Die Energielüge - Bernd Spatzenegger - E-Book

Die Energielüge E-Book

Bernd Spatzenegger

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Beschreibung

Das Klimabuch für realistische Optimisten: So gelingt die Energiewende Ideen für die Bewältigung der Klimakrise gibt es viele – doch welche sind die richtigen? Der Projektmanager und Berater für Energie-Infrastruktur Bernd Spatzenegger hat sich umfassend mit den Energiequellen der Zukunft auseinandergesetzt. In seinem Klimawandel-Buch beschreibt er die Chancen und Grenzen von Zukunftstechnologien. Dabei wird deutlich: das 1,5 °C-Klimaziel ist nicht zu erreichen – aber die Erderwärmung lässt sich stoppen, nicht im Sprint, aber im generationsübergreifenden Marathon! - Die Klimaziele werden nicht erreicht – was bedeutet das für uns? - Energie sparen, auf fossile Brennstoffe verzichten: Was der Einzelne tun kann - Kosten und Aufwand der Energiewende: was von der Politik oft verschwiegen wird - Wie funktioniert der Energiemarkt? Was Verbraucher darüber wissen müssen - Residuallast, Winterlücke, Carbon Capture: Fachbegriffe einfach erklärt Zukunftstechnologien und erneuerbare Energien: Was jetzt auf uns zukommt Wenn wir uns nur alle anstrengen, Strom sparen und nachhaltig leben, erreichen wir die Klimaziele? Ganz so einfach ist es leider nicht! Es gibt zwar keine schnellen Lösungen, aber es ist auch noch nichts verloren. Bernd Spatzenegger zeichnet ein klares Bild von den Maßnahmen, die für die Bewältigung der Klimakrise notwendig sind. Sein Energiewende-Buch ist ein Aufruf zu realistischem Optimismus – retten wir das Klima, in dem wir uns vernünftige Ziele setzen!

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Seitenzahl: 353

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IMPRESSUM

© 2023 ecoWing Verlag

bei Benevento Publishing Salzburg – München,

eine Marke der Red Bull Media House GmbH,

Wals bei Salzburg

ISBN 978-3-7110-0325-6

eISBN 978-3-7110-5347-3

Satz, Umschlaggestaltung und Layout: Jefferson & Högerle, Köln

Illustration: Shutterstock: Denys Koltovskyi (Windräder)

Autorenillustration: Claudia Meitert/carolineseidler.com

Infografiken: Bernd Tiefenbrunner/mind-id Werbeagentur

Lektorat: Arnold Klaffenböck

Projektleitung: Gerlinde Tiefenbrunner

Druck und Bindung: Finidr, Czech Republic

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Red Bull Media House GmbH

Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15

5071 Wals bei Salzburg, Österreich

Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren beziehungsweise Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.

Dieses Buch ist Susi, Melittaund Christian gewidmet.

INHALT

Einleitung

1. URSACHEN

Das Klima und die Verursacher des Wandels

Das Klima hat sich doch schon immer verändert

Das 1,5 °C- und das 2 °C-Ziel des Pariser Klimaabkommens

Ist der Temperaturanstieg sicher?

Ist der Mensch schuld?

Wer sind die Verursacher?

Treibhausgase und CO2-Äquivalente

Warum ist ein (schneller) Klimawandel schlecht?

Was ist zu tun?

Menschgemachte Emissionen

Energie- und Wärmeerzeugung

Verkehr

Industrie

Wohnen, Gebäude und Haushalte

Landwirtschaft

Abfall

Bau- und Gebäudewirtschaft

Militär

Weltenergiebedarf und Bevölkerungsexplosion

Klimatreiber Kohlendioxid

Was ist nun der Unterschied zur Luftverschmutzung von früher?

Die Klimakonferenzen und die globale Erwärmung

Die kleinen Lügen zur Energieeinsparung

Die persönliche Verhaltensänderung

EU-Vorgaben

Was Sie sonst noch tun können

Beispiel: Die nachhaltige Mode

Die kleinen Lügen zu den Ursachen

Kunststoffverpackungen

Kurzstreckenflüge

Grünstrom/Ökostrom

Fleisch und Lebensmittel

2. AUSWIRKUNGEN

Mensch

Migration

Ernteausfälle und Nahrungsmittelmangel

Krankheiten

Natur

Verlust der biologischen Vielfalt

Hitzewellen, Ausbreitung von Dürrezonen und Waldbrände

Wetterextreme

Meeresspiegelanstieg

Absinken des Grundwasserspiegels

Abschmelzen der Eismassen und Gletscherschmelze

pH-Wert-Absenkung des Meeres

Kipppunkte und Klimakatastrophen

Wirtschaftliche Chancen und Risiken

Infrastruktur und Innovation

Positive Auswirkungen des Klimawandels

Arbeitsplätze, Investitionen und Technologieführerschaft

Tourismus

3. GESELLSCHAFT

Die 1,5 °C-Lüge

Wir verpassen 1,5 °C – ist das der Weltuntergang?

Das Allmende-Problem

Trittbrettfahrer der Energiewende

Netto-Null-Treibhausgase: die 150-Jahres-Wette

Zielkonflikte

UNO-75-Studie

UNO-Entwicklungsziele

Lebensmittel, Energie und Wohnen

Generationengerechtigkeit

NIMBY und Widerstand

Die Guten und die Bösen

Die Guten

Die Bösen

Ewiges Wachstum und das Wirtschaftsmodell

Warum ändert sich alles so langsam?

Recht und Gerichte

Unternehmen

Schadenersatz

Recht

EU – »Fit for 55« – Verminderung der Emissionen um 55 %

Wesentliche Gesetzespakete

EU-ETS-Emissionshandelssystem

Lebenszyklusbetrachtung

CO2-Steuern und CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM)

CO2-Steuern und Wohlstand

ESG

4. EUROPAS ENERGIE UND DIE WELT

Die neue Ordnung der Welt

Europa

Russland und die Erdgaserpressung

China und die Rohstofferpressung

USA und der Rückzug aus Europa

Indien und das fehlende Geld

Afrika und sein Bevölkerungswachstum

Andere Länder und Regionen

Die historische Klimaschuld

Korruption

5. DIE ENERGIEWENDE

Energieeinsparung und Elektrifizierung

Wirkungsgrad, Leistung und Energie

Die fluktuierende Energieerzeugung

Dunkelflaute

Residuallast und Winterlücke

Mobilitätswende und Fahrzeuge

Personenkraftwagen

Lastkraftwagen, Busse, Schwerverkehr

Flugverkehr

Eisenbahn

Schifffahrt

Rad fahren, zu Fuß gehen, öffentlicher Nahverkehr

Stadt und Land

Wärmewende und Gebäude

Wärmeversorgung

Heizsysteme für Haushalte im Vergleich

Weitere Wärmeoptimierungsmöglichkeiten im Haushalt

Kälteversorgung

Industrielle Prozesse

Allgemeines

Stahlherstellung

Düngemittel und Landwirtschaft

Kreislaufwirtschaft und Recycling

6. ENERGIEMARKT

Versorgungssicherheit und Blackout

Blackout

Energieversorgungssicherheit

Rohstoffversorgungssicherheit

Europas Energieschock 2022/23

Kurzfristige Auswege

Energiemarktgestaltung und Förderungen

Strommarkt und Merit-Order

Interessengegensätze

Marktwirtschaft oder staatliche Lenkung?

Markteingriffe bei Versorgungsknappheit

Förderungen und das Henne-Ei-Problem

Die Kosten der Energiewende

Die Energiewende finanziert sich selbst?

Die Kosten – Teil 1

Die Kosten – Teil 2

Wer bezahlt das alles?

Finanzwirtschaft und Versicherungen

Die Finanzierung der Energiewende und der Finanzmarkt

Die Versicherungswirtschaft

7. TECHNOLOGIEN UND MASSNAHMEN

Vorsorge und Anpassung an den Klimawandel

Die »grüne« Energieerzeugung der Energiewende

Die gute Nachricht!

Die schlechte Nachricht

Nachteile und Umweltfolgen erneuerbarer Energien

Windenergie

Photovoltaik

Biomasse und Biogas

Laufwasser- und Speicherkraftwerke

Geothermie

Solarthermie

Andere Technologien

Brücken- und Zukunftstechnologien

Gaskraftwerke

Wasserstoff-Gaskraftwerke

Brennstoffzellen-Gaskraftwerke

CCS/CCU – Kohlenstoffabscheidung und negative Emissionen

Atomkraft – Kernspaltung

Kernfusion

Geoengineering

»Grüner« Wasserstoff

Die Bedeutung von Wasserstoff für die Energiewende

Die »Farben« von Wasserstoff

Einsatzbereiche von Wasserstoff

Hindernisse und Herausforderungen

Herstellung und Umwandlung von Wasserstoff

Die EU-Wasserstoffstrategie

Bedarfsprognose Deutschland, EU und die Welt

Elektrolysetechnologien (Power to Gas)

Transport von Wasserstoff

Power to X

E-Fuels

Ammoniak

Methanol

Energiespeicher

Die Bedeutung der Speicher für die Energiewende

Anforderungen an Speichersysteme

Vergleich der Speichertechnologien

Öl, Kohle, Biomasse-Sektorenkopplung

»Smarte« Technologien

Energienetze

Herausforderungen

Ausbau der Stromnetze

Gasnetze – Erdgas und Wasserstoff

Wärme- und Kältenetze

IT-Netze und Cybersecurity

Flexibilisierung der Erzeuger

Flexibilisierung der Verbraucher

Dezentralisierung

8. ENERGIEPROGNOSEN

2020–2050 Deutschland

2020–2050 Österreich

2020–2050 Schweiz

9. QUINTESSENZ UND LÖSUNGSWEGE FÜR DIE ENERGIEWENDE

10. ANMERKUNGEN

EINLEITUNG

Woher kommt unsere Energie im nächsten Jahr, und woher kommt sie 2050? Und wie »sauber« wird sie sein, um den Klimawandel wirklich stoppen zu können?

Sind die Klimaziele wichtiger als Versorgungssicherheit und Energiekosten – und kann man das eine ohne das andere erreichen?

Die Europäische Union und die Schweiz haben versprochen, ihre Energieversorgung bis 2050 CO2-frei zu gestalten, um die Klimaerwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen. Deutschland und Österreich wollen ihre Ziele bereits fünf bzw. zehn Jahre früher erreichen.

Doch wie umfassend und teuer der dafür erforderliche Wandel in der Praxis sein wird, hört man kaum, im Gegenteil: Die erneuerbaren Energien seien doch viel billiger. Verschwiegen wird der gewaltige Aufwand für die erforderliche Energie-, Wärme- und Mobilitätswende sowie für die Umstellung der Industrieprozesse, die benötigten Rohstoffe, Technologien, Fachkräfte, den Platzbedarf und die Akzeptanz der Technologien als auch die unumgänglichen Veränderungsprozesse innerhalb unserer Gesellschaft. Auch von der möglichen Deindustrialisierung und vom Wohlstandsverlust hört man wenig. Verschweigen ist die bequemere Form der Lüge.

Wenn Sie jenen glauben, die behaupten, dass wir uns »nur« anstrengen müssten, um das 1,5 °C-Klimaziel zu erreichen, dann ist hier die schlechte Nachricht für Sie: Das stimmt nicht! Es ist nicht zu schaffen, und das 2 °C-Ziel ist ebenfalls tot. Selbst dass wir unter 3 °C Temperaturerhöhung bis zum Ende des Jahrhunderts bleiben werden, ist eher unwahrscheinlich. Und lokal, zum Beispiel im Alpenraum, kann die Erwärmung doppelt so hoch sein!

Der Klimawandel wird unser Leben stark verändern und uns vor enorme Herausforderungen stellen. Doch trotz aller Hiobsbotschaften, mit denen ich Sie bisher konfrontieren musste: Die Welt wird nicht untergehen, auch für Ihre Kinder und Enkel wird sie noch ein lebenswerter Ort sein, und vor allem: Die Erderwärmung lässt sich stoppen, erfolgreich und nachhaltig! Allerdings nicht im Sprint, vielmehr im generationenübergreifenden Marathon. Was es dazu braucht, ist ein klarer, unvoreingenommener Blick auf die Realität. Sie sollten wissen, was tatsächlich auf Sie zukommt – und was es für Sie und die Welt bedeutet.

Der russisch-ukrainische Krieg hat Energiepreise und Energiethemen ins Zentrum der weltweiten Aufmerksamkeit gerückt: Flüssiggas, Windkraft, Photovoltaik, Elektromobilität, Gasversorgung, Wasserstoff, Atomkraft, Carbon Capture, CO2-Äquivalente, Merit-Order, negative Emissionen – leicht ließe sich die Übersicht verlieren.

Dieses Buch hilft, den Überblick zu gewinnen und Energielügen zu erkennen. Es zeigt die Rolle Europas in der Welt, die weitverzweigten internationalen Abhängigkeiten und wie wichtig China, Indien, Afrika und die USA für Europa und die Welt von 2050 sind. Es macht die Konfliktlinien zwischen den Weltregionen sichtbar, ferner die sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die die Geschwindigkeit der Energiewende bestimmen werden.

Es beschreibt leicht verständlich, was es mit den Begriffen der Residuallast, der Winterlücke, der Dunkelflaute und der Fluktuation der erneuerbaren Energien auf sich hat, ob der Blackout unvermeidlich ist und was Wasserstoff, Carbon Capture, Atomkraft sowie Speicher mit unserer Energiezukunft zu tun haben.

Es zeigt auf, wo die Möglichkeiten und Grenzen der Energieeinsparung durch Verhaltensänderung liegen und hilft, die Aussagen von Klimaaktivisten, Politikern und Experten zu hinterfragen.

Aus der Betrachtung all dieser Aspekte ergeben sich viele Blickwinkel auf ein Gesamtbild. Je nach Standpunkt und Länderperspektive unterscheidet sich dieses Bild und führt zu unterschiedlichen Lösungsansätzen, die sich im Wettbewerb der besten Ideen gegenüberstehen.

Manche meinen, dass wir verwöhnten Menschen in der westlichen, industrialisierten Welt uns das Ende der Welt eher vorstellen können als das Ende unserer Lebensweise. Ich hingegen denke, dass viel mehr Optimismus angebracht ist:

–Ein großer Teil der Energiewende ist machbar. Wir werden in der Lage sein, die ersten 70–80 % der europäischen Treibhausgasemissionen bis 2050 zu reduzieren. Die beabsichtigte Vorreiterrolle von Ländern wie Deutschland oder Österreich ist hingegen wenig realistisch. Auch die Vermeidung der letzten 20–30 % der Emissionen werden wir wahrscheinlich erst schaffen, wenn ein großer Teil der Weltbevölkerung bereit ist, mitzumachen und die höheren Kosten zu tragen.

–Es gibt genügend Anzeichen, dass der Mensch willens ist, seine Lebensweise zu ändern und neue Technologien anzuwenden, wenn der Veränderungsdruck durch den Klimawandel oder die finanziellen Auswirkungen groß genug sind. Der Klimawandel kann gestoppt werden. Nicht 2050, aber noch in diesem Jahrhundert, wenn ein großer Teil der Weltbevölkerung das will. Es ist ein generationenübergreifendes Projekt, das einen langen Atem erfordert.

Wie es gehen kann, ist in diesem Buch dargestellt. Ein positiver Blick in die Zukunft macht es leichter, jenen Weg zu gehen.

Deutschland, Österreich und die Schweiz werden genauer betrachtet, dennoch haben die Schlussfolgerungen für die meisten industrialisierten Länder Gültigkeit.

Sollten Sie sich wundern, warum in manch einer Grafik oder Publikation die Emissionen um 20 % höher sind als in einer anderen – die Antwort ist einfach: Die Messung von Emissionen ist keine exakte Wissenschaft – besonders dann nicht, wenn viele Wissenschaftler, Regierungen und Institutionen involviert sind. Jeder misst und zählt anders, und manch einer »trickst« oder manipuliert.

Begriffe wie »Erneuerbare Energieerzeuger«, »Dekarbonisierung«, »Energieverbrauch« oder »Flüssiggas« sind streng wissenschaftlich nicht korrekt (Energie etwa wird nicht »verbraucht«, sondern »umgewandelt«). Bitte haben Sie Nachsicht, dass sie trotzdem jeweils in ihrer populären Bedeutung verwendet werden, um eine bessere Verständlichkeit zu erreichen. Auch bei technischen Details und Prozessen wurde versucht, sie möglichst anschaulich und allgemein verständlich zu beschreiben.

1.URSACHEN

DAS KLIMA UND DIE VERURSACHER DES WANDELS

DAS KLIMA HAT SICH DOCH SCHON IMMER VERÄNDERT

Immer schon war das Klima ständigen Veränderungen unterzogen. Seit dem Beginn des Quartärs vor mehr als zwei Millionen Jahren wechseln sich Kalt- mit Warmzeiten ab. Mensch und Natur haben sich daran angepasst. Das Leben stand immer wieder an der Kippe, und so sind viele Tier- und Pflanzenarten ausgestorben. Die menschliche Spezies aber hat sich weiter ausgebreitet.

Doch inzwischen gibt es einen Unterschied: Die Temperatur steigt viel schneller an als je zuvor, und das lässt sich nicht durch Gründe wie die elliptische Erdumlaufbahn, Taumeln der Erdachse, Sonnenaktivität oder auch Naturkatastrophen erklären. Baumringe, Eis-, Gesteins- sowie Sedimentproben, Korallen, Tropfsteine, historische Aufzeichnungen und anderes mehr ermöglichen es der Forschung, den Temperaturverlauf und auch die Zusammensetzung der Atmosphäre in der Vergangenheit sehr gut zu rekonstruieren.

Im 6. Weltklimabericht der Vereinten Nationen, kurz IPCC1-Report, stehen die Ergebnisse dieser Beobachtungen gleich auf den ersten Seiten. Man vermutet, dass es in den letzten 100 000 Jahren nur einmal vergleichbar warm war wie heute. Und: Der derzeitige Anstieg ist definitiv keine statistische Abweichung.

Klimageschichtlich befinden wir uns heute in einem Eiszeitalter, dem Quartär. Als Holozän wird die seit etwa 11 000 Jahren stattfindende Warmphase innerhalb dieser Eiszeit bezeichnet, in der das Klima seit Beginn höchstens um Werte von +0,6 °C und -0,7 °C im globalen Durchschnitt schwankte. Jene relativ gleichbleibenden Klimaverhältnisse begünstigten die Entstehung menschlicher Hochkulturen.

DAS 1,5 °C- UND DAS 2 °C-ZIEL DES PARISER KLIMAABKOMMENS

Im Pariser Klimaabkommen2 wurde formuliert, dass sich die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 um nicht mehr als 2 °C über die vorindustrielle Durchschnittstemperatur erhöhen soll. Inselstaaten verlangten, dass angesichts des bereits merkbar steigenden Meeresspiegels, der ihre Existenz gefährden kann, dieser Wert auf 1,5 °C begrenzt wird, was dann auch als Zielrichtung und Wunsch aufgenommen wurde.

Wo die vorindustrielle Durchschnittstemperatur gelegen ist, wurde nicht definiert. Manche Publikationen sprechen von einer globalen vorindustriellen Mitteltemperatur von 13,5–13,8 °C und 14,8 °C heute. Genauere Werte werden selten genannt, weil sie sich gar nicht genau festlegen lassen. Letztlich spielt es auch keine so große Rolle, ob man heute bei 0,7 oder bei 1,3 °C Erwärmung gegenüber 1900 liegt. Wichtiger sind der weitere Verlauf und die Konsequenzen der zunehmenden Erwärmung sowie das Ziel, diese Erwärmung möglichst bis zum Ende des Jahrhunderts zu stoppen. Ein »Zurück zur vorindustriellen Temperatur« würde selbst bei Einhaltung aller Klimaversprechen viele weitere Jahrzehnte dauern.

Der erwähnte IPCC-Report geht von fünf verschieden intensiven Emissionsszenarien aus, das schlechteste ergibt einen Anstieg um 4–5 °C bis zum Ende dieses Jahrhunderts, falls die Emissionen der Treibhausgase ihre derzeitige Entwicklung beibehalten. Am ehesten wird man, wie in diesem Buch noch zu sehen sein wird, im Bereich zwischen dem »hohen« und dem »mittleren« Emissionsszenario liegen, was bedeutet, dass wir bis 2100 einen Temperaturanstieg um etwa 3 °C (also heute plus 2 °C) haben werden. Es können aber auch 3,5 oder 4 °C werden. Es könnten auch 6 °C werden – hundertprozentig weiß das heute niemand. Regional, zum Beispiel in den Alpen, kann es deutlich mehr werden!

IST DER TEMPERATURANSTIEG SICHER?

1960, als erste Forscher vom Klimawandel sprachen, war noch nicht klar, ob es ihn wirklich gibt. 1980 wurden die Messergebnisse schon deutlich klarer, aber sie hätten vielleicht noch innerhalb sehr großer statistischer Schwankungsbreiten liegen können. 1990–2000 war bereits klar, dass es sich nicht um natürliche oder statistische Abweichungen handelt, sondern um eine tatsächliche Erwärmung. 2020 hat längst fast jeder am eigenen Leib gespürt, dass viele aufeinanderfolgende Sommer heißer sind als früher.

Aber Achtung: Genau diese letzte Feststellung kann täuschen, Klima wird unter Meteorologen als eine zumindest 30-jährige Betrachtungsperiode definiert, und dafür sind das menschliche Gefühl und Erinnerungsvermögen nicht besonders gut geeignet.

Zuverlässiger ist es, wenn man die weltweiten Temperaturen betrachtet, so wie sie im Laufe der Jahrzehnte gemessen wurden und im IPCC-Report zu sehen sind, sowie die Entwicklung der weltweiten Wassertemperaturen. Auch die Entwicklung der Gletscher und der Eisschilde an den Polen gibt Aufschluss. Sämtliche Daten und Untersuchungen zeigen ein deutliches Bild:

–Ja, der bisher stattgefundene Temperaturanstieg ist sicher. Alles Weitere ist eine Prognose, und Prognosen beruhen auf Annahmen. Trotzdem gibt es keinen plausiblen Grund, zu glauben, dass diese Entwicklung von selbst aufhört.

–Ja, die Prognose ist sicher: Die Erde erwärmt sich, und sie erwärmt sich schneller als je zuvor. Und wir dürften erst im ersten Drittel dessen stehen, was bis zum Ende des Jahrhunderts noch zu erwarten ist.

Es ist für den Menschen schwer, das Problem zu erfassen. Die Effekte dessen, was heute passiert, werden teilweise erst in ferner Zukunft sichtbar. Das Thema ist umstritten, nicht jeder Wirbelsturm, jede Trockenheit und jede Sturmflut ist ein Ergebnis des Klimawandels. Regnet es zu wenig, ist der Klimawandel schuld, regnet es zu viel, schneit es zu viel oder zu wenig, wird es ebenso dem Klimawandel zugeschrieben. Geht der Winter fast nahtlos in den Sommer über oder haben wir einen heißen Sommer, ist es auch der Klimawandel.

Es gibt noch keine einheitliche, allumfassende Theorie zum Klimawandel, aus der sich alles restlos erklären ließe.

IST DER MENSCH SCHULD?

Ja, alle Indizien deuten ganz stark darauf hin:

–Der Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre ist nachgewiesen.

–Ebenso ist nachgewiesen, dass dieser Anstieg durch den Menschen verursacht ist, dazu zählt neben Verkehr, Industrie, Energieerzeugung und anderen durch den Menschen direkt verursachten Emissionen auch die Landwirtschaft. Die natürlichen Emissionen inklusive der Klimaeffekte von Vulkanen und Sonnenstürmen liegen um Größenordnungen darunter.

–Der Anstieg der globalen Mitteltemperatur ist ebenfalls nachgewiesen.

–Zum Zusammenhang zwischen dem erhöhten Anteil der Treibhausgase in der Atmosphäre und der globalen Erwärmung gibt es so viele Untersuchungen, Herangehensweisen, Berechnungen, Versuche und wissenschaftliche Arbeiten wie zu kaum einem anderen Thema, welche zum selben Ergebnis kommen, nämlich dem direkten Zusammenhang zwischen den menschgemachten Emissionen und der globalen Erwärmung.

–Der Mensch trägt tatsächlich nur mit 3–4 % zum CO2-Ausstoß bei. Doch das ist genau jene Menge, um die sich das CO2 in der Atmosphäre vermehrt. Der restliche CO2-Kreislauf ist mehr oder weniger geschlossen. Sie können sich das so vorstellen wie ein Aquarium: Dort läuft die Wasserpumpe und fördert täglich Hunderte Liter Wasser im Kreis. Auch wenn Sie täglich nur wenige Prozent, also wenige Liter Wasser hinzugeben, wird das Aquarium sehr schnell überfüllt werden. So ist das auch mit dem zusätzlichen CO2, das aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe dazukommt.

Der ursächliche Zusammenhang zwischen menschlichen Aktivitäten und globaler Erwärmung gilt aus wissenschaftlicher Sicht daher als sicher. Ebenso ist der Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Treibhausgase und der Temperaturerhöhung sehr eng. Das impliziert aber auch eine gute Nachricht: Damit weiß man, an welchem Rad man drehen muss, um die Erwärmung irgendwann wieder zu stoppen.

WER SIND DIE VERURSACHER?

1975 lagen die jährlichen weltweiten CO2-Emissionen noch bei 17 Gigatonnen (gt), heute bereits bei etwa 35–40 pro Jahr. Inklusive der anderen Treibhausgase ergibt sich ein CO2-Äquivalent von etwa 50–55 gt pro Jahr. Das entspricht dem Wasserinhalt des Bodensees, der auch etwa 50 Milliarden Tonnen beträgt. Von den CO2-Emissionen geht die Hälfte in die Atmosphäre, ein Viertel wird von Pflanzen und Böden, ein Drittel bis ein Viertel vom Meerwasser aufgenommen.

Grafik 1: Länderanteil 2019 an den Treibhausgas-Emissionen3 (CO2 plus CO2-Äquivalente4)

Der Anteil der 27 EU-Länder an den weltweiten Emissionen betrug 2019 etwa 8 %. Deutschlands Beitrag zum CO2-Ausstoß umfasste weniger als 2 %, jener Österreichs lag unter 0,2 % und jener der Schweiz bei 0,1 %.

Wenn wir in Europa fleißig Energie sparen, wird der Klimawandel bis 2050 aufgehalten oder gebremst.

Nein, der europäische Emissionsanteil beträgt 8 %. Wenn wir davon ein Drittel einsparen, wären das weltweit weniger als 3 %. Die Steigerung des Energieverbrauches und der CO2-Emissionen Asiens ist und bleibt für lange Zeit viel größer als alle europäischen Einsparungen.

Der CO2-Ausstoß in Europa sinkt absolut und relativ zur Bevölkerungszahl seit 1990 deutlich, genauso wie jener der USA. Wirtschaftswachstum und Emissionen sind weitgehend entkoppelt. Die Entkopplung vom Wirtschaftswachstum wurde durch die Verlagerung auf Dienstleistungen, durch Effizienzsteigerungen und Einsparungen, zum Teil aber auch durch Auslagerung energieintensiver Produktion nach China und in andere Schwellenländer geschafft.

2022 betrug der chinesische Anteil schon 33 %. Etwa ein Drittel davon betrifft Güter, die aus China in die ganze Welt exportiert werden. Der chinesisch-indische Treibhausgasausstoß wird absolut und relativ bis weit in die 2030er-Jahre noch deutlich zunehmen. Fünf asiatische Länder werden in den nächsten Jahren mehr als 600 neue Kohlekraftwerke errichten: China, Indonesien, Indien, Japan und Vietnam. Alle zwei Jahre installiert China so viele neue Kohlekraftwerke, wie es in ganz Deutschland an Kraftwerksleistung gibt, 40 Gigawatt (GW) pro Jahr!

Afrikas Treibhausgasanteil beträgt nur etwa 4 %, bei 15 % der Weltbevölkerung. Bevölkerungswachstum, Konsum- und Wohlstandszuwachs werden diesen Anteil deutlich vergrößern.

Für das Weltklima ist es somit fast bedeutungslos, was Deutschland, Österreich und die Schweiz an CO2-Emissionen verringern. Selbst der gesamte europäische Einsparungsbeitrag zu den CO2-Emissionen erweist sich im Verhältnis zu den Zuwächsen für das Weltklima als irrelevant. Dennoch braucht es Vorreiter, die zeigen, dass signifikante CO2-Einsparungen möglich sind, ohne dass die Wirtschaft und der Wohlstand zusammenbrechen.

TREIBHAUSGASE UND CO2-ÄQUIVALENTE

Treibhausgase beeinflussen die Strahlungsbilanz der Erde. Je nach Höhe ihrer Treibhausgase wird mehr oder weniger Sonnenstrahlung, die auf der Erde auftrifft, wieder in den Weltraum reflektiert. Komplett ohne Treibhauseffekt wäre es ziemlich kalt auf der Erde (ca. -18 °C).

Die wichtigsten Treibhausgase sind Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O, Distickstoffmonoxid). Methan stammt vorwiegend aus drei Sektoren: Landwirtschaft, Förderung fossiler Brennstoffe und Abfall/Abwasser. Es ist jenes Treibhausgas, das sich am einfachsten und wirtschaftlichsten vermindern lässt.5N2O rührt zu einem großen Teil von der Überdüngung der Böden her. Dann gibt es noch einige weitere wie Ozon und Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW).

Grafik 2: Treibhausgase – Anteile verschiedener langlebiger Treibhausgase am Treibhauseffekt

Der Betrachtungszeitraum von 100 Jahren für die Umrechnung von Methan- oder N2O-Emissionen auf äquivalente CO2-Emissionen ist umstritten. Will man Treibhausgasneutralität bereits 2050 erreichen, wäre bei einem verkürzten Betrachtungszeitraum der Beitrag von Methan mehr als 30 %.

Das »wichtigste« Treibhausgas in der Atmosphäre ist jedoch der Wasserdampf. Sein Effekt (Luftfeuchtigkeit und Wolken) auf die Temperatur der Erde ist zwei- bis dreimal so groß wie jener von CO2. Die Wolken haben große Auswirkungen auf die Reflexion von Sonnenlicht, lassen sich aber schwer simulieren, da es sehr viele Einflussfaktoren auf die Wolkenentstehung gibt und auch die Rechenmodelle derzeit dafür noch zu grob sind. Wasserdampf ist jedoch im Wesentlichen natürlichen Ursprungs. Der Anteil des »zusätzlich« durch die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen (fossilen Brennstoffen) verursachten Wasserdampfes in der Atmosphäre darf vernachlässigt werden.

WARUM IST EIN (SCHNELLER) KLIMAWANDEL SCHLECHT?

Neben der Größe der Veränderung – dem Temperaturanstieg – ist vor allem die Geschwindigkeit der Veränderung entscheidend dafür, wie heftig die Auswirkungen sind.

Ökosysteme haben eine gewisse Basis-Anpassungsfähigkeit und funktionieren meist auch, wenn es einmal einen ungewöhnlich strengen Winter oder einen extrem heißen Sommer gibt. Geht der Wandel jedoch schnell und über mehrere Jahrzehnte, so sterben Pflanzen und Tiere aus, weil sie sich nicht rasch genug an die Veränderung ihrer Lebensräume anpassen können. Das ist bereits sichtbar.

Und der Mensch?

Er passt sich an oder er wandert an einen neuen Ort. Es werden also große Migrationsströme aus ärmeren Ländern entstehen. Auch in reicheren Ländern werden Existenzen zerstört. Wohn- und Bürogebäude, Krankenhäuser, Schulen, Produktionsstätten, Infrastruktur sowie die landwirtschaftlich genutzten Flächen müssen zurückgelassen und andernorts wieder aufgebaut oder kultiviert werden. Die Kosten sind immens.

WAS IST ZU TUN?

CO2 wird auf natürlichem Weg in der Atmosphäre abgebaut, das dauert jedoch etwa 150 Jahre. Es reicht daher nicht, Emissionen zu reduzieren, damit sich die Atmosphäre stabilisiert. Nein, wir müssen runter auf ein Hundertfünfzigstel der heutigen Emissionen. Und selbst wenn wir irgendwann auf null kommen, dauert es noch lange, bis sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre merkbar reduziert. Das heißt, dass auch der Treibhauseffekt und die erhöhte Temperatur noch lange anhalten werden, nachdem wir die Emission von Treibhausgasen gestoppt haben!

Daher stellt sich nicht die Frage, »ob« die Energiewende6 kommen muss, sondern nur, »wie und bis wann«.

Mit den in Paris und Glasgow vereinbarten Maßnahmen liegt man bis zum Ende dieses Jahrhunderts bei einer Temperaturerhöhung von etwa 3–4 °C. Wie Sie in diesem Buch noch lesen werden, ist es jedoch äußerst unwahrscheinlich, dass wir die »Nullemissionsziele« 2050, 2060 oder 2070 erreichen werden.

Wenn wir endlich die Emissionen reduzieren, wird der Klimawandel aufgehalten.

Nein, ein Reduzieren von Emissionen führt nur zu einer geringeren Geschwindigkeit der Erwärmung. Aufhalten lässt sich die Erwärmung nur, wenn die Emissionen fast komplett gestoppt werden. Um wieder zurück zum Status von heute zu kommen, dauert es viele weitere Jahrzehnte.

MENSCHGEMACHTE EMISSIONEN

Emissionen lassen sich den verschiedensten Sektoren zuordnen, etwa der Energieerzeugung, der Mobilität, der Industrie oder dem Wohnen.

Ein Beispiel: Sie bereiten Hühnerkeulen für Ihr Abendessen zu. Wem ordnen Sie die Emissionen zu?

–Ihrem Haushalt?

–Der Landwirtschaft?

–Welchen Anteil haben der Handel, Transport- und Energiesektor (für die Treibstoffe und die Verarbeitung), die Industrie (für die Herstellung der Dünger und der sonstigen verwendeten Chemie)?

Warum ist es wichtig, zu wissen, was welchem Sektor zugeordnet wird? Für Schuldzuweisungen und Steuern? Ja, auch dafür. Aber vor allem, um zu wissen, wo die Ansatzpunkte für Energieeinsparungen und CO2-Reduktionen liegen und wer konkret dazu beitragen kann, diese Möglichkeiten auch wahrzunehmen.

ENERGIE- UND WÄRMEERZEUGUNG

Je nach Art der Berechnung ist die Energie- und Wärmeerzeugung für etwa 40 % der weltweiten Emissionen verantwortlich. Dieser hohe Prozentsatz ist der Grund, warum die Themen Energiewende und Klimawandel untrennbar miteinander verknüpft sind.

Weder die Mobilitäts- noch die Wärmewende kann ohne die Energiewende funktionieren. Es wäre etwa sinnlos, Millionen von E-Autos zu produzieren, wenn der Strom für den Betrieb (und letztlich auch für deren Erzeugung) nicht vorwiegend aus erneuerbarer Energie stammt – auch in der Nacht und im Winter. Andernfalls wäre es umweltfreundlicher und sinnvoller, beim Diesel-Pkw oder Benziner zu bleiben.

VERKEHR

Der Verkehrssektor ist für etwa ein Viertel aller Treibhausgase verantwortlich. Knapp zwei Drittel davon kommen von Personenkraftwagen, knapp ein Drittel von Lastwagen und Bussen.

Der weltweite Anteil der Schifffahrt wird mit etwa 2 % berechnet, jener der Luftfahrt mit etwa 3 %.

Die Auswirkung der Luftfahrt wird meist höher bewertet als ihr eigentlicher CO2-Ausstoß, da eingerechnet wird, dass Kondensstreifen (Wasserdampf und Feinstaub-Kondensationskerne) zu Zirruswolken führen, die den Treibhauseffekt verstärken und Treibhausgase in großer Höhe größere Auswirkungen haben.

Der Transport auf der Schiene macht nur etwa 0,4 % aus.

INDUSTRIE

Industrie und industrielle Prozesse sind für etwa 20 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Branchen wie Papier, Stahl und Nicht-Eisen-Metalle, Chemie, Baustoffe und Glas sind die industriellen Hauptkonsumenten von Strom und Primärenergie wie Öl, Gas und Kohle. Deren Energiekostenanteil bewegte sich vor der Energiepreisexplosion 2021/22 bei etwa 10–20 %.

Die energieintensive Industrie hat in den letzten Jahren viel auf Eigenerzeugung von Strom und Wärme gesetzt, teils technologisch bedingt (Baustoffindustrie: Drehrohröfen), teils aus Kostenüberlegungen (Papierindustrie: Kraft-Wärme-Kopplung). Hauptenergiequelle war und ist dabei Erdgas, und zu viel kleineren Teilen sind es Reststoffe und biogene Abfälle. Eine Änderung dieser Primärenergieträger ist technisch nicht leicht durchführbar.

Neben dem Rohstoffeinsatz ist Energieeffizienz die wesentliche Stellschraube für Einsparungen. Da es im Bereich der energieintensiven Industrien immer ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor war, sind nur kleine schrittweise Verbesserungen zu erwarten, ohne grundlegend neue Prozesse bis 2050 vielleicht 15–20 %. Das ist zwar eine ganze Menge, in Bezug auf die CO2- und Klimathematik aber sehr wenig. Mehr lassen Physik und Chemie meist nicht zu.

Bei einem angenommenen Wirtschaftswachstum von 1,5 % pro Jahr in Westeuropa ergibt sich nach 25 Jahren eine um 45 % höhere Wirtschaftsleistung. Selbst wenn Wirtschaftswachstum und Industrieproduktion stärker als bisher entkoppelt würden, braucht es viel Optimismus, um insgesamt eine Energieeinsparung zu erzielen.

WOHNEN, GEBÄUDE UND HAUSHALTE

Die korrekte Zuweisung der Emissionen zu Haushalten ist einer der schwierigsten Bereiche der Emissionszuordnung. Wem werden die CO2-Emission und der Energiebedarf für das T-Shirt, die Beheizung der Wohnung, den Laptop, die Fahrt zur Arbeit, das Waschmittel, den Urlaubsflug oder das Fleisch und die Pasta zugeordnet? Der Industrie, der Energiewirtschaft, der Mobilität, der Landwirtschaft oder dem privaten Haushalt?

Man kann es jeweils dem Hersteller, den Elementen der Produktionskette oder dem Endverbraucher zuweisen.

–Wenn die Zuordnung mit dem Ziel erfolgt, es jenem zuzuweisen, der die Emissionen der Produkte am meisten beeinflussen kann, dann müsste man sehr vieles dem Industrie- und Produktionssektor zuordnen.

–Zielt man jedoch auf das Verhalten ab, nämlich wer die Entscheidung trifft, dieses oder jenes Produkt zu kaufen, müsste man fast alles den Haushalten zuordnen.

Wenn man nur den Strom- und Wärmebedarf der privaten Haushalte betrachtet, sind sie für etwa 17 % aller CO2-Emissionen verantwortlich; wenn man annimmt, dass nahezu alle Güter und Dienstleistungen letztlich dazu dienen, die Bedürfnisse der Haushalte abzudecken, deutlich mehr.

Die Konsumausgaben der Haushalte sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz in den letzten zehn Jahren inflationsbereinigt etwa gleich geblieben. Ausgaben für Bekleidung sind etwas zurückgegangen (Billigimporte aus Asien), jene für Kommunikation, Unterhaltung, Freizeit und Hobby gestiegen. Das deutsche Umweltbundesamt hat ermittelt, woher die im durchschnittlichen Haushalt verursachten Emissionen stammen:

Grafik 3: Aufteilung der CO2-Emissionen der privaten Haushalte

Quelle: Deutsches Umweltbundesamt

Wohnen Sie zur Miete, wie etwa 58 % aller Deutschen und Schweizer und etwa 45 % der Österreicher, so haben Sie wenig Einfluss auf das Heizsystem, die Wärmedämmung, die Qualität der Fenster. Selbst wenn Sie Wohnungseigentümer sind, braucht es für Investitionsentscheidungen meist die Zustimmung der Eigentümergemeinschaft.

Um 10 % Heizenergie zu sparen, können Sie Ihre Raumtemperatur um 2 °C kälter einstellen, aber im Vergleich zu wirklichen Energiesparmaßnahmen am Haus ist die Wirkung minimal.

Als Bewohner eines Einfamilienhauses, wie etwa 30 % aller Deutschen und Schweizer und 45 % aller Österreicher, haben Sie als Eigentümer mehr Möglichkeiten, Ihren Energiekonsum zu beeinflussen. Diese hängen von Ihren finanziellen Verhältnissen, den baulichen Voraussetzungen und der öffentlichen Anbindung und Infrastruktur ab, ferner von der Verfügbarkeit erneuerbarer Energie, beispielsweise der geografischen Lage.

Insbesondere im Bereich der Neuerrichtung, aber auch im Bereich der Sanierung gibt es viele Optionen, den Heizbedarf auf ein Minimum zu reduzieren und energiesparende Wärmequellen einzusetzen, wie Wärmepumpen und die Nutzung der Sonnenenergie. Wichtig sind auch ausreichend groß dimensionierte Wärmespeicher, und bei großen Gebäuden die Nutzung der Beton-Wärmespeicherkapazität.

LANDWIRTSCHAFT

Je nach Literaturquelle und Definition ist die Landwirtschaft für weltweit etwa 18 % aller Treibhausgase verantwortlich, und zwar nicht überwiegend aus den Mägen der Kühe, sondern7

–zu 39 % aus Dünger, Gülle, Pestiziden, Bodenbehandlung,

–zu 36 % aus Waldrodung, Brandrodung und Verbrennung von Ernterückständen, Moor- und Humusverlust.

–Dann erst kommen mit 20 % das Methan aus der Tierzucht

–und mit 5 % der Reisanbau.

Die Vermeidung der Überdüngung der Böden sowie Veränderungen in der Flächennutzung und der Waldbewirtschaftung können sehr viel bewirken. Dass man bei der Reduzierung des weltweiten Fleischkonsums erfolgreich sein wird, ist anzuzweifeln.

Agrarsubventionen betragen in der EU fast 400 Milliarden Euro jährlich, ein Drittel des EU-Budgets. Sie werden selten nach den Kriterien Klimaschutz oder Erhalt des Lebensraums vergeben. Priorität haben Länderinteressen, die Versorgung mit Lebensmitteln zu niedrigen Preisen und der »Schutz« vor dem internationalen Wettbewerb. Daher wird sich auch zukünftig wenig ändern.

ABFALL

Abfall und Abwasser sind in Form von Methan- und Gärgasemissionen sowie als CO2-Ausstoß bei Verbrennung von Abfall für etwa 3 % der weltweiten Emissionen verantwortlich. Ein Teil davon stammt aus biogenen Abfällen, ist also ein geschlossener Kreislauf. Für biogene Abfälle bietet die Erzeugung von Biogas noch großes Potenzial, besonders wenn es sich um Biomasse der zweiten Generation handelt, also jene, die nicht mit der Lebensmittelproduktion in Konkurrenz steht.

BAU- UND GEBÄUDEWIRTSCHAFT

Wir bauen im Jahr etwa 100 Milliarden Tonnen Rohmaterial ab, aus Steinbrüchen, Minen und sonstigen Lagerstätten. Das ist jährlich ein Viertel des Mount Everest. Die Bau- und Gebäudewirtschaft ist ein wesentlicher CO2-Emittent und verursacht, je nach Bewertung8, ca. 38 % der weltweiten Emissionen – deutlich mehr als der gesamte Verkehrssektor –, wird aber in kaum einer Statistik als eigene Kategorie geführt.

Die wesentlichen Ansatzpunkte, um die CO2-Emissionen zu senken, sind der Rohstoffeinsatz, die Lebensdauer, die verwendeten Herstellungsverfahren und die energetische Optimierung der Gebäude.

MILITÄR

Nach Schätzungen stößt das Militär 5 % der weltweiten Treibhausemissionen aus und ist seit Kyoto 1997 von den Emissionszielen und der Emissionserfassung ausgenommen.

WELTENERGIEBEDARF UND BEVÖLKERUNGSEXPLOSION

Der durchschnittliche Energieverbrauch unterscheidet sich zwischen den Kontinenten gewaltig. Je entwickelter die Staaten jedoch sind, desto mehr nähert er sich dem durchschnittlichen europäischen Verbrauch an. Der Primärenergieverbrauch pro Kopf liegt für die EU-Länder im Schnitt bei etwa 35 000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr, China liegt fast gleichauf bei etwa 31 000 kWh pro Jahr, die USA hingegen haben einen fast doppelt so hohen Verbrauch mit etwa 75 000 kWh pro Jahr. Ein Inder verbraucht nur ein Fünftel eines Europäers, der Verbrauch nähert sich jedoch mit großen Schritten an, ebenso jener anderer südostasiatischer Länder. Mit größerem zeitlichen Abstand wird wahrscheinlich Afrika folgen.

Die Internationale Energieagentur (IEA) hat den voraussichtlichen Weltenergiebedarf nach Regionen für 2040 abgeschätzt: Der Anteil Asiens wird mehr als 50 % betragen, Europas Anteil weniger als 12 %. Je nach angenommenem Szenario wird der weltweite Primärenergiebedarf 2040 etwa gleich hoch sein wie heute, jedoch verschiebt er sich stark nach Asien.

Wir haben in Bezug auf die CO2-Emissionen und den Ressourcenverbrauch ein Dreifachproblem:

–Hochentwickelte Industrieländer:Zu hohe Pro-Kopf-CO2-Emissionen und zu hoher Ressourcenverbrauch.

Der Planet Erde würde es nicht vertragen, wenn jeder Mensch weltweit am gleichen Niveau wäre: Energiewende und Kreislaufwirtschaft sind die wesentlichen Ansatzpunkte.

Der Pro-Kopf-Primärenergieverbrauch sinkt bereits und soll bis 2050 nur mehr etwa 50–60 % von heute betragen.

Grafik 4: Weltweiter Energiebedarf nach Regionen, Prognose 2040

*Eurasien: Russland, Kasachstan, Belarus, Armenien, Kirgistan

Quelle: Internationale Energieagentur (IEA)

–Afrika und Teile Südostasiens:Zu hohes Bevölkerungswachstum

Die Wissenschaft empfiehlt bessere Gesundheitsversorgung, Ausbildung und gleichberechtigte Teilnahme am Arbeitsleben, insbesondere der Frauen, um die Geburtenraten zu senken. Ein Erfolgsbeispiel ist Bangladesch. Viele Regierungen haben jedoch das Bevölkerungswachstum akzeptiert oder mit befördert, sei es aus religiöser, stammesgeschichtlicher, kultureller Überzeugung oder um aufgrund erhöhter Bevölkerungszahl Macht zu gewinnen.

–Schwellenländer:Das Wachstum des Pro-Kopf-Ressourcenverbrauches ist viel zu hoch.

Dies ist das gegenwärtige und zukünftige Hauptproblem. China hat von 1970 bis heute seinen Pro-Kopf-CO2-Ausstoß verachtfacht und damit zum Westen aufgeschlossen. Indien, Pakistan und viele andere sind auf dem gleichen Weg.

Dieser Aspekt ist wahrscheinlich am schwierigsten zu stoppen, denn wer kann Menschen daran hindern, nach westlichem Lebensstandard zu streben?

Sämtlicher Energieverbrauchszuwachs dürfte nur mehr aus Erneuerbaren kommen, um die Emissionen etwa auf dem heutigen Niveau zu stabilisieren.

Wenn nicht, ist die Konsequenz die weitere Ausbeutung des Planeten und schließlich die Selbstzerstörung durch Ressourcen und Lebensraumverknappung, zusätzlich die verstärkte globale Erwärmung.

Die industrialisierten Länder haben in den letzten 50–100 Jahren am meisten Treibhausgase emittiert. Sie werden aber wahrscheinlich auch die ersten sein, die wieder klimaneutral sind. Die Schwellenländer und die zu den Industrienationen aufschließenden Staaten sind jedoch auf dem besten Weg, aufgrund ihrer explodierenden Bevölkerungszahlen, der steigenden Wohlstands- und Konsumbedürfnisse die unrühmliche »Emissionsführungsrolle« zu übernehmen.

Auf den Aspekt der Bevölkerungsexplosion zu verweisen, ist unpopulär. Wenn es um die Auswirkungen des Klimawandels geht, liest man mit Bezug auf Afrika und Südostasien oft Sätze wie: »Die Regionen, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind, sind die am stärksten betroffenen.« Das stimmt zum Teil für heute, jedoch nicht für die nächsten 50 Jahre!

Im Jahr 1900 hatte die Erde weniger als zwei Milliarden Bewohner, 1972 vier Milliarden, heute acht Milliarden und am Ende des Jahrhunderts wahrscheinlich 10,5–11,5 Milliarden.

Die weltweite Zahl der Neugeborenen soll schon ab etwa 2050 stagnieren, aber die durchschnittliche Lebenserwartung steigt um 10–15 Jahre, was ein bis zwei Milliarden zusätzliche Menschen bedeutet, die 2100 gleichzeitig auf der Erde leben.

Grafik 5: Bevölkerungsentwicklung9

Parallel zur Bevölkerungsentwicklung wird sich übrigens auch der Nutztierbestand entwickeln10 (Rinder, Schafe, Ziegen), was einen Großteil der Erfolge einer »besseren« Landwirtschaft wieder zunichtemachen wird.

Das verfügbare Ernteland und der Lebensraum für Tiere werden weniger, weil sich der Lebensraum der Menschen immer weiter ausdehnt.

Können Sie sich vorstellen, dass Nigerias Bevölkerungszahl bereits 2050 jene der USA überholt, und Nigeria 2100 wahrscheinlich bevölkerungsreicher als China11 sein wird? Oder dass Indien schon 2025 bevölkerungsreicher als China sein wird?

Für das Bevölkerungswachstum der nächsten Jahrzehnte werden vor allem Indien, Nigeria, Pakistan, Äthiopien, Tansania, Indonesien, Ägypten und die Demokratische Republik Kongo maßgeblich sein.

Afrikas Anteil am Klimawandel ist heute sehr klein. Hier setzt die Auswirkung mit der vollen Tragweite voraussichtlich erst in 20–30 Jahren ein, wenn sich die Bevölkerung nochmals verdoppelt und der Pro-Kopf-CO2-Ausstoß sich zum Beispiel jenem Indiens angeglichen hat.

Vor dem Hintergrund einer schwindenden verfügbaren landwirtschaftlichen Nutzfläche zur eigenen, nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion wird es in vielen Staaten der »Dritten Welt« und in Schwellenländern vor allem darum gehen, den Kampf gegen Armut, Hunger und für bessere Gesundheits- und Bildungseinrichtungen zu gewinnen.

Der Klimawandel wird in vielen Schwellenländern ein Thema für Forderungen an den Westen nach mehr Entwicklungshilfe werden, weil er gerade jene Länder am stärksten treffen wird, die aus allen »Bevölkerungsnähten« platzen.

KLIMATREIBER KOHLENDIOXID

Anfang der 1990er-Jahre wurde die für Umweltfragen allmählich sensibilisierte Öffentlichkeit mit einer neuen Gefahr konfrontiert: der Erderwärmung, dem drohenden Klimawandel, ausgelöst durch den Menschen und verursacht durch Emissionen der Industriegesellschaft. Hauptklimakiller ist Kohlendioxid (CO2).

Die Umgebungsluft enthält etwa 0,04 % (= 400 ppm) CO2. Die Luft, die der Mensch ausatmet, enthält hundertmal so viel, nämlich etwa 4 % CO2. Anders als etwa Schwefeldioxid, das im »sauren Regen« den Wäldern zusetzte, war CO2 nie ein Luftschadstoff. Vielmehr ist es ein für den Menschen ungiftiges Gas, außer es tritt so hoch konzentriert auf, dass es den Luftsauerstoff verdrängt. Kohlendioxid entsteht bei der Verbrennung, bei der »Zellatmung«, beim Zerfall organischer Substanzen (Sterben von Pflanzen, Tieren und Menschen), bei Vulkanausbrüchen und bei fast jedem chemischen Prozess, in dem Kohlenstoff oder Kohlenwasserstoffe involviert sind. Es war – in der Wahrnehmung – so neutral wie der Stickstoff, der 78 % der Luft ausmacht.

WAS IST NUN DER UNTERSCHIED ZUR LUFTVERSCHMUTZUNG VON FRÜHER?

Im Gegensatz zu all den »klassischen« Luftschadstoffen wie Stickoxiden, Schwefelverbindungen oder Kohlenmonoxid lässt sich CO2 weder herausfiltern, kaum abscheiden12 noch mit Katalysatoren unschädlich machen. Es ist ein Gas, das man nur vermeiden kann, indem man aufhört, kohlenstoffhaltige Brennstoffe zu verwenden: Kohle, Erdöl, Erdgas. Alles, auf dem die moderne Industriegesellschaft aufgebaut ist.

DIE KLIMAKONFERENZEN UND DIE GLOBALE ERWÄRMUNG

Nicht erst seit Greta Thunberg und ihrer »Fridays for Future«-Bewegung ist das Thema Klimawandel international präsent.

Erste Prognosen zum Treibhauseffekt finden sich bereits 1850. 1960 gab es erste internationale Gespräche dazu, 1972 nahm der Club of Rome darauf Bezug und 1995 fand die erste UN-Klimakonferenz (COP) statt. 20 Jahre und 20 Klimakonferenzen später, in Paris 2015, einigten sich immerhin 195 Staaten auf verbindliche Klimaziele und darauf, dass die Erwärmung der Welt auf 2 °C begrenzt werden soll. Dafür sollten die Nettotreibhausgasemissionen in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts auf null reduziert werden.

Seit damals hat sich in der weltweiten öffentlichen Meinung viel verändert.13

–Knapp über 80 % halten die »globale Erwärmung« (den Klimawandel) für wahrscheinlich.

–Nur mehr etwa 20 % halten den Klimawandel für unwahrscheinlich.

Auf der COP 26, 2021 in Glasgow, übertrafen sich die Staaten mit Ankündigungen zum Zeitpunkt ihrer Klimaneutralität: Finnland 2035, Österreich 2040, Schweden und Deutschland 2045, EU, UK, Japan, USA, Brasilien, Australien und Schweiz 2050, Türkei 2053, Russland und Saudi-Arabien 2060, China, Russland, Nigeria und Saudi-Arabien 2060, Indien 2070.

Auf der COP 26 wurden ein »weichgewaschener« Ausstieg aus Kohle beschlossen und Regeln verabschiedet, die das weitverbreitete, lukrative Schummeln bei den Emissionszählungen eindämmen sollen. Die schon zuvor versprochenen jährlichen 100 Milliarden US-Dollar Finanzhilfe für Schwellenländer zur Anpassung an den Klimawandel wurden nochmals bestätigt.

Beim afrikanischen COP in Ägypten war das Hauptthema der weltweite Geld-Verteilungskampf in Form des Unterstützungsfonds für Schadenersatz und wer dazu Beiträge leisten soll. Dies wird sich auch beim COP 28 in den Emiraten fortsetzen. Klimapolitik wird immer mehr zu Entwicklungshilfe-Politik.

Bei Klimakonferenzen geht es vor allem um das Klima.

Nein, bei Klimakonferenzen geht es vorwiegend um Geld, Macht und wirtschaftliche Entwicklung.

DIE KLEINEN LÜGEN ZUR ENERGIEEINSPARUNG

Die Staaten versprechen also weltweit die Vermeidung von CO2-Emissionen. Sehr oft wird dies im öffentlichen Diskurs mit der Notwendigkeit der Veränderung des persönlichen Verhaltens gleichgesetzt. Ja, persönliche Verhaltensänderungen können etwas bewirken. Aber: Nein, persönliche Verhaltensänderungen sind nicht der entscheidende Faktor, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Eher sind es die Entscheidungen, die Sie täglich beim Kauf von Produkten treffen.

DIE PERSÖNLICHE VERHALTENSÄNDERUNG

Keine Frage! Ja, Sie sollen umweltfreundlich und nachhaltig leben, konsumieren, essen, reisen, mobil sein. Wenn Sie es gut machen, werden Sie einen Teil Ihrer CO2-Emissionen einsparen können. Damit leisten Sie einen Beitrag zu einer saubereren Umwelt und nachhaltigen Produktion von Gütern und Lebensmitteln.

Aber glauben Sie bitte nicht, dass Ihr persönlicher Lebensstilwandel in Bezug auf den Klimawandel viel bewirkt. Alles zusammengerechnet, wenn sehr viele mitmachen, wären es optimistisch vielleicht 10–15 % der erforderlichen Treibhausgasreduktion.

Persönliche Verhaltensänderungen haben einen wesentlichen Einfluss auf den Energieverbrauch und CO2-Ausstoß.

Nein, Studien zeigen, dass Verhaltensänderungen in Summe kaum mehr als 5–15 % Einsparungen (die höhere Zahl nur während kurzfristiger Notsituationen) bringen. Die richtigen Investitionen in effizientere Technologien in den Haushalten, der Industrie, der Energieerzeugung, der Mobilität, den Netzen und Speichern müssen für die restlichen 85–95 % der Emissionsreduktion sorgen.

Die IEA prognostiziert sogar, dass von den jährlichen CO2-Einsparungen (gegenüber 2020) bis 2050 nur etwa 4 % aus Verhaltensänderungen kommen werden14, die restlichen 96 % aus Technologien, die es bereits gibt, und aus solchen, die sich noch in Entwicklung befinden.

Es ist eine Binsenweisheit, dass langlebige und qualitativ hochwertige Erzeugnisse, recycelte Produkte oder regionale, saisonale Lebensmittel meist eine viel bessere Lebenszyklusbilanz haben. Aber wie oft greifen wir trotzdem zum anderen, billigeren Produkt?

Sie können etwa bei der Beleuchtung 80 % Energie einsparen, indem Sie von Glühlampen auf LED-Beleuchtung umrüsten. Sie können auch 80 % einsparen, wenn Sie Ihr Verhalten drastisch ändern und auf Beleuchtung weitgehend verzichten. Was, glauben Sie, ist wahrscheinlicher?

Die wesentlichste »Verhaltensänderung« sollte daher sein, schon beim Kauf die sparsamsten Technologien einzusetzen, sei es im eigenen Wohnbereich, bei Mobilität und Konsum oder dort, wo wir im privaten und beruflichen Bereich die Möglichkeit haben, uns für oder gegen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zu entscheiden.

Das Schlüsselwort für die großen Entscheidungen lautet »Energiewende«, und die besteht zumindest aus zwei Säulen:

–Der Elektrifizierung aller Lebensbereiche (Mobilität, Wohnen, Industrie): Kaum jemandem ist bewusst, wie stark die dadurch bewirkte Primärenergieeinsparung ist. Durch die Umstellung auf Strom verdoppelt sich zwar der Stromverbrauch bis 2050, gleichzeitig erwarten optimistische Prognosen aber eine Halbierung des Primärenergieeinsatzes!

–Der Energieherstellung: Fast 80 % der Klimathemen haben mit den Primärenergiequellen, mit der Energieverteilung, der Energieumwandlung in Kraftwerken, Motoren, Industrieprozessen, der Mobilität sowie der Energiespeicherung zu tun. Darauf haben Sie als Konsument meist wenig Einfluss.

EU-VORGABEN

Das Glühlampen-Verbot der EU war nur einer von vielen EU-Beschlüssen und Vorgaben. Ähnliches gibt es auch zu Staubsaugern, Kühlgeräten, Netzteilen, elektronischen Displays, Waschmaschinen, Elektromotoren, Heizkesseln, Servern, Raumklimageräten, zur Energieeffizienzkennzeichnung, zu Schweißgeräten, Lüftungsanlagen, Leistungstransformatoren, Haushaltsbacköfen, -kochmulden, Dunstabzugshauben, Geschirrspülern, Warmwasserbereitern, Wasserpumpen und vielem mehr.

Diese Beschlüsse und Designvorgaben führen zu weiteren Stromeinsparungen. Dennoch steigt der Strombedarf und wird zwischen 2020 und 2050 wahrscheinlich um den Faktor 1,8–2,415 wachsen.

Woher kommt das?

–Der Konsum hat sich verändert. Die Haushalte haben mehr elektrische und elektronische Geräte als je zuvor, insbesondere die Unterhaltungselektronik und die Kommunikationstechnologie sind hier die Treiber.

–Das Geschäftsleben wurde elektrifiziert, immer mehr Geschäftsprozesse zwischen Unternehmen bzw. zwischen Unternehmen und Privaten laufen nur mehr elektronisch ab.

–Und der Hauptfaktor:

Der Klimaschutz verlangt eine weitgehende Elektrifizierung. Raumwärme (Wärmepumpen statt Gaskessel), Mobilität (E-Auto statt Verbrenner) und viele Industrieprozesse müssen umgestellt werden.

WAS SIE SONST NOCH TUN KÖNNEN

–Investieren Sie in Energiesparmaßnahmen, erneuerbare Energie und die zugehörige Infrastruktur.

–Stehen Sie neuer Infrastruktur, die der Energiewende dient, aufgeschlossen gegenüber: »grüne« Kraftwerke (Wind, Solar, Geothermie, Biomasse, Wasserkraft), Strom- und Gasnetze sowie Speichertechnologien, auch wenn keine dieser Technologien ohne negative Auswirkungen ist, und auch wenn sie gerade in Ihrer Nachbarschaft errichtet werden soll.

–Lassen Sie sich nicht zu sehr von Gütesiegeln, Zertifikaten und Nachhaltigkeitsberichten verwirren, suchen Sie sich lieber ein grünes Projekt, an dem Sie selbst aktiv mitwirken.

BEISPIEL: DIE NACHHALTIGE MODE

Anhand der Modeindustrie zeigt sich, wie schwierig es ist, Nachhaltigkeit selbst bei vermeintlich »einfachen« Produkten zu erreichen. Die Textilwirtschaft zählt zu den weltweit wichtigsten Wirtschaftszweigen und ist nach der Lebensmittelindustrie die zweitgrößte Konsumgüterbranche. Jeder sechste arbeitstätige Mensch weltweit ist in der Textil- und Bekleidungsbranche tätig. Heute wird in Europa Kleidung nicht einmal mehr halb so lange getragen wie vor 15 Jahren, der Konsum hat sich dagegen fast verdreifacht, während die Preise für Kleidung immer weiter sinken.

»Die Modeindustrie setzt weltweit jährlich 1.300 Mrd. US$ um und produziert etwa 60 Mio. Tonnen Bekleidung. Um die Kleidung herzustellen, werden Chemikalien für den Baumwollanbau, das Färben, Waschen und Behandeln eingesetzt. Kleidung ist für 3 % der weltweiten CO2