Die Ewigen. Stimmen aus der Zukunft - Chriz Wagner - E-Book

Die Ewigen. Stimmen aus der Zukunft E-Book

Chriz Wagner

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Beschreibung

"Mein Name ist Simon. Ich lebe ewig. Solange ich zurückdenken kann, bin ich auf der Erde. Ich habe außergewöhnliche Dinge gelernt, auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage: Wer bin ich? Ich kann nicht sterben. Ich darf nicht lieben. Ich bin Simon." 1966: In Kanada, fernab vom Weltgeschehen, hat Simon sich niedergelassen und eine Familie gegründet. Er will ein normales Leben führen, doch seine Unsterblichkeit scheint dies unmöglich zu machen. Aber diesmal hat er einen Plan. Er möchte für seine Kinder Lisa und Jeffrey die Grenzen der Sterblichkeit überwinden. Kann Simon dem Tod ein Schnippchen schlagen? Und wer sind die mysteriösen Geisterwesen, die zu ihm sprechen? Wird Simon verrückt? DIE EWIGEN: eine Serie von Geschichten vor den Kulissen der Weltgeschichte. Zu allen Zeiten finden sich Mystery, Horror und ein Hauch Liebe.

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Chriz Wagner

DIE EWIGEN

Stimmen aus der Zukunft

Folge 7

Wagner, Chriz: DIE EWIGEN. Stimmen aus der Zukunft. Folge 7, Hamburg, acabus Verlag 2017

Originalausgabe

epub-ISBN: 978-3-86282-555-4

PDF-ISBN: 978-3-86282-556-1

Lektorat: Theresa Saretz, acabus Verlag

Cover: © Annelie Lamers, acabus Verlag

Covermotiv: https://pixabay.com/de/gitarre-gitarka-musik-farben-2672496/

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Der acabus Verlag ist ein Imprint der Diplomica Verlag GmbH,

Hermannstal 119k, 22119 Hamburg.

© acabus Verlag, Hamburg 2017

Alle Rechte vorbehalten.

http://www.acabus-verlag.de

eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

Für meine liebe Familie,

weil ihr immer bei mir seid, egal wo ich bin …

Thyri und Simon sind unsterblich.

Auf ihrer Reise durch die Jahrtausende verloren sie sich aus den Augen. Ihre Geschichten führen uns vorbei an mystischen Orten und magischen Begebenheiten auf der Suche nach dem Grund für ihr ewiges Leben.

Mein Name ist Simon.

Ich lebe ewig.

Solange ich zurückdenken kann, bin ich auf der Erde.

Ich habe außergewöhnliche Dinge gelernt, auf der Suche nach einer

Antwort auf die Frage:

Wer bin ich?

Ich kann nicht sterben. Ich darf nicht lieben.

Ich bin Simon.

Stimmen aus der Zukunft

I

Irgendwo in Kanada im Jahr 1971

Guten Morgen, ihr Murmeltiere und Frühaufsteher. Willkommen auf 89 City-FM – wo die Hits zuhause sind. Heute ist der 18. September 1971 und es ist verdammt kühl da draußen. Aber nun heize ich euch ein. Mein Name ist George Nolan und die nächsten zwei Stunden verbringen wir gemeinsam in der Beatbox. Wie immer habe ich die neuesten Kassenschlager aus dem Plattenschrank gezogen, aber auch ein paar Klassiker zum Tanzen und zum Kuscheln.

Den Anfang machen wir mit einem brandneuen Song, einer bezaubernden Ode an die Menschheit. Niemand Geringerer als Mister John Lennon persönlich hat ihn für uns aufgenommen. Und ich prophezeie: Dieser wundervolle Ohrwurm hat das Zeug dazu, ein ganz großer Hit zu werden.

Lasst alles stehen und liegen. Setzt euch, dreht den Empfänger lauter und schließt die Augen. Denn hier kommt die erste Singleauskopplung aus dem gleichnamigen Album – brandneu aus dem Äther und direkt zu euch in die Stube: John Lennon mit seinem Song Imagine.

– Und das Radio spielt Imagine von John Lennon. –

Ich legte beide Arme gemütlich auf den Lehnen meines Sessels ab und ließ den Körper nach hinten fallen. Ich spürte, wie das Leder angenehm warm wurde und schwenkte den Blick über mein weißes Bücherregal, vollgestopft mit allerlei Klassikern. Und da war noch etwas. Etwas Unheimliches. Abscheuliches. Ein hinterhältiger, dunkler Fleck im glänzenden Regal. Nur das wollte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wahrhaben.

Ich schloss die Augen und lauschte den rhythmischen Klängen des Pianos. Von Anfang an mochte ich das Lied. Und als der ehemalige Beatle die erste Zeile sang, hatte ich mich restlos darin verloren. Auch ich hatte mir vorgestellt, die Welt könnte anders sein. Stell dir vor: keine Spielregeln, keine Zeit, kein Tod. Ein fürchterlicher Irrglaube. Eine halbe Ewigkeit war ich auf der Suche nach Menschen gewesen, die ebenso lange lebten wie ich. Ich wollte endlich einen Sinn hinter alldem entdecken. Aber das Einzige, was ich fand, waren noch mehr Mysterien, dunkle Geheimnisse, Machenschaften des Schicksals.

Nur diesmal trieb ich es auf die Spitze. Den Tod austricksen – das war mein Plan gewesen. Ein bitterböser Fehler. Ich hatte nicht wahrhaben wollen, dass ich in der Unendlichkeit gefangen war.

Der Herbstmorgen blies angenehm kühle Luft durch das gekippte Fenster in meinen Nacken. Und dennoch lief mir ein kalter Schauer über den Rücken.

Stell dir vor, es gäbe keinen Tod. Alle, die du liebst, könnten auf ewig mit dir zusammen sein. Bei dem Gedanken wurde mir schlecht. Und ich kämpfte darum, die Augenlider geschlossen zu halten.

Meine Erinnerungen kletterten hinab in eine bittere Vergangenheit. Ein paar Jahre nur. 1966. Schlimm genug. Und auch wenn mein Bewusstsein unerbittlich dagegen ankämpfte, ließ ich es geschehen. Tränen schossen in meine Augen. Ich merkte, wie sich mein Gesicht vor Schmerzen verzog. Aber ich wusste auch: Der Zeitpunkt, sich mit den Geschehnissen auseinanderzusetzen, war da. Heute. Jetzt.

Dann spielte das Radio die letzten Takte des Songs. Und ich ertappte mich dabei, froh zu sein, die Vorstellung an eine perfekte Welt nicht mehr ertragen zu müssen. Den Grund erzählt die folgende Geschichte …

II

– Das Radio spielt California Dreamin’ von The Mamas and the Papas. –

Dieses Lied katapultierte meine Erinnerungen direkt fünf Kalenderjahre in die Vergangenheit, an einen Sonntagnachmittag im Jahr 1966.

Wir rollten mit dem klapprigen Ford Mustang über die Landstraße von Cardston in Richtung Fort Macleod, Alberta, Kanada. California Dreamin’ sangen die Stimmen von The Mamas and the Papas aus dem Autoradio. Ich hasste es, das Fahrzeug stundenlang durch die Nadelwälder zu lenken, sogar wenn sie so wunderbar dufteten. An die angenehmen Dinge im Leben gewöhnt man sich schnell. Die achtjährige Lisa packte die Langeweile, während Jeffrey, der bald sechzehn wurde, den Kopf ans Fensterglas gelehnt, den Blick nach draußen gerichtet, vor sich hindöste.

Ich spürte Lisas Füße, die mir das Sitzpolster in den Rücken traten.

„Du-hu, Woogie?“

Woogie war irgendwann Cynthias Kosename für mich gewesen. Und Lisa hatte den Namen so oft bei Mom gehört, bis sie ihn eines Tages selbst sagte. Ich mochte es gern, wenn sie mich so nannte. Nur Daddy gefiel mir noch besser.

„Ja, Rubberducky?“

„Warum muss Mom heute arbeiten?“

„Aber das habe ich dir doch schon hundert Mal erklärt“, sagte ich und steuerte das Fahrzeug über eine kurvige Lichtung in den nächsten Waldabschnitt hinein.

„Dann erklär’s mir nochmal.“

„Mensch, Lis“, maulte Jeffrey. „Halt die Klappe.“

Sofort jammerte Lisa los: „Daddy. Er hat Klappe zu mir gesagt.“

Ich genoss die Anrede und ignorierte die Zankereien.

„Deine Mutter arbeitet als Pflegerin in einer Klinik. Die Patienten …“

„Spinner“, unterbrach Jeffrey herablassend.

„Jeff. Du weißt, dass du das nicht immer sagen sollst“, mahnte ich streng.

Ich hörte ihn stur schnaufen und stellte mir vor, wie er sein Gesicht genervt zum Fenster wegdrehte.

„Diese Leute sind krank. Sie müssen auch am Wochenende versorgt werden“, erklärte ich.

„Und warum muss Mami das tun?“, löcherte sie mich.

„Weißt du. Jeder, der dort arbeitet …“

„Da – Woogie!“, unterbrach sie mich mit einem Mal. „Was ist das da? Da draußen.“

Ich bremste das Auto ab. Wir rollten an einem Steinhaufen vorbei, geschmückt mit vertrockneten Pflanzen. Die Farben der Blüten ließen sich noch erahnen. Das Gebilde passte so gar nicht in die Landschaft. Für Kinderaugen musste der Anblick etwas Geheimnisvolles, Magisches gehabt haben.

„Da ist ein Unfall passiert“, sagte ich. „Das macht man so, dass man dann Blumen hinlegt.“

„Nur, wenn einer krepiert ist“, warf Jeffrey ein.

„Jeff!“, sagte ich streng. Sein Ton war furchtbar, wie ich fand.

„Ist doch wahr“, maulte er.

„Stimmt das?“, wollte Lisa wissen.

„Ja. Blumenschmuck legt man dann ab, sofern jemand bei dem Unglück ums Leben gekommen ist.“

Dann gab ich wieder Gas – nur diesmal etwas vorsichtiger.

*

Südlich des Städtchens Fort Macleod am Oldman River gab es seit ein paar Jahren eine US-Militärbasis. Jeder, der in der unmittelbaren Umgebung wohnte, wusste es. Doch niemand sprach darüber. Ich glaube, die Einwohner waren sich nicht sicher, ob die Basis ein geheimer Stützpunkt war. Deshalb sagte man lieber nichts.

Außerhalb des Militärgeländes betrieben die Soldaten eine kleine Kneipe. Alkohol und Mädchen. Gott weiß, was die jungen Männer in ihrer Freizeit dort trieben. Aber an den Sonntagen war das Lokal geschlossen.

Jeffrey spielte in einer Band. The Canadian Sunsets. Der Schlagzeuger war irgendein tätowierter Kerl, den Jeffrey von der Schule her kannte und dem ich eine Zukunft in gesiebter Luft prophezeite. Sein Vater arbeitete für das US-Militär. Er machte es möglich, dass die Sunsets die Bar sonntags als Übungsraum nutzen durften.

Aus diesem Grund lenkte ich die Karre jeden Sonntag viermal über den Highway. Hin und her, hin und her.

Von außen sah die Kneipe aus wie ein alter Schuppen. Und vielleicht war sie das auch mal gewesen. Der Staub wirbelte hoch, als ich das Fahrzeug auf die plattgerollte Wiese neben den zusammengenagelten Wänden zum Stehen brachte. Von drinnen vernahmen wir Stimmen und das Quietschen eines Gitarrenverstärkers. Als ich den Kofferraumdeckel aufzog, dachte ich an das kleine Vermögen, das ich für Jeffreys elektrische Gitarre ausgegeben hatte.

„Alles klar, bis später“, sagte der Junge und wollte gerade los.

„Wir gehen mit!“, behauptete Lisa. Sie hatte schon lange den Herzenswunsch, zu sehen, was ihr großer Bruder da trieb.

„Vergiss es“, entgegnete Jeffrey.

„Nur deshalb bin ich mitgefahren“, protestierte sie und schlug die Arme wütend vor der Brust zusammen. Die geflochtenen, blonden Zöpfe flogen durch die Luft und die gigantischen Blütenbilder auf dem knallroten Kleid wirkten in diesem Augenblick wie warnende Stoppschilder.

„Dein Pech“, sagte er schroff.

„Jeff“, bremste ich ihn. Im Grunde hatte ich überhaupt keine Lust, mich auch nur eine Sekunde länger in der Nähe dieser langhaarigen Hippies aufzuhalten. Andererseits war ich schon neugierig, ob sich das wöchentliche Kilometerfressen auszahlte. „Wenn ihr uns ein Stück vorspielt?“

„Song, Daddy. Es heißt Song. Und nein!“

„Aber Woogie“, jammerte Lisa. Ihre verzweifelten, großen braunen Augen funkelten mich hilfesuchend an.

Ich verzog den Mund und schnaufte resigniert durch die Nase. Die beiden wussten, was das zu bedeuten hatte.

„Aber Dad.“ Jeffrey stampfte mit dem Fuß auf.

„Ihr spielt uns ein Lied … einen Song vor. Und dann sind wir auch schon wieder weg.“

Ich stellte mir vor, wie wir unkoordiniertes Gezupfe auf schlecht gestimmten Elektrogitarren kombiniert mit unverständlichem Geplärre und taktlosem Trommelhagel würden ertragen müssen. Und ich hasste mich selbst dafür.

Aber Lisa rief begeistert: „Danke, Daddy“ und klammerte sich an meine Hüfte.

Trotz der langen Haare, die ihm respektlos über Augen und Gesicht fielen, sah ich Jeffreys bösen Blick. „Du kannst dir auch gern einen anderen Chauffeur suchen“, sagte ich zynisch.

Mein Argument überzeugte ihn, wenn auch mit Murren.

*

Wir sollten warten, bis sie so weit waren. Es überraschte mich, wie wichtig es ihm war, mit seiner Musik einen guten Eindruck zu hinterlassen. Also schlugen Lisa und ich die nächsten zwanzig Minuten mit einem Rundgang durch die herbstliche Umgebung tot.

Wie immer trug sie ihr Tagebuch unter dem Arm. Sie hatte es vor einem Jahr von ihrem Großvater – Cynthias Vater – geschenkt bekommen. Mit den fühlbaren, geschwungenen Verzierungen auf dem Ledereinband wirkte es magisch und geheimnisvoll. Und obwohl es im Grunde genommen viel zu groß war, um herumgetragen zu werden, wollte sie es „Auf gar keinen Fall!“ im Auto lassen.

*

Endlich baten sie uns herein. Ein dickes Luftgemisch, nach Nikotin und Alkohol muffelnd, schwappte uns entgegen. Tische und Stühle hatten sie zur Seite geräumt. Alle Kabel führten zum Mischpult auf dem Tresen, vor dem normalerweise die Barhocker standen. Die Jungs waren aufgestellt, wie die Beatles auf ihren Konzerten: Jeffrey rechts, die Gitarre über die Schulter gehängt. Mit seinem eng anliegenden Shirt, dem sportlichen Oberkörper und seiner umgeschlagenen Rockabilly-Jeans wirkte er wie ein Halbstarker aus den Fünfzigern. Und aus seinen Gesichtszügen, weich, jugendlich und leicht pausbackig, blitzte unverhofft das Mienenspiel eines Erwachsenen. Links neben ihm zwei Kerle, die ich vom Sehen her kannte, einer unrasiert, dünn und hochgewachsen, der andere konnte mit seinem Pilzkopf als Beatlesdouble durchgehen. Ganz hinten war das Schlagzeug aufgebaut, der tätowierte Trommler nahm dahinter Platz. Die Anspannung war den Vieren ins Gesicht geschrieben.

Wir stellten uns vor ihnen auf. Der Schlagzeuger schlug dreimal die Sticks zusammen. Dann legten sie los.

Ich kannte das Gitarrenintro, konnte es aber nicht gleich zuordnen. Unzählige Male hatte ich die Melodie im Autoradio gehört. Ich war überrascht, wie gut sie der Junge in der Mitte nachspielte. Und als der mehrstimmige Gesang einsetzte, erkannte ich das Stück sofort. Sie spielten California Dreamin‘ von The Mamas and the Papas. Und das richtig gut.