzt und mit welchen er sich verbindet. Doch woher sollen wir wissen, wohin der Faden, den wir heute spinnen, einmal führen wird? Welche Auswirkungen die kleinste Tat in tausend Jahren hat?«

Moonheart schnaubte verächtlich, schwieg aber.

Eine Stute neben ihm stellte ihren linken Huf ein Stück nach vorn – ein Zeichen, dass sie um Erlaubnis bat zu sprechen.

»Das ist Cloudmane«, schickte Lightfoot seine Gedanken zu Cara. »Sie war der erste weibliche Gedächtnishüter.«

Die Königin nickte Cloudmane zu.

Die Stute – ihre herrliche dicke Mähne erinnerte Cara tatsächlich an eine Wolke – trat vor. »Wie üblich spricht Madame Leonetti gut und wahr. Aber es gibt da noch ein anderes Problem, das wir nicht vergessen dürfen. Nachdem ein möglicher Angriff nun so unmittelbar bevorsteht, können wir uns kaum erlauben, jemanden wegzuschicken, um nach dieser Geschichte zu suchen. Wir werden alle Hufe und Hörner in greifbarer Nähe brauchen, wenn der Tag der Schlacht kommt.«

»Andererseits könnte es doch sein, dass wir eben dadurch eine Lösung finden. Vielleicht können wir die lange Jagd auf irgendeine Weise beenden, wenn wir das Geheimnis des Flüsterers lösen«, gab Fire-Eye zu bedenken. »In dem Textabschnitt, den Grimwald vorgelesen hat, war die Rede von unserer ›dunkelsten Stunde‹. Wie die Königin schon sagte, unsere dunkelste Stunde scheint uns kurz bevorzustehen.«

»Das ist Schwachsinn«, blaffte Moonheart. »Wahrscheinlich nicht mehr als das Gefasel von irgendeinem hellsehenden Hornochsen, der von der Erde nach Kirin gestolpert ist und dabei seinen Verstand verloren hat. Wisst ihr was, ich wette, das ist der Grund, weshalb man die späteren Hinweise übermalt hat: egal, welcher von Grimwalds Vorgängern das aufgeschrieben hat. Jemand hat eingesehen, dass es ein Irrtum war. Hätten sie doch um Himmels willen auch diesen ersten blödsinnigen Teil gelöscht.«

Während er sich das anhören musste, war Grimwald immer wütender geworden. Schließlich konnte er sich nicht mehr beherrschen. »Es steht kein Schwachsinn in den Chroniken!« Er schrie beinahe.

Moonheart wollte ihm etwas entgegnen, unterbrach sich dann aber, holte tief Luft und meinte: »Verzeih, Hüter der Chroniken. Meine Worte waren zu hart. Dennoch bin ich nicht davon überzeugt, dass sich in diese Aufzeichnungen nicht auch Fehler einschleichen können.«

»Wir können nicht mit Gewissheit sagen, ob dies ein Irrtum ist oder nicht«, mischte sich die Königin nun behutsam und beschwichtigend ein. »Die Frage bleibt also dieselbe: Sollen wir versuchen, dieses Rätsel zu lösen? Ich stimme Cloudmane zu, dass wir es uns im Augenblick eigentlich nicht leisten können, jemanden fortzuschicken. Aber etwas in mir glaubt, dass es wichtig sein könnte. Deshalb habe ich beschlossen, eine kleine Gruppe zum Chiron zu schicken, um ihn nach dem Flüstern zu fragen.«

Sie hielt inne, als erwarte sie Widerspruch. Nachdem keiner kam, fuhr sie fort: »Diese Gruppe wird aus Lightfoot, Finder und Belle bestehen, soweit es die Einhörner angeht. Cara und Grimwald sollen mit ihnen gehen. Und nachdem M’Gamas Haus auf dem Weg liegt, können sie die Geomantikerin gleichzeitig auf ihrem Rückweg begleiten.«

Als Cara das hörte, fühlte sie sich hin- und hergerissen. Einerseits freute sie sich, für diese Mission ausgewählt worden zu sein, vor allem weil Lightfoot auch dabei sein würde. Andererseits wollte sie gerne in Autumngrove bleiben, wo die größte Gefahr drohte. Natürlich nicht, weil sie gerne gefährlich lebte. Aber sie wollte da sein, wo sie den Einhörnern am besten helfen konnte.

»Warum das Kind?«, wollte Moonheart wissen. »Dies ist eine gefährliche Reise und der König der Zentauren ist wohl kaum ein Freund von uns.«