Die Entwurzelten - Zygmunt Bauman - E-Book

Die Entwurzelten E-Book

Zygmunt Bauman

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Beschreibung

Was passiert mit uns Menschen in einer globalisierten Welt, in der alle Beziehungen fließend sind, unsere Wurzeln immer nur temporär, wir face-to-screen mehr kommunizieren als face-to-face? Das letzte Werk des berühmten Soziologen Zygmunt Bauman ist ein anregendes Gespräch über die menschlichen Herausforderungen des dritten Jahrtausends. Ein großer Denker im Gespräch mit einem digital native, einem selbst in die flüchtige, die flüssige, fließende Gesellschaft Hineingeborenen: Bauman und Leoncini entwickeln klare, greifbare Gedanken zur Transformation des Körpers, zu Aggressivität in den Netzwerken und zu Liebe, Sex und Beziehungen in dem Jahrhundert, das sich wie keines zuvor dem permanenten Wandel verschrieben hat.

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Seitenzahl: 90

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über den Autor

Titel

Impressum

Widmung

Zitate

1 Hauttransformationen Tattoos, plastische Chirurgie, Hipster

2 Neues Aggressionsverhalten Mobbing

3 Sex und Liebe im Wandel Dekadenz von Tabus in der Ära des emotionalen E-Commerce

Nachwort Die letzte Lektion

Literatur

Quellen

Über das Buch

Was passiert mit uns Menschen in einer globalisierten Welt, in der alle Beziehungen fließend sind, unsere Wurzeln immer nur temporär, wir face-to screen mehr kommunizieren als face-to-face? Das letzte Werk des berühmten Soziologen Zygmunt Bauman ist ein anregendes Gespräch über die menschlichen Herausforderungen des dritten Jahrtausends. Ein großer Denker im Gespräch mit einem digital native, einem selbst in die flüchtige, die flüssige, fließende Gesellschaft Hineingeborenen: Bauman und Leoncini entwickeln klare, greifbare Gedanken zur Transformation des Körpers, zu Aggressivität in den Netzwerken und zu Liebe, Sex und Beziehungen in dem Jahrhundert, das sich wie keines zuvor dem permanenten Wandel verschrieben hat.

Über den Autor

Zygmunt Baumann wurde 1925 in Posen als Sohn einer jüdischen Familie geboren. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges floh die Familie vor den Deutschen in die Sowjetunion, wo Baumann sich freiwillig zum Kampf gegen die Nazis meldete. Nach dem Krieg kehrte er in seine Heimat zurück und schrieb sich an der Universität von Warschau ein, wo er innerhalb weniger Jahre seinen Abschluss in Soziologie erwarb. 1968 zwang ihn eine antisemitische purge der polnischen Regierung abermals ins Exil, zunächst nach Israel, wo Baumann Lektor an der Universität von Tel Aviv wurde, später nach England, wo er von 1971 bis 1990 an der Leeds University lehrte. Baumann gilt als der Vordenker der Postmoderne, ist Autor zahlreicher Bücher zu allen relevanten Aspekten zeitgenössischer Soziologie und Kultur – von der Analyse der Moderne und Postmoderne bis hin zu neusten Forschungen zur Veränderung unserer Gesellschaft durch die Globalisierung. Einer breiten Öffentlichkeit wurde er durch seine neueren Studien und Begriffsschöpfungen des »Flüchtigen Lebens«, Konsum Lebens und der »Kunst zu leben«. Am 9. Januar 2017 starb Baumann in Leeds, während er an diesem Buch arbeitete.

Thomas Leoncini wurde 1985 in La Spezia geboren. Als Journalist veröffentlicht er in zahlreichen italienischen Zeitschriften und Tageszeitungen, darunter »Il Giornale« und »Style«, er ist Chefredakteur der Kolumne »Style Novo« und Autor zahlreicher Interviews mit führenden internationalen Köpfen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.

Zygmunt Bauman, Thomas Leoncini

DIE ENT-WURZEL-TEN

Was uns bewegt im 21. Jahrhundert – ein Gespräch

Übersetzung aus dem Italienischen vonClaudia Amor

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:Copyright © 2017 by Sperling&Kupfer

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, KölnTextredaktion: Angela KuepperUmschlaggestaltung:U1berlin/Patrizia Di Stefano unter Verwendungeines Motivs von © Larry Gatz/Getty Images

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-5738-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Für Zygmunt, dem ich alles verdanke.Für Aleksandra, Lydia, Anna,Irena, Maurice und Mark.Ich danke dem Leben dafür,dass ich euch getroffen habe.

»Am 21. Februar 2017 ließ ein internationales Seminar am Kolegium Artes Liberales der Universität Warschau Zygmunt Baumans Theorie der Flüchtigen Moderne hochleben. Auch ich war dort, um die letzten Arbeiten meines Mannes vorzustellen. Gleich zu Beginn erzählte ich von einem Buchprojekt, in dessen Mittelpunkt die junge Generation steht und das zusammen mit einem jungen Menschen entstand: Die Entwurzelten. Ich berichtete vom Meinungsaustausch der beiden Autoren und von den Bemühungen, das Buch nach Zygmunts Abschied in die ›Flüchtige Ewigkeit‹ fertigzustellen. Der Hörsaal war zum Bersten voll, sogar draußen standen noch Leute, und unzählige Menschen aus allen Teilen der Welt waren über das Internet mit dabei. Das Interesse war überwältigend. Ich glaube, dieser kleine Band hätte seine lange Reise wohl nicht besser antreten können.«

ALEKSANDRA KANIA BAUMAN

»Während mein eigenes, individuelles Denken sehr wahrscheinlich im Augenblick meines Todes endet, hört die körperliche Existenz an sich mit dem Hinscheiden meines individuellen Körpers nicht auf. Sie wird fortdauern, so wie sie lange vor dem Auftreten meines Körpers, vor dem Beginn meines eigenen Denkens, ›vor meinem Eintreten in die Welt‹ ihren Anfang nahm. Sie wird als die körperliche Anwesenheit anderer Menschen fortbestehen.«

ZYGMUNT BAUMANAus: Tod, Unsterblichkeit undandere Lebensstrategien

1 HauttransformationenTattoos, plastische Chirurgie,Hipster

THOMAS LEONCINI: Die Jugend ist das Abbild sich wandelnder Zeiten. Unmöglich, sie dafür nicht zu mögen und gleichzeitig zu hassen. Immerhin verkörpert sie all das, was wir an unserer Vergangenheit am meisten lieben, reflexartig aber auch verabscheuen, weil es nicht für immer war, sondern nur vorübergehend, flüchtig. Wenn wir heute das Wesen des Jungseins analysieren wollen, scheitern wir an unserem eigenen Mangel an Kulturrealismus, der hier nur deshalb versagt, weil wir unserem Ich nicht von außen entgegensehen können. Unser Blick auf die Jugend erfolgt aus der Perspektive eines fließenden Menschen, dessen eigene Grenzen unweigerlich verschwommen sind. Wir sind das Produkt dessen, was die Umstände des Lebens aus uns gemacht haben. Das Produkt eines Wir, das jedoch nicht mehr Teil unserer Gegenwart ist und dem somit keine andere Wahl bleibt, als sich selbst in den Gesichtern der anderen zu suchen. Wenn es stimmt, dass der Geist sich in den Bahnen jener kulturorientierten Schemata bewegt, die unser Gehirn benutzt, um zügig auf verschiedenste Situationen reagieren zu können (wie es die Kognitive Psychologie postuliert), dann gilt auch, dass unser Missmut gegenüber jungen Menschen oft daher rührt, dass wir bedauern, unser früheres Leben nicht gebührend genutzt, verstanden und beobachtet zu haben, bevor wir, ohne es recht zu bemerken, in der Gegenwart gelandet sind.

Wenn wir uns heute einen Jugendlichen ansehen – sagen wir, gegen Ende der Gymnasialzeit –, dann betrachten wir ihn nicht mehr im Rahmen der mentalen Schemata, die wir in seinem Alter hatten, sondern anhand jener völlig verschwommenen Schemata, die zu völlig anderen Menschen gehören als jenen, die wir einmal waren.

Noch einfacher ausgedrückt sind jene die Gegenwart kennzeichnenden Eigenschaften, die junge Leute an den Tag legen, für uns unkenntlich und daher als Mittel zum Stillen unseres aktuellen Strebens nach Selbstbehauptung obsolet. Dies gilt auch in einem anderen Kontext, der oft unterschätzt wird, aber aufgrund seiner Allgegenwärtigkeit und allgemeinen Sichtbarkeit von grundlegender Bedeutung ist: der ästhetischen Mode.

»Schein ist für mich das Wirkende und Lebende selber«1, schrieb einst schon Nietzsche. In diesem Sinne ist die Jugend ein Paradebeispiel für die Schaffung massentauglicher Abwandlungen von Stilen und Interessen, die unsere Gegenwart kennzeichnen. Die Bedeutung dieses Phänomens geht sogar so weit, dass es in der Anthropologie – einer per definitionem unvollständigen Grenzwissenschaft, die in ihrer ganzheitlichen Fragmentiertheit unfertig bleiben muss – als grundlegendes Element erkannt und zum Auslöser eines Wandels von biologischen und paläoanthropologischen Ansätzen zur Kultur- und Sozialanthropologie wurde. Und die jungen Leute sind die typischsten Beispiele dafür, was wir heute sind und morgen sein werden. Auch bei Aristoteles war schon die Rede vom unvollkommenen Menschen.

Doch der Wunsch nach Vollkommenheit (selbstverständlich ein illusorischer) ist in den Zivilisationen von Anbeginn verankert. Was könnte sich also besser dazu eignen, um das eigene Selbst zur Schau zu stellen, als unser Körper? Immerhin ist der Sinn für Ästhetik nur zum Teil subjektiv beziehungsweise objektiv, in erster Linie aber kulturell und vom Kollektiv geprägt.

Die Ästhetik gilt oft als repräsentativste Modeerscheinung des modernen Zeitalters. Doch Moden sind anthropopoietisch2, also Teil eines menschlichen Wesens, das sich sein Menschsein bewusst aufbaut. Vom ersten Tag an weigerte sich der Mensch, seinen Körper so zu belassen, wie er war, und strebte fortan danach, ihn – mehr oder weniger im Geiste der zugrunde liegenden Kultur – zu verändern. Selbst das allmorgendliche Waschen ist nichts weiter als ein Zurschaustellen der Beziehung, die der Mensch zu seinem Körper pflegt, und zeigt das Bedürfnis, ihn nicht dem »natürlichen Lauf der Dinge« zu überlassen. In diesem Zusammenhang vertritt auch die britische Anthropologin Mary Douglas die Ansicht, dass Hygiene keineswegs nur eine Frage des wissenschaftlichen Fortschritts sei.

Schönheitstrends sind dynamisch, genauso wie kulturelle Moden, daher empfiehlt es sich hier besonders, im Augenblick ihrer Entstehung einzuhaken, beim ersten Funken, beim Urknall, der zur Entwicklung eines Kulturumschwungs führt, welcher wiederum aus der (für Modelle der Vergangenheit tödlichen) Umarmung eigener Modelle mit jenen der breiten Masse emporsteigt. Letztere sind in die Erwachsenenwelt durch Nachahmung, Ansteckung oder den natürlichen Alterungsprozess eingedrungen.

Ein typisches Beispiel einer jüngeren Modeerscheinung sind Tätowierungen, weitergereicht von den Jüngsten an die Jungen und schließlich an die Erwachsenen.

Drei von zehn Amerikanern tragen ein Tattoo, und bei den meisten bleibt es nicht bei einem. Laut einer im Jahr 2016 veröffentlichten Studie von The Harris Poll3 scheinen Tattoos für junge Leute in den Vereinigten Staaten regelrecht unverzichtbar geworden zu sein: Fast die Hälfte der Millennials (47 Prozent) und mehr als ein Drittel der Generation X (36 Prozent) haben zumindest eine Tätowierung. Millennials sind übrigens jene, die zur berühmten Generation Y gehören, zwischen 1980 und 2000 geboren sind und aus denen sich die »Natives« der flüchtigen Moderne von heute entwickelt haben, während unter Vertretern der Generation X jene verstanden werden, die etwa Mitte der Sechziger bis Ende der Siebziger/Anfang der Achtziger geboren wurden.

Im Gegensatz dazu haben nur 13 Prozent der Baby-Boomer (geboren zwischen 1946 und 1964) eine Tätowierung. Wie man weiß, sind die Grenzen solcher Definitionen nie starr, sondern meist etwas verschwommen – flüchtig, um beim Thema zu bleiben. Millennials und die Vertreter der Generation X werden aufgrund der hohen Prozentsätze in den eigenen Reihen den Trend natürlich noch erheblich verlängern, sodass in wenigen Jahren der Anteil der Fünfzig-, Sechzig-, Siebzig- und Achtzigjährigen mit Tätowierung in die Höhe schießen wird. Doch die Studie hat noch einige andere interessante Vergleiche zutage gefördert: Der Lebensraum hat auf die befragten Amerikaner, wenn es um die Modeerscheinung Tätowierungen geht, keinerlei Einfluss. Ob sie nun auf dem Land oder in der Stadt wohnen – es sind keine signifikanten oder besonders repräsentativen Unterschiede erkennbar. Gleiches gilt für die politische Ausrichtung: Republikaner 27 Prozent, Demokraten 29 Prozent, Unabhängige 28 Prozent.

In Italien stammen die jüngsten Daten zu diesem Thema vom Istituto Superiore di Sanità (ISS, Institut für Höhere Gesundheitsstudien)4