Die Franz Eberhofer-Reihe - Rita Falk - E-Book
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Die Franz Eberhofer-Reihe E-Book

Rita Falk

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Beschreibung

Franz Eberhofer ermittelt dreimal! Diese Ausgabe enthält folgende Einzeltitel: Winterkartoffelknödel, Dampfnudelblues, Schweinskopf al dente Winterkartoffelknödel: Nachdem der Eberhofer Franz seinen Dienst bei der Münchner Polizei quittieren musste und in sein niederbayerisches Heimatdorf Niederkaltenkirchen strafversetzt wurde, schiebt er eine ruhige Kugel. Seine Streifegänge führen ihn immer zum Wolfi auf ein Bier oder an den Küchentisch seiner stocktauben Großmutter. Sehr erholsam, bei all dem Zoff mit einem hanfanbauenden Vater (Alt-68er), der ihn mit Beatles-Dauerbeschallung noch in den Wahnsinn treibt. Aber manchmal muss der Eberhofer Franz auch in ziemlich grausigen Todesfällen ermitteln. So wie bei seinem ersten Fall: Da ist diese Geschichte mit den Neuhofers, die an den komischsten Dingen sterben. Mutter Neuhofer: erhängt im Wald. Vater Neuhofer (Elektromeister): Stromschlag. Jetzt ist da nur noch der Hans. Und wer weiß, was dem bevorsteht ... Dampfnudelblues: Gerade läuft's für den Eberhofer Franz mit der Susi einwandfrei, sein heimischer Saustall ist so gut wie fertig eingerichtet, da überschlagen sich die Ereignisse in Niederkaltenkirchen: »Stirb, du Sau!« hat jemand mit roter Farbe an Realschulrektor Höpfls Eigenheim geschmiert, und kurz drauf liegt er auch noch tot auf den Gleisen! Selbstmord? Mord? Mal wieder Stress pur für den Franz … Schweinskopf al dente: Ein blutiger Schweinskopf im Bett von Richter Moratschek führt Franz Eberhofer auf die Spur eines gefährlichen Psychopathen. Hannibal Lecter ist ein Dreck gegen Dr. Küstner, der in Niederkaltenkirchen sein Unwesen treibt. »Ekelhafte Sache, das mit dem Schweinskopf im Bett vom Richter Moratschek. "Es ist der Pate", sagt der Moratschek und erschreckt mich zu Tode. "Welcher Pate?", frag ich den Moratschek. "Na, der vom Fernsehen halt. Der mit dem Corleone, dem Marlon Brando, wissen`S schon." "Das war aber ein Pferdekopf." "Pferdekopf … Schweinskopf … was spielt denn das für eine Rolle. Jedenfalls ist es grauenvoll." "Besonders für die Sau."« Auszug aus ›Schweinskopf al dente‹

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Seitenzahl: 840

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Über das Buch

Winterkartoffelknödel

Servus, Franz!

Der erste Fall für den Franz Eberhofer, Dorfpolizist in Niederkaltenkirchen, ist ein ganz bizarrer: Da ist diese Geschichte mit den Neuhofers. Die sterben ja an den komischsten Dingen. Mutter Neuhofer: erhängt im Wald. Vater Neuhofer (Elektromeister): Stromschlag. Jetzt ist da nur noch der Hans. Und wer weiß, was dem noch bevorsteht …

 

 

Dampfnudelblues

Stirb, du Sau!

So prangt es in roter Farbe an Realschullehrer Höpfls Haus und kurz darauf liegt der Mann tot auf den Gleisen! Gut, der Höpfl war immer schon ein Arsch – aber muss er darum erst verschwinden und sich dann auch noch auf die Schienen legen? War’s Selbstmord? Mord? Mal wieder Stress pur für den Eberhofer Franz …

 

 

Schweinskopf al dente

Es ist angerichtet …

Ekelhafte Sache, das mit dem Schweinskopf im Bett vom Richter Moratschek. Doch dieser Schweinskopf führt Franz Eberhofer direkt auf die Spur eines gefährlichen Psychopathen. Hannibal Lecter – ein Dreck gegen Dr. Küstner, der in Niederkaltenkirchen sein Unwesen treibt

Rita Falk

Die Franz-Eberhofer-Reihe(3in1-Bundle)

WinterkartoffelknödelDampfnudelbluesSchweinskopf al dente

Drei Provinzkrimis

Winterkartoffelknödel

Ein ProvinzkrimiDer erste Fall für den Eberhofer Franz

Kapitel 1

Ich geh also heute zum Simmerl (Dienstag Schlachttag: Blut- und Leberwürste). Ja, und da ist dann wieder diese Pelzmütze vor der Tür gelegen. Direkt vor der Eingangstür zur Metzgerei liegt eben diese Mütze. Ich weiß gar nicht, ob ich davon schon erzählt hab. Nein, wahrscheinlich nicht. Also: das war am Mittwoch (oder Donnerstag – egal), jedenfalls bin ich wie immer mit dem Ludwig meine Runde gegangen. Wir haben da eins-fünfundzwanzig gebraucht, für eine Eins-siebzehn-Runde, was aber hier keine Rolle spielt. Freilich ist der Ludwig wie immer brav vor mir her getrottet und hat auf einmal was aufgespürt. Ist dann ein paar Schritte voraus, hat was vom Boden aufgehoben und dem Herrle brav vor die Füße gelegt. Das war wie gesagt eine Pelzmütze. Und eine ziemlich kitschige obendrein, weil mit rosa Bändern und Glitzersteinen versehen. Die lag da so vor meinen Füßen und der Ludwig hat mit dem Schwanz gewedelt und sich gefreut. Dann plötzlich schnaufte eine Frau durch den Schnee und ich hab geglaubt, das ist jetzt sicher die Besitzerin von der Mütze und die ist froh, dass wir sie gefunden haben. Das war nicht ganz so. Weil: erstens war sie nicht froh, und zweitens war es keine Mütze. Bei genauerer Betrachtung hab ich dann vermutet, dass es ein Hund war, besser Hündlein, mit einem rosa Geschirr samt Glitzersteinen. Irgendwie hat die Frau (als sie wieder schnaufen konnte) mich angebrüllt, wieso ich mein Riesenmonster nicht besser im Griff hätte. Vermutlich hat sie den Ludwig gemeint. Dann hat sie mich angebrüllt, ob ich weiß, was so ein (der Name der Hunderasse spielt hier keine Rolle) Dingsbums eben kostet und wie empfindlich die sind.

Keine Ahnung.

Die Mütze lag immer noch am Boden und machte keinen Mucks. Wenn ich den Ludwig nicht so gut kennen würde, ich wär mir nicht sicher, ob die Mütze den Transport überlebt hat. Ja, dann hat die Frau das reglose Vieh auf den Arm gehievt, hat das nasse Laub von den Pfoten gezupft und ist wütend davongestampft. Ich hab mich wirklich gefragt, wie eine so zierliche Person so dermaßen stampfen kann. Aber gut.

Wie gesagt, dieser Zwischenfall hat uns unsere Bestzeit um acht Minuten überschreiten lassen, und das ist halt ärgerlich. Hab die Frau übrigens davor noch nie gesehen. Erst hab ich gedacht, das ist so ein Tagestourist, der will halt mal raus aus der Stadt und der kleinen Töle zeigen, dass man nicht nur an Laternenmasten schiffen kann. Aber nein, es muss wohl ein längerer Aufenthalt sein, weil eben heute die Mütze vor der Metzgerei lag.

 

Und heute ist Dienstag. Jedenfalls geh ich rein zum Simmerl, der sagt: »Servus Franz!«, und reibt sich die blutigen Hände an der Schürze ab. Dann seh ich die Frau wieder, die Besitzerin von der Mütze eben, und die tut so, als ob sie mich nicht bemerkt.

»Ist denn das Fleisch auch alles frisch?«, fragt sie den Simmerl. Der langt ihr eine Schweinshaxe über den Tresen und sagt: »Schauns’, Frau, wenns’ herlangen, dann könnens’ den Puls noch fühlen.« Die Frau schüttelt den Kopf und nimmt ein Paar Wiener. Dann zahlt sie und geht raus. Wie sie wieder reinkommt, sagt sie, ich soll mein Riesenmonster von ihrem Pelz nehmen. Ich schau so durchs Fenster und da liegt der Ludwig am Boden und in seiner Bauchmulde liegt die Mütze. Ich sag: »Ludwig, steh auf!«, und der Ludwig steht auf.

Die Frau nimmt das Vieh auf den Arm und geht weg. Ich frag dann den Simmerl, ob er weiß, wer das ist, und er sagt: »Ja, freilich! Das weiß doch ein jeder. Ich frag mich wirklich manchmal, Franz, wie du eigentlich der Dorfgendarm sein kannst, wennst’ immer der Letzte bist, der wo was erfährt. Blut- und Leberwürstl wie immer?«

»Sind denn die Würstl auch alle frisch?«, frag ich und muss grinsen.

»Frischer geht’s nicht. Die Sau ist erst heut früh an der Blutvergiftung krepiert, kam von der Leberzirrhose.«

»Heut früh sagst? Ja, frischer geht’s wirklich nimmer. Dann drei Stück von jeder, wie immer. Und jetzt erzähl, was du von der Frau weißt.«

Der Simmerl schneidet die Würste ab und packt sie in die Tüte.

»Ja, die. Die hat doch das alte Sonnleitnergut geerbt, hab ich gehört. Von der Tante oder der Großtante, was weiß ich. Die war ja auch schon ein paar Jahre im Pflegeheim davor. Ich kann mich an die Alte nimmer erinnern, du vielleicht?«

Ich schüttele den Kopf. Nein, ich kann mich nicht erinnern, dass überhaupt jemals irgendwer auf dem Sonnleitnergut gewohnt hat. Das ist ja auch kein Ort zum Wohnen. Wir haben uns da ja schon als Kinder in die Hosen geschissen, wenn wir bloß über die Mauer geschaut haben. Dieses alte Gemäuer mitten im Wald. Weit und breit kein Nachbar. Unheimlich. Und jetzt wohnt da so eine zierliche Frau mit einem winzigen Hund (vermute noch immer, dass es ein Hund ist, gesagt hat sie es nicht) in diesem düsteren Kasten. Ich weiß nicht. Könnt mir auch was Schöneres vorstellen. Ja, der Ludwig kriegt dann noch eine Weiße vom Simmerl und dann gehen wir heim.

 

Die Oma macht uns die Blut- und Leberwürste mit Kraut und Kartoffelstampf und der Papa frisst wie ein Schleuderaffe. Hinterher braucht er ein Schnapserl für den Magen und zieht sich wieder die Beatles rein. Ziemlich laut. Und ich bin froh, dass die Oma schon taub ist und sich nicht jeden Abend den gleichen Scheißdreck anhören muss. Ich geh dann mit dem Ludwig die Runde (eins-zwanzig, ich glaub, die Würstl waren zu schwer im Magen) und danach schau ich noch auf ein Bier oder zwei zum Wolfi rein. Das ist schön.

 

Wie ich daheim zur Tür reinkomm, fall ich zuerst einmal über einen Zementsack. Das ist scheiße, weil jetzt mein Knie aufgeschlagen ist. Wenn ich nicht bald mal Gas geb, wird der Saustall immer ein Saustall bleiben und ich muss wieder rüberziehen ins Haus. Das will ich aber auf gar keinen Fall! Schon allein wegen den Beatles. Also muss ich mich jetzt mal zusammenreißen und mit dem blöden Umbau weitermachen. Weil, wenn der nämlich einmal abgeschlossen ist, dann ist das ein Wohnkomfort vom Allerfeinsten: 50-cm-Außenwände, Rundbogenfenster, Deckengewölbe, Offenes Wohnen mit über hundert Jahre alten Stützbalken und ebenso alten Kalksteinkacheln. Jeder Architekt würde in Zuckungen geraten. Vor den Wohnluxus jedoch hat der liebe Gott die Arbeit gestellt. Und die Materialkosten. Und den Obi.

 

Der Ludwig haut sich dann auf den Zementsack und schon schnarcht er. Ich stell mir den Heizstrahler an, leg mich aufs Kanapee und schlaf ein. Aufwachen tu ich dann schweißgebadet, wie immer. Weil es auf dem Kanapee ungefähr fünfzig Grad hat und im restlichen Saustall ist es knapp über dem Gefrierpunkt, wie immer. Die Drähte vom Heizstrahler sind blau und nicht mehr gelb oder orange, und wie ich den Stecker rauszieh, sprüht’s überall Funken. Nein, ich muss mit dem Umbau jetzt weitermachen, so hat das alles keinen Zweck mehr. Wenn’s in der Arbeit ruhig zugeht, was aller Voraussicht und Erfahrung nach so ist, dann pack ich’s jetzt an.

 

Am nächsten Nachmittag fahr ich die Oma zum Aldi, weil der den Zucker im Angebot hat. Die Oma kauft zwanzig Kilogramm und eine Bluejeans, weil die auch im Angebot ist.

»Der Papa braucht ganz dringend eine neue, weil ich es satt hab, den löchrigen Fetzen, den er am Leib trägt, jede Woche zu flicken«, sagt sie. Sie hört halt nicht, was sie sagt, drum ist es ziemlich laut und die anderen Einkäufer schauen alle her. Wir gehen dann an die Kasse und die Oma fragt die Frau dort: »Ist das schon eine gescheite Qualität, die Bluejeans?« Die Kassiererin sagt, einwandfrei, sie hat selber zwei, und die Oma kann sie nicht hören. Ich halte dann den Daumen so nach oben und die Oma kapiert’s.

 

Auf dem Heimweg halt ich noch beim Obi an wegen Schrauben und Dübeln und ein paar Dämmplatten. Die Oma will nicht mit rein, weil ihr die Hühneraugen wehtun, sagt sie, und so bleibt sie halt im Auto sitzen.

Leider find ich keinen von diesen singenden, wahnsinnig geschickten, schlauen und flinken Verkäufern. Wobei das nicht ganz stimmt. Flink sind sie eigentlich schon, weil: immer, wenn ich einen entdecke – schwups – ist er auch schon wieder weg. Vermutlich zur Singstunde. Na, jedenfalls hab ich dann irgendwann mein Zeug zusammen und geh so zum Auto. Freilich hab ich, weil ja die Oma sitzen geblieben ist, den Autoschlüssel stecken lassen. Und das ist scheiße, wie sich jetzt rausstellt. Die Oma ist nämlich eingeschlafen und die Türen sind zu wegen Zentralverriegelung. Wahrscheinlich hat sie abgesperrt, damit sie nicht geklaut wird. Ja, und wenn man die Oma kennt, weiß man, da hilft kein Klopfen oder Rufen. Da hilft nur Warten. So renn ich mit dem Einkaufswagen immer um das Auto rum, wegen der Kälte. Zu weit weg will ich mich nicht entfernen (hätte ja derweil einen Kaffee trinken können in dem Bistro vom Obi – aber nein), weil: es hätte ja sein können, dass die Oma kurz aufwacht und dann bin ich beim Kaffeetrinken. Also lauf ich zweieinhalb Stunden um das Auto rum. Einmal kommt der Hausdetektiv und fragt, ob er mir helfen kann. Ich zeig ihm meinen Dienstausweis und sag, ich arbeite undercover. Er meint, dass ich nicht sehr unauffällig agiere. Und ich empfehle ihm, er soll sich jetzt lieber schleichen, weil er nämlich der Einzige wär, der grad auffällt.

Ja, und dann wacht die Oma irgendwann auf und öffnet die Tür. Es ist jetzt draußen schon stockmauernfinster und sie brüllt mich an: »Was in Dreiherrgottsnamen hast du jetzt da so lang drin gemacht?«

Jesus Christus!

Der Papa sagt hernach, die Jeans ist scheiße und sie soll sie zurückbringen und lieber noch mal zwanzig Kilogramm Zucker holen.

 

Später ruf ich dann den Flötzinger an und der meldet sich mit: »Gas, Wasser, Heizung Flötzinger.«

»Servus Flötzinger«, sag ich. »Nächste Woche kannst bei mir mit der Heizung anfangen. Bis dahin wär ich dann so weit, dass es halt passt.«

»Du kannst mich am Arsch lecken«, sagt er. »Ich hab nämlich jetzt vierzehn Wochen lang auf deinen Scheißauftrag gewartet. Und jetzt hab ich was anderes. Einen Riesenauftrag hab ich jetzt. Und das kann dauern.«

Danach treffen wir uns beim Wolfi und da erzählt er mir, dass er jetzt am Sonnleitnergut Gas, Wasser und Heizung macht.

»Die Auftraggeberin ist eine echte Sahneschnitte«, schwärmt er mir her. »Eine gewisse Dechampes. Dechampes-Sonnleitner, soviel ich weiß. Sagt dir das was?«

»Dechampes? Nein, nie gehört.«

»Ja, die Mutter glaub ich hat einen Franzosen geheiratet, oder so.«

»Aha.«

»Ja, und von der hab ich jetzt einen Auftrag. Einen dringenden. Und das passt jetzt ganz einwandfrei, weil nämlich mein Weib mitsamt den Kindern über die Weihnachtsferien zu den Schwiegereltern nach England fährt. Und dann«, sagt er, »wenn die Mary mit dem Ignatz-Fynn und der Clara-Jane erst mal weg ist, könnte man ja anfangen, am Sonnleitnergut das eine oder andere Rohr zu verlegen.«

Ja, mir hilft das aber auch nicht weiter, weil’s mir nix nützt, wenn der Flötzinger am Sonnleitnergut Rohre verlegt.

 

Ich komm dann ziemlich spät heim und schlaf gleich auf dem Kanapee ein, obwohl der Papa wieder die Beatles hört (›Michelle‹). Um Viertel nach drei wach ich auf und der Papa hört immer noch Beatles. Ich geh dann mit meiner Dienstwaffe ins Haus rüber und schieß ein paarmal auf den Plattenspieler. Aus ist es mit der Michelle und tausend schwarze Scherben fliegen durchs Zimmer. Paul und George und Ringo und John sind jetzt still. Ich puste den Rauch von meiner Pistole und leg mich wieder aufs Kanapee. Kurz bevor ich einschlaf: ›Let it be‹. Offenbar funktioniert der Kassettenrecorder noch.

Mark David Chapman hat den John Lennon erschossen – Gott hab ihn selig. Sein Vater muss ein Beatlesfan gewesen sein.

 

Weihnachten. Heilig Abend wie immer: Kartoffelsalat und Würstl, Weihnachtsschallplatte von den Regensburger Domspatzen, Mitternacht Christmette mit der Oma. Wir schlafen wieder alle zwei ein und am Schluss weckt uns der Pfarrer, bevor er zusperrt. Das macht er jetzt seit drei Jahren. Weil: damals hat er uns nämlich vergessen in der Kirche und wie wir aufgewacht sind, haben wir mitten in der Nacht das halbe Dorf raustrommeln müssen anhand der Kirchentür.

 

Am ersten Feiertag kommt dann der Leopold mit seiner rumänischen Roxana und die Oma brät uns ein Ganserl. Der Papa freut sich und der Leopold tut auch so, als würd er sich freuen, die alte Schleimsau. Die Roxana redet beim Essen wieder kein Wort, zumindest nicht mit uns anderen, zum Leopold sagt sie einmal: »Läobold, kannst du Salz gäben?«, und Läobold gibt Salz. Sonst sagt sie nix. Sie richtet ein paarmal über den Tisch hinweg ihre rehbraunen Augen auf mich und klemmt eine dauergewellte Haarsträhne hinters Ohr. Irgendwann hab ich dann ihren strumpfsockigen Fuß auf meinem Gemächt, dass es mir die Augen rausdrückt. Ich muss husten und der Semmelknödel hüpft in meiner Kehle rauf und runter, rauf und runter … Wie ich aufsteh, hängt ein lila Faden von ihrem Strumpf an meinem Reißverschluss und sie hat eine fette Laufmasche. Und obwohl die Oma später brüllt: »Schau Bub, du hast da einen lila Faden an deinem Hosenstall«, und noch später: »Schau Roxana, du hast da ein Trumm Laufmasche in deiner Strumpfhose«, merkt keiner was. Nach dem Essen macht die Oma die Küche und ich frag den Leopold, ob seine Roxana dabei nicht helfen kann. Der Leopold sagt: »Sie muss das nicht, wenn sie nicht mag.«

Und offensichtlich mag sie nicht. Stattdessen schaut sie eine Frauenzeitschrift an, mit unglaublich dürren Weibern und unglaublich hässlichen Frisuren. Ich helf der Oma dann in der Küche, und der Papa und der Leopold reden derweil über die Buchhandlung.

 

Danach gibt’s Kaffee und einen Stollen von der Oma, und die Rosinen darin waren vorher monatelang im Vogelbeerschnaps geschwommen. Der Leopold hat ein Geschenk für die Oma und den Papa dabei, für mich keins, wie jedes Jahr. Die Oma kriegt eine neue Schürze mitsamt Topflappen, wie jedes Jahr. Und der Papa einen brandneuen Beatlesbildband mit ungefähr einer Million bisher unveröffentlichten Hochglanzfotos. Der Papa umarmt den Leopold mit Tränen in den Augen und der Leopold präsentiert mir papa-hinterrücks den Mittelfinger. Dann sagt er: »Lass uns doch zum Kaffee ein bisschen Beatles hören, Papa. Na, was meinst?«

Ich krieg gleich das Kotzen. Dann müssen wir bei Kaffee und Stollen und Beatles dem Leopold zuschauen, wie er auf der Couch sitzt mit dem Arm um die Roxana und der Hand auf ihrem Busen. Und wir müssen zuhören, wie er von seiner blöden Buchhandlung erzählt. Von irgendwelchen Schriftstellern, die mordswichtig sind und bei ihm ein- und ausgehen. Und von irgendwelchen Bestsellern, die seine Kasse ordentlich klingeln lassen.

»Sag einmal, Franz, wann hast du eigentlich das letzte Mal ein wirklich gutes Buch gelesen? Also, ›Fix und Foxi‹ nicht mitgerechnet?«, fragt er mich plötzlich mit provokantem Unterton.

»›Asterix und Obelix‹?«, frag ich zurück.

Er schüttelt den Kopf.

Verdammt!

»Lassen wir das«, sagt der Papa.

»Ja, jeder tut, was er kann, nicht wahr?«, sagt der Leopold. Und dass seine Roxana überhaupt nix mehr tun muss, sagt er. Weil die schon genug mitgemacht hat. So nach dem Motto: in Rumänien hat sie gelitten, jetzt lebt sie gut – dank ihrer Titten. Der Papa ist so stolz auf ihn und die Oma kann Gott sei Dank nichts davon hören.

 

Nach einer Weile fragt mich der Leopold, was denn bei mir so läuft. So jobmäßig.

»Gibt’s denn da überhaupt was zu tun in dem Kaff? Weil: so viel Verbrechen wird’s ja da nicht geben, oder?«

Dabei grinst er dümmlich und knetet den Busen von Miss Romania.

Er hasst mich, seit ich auf der Welt bin. Weil ich nämlich Schuld hab am Tod von der Mama, sagt er. Weil die halt gleich nach meiner Geburt gestorben ist. Irgendwie haben unsere Blutgruppen und Rhesusfaktoren nicht zusammengepasst, was weiß ich. Jedenfalls ist sie gestorben und ich bin schuld. Ich hab noch in die Windeln geschissen, da hat er mir schon gesagt, dass ich ein Versager bin. Er hat gesagt, mein ganzes Leben wär ein einziger Fehler und den ersten hätt ich schon bei der Geburt gemacht. Weil ich noch nicht mal auf die Welt kommen kann wie ein anständiger Mensch, hat er gesagt. Der Leopold ist halt ein Arschloch. Aber das hab ich erst viel später begriffen. Und es ist traurig, wenn man das über seinen Bruder sagen muss. Aber so ist es halt. Er ist ein mieser Langweiler mit dem Hang zum Hinterfotzigen. Drum ist ihm auch seine erste Frau davon. Und jetzt hat er die kleine Rumänenschlampe am Hals, die mir schon bei ihrer eigenen Hochzeitsfeier an die Hose wollte. Und ich möchte wirklich gern wissen, ob er die aus dem Puff oder aus der Zeitung hat. Er sagt ja, er hätt sie in der Buchhandlung kennengelernt. Was die wohl für ein Buch gekauft hat? Vermutlich so was wie ›Wie angele ich mir einen Buchhändler mit viel Geld und wenig Hirn‹, oder ›Raus aus dem Puff und rein in den Muff‹, oder höchstens noch ›Tausendundeine Idee für künstliche Fingernägel‹. Jedenfalls liebt der Läobold die Rumänen-Roxy und sie verarscht ihn halt. Was wiederum ein eher feiner Zug an ihr ist.

 

Dann, wo die Oma ins Bett geht, hören wir im Bayerischen Rundfunk die ›Heilige Nacht‹ vom Ludwig Thoma an. Die Roxana nicht, sie hat derweil einen Kopfhörer auf und feilt sich die künstlichen Nägel. Sie schaut eben lieber Fernsehen. Am liebsten Sendungen, wo frustrierte Ehefrauen kreuzdummer Männer vertauscht werden oder wo ein Zwitterding zwischen Klosterfrau und Sado-Maso-Domina irgendwelchen Kindern von Gratlerfamilien auf der stillen Treppe Zucht und Ordnung beibringt. Sozialpornos halt. Jedenfalls kann ich dann beim Radiohören den Leopold ganz exakt beobachten. Und er macht praktisch alles genauso wie der Papa. Wenn der Papa beim Zuhören lächelt, huscht auch dem Leopold ein Grinser übers Maul. Wenn der Papa glasige Augen kriegt, von all der Wehmut, quetscht sich auch der Leopold ein Tränlein aus dem Winkel. Er ist eine Schleimsau sondergleichen.

Kapitel 2

Kurz vorm Schluss vom Thoma läutet das Telefon. Und zwar das dienstliche. Ich merk’s gleich gar nicht, weil’s halt nicht so oft läutet und schon gar nicht in der Nacht. Genau genommen hat es in der Nacht zuletzt im April geläutet, so kurz nach drei. Es war der Simmerl, der damals angerufen hat. Weil er halt mit einem Riesenrausch im Gesicht mit seinem BMW samt Sauhänger in die Telefonzelle am Rathaus gefahren ist und hernach behauptet hat, die ist da noch nie gestanden. Die steht da schon seit der Erfindung der Telefonzellen, aber scheiß drauf. Der Simmerl hat hinterher eine neue bezahlt und die war dann nicht mehr gelb, sondern rosa. Ja, das war jedenfalls der letzte nächtliche Einsatz für mich. Und da ist es dann schon ziemlich ärgerlich, wenn’s das ganze Jahr über ruhig ist, und grad an Weihnachten, wennst’ so zwei, drei Glaserl Glühwein intus hast, läutet das blöde Teil. Andererseits ist es dann schon wieder ziemlich gut, weil: da schaut er jetzt nämlich blöd, der Leopold.

»Ja«, sag ich so. »Das ist halt ein verdammter Stress bei der Polizei. Da hast noch nicht einmal in der Weihnachtsnacht deine Ruh.«

 

Dann weck ich den Ludwig auf und wir ziehen los. Die Frau am Telefon (das ist die von neulich, die mit der Mütze, bei der der Flötzinger demnächst Rohre verlegt) hat vom Sonnleitnergut aus angerufen und war ziemlich hysterisch. Sie hat gesagt, es schleicht sich jemand ums Haus und sie hat eine Mordsangst. Und auch das Klärchen. Mir war’s auch nicht grad wohl, weil mir das alte Gut ja schon als Kind gruselig war. Aber wo die da jetzt zu zweit dort sind, denk ich mir, ist es vielleicht nicht gar so schlimm. Und dann haben sie doch auch noch den Hund, wobei der vielleicht nicht so arg hilfreich ist. Aber Hund bleibt Hund. Weil: wenn jemand dem Herrle oder Fraule was tun will, wird ein jeder Hund zur Bestie. Außer vielleicht, der Täter hat eine Weiße dabei. Dann schaut’s eher schlecht aus.

 

Jedenfalls fahren wir dann mitten in der Nacht durch den Wald und kommen schließlich am Gut an, der Ludwig und ich. Und da ist eben diese Frau Dechampes-Sonnleitner im Nachthemd mit der Mütze im Arm und passt uns schon am Gartentürl ab. Sie ist ziemlich verdattert, dass die Polizei, die wo sie gerufen hat, jetzt ich war. Weil: sie hat mich wahrscheinlich für einen Bauernlackel gehalten oder einen Gas-Wasser-Heizungs-Pfuscher, oder was weiß ich. Jedenfalls nicht für einen Bullen, das sagt sie so oder ähnlich. Dann frag ich sie, was genau passiert ist, und ob ich noch mit dem Klärchen reden kann. Weil: ich hab vermutet, das Klärchen ist ein älteres Weiblein, vielleicht die Tante oder Oma oder so. Ich hab das so geglaubt, weil meine eigene Oma immer die Leni war im ganzen Dorf, bis sie dann zu schrumpeln angefangen hat. Wie sie halt älter wird und älter, wird sie halt auch kleiner und schrumpeliger. Vorher Weintraube, später Rosine. Und wie die Oma dann Rosine war, hat sie halt nicht mehr Leni geheißen, sondern Lenerl. Weil auf winzige schrumpelige Menschen so ein -erl ganz gut passt. Hab dann also gemeint, Klärchen war früher eine Klara und da jetzt Rosine, eben nun Klärchen. Es stellt sich aber raus, dass die Mütze Klärchen heißt. Was aber auch passt, weil die auch klein ist und schrumpelig.

Ja, und dann nehm ich erst mal die Personalien auf. Natürlich nicht vom Klärchen, sondern von der Besitzerin davon. Einen Pass hat sie grad nicht zur Hand, was aber wurst ist, weil sie ja sprechen kann: Halbfranzösin, väterlicherseits. Vorname: Mercedes. Mercedes! Benz! Achtundzwanzig Jahre, eins-zweiundsechzig groß, einundfünfzig Kilo. Dunkelbraune Haare, Augenfarbe blau. Sie beantwortet alles einwandfrei.

Erst bei der Frage nach dem Brustumfang wird sie stutzig. Ich mach dann die Taschenlampe an und such im Schnee nach Fußspuren. Werde auch fündig und kann die Abdrücke sofort identifizieren. Weil halt sonst niemand im Dorf solche Quadratlatschen hat wie der Flötzinger. Die Spuren führen von der Einfahrt her auf einen Stapel Brennholz, der an einem Schupfen lehnt und einen perfekten Aufstieg auf denselben ermöglicht. Da kraxele ich dann rauf und hab einen großartigen Blick in das einzige beleuchtete Zimmer. Auf dem Schupfendach neben meinen eigenen Fußspuren: die Quadratlatschen. Ich schau mir das so an, ziemlich lang sogar, weil: will professionellen Eindruck machen. Sie steht da in dem dünnen Fetzen und friert unübersehbar kolossal. Die Mütze liegt wieder in der Bauchmulde vom Ludwig und friert genauso. Irgendwann sag ich dann: »Also, der Kerl ist da oben gestanden und hat Ihnen durchs Fenster geglotzt?«

»Genau da oben«, sagt sie und deutet auf den Schupfen.

»Wie lang ungefähr?«

»Ja, das weiß ich doch nicht. Eine Zeit lang vermutlich. Wie ich ihn dann bemerkt hab, ist er natürlich weg wie nichts.«

»Weg wie nix, also? Und beschreiben könnens’ ihn nicht?«, frag ich, obwohl der Täter längst feststeht.

Sie schüttelt den Kopf.

»Es war doch stockfinster da draußen.«

Pause.

Dann: »Ich hab solche Angst.«

»Da brauchens’ jetzt gar keine Angst haben, Frau, ich kümmere mich drum«, sag ich ziemlich heroisch.

Sie nickt und lächelt. Dankbar.

»Alles klar«, sag ich. »Ich werde die Angelegenheit regeln. Jetzt gehen Sie schön ins Haus, ich werde Sie morgen über den Stand der Ermittlungen informieren.«

Dann fahr ich zum Flötzinger.

 

Schon wie er mir die Tür aufmacht, merk ich, dass etwas nicht stimmt. Ich schrei: »Hände hoch und an die Wand!«, mit der Pistole im Anschlag. Und er nimmt die Hände hoch und geht an die Wand. Irgendwas stimmt hier nicht, da liegt was in der Luft. Genau kann ich nicht sagen, was es ist, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Der Flötzinger steht also wie ein Depp an der Wand und ich muss lachen und geh rein. Er ist barfuß und ich schau mir seine Quadratlatschen an. Kann aber nix Verdächtiges finden, außer vielleicht, dass sie ungepflegt sind. Dazu trägt er einen Trainingsanzug in grün-blau mit drei weißen Streifen und der Aufschrift: Abidas. Dämlich gefälschtes Teil vom Vietnamesenmarkt in Tschechien. Die machen sich jetzt aber auch gar keine Mühe mehr beim Fälschen. Solang es aber Leute gibt, die den Scheißdreck trotzdem kaufen (wie der Flötzinger), können sie sich die Mühe wohl auch sparen.

 

Wir gehen ins Wohnzimmer, da steht ein Mords-Christbaum mit dem Komplettwarenangebot vom Toys»R«Us drunter. Vom Mini-Mähdrescher mit zwölf PS und Viergangschaltung bis zum rosaroten Märchenschloss in XXL. Der Flötzinger schiebt mit dem Fuß ein paar Teile zur Seite, damit wir an die Eckbank kommen. Da setz ich mich nieder und nehm mein Diktiergerät aus der Tasche meiner dienstlichen Lederjacke. Drück auf Start und stell es auf den Tisch.

»Test, Test. Herr Flötzinger, wo waren Sie heute den ganzen Abend?«, frag ich ihn so. Er zeigt mir den Vogel, was mir wiederum wurst ist, weil man das auf dem Diktiergerät nicht sieht.

»Ich hab heute Abend die Mary mitsamt dem Ignatz-Fynn und der Clara-Jane zum Münchner Flughafen gebracht, wegen dem Besuch bei den Schwiegereltern.«

Irgendwie macht das schon Sinn, und trotzdem hab ich ein ungutes Gefühl, das von Sekunde zu Sekunde stärker wird. Ich überleg grad so, ob ich meine Waffe wieder auf ihn richten soll – da – ein Nieser. Und kein normaler, so – hatschi – nein, ich glaub, meine Nasenflügel verlassen für immer mein Gesicht. Der Flötzinger steht auf.

»Wo willst du jetzt hin?«, schrei ich ihn an.

»Ein Tempo holen, weil ich keinen Bock hab, dass hier überall deine Rotzpoppeln rumfliegen!«

Er geht und holt ein Tempo.

Mir tränen die Augen und ich reib sie mit dem Tempo. Leider nur von außen, weil ich ja innen nicht drankomm. Jucken tun sie aber auf der Innenseite. Dann reißt es mich wieder. Aber diesmal nicht einmal oder so, sondern eine wahre Nieskanonade. Ich kann praktisch gar nicht mehr aufhören und wie dann doch, sind meine Augen zugeschwollen bis auf einen winzigen Millimeter.

Mein einziger Gedanke: Tränengas! Mein Gott, der Flötzinger hat Tränengas benutzt! Grad reißt es mich wieder, da springt mich was an. Es ist wie in einem James-Bond-Film, nur, dass der Flötzinger der Bond ist und ich bin der russische Schwachkopf, den er grad fertigmacht. Es ist eine Katze, die mich jetzt anschaut. Auge in Auge, und sie ist aus Angora. Sie macht einen Buckel und setzt so abwechselnd ihre Pfoten auf meine Hose, als wär sie auf einem Stepper.

Womöglich ist es gar kein Tränengas, sondern die Katzenallergie, die ich schon seit immer habe, geht es mir jetzt so durch den Kopf. Und das Letzte, was ich sehe, sind Hunderte feiner fliegender Härchen direkt vor meinem Schädel. Dann sind die Schlitze zu und Dunkelheit für immer. Mit letzter Kraft schubs ich das blöde Vieh von meinem Schoß.

»Seit wann hast du die blöde Katze?«, muss ich jetzt fragen.

»Weihnachtsgeschenk für den Ignatz-Fynn«, sagt er. »Weihnachtsgeschenk für die Clara-Jane liegt noch im Katzenkorb und ist das Geschwisterchen.«

Mir reicht’s! Ich pack das Diktiergerät ein und greif nach der Waffe.

»Bist du allergisch gegen Katzen?«, fragt mich der Flötzinger und mein Finger am Abzug wird nervös.

»Bring mich heim!«, sag ich zwischen zwei Niesern. Der Flötzinger hakt mich unter und führt mich zum Auto. Hilft mir beim Einsteigen und beim Aussteigen und bringt mich ins Haus.

 

Gott sei Dank ist der Papa noch auf und hört die Beatles. Leider ist auch der Leopold noch auf und hört auch die Beatles. Schaut zu, wie mich mein Hauptverdächtiger in die Küche führt und sich dann verabschiedet. Ich setz mich an den Küchentisch und der Papa macht mir einen Kamillenaufguss. Mir ist es, als würd ich über einer Tabascoflasche inhalieren und ich hab das dringende Bedürfnis, meine Augen zu kratzen. Auf der Innenseite. Weil ich aber da, wie gesagt, nicht drankomm, kratz ich sie auf der Außenseite. Sie sind geschwollen und drücken sich aus der Höhle heraus und haben die Größe von Tischtennisbällen.

Wie nix mehr hilft, weckt der Papa die Oma, und die holt aus dem Medizinschrank ein Mittel, das hilft. Das Erste, was ich durch meinen wiedererlangten Schlitz seh, ist das dümmliche Grinsen von der alten Schleimsau.

»Was schaust jetzt da so blöd, ha?«, sag ich relativ aggressiv, weil mir das jetzt gerade noch fehlt. Er sagt irgendwas von »wahnsinnig stressiger Job« und geht dann ins Bett.

Die Oma bringt mich in den Saustall rüber und legt mich aufs Kanapee. Macht den Heizstrahler an und geht raus. Jetzt erst fällt mir auf, dass ich den Ludwig vergessen hab. Der arme Ludwig sitzt noch immer im Streifenwagen, und der steht in der Auffahrt vom Flötzinger. Also wieder raus. Ich geh zu Fuß, notgedrungen, und die frische Luft tut mir gut. Der Ludwig freut sich, wie ich komm. Meine Augen sind wieder so weit offen, dass ich mit dem Auto heimfahren kann. Wie wir dann endlich so vor unserem Heizstrahler hocken, wir zwei, da geht die Tür auf und der Papa kommt rein.

»Der Flötzinger hat angerufen. Jemand hätt grad den Streifenwagen aus seiner Auffahrt geklaut«, sagt er so und geht dann wieder.

 

Am nächsten Tag geht’s mir wieder einwandfrei, meine Augen sind nur noch rot und die Nase auch. Geschwollen ist aber nix mehr. Nach dem Frühstück nehm ich meine Ermittlungen wieder auf, obwohl Feiertag. Fahr zuerst zum Flötzinger, hüte mich aber davor, näher ans Haus zu kommen, von wegen Erfahrungswerte. Nehm also die Flüstertüte und fordere den Flötzinger auf, rauszukommen.

Nix passiert.

Ich geh mit der Tüte ums ganze Haus rum und fordere auf und fordere auf und nix passiert. Die Mooshammer Liesl, wo die Nachbarin ist, schreit aus dem Fenster heraus, was denn los ist. Und ich sag: Nix! Scheinbar keiner daheim. Oder er hat sich verbarrikadiert. Da ich aber aus gesundheitlichen Gründen nicht selber die Tür aufschießen und nachschauen kann, muss ich womöglich Verstärkung anfordern. Vorher aber fahr ich noch zum Opfer. Mal schauen, wie’s ihr geht.

 

Ich fahr also zum Sonnleitnergut, und jetzt wird’s ermittlungstechnisch interessant. Weil nämlich das Auto vom Flötzinger in der Einfahrt steht. Grad will ich wieder zu meiner Flüstertüte greifen, wegen Aufforderung, da geht die Tür auf und Täter und Opfer kommen einträchtig raus. Ich geh hinter dem Streifenwagen in Deckung und greif sicherheitshalber nach meiner Waffe.

Ist aber nicht da!

Siedendheiß fällt mir ein, dass ich sie gestern Nacht, nachdem mich der Flötzinger heimgebracht hat, neben der Inhalationsschüssel auf dem Küchentisch liegen hab lassen. Na bravo! Ich lauer da also so unbewaffnet hinter dem Streifenwagen, und der Ludwig schaut mich durchs Fenster ganz mitleidig an. Es ist mir zuwider, dass er sein Herrle so sehen muss. Jetzt haben die zwei mein Auto entdeckt und der Flötzinger schreit: »Na, Franz, kannst schon wieder rausschauen aus deinen Augen, oder soll ich dich führen?«

Und dann zur Frau Dechampes-Sonnleitner, alias Benz: »Dem sind die Augen gestern zugeschwollen, mein lieber Scholli, das glaubst nicht. Der verträgt keine Katzen nicht.«

Bin dann aus meiner Deckung raus und auf die zwei zu. Dann erfahr ich, dass sich der Flötzinger das Haus angeschaut hat, wegen Gas, Wasser, Heizung, und dass er morgen mit der Arbeit dort anfängt. Dann Verabschiedung. Die Frau geht ins Haus, der Flötzinger zu seinem Auto.

 

So leicht kommt er mir aber nicht davon. Weil ich nämlich immer noch nicht weiß, warum er gestern Nacht um das Sonnleitnergut rumgeschlichen ist. Ich sag, dass ich jetzt mit dem Ludwig meine Runde dreh, und er soll mitgehen. Weil: zu ihm heim können wir nicht wegen Gesundheit. Zu mir heim können wir nicht wegen Schleimsau, und der Wolfi hat noch nicht auf. Natürlich hab ich im Rathaus auch ein Dienstzimmer. Da können wir aber auch nicht hin, weil da der Bürgermeister seine Weihnachtsverwandtschaft untergebracht hat. Bleibt also nur die freie Natur. Wir wandern los.

 

Wir haben eins-neunzehn gebraucht, was ganz beachtlich ist, wenn man an die Weihnachtsvöllerei denkt. Der Flötzinger hat’s auch gleich zugegeben und meinen Verdacht bestätigt. Hat sozusagen meine untrügliche Spürnase trotz tierhaartechnischer Beeinträchtigung nicht täuschen können. Er war eben gestern, nachdem er seine Familie der Lufthansa übergeben hat, tatsächlich auf dem Sonnleitnergut. Das hat er mir erzählt, und hat dafür eins-fünfzehn gebraucht. Ich mach’s kürzer und zwar so: der Flötzinger hat nämlich sexuelle Defizite, mein lieber Schwan! Weil nämlich sein Eheweib seit der Geburt von der Clara-Jane nichts mehr wissen will von wegen Liebet und mehret euch!

»Weil sie die Schnauze voll hat«, sagt er. »Sowohl von Nachwuchs als auch dem dazugehörigen Prozedere. Ich darf sie ja noch nicht einmal mehr anschauen nackig. Höchstens im Flanellnachthemd, wo ich dann aber auch drauf scheiß. Sie ist praktisch geschlechtslos seit der Clara-Jane, als hätt sie ihre Muschi gleich mit der Nachgeburt verloren«, sagt er. Und drum ist er gestern zum Sonnleitnergut. In der Hoffnung, einen Blick auf die Sahneschnitte werfen zu können, am besten nackig.

Da hat er sich aber geschnitten, der Flötzinger. Wegen der Saukälte im Haus von der Frau Benz. Weil halt keine Heizung drin ist, sondern nur ein alter Kachelofen und der zieht nicht richtig. Ich persönlich vermute ja, dass sie einfach zu dämlich zum Anfackeln ist. Aber wurst, ist jedenfalls kalt. Drum ist halt die Sahneschnitte jetzt ebenfalls im Flanell dagehockt, und die ganze Freude war dahin.

»Das war alles«, sagt er. Und nun wird er sich beeilen, dort die Heizung einzubauen, wegen der Hoffnung auf Sahneschnitte ohne Flanell. Der Flötzinger ist ein Spanner und das sag ich ihm auch.

»Das ist eine Straftat nach Paragraph 201a Strafgesetzbuch. Kann bis zu einem Jahr Gefängnis machen, und ich muss das jetzt melden, mein Freund.«

»Du hast doch gar keine Beweise. Und die Spuren im Schnee von gestern sind doch schon längst alle unkenntlich.«

»Ja, da steht halt Aussage gegen Aussage, und der Richter wird dann schon wissen, wem er was glaubt oder nicht«, sag ich so. Da schaut er jetzt aber blöd, der Gas-Wasser-Heizungs-Pfuscher. Irgendwie werden wir uns dann insoweit einig, dass ich von der Anzeige abseh und er dafür zuerst bei mir die Heizung macht. Da fängt er morgen dann an.

 

Nachdem der Fall geklärt ist, gehen wir zum Wolfi auf ein Bier. Weil heute Abend nämlich der Leopold samt Roxana abreist. Wegen morgen: Arbeitstag. Und erfahrungsgemäß ein sauguter. Zumal nämlich ein jeder, der ein Geld gekriegt hat vom Christkind, jetzt losrennt und ein Buch kauft. Oder zwei oder drei. Und da heißt es: Ärmel hoch und rein in die Goldgrube! Ja, und weil ich mir das Palaver darüber ersparen will, dann eben lieber zum Wolfi.

 

In der Früh weckt mich dann die Oma und brüllt: »Jetzt steh auf, Franz! Der Flötzinger ist da wegen der Heizung. Und heut fahren wir doch in die Stadt. Und jetzt schick dich, sonst sind die Geschäfte wieder alle zu, eh du deinen Arsch in die Höh kriegst!«

Ja, ich hab der Oma nämlich versprochen, sie nach Landshut zu fahren, wie jedes Jahr. Sie braucht eine neue Winterjacke, sagt sie. Und da wartet man halt bis nach Weihnachten, weil: da ist alles reduziert.

Jetzt ist ja Landshut keine Großstadt, ganz klar. Im Grunde genommen zwei Straßen, eine Altstadt, eine Neustadt. Wobei die Neustadt schon nicht mehr richtig zählt, wenig los da. Aber für die Oma ist so ein Ausflug nach Landshut wie eine Reise zum Mars und völlig aufregend.

Nach dem Frühstück fahren wir also los und zuerst zum K & L. Dann Karstadt. Danach C & A. Aber immer noch keine Jacke. Weil die Oma halt jetzt Rosine ist, sind ihr alle Jacken viel zu groß. Sie schaut eben auch in der kleinsten Größe aus, wie wenn sie aus einem Viermannzelt rausschauen tät. Also wieder zurück zum K & L. Da war davor eine nette Verkäuferin und die hat gesagt, wenn wir nix finden, könnten wir’s ja mal in der Abteilung für Teenager versuchen. Weil die halt schmäler geschnitten sind und so. Und da hätten sie auch ganz dezente Teile, wo man gar nicht sieht, dass die für junge Leute sind.

Also wieder rein und nach der Verkäuferin gesucht. Die hat aber grad jemand anderen zu bedienen, und ich sag zur Oma, dass ich derweil bei den Herren schau.

Ich finde zwei karierte Hemden und einen grauen Pulli mit V-Ausschnitt. Alles reduziert. Irgendwann hör ich die Oma schreien: »Ja, wie viel hat die denn vorher gekostet?«

Sie steht an der Kasse und schreit die Frau dort an. Die zeigt ihr das Etikett mit den Preisen und die Oma ist zufrieden. Ich zahl dann auch meine Teile und danach gehen wir zum Kaffeetrinken. Eine Schwarzwälder und ein Haferl Milchkaffee, wie jedes Jahr.

Die Bedienung ist ungefähr der Jahrgang von der Oma und arbeitet dort seit hundert Jahren. Am Nebentisch ist ein Damenkränzchen und alle begrüßen sich mit Bussi, Bussi. Jedes Mal, wenn eine Neue dazukommt und gebusselt wird, sagt die Oma: »Ja, pfui Deife!«, ziemlich laut, versteht sich. Dann fahren wir heim. Die Oma packt die Jacke aus und schlüpft hinein. Sie passt wie angegossen, ist schwarz und auf der Rückseite steht in orangenen Buchstaben »Big girls have more fun!«.

Jesus Christus!

Aber die Oma kann ja kein Englisch.

Kapitel 3

Neuer Einsatz heute früh, auf der Baustelle Neuhofer. Straße absperren. Dazu muss ich kurz was erklären. Also, die Neuhoferbrüder haben ein Einfamilienhaus geerbt von den Eltern, und das war halt blöd. Weil ein jeder von den Zweien gern einmal eine eigene Familie gehabt hätte, sodass man schon besser ein Zweifamilienhaus gebraucht hätte.

Gesagt – getan.

Dachstuhl runter und neues Stockwerk drauf, eigentlich ganz simpel. Jetzt haben die aber den Container für den Abbruch nur auf der Gartenseite aufstellen können, weil auf der anderen Seite: Hauptstraße. Verbindungsstraße mordswichtig, sommers wie winters, rund um die Uhr, praktisch immer. Also keine Chance, drum Gartenseite. Irgendwann war der Container dann halt voll und musste entleert werden. Kein Problem, da kommt ein Kran und hievt das Teil direkt übers Haus auf die Straße, fertig. Soweit theoretisch.

Praktisch war es dann so, dass wohl die Verbindung zwischen Kran und Container nicht richtig verankert war. Unten steht der ältere der Neuhoferbrüder und – platsch –, weg war er. Flach wie ein Pfannkuchen. Oder Palatschinken, wie die Tschechen sagen. Palatschinken mit Eis und Sahne, obendrauf ein Spritzer Himbeersoße, besser geht’s nicht. Da lass ich schon mal einen Schweinshaxen stehen, für einen Palatschinken. Und die Tschechen machen den so hauchdünn, da könnt man glatt eine Zeitung durch lesen. Ein Traum! Aber jetzt bin ich abgeschweift. Jedenfalls war der Neuhofer jetzt auch hauchdünn und natürlich tot und meine Aufgabe war es eigentlich nur noch, die Fahrbahn abzusperren und das Gewerbeaufsichtsamt anzurufen. Runterkratzen müssen ihn dann die Feuerwehrler. Ja, und das mit dem Zweifamilienhaus hat sich auch erledigt, Dachstuhl wieder drauf, Beerdigung, fertig.

 

»Keine schöne Leich, oder, Franz?«, fragt mich der Flötzinger drei Tage später beim Leichenschmaus.

»Nein«, sag ich und nehm einen Schluck Bier.

»War er recht zerdatscht, gell?«

»Kann man schon sagen.«

»Wie kriegt man jetzt so was in einen Sarg?«

»Da musst schon die Leichenfläderer fragen. Ich lang so was nicht an.«

»Mich kannst auch fragen«, sagt der Simmerl und schiebt sich ein Stück Fleisch in den Mund.

»Wieso dich?«, will der Flötzinger wissen.

»Weil ich dir ganz genau beschreiben kann, wie man aus einem Hackfleisch erstklassige Fleischpflanzerl macht. Das ist im Grunde auch nix anderes.«

»Stimmt. Erstklassige Fleischpflanzerl«, sag ich so und muss grinsen. Der Flötzinger grinst nicht, schmeißt seine Serviette in den halb vollen Teller und sucht sich den Weg zum Klo.

»Da ist er jetzt irgendwie empfindlich, gell?«, grinst mir der Simmerl her.

»Irgendwie schon«, sag ich.

Sonst war die Stimmung aber ziemlich gut, wie das halt so ist bei einem Leichenschmaus. Zuerst betretene Gesichter, dann Essen, Schnaps, Kuchen, Schnaps, dann beginnt der gesellige Teil.

Jetzt ist das ja so eine Sache mit den Neuhofers. Weil: die sterben ja an den komischsten Dingen. Die Mutter zum Beispiel. Die Mutter, muss man sagen, war schwer depressiv. Nicht immer, aber am Schluss schon. Eigentlich seitdem ihr Mann tot war. Die hat vor allem Angst gehabt. Pure Panik. Konnte ohne Antidepressiva noch nicht einmal vom ersten Stock runter. Und das hat sich dann so durch den ganzen Tag gezogen. Frisörbesuch: Panikattacke. Straße überqueren: Panikattacke. Wechsel der Jahreszeiten: Panikattacke. Da braucht man sich dann auch nicht wundern, wenn die auf einmal losmarschiert, rauf in den Wald, und sich am nächstbesten Baum erhängt, oder?

 

Und davor der Neuhofervater. Jetzt war der Elektromeister. Da tät man doch meinen, der kennt sich aus. Und dann trifft ihn akkurat beim Einbau vom neuen E-Herd im eigenen Haus der Stromschlag. Jetzt bin ich ja elektronisch gesehen eher ein Depp. Aber das weiß sogar ich: Sicherung raus! Er hat’s wahrscheinlich vergessen. Weil: wennst’ dein Leben lang Sicherung raus, Sicherung rein machst, kann das schon mal passieren. Da ist ihm praktisch die Routine zum Verhängnis geworden. Ja.

Nein, was ich eigentlich sagen wollte, die Neuhofers sterben halt nicht wie normale Leute. Sondern eher ungewöhnlich. Ja, vielleicht sogar dramatisch. Da könnte man schon auf komische Gedanken kommen. Jeder Krimi-Autor würd sich nach so einem Stoff die Finger lecken. Aber Unfall bleibt Unfall, und sei er noch so tragisch. Am Ende ist jetzt nur noch der Hans da. Und wer weiß, was dem noch bevorsteht!

 

Am Abend kocht die Oma ein saueres Lüngerl. Danach hab ich das dringende Bedürfnis, das jetzt runterzuspülen. Ich weiß nicht, ob’s das Lüngerl war oder eher der hauchdünne Neuhofer, jedenfalls geh ich zum Wolfi. Kaum hab ich mein Bier, kommt auch schon der Flötzinger, weil’s ihm halt schon fad ist daheim, so ohne Familie. Kaum hat der sein Bier, geht die Tür auf und die Frau Benz kommt rein, mitsamt der Mütze. Der Ludwig freut sich und die Mütze auch. Die Frau Benz eher nicht, die schreit nämlich den Flötzinger an. Warum er nicht, wie vereinbart, gekommen ist wegen der Heizung. Sie sagt, es ist saukalt und sie erfriert, wenn er jetzt nicht bald kommt. Ich frag sie, ob ich ihr meinen Heizstrahler leihen soll, aber sie mag nicht.

Der Flötzinger sagt, sie soll sich beruhigen und erst einmal was trinken. Und das war dann ein Gezeter, das glaubt man nicht! Weil sie nämlich einen Chardonnay will.

Und der Wolfi sagt: »Hab ich nicht!«

Der Benz ist fassungslos.

»Dann nehm ich eben einen Prosecco«, sagt sie.

Der Wolfi: »Prosecco hab ich auch nicht.«

Sie gibt nicht auf: »Ein Glas Rotwein vielleicht?«

Der Wolfi, sichtlich erleichtert: »Ah, da hab ich einen guten Lambrusco.«

Die Frau, jetzt schon ziemlich verzweifelt: »Lambrusco ist doch kein Rotwein. Jedenfalls nicht im klassischen Sinn.«

Im klassischen Sinn!

Der Flötzinger: »Doch, doch. Einen Lambrusco trink ich immer am Gardasee, weil da das Bier so teuer ist. Der ist nicht schlecht.«

Die Frau schaut den Flötzinger an, als würden Regenwürmer aus seinem Mund kommen. Dann schaut sie sich die Schnapsflaschen an, im Regal hinter dem Tresen, und bestellt einen Asbach-Cola mit Eis.

Eis hat der Wolfi nicht, gibt es aber nicht zu. Geht raus und schlägt von den Eiszapfen an der Dachrinne ein paar Stücke ab und fertig.

Irgendwie macht die Frau einen wirklich unplatzierten Eindruck hier. Wirkt ja praktisch wie ein Porzellan im Elefantenladen.

 

Später kommt dann die Sprache wieder auf die blöde Heizung. Der Flötzinger hat natürlich ein schlechtes Gewissen, weil er ja zuerst meinen Auftrag fertig machen muss, sonst Knast. Aber er verspricht ihr, dass er trotz großer Auftragslage am Montag bei ihr anfängt. Ich sag, dass er jetzt, wo der Neuhofer-Auftrag geplatzt ist, doch sowieso ein Loch hat. Und der Flötzinger sagt, dass er überhaupt keinen Auftrag vom Neuhofer gehabt hat. Das find ich komisch, weil man hier bei uns im Dorf immer die einheimischen Handwerker nimmt. Andererseits ist das nicht mein Problem, und die Frau freut sich sowieso, wenn sie jetzt nicht mehr frieren muss.

 

Dann kommt der Simmerl. Er hat zwar keine Schürze um, aber sein Metzgerhemd ist blutverschmiert. Das ist dem Simmerl aber wurst. Er bestellt ein Bier und eine Runde Kümmerling. Die Frau schaut ihn recht angewidert an und ich weiß nicht, ob es am Kümmerling liegt oder an dem blutverschmierten Hemd.

Nach ein paar Kümmerling ist die Situation dann deutlich entspannter und die Frau trinkt mit uns Brüderschaft. Der Flötzinger sagt, dass sie gar nicht ausschaut wie ein Mercedes, sondern vielmehr wie ein Ferrari.

Das freut sie. Sie bestellt eine Runde Kümmerling. Überhaupt baggert der Flötzinger so was von auffallend, da fällt dir nix mehr ein. Wenn seine Mary das jetzt sehen könnte, die würd sich den Flanell vom Leib reißen.

 

Zu späterer Stunde tanzt der Ferrari zur Marianne Rosenberg an der Schulter vom Simmerl, direkt auf den Blutflecken. Da schaut er jetzt aber blöd, der Heizungs-Pfuscher.

Kapitel 4

Ein paar Tage später, ich fahr grad mit der Oma zum Aldi, weil der jetzt Sauerkirschen und Damenbinden im Angebot hat. Ich frag mich, zwecks was die Oma denn Damenbinden braucht. Wahrscheinlich ist sie nicht mehr ganz dicht. Aber wurst. Jedenfalls fahren wir eben zum Aldi und direkt am Neuhoferhaus vorbei. Da hängt ein Riesenschild am Haus, wo draufsteht: Hier entsteht in Kürze eine OTM Tankstelle.

Da frag ich mich natürlich, wieso da jetzt eine Tankstelle entsteht, wo sich doch die Bewohnerzahl des Neuhoferhauses grad erst optimiert hat. Aber sagen wir einmal so: Das Haus war ja noch nie so der Knaller. Zum Wohnen, mein ich. Weil: mordswichtige Verbindungsstraße vorm Wohnzimmer. Da vibriert nämlich dein Bierkrügerl schon gewaltig vorm Fernseher, wenn dann so die Vierzigtonner vorbeidonnern. Ja, schön ist das nicht. Aber andersrum, für eine Tankstelle natürlich der perfekte Platz. Genau zwischen Niederkaltenkirchen und Landshut, außerhalb einer geschlossenen Ortschaft. Traumstandort, wenn man so will. Aber schnell ist das jetzt schon gegangen. Wenn ich denk, dass der Bruder ja vor einer Woche noch alles andere als hauchdünn war.

 

Silvester. Fondue mit dem Papa und der Oma.

Bleigießen.

Jetzt gießt die Oma schon seit Jahren immer einen Penis. Weil sie halt das Blei so dermaßen langsam ins Wasser laufen lässt, dass da nix anderes dabei rauskommen kann. Also gießt die Oma wieder ihren Penis, der Papa so was wie einen Igel, wobei er behauptet, es schaut aus wie eine Krone. In der Symbolbeschreibung heißt es, die Krone bedeutet Sieger. Der Igel bedeutet was anderes. So mehr das Gegenteil. Er sagt, es ist eine Krone. Mein Blei schaut aus wie ein Hut, und ein Hut kommt überhaupt nicht vor in der Beschreibung. Um zwölf gibt’s ein Glaserl Sekt und dann geht die Oma ins Bett. Der Papa hat noch eine Verabredung mit vier Jungs aus Liverpool und ich geh zum Wolfi.

Da ist die Stimmung schon gut, und wie ich komm, ist der Flötzinger grad wieder am Baggern beim Ferrari. Sie muss dann aufs Klo und der Flötzinger sagt, er muss ihr jetzt dann mal erklären, dass er sie mag. Dass er sie bumsen will, hat er ihr gleich am Anfang erklärt, sagt er. Das ist jetzt wieder typisch. Weil der Flötzinger immer die Reihenfolge verwechselt. Schon immer. Er macht gewissermaßen erst einen Knoten in den Luftballon und versucht dann, ihn aufzublasen. Unglaublich! Das hat ihm schon immer alle Weibergeschichten versaut.

Drum ist ihm halt dann auch die Mary geblieben. Nicht, dass die jetzt so hässlich wär, dass sie keinen andern abgekriegt hätte. Das nicht. Es war eher so, dass sie einfach nicht verstanden hat, was der Flötzinger so erzählt. Weil sie halt aus England kommt und damals noch kein Deutsch verstanden hat. Wie sie es dann verstanden hat, war sie schon verheiratet. Absprung verpasst, sozusagen.

Der Ferrari kommt vom Klo zurück und der Flötzinger ist nicht mehr ansprechbar.

»Ah, da bist du ja wieder! Ist alles in Ordnung?«, fragt er gleich und schmeißt seinen Arm um ihre zarte Schulter.

»Ich war auf dem Klo. Was sollte da schiefgehen?«, fragt sie zurück, merklich gebeugt von seinem Gewicht.

»Möchtest du tanzen?«

»Nein, zu heiß hier drin.«

»Oder was trinken?« Er wedelt mit dem Bierglas.

»Nein, lass mal, ich hab noch, danke.«

»Oder bumsen?«

Sie schüttelt seinen Arm ab und sucht das Weite. Der Flötzinger versteht die Welt nicht mehr, von den Frauen ganz zu schweigen, und bestellt sich ein Bier.

 

Der Simmerl ist auch da mit seiner Frau, der Gisela. Die Gisela ist eine dicke Metzgersfrau und unheimlich nett. Leider hat sie über der Oberlippe eine Warze und eine große noch dazu. Praktisch nicht so ein Cindy-Crawford-Teil, nein, eher das Modell Endstadium Beulenpest. Was mir wiederum wurst sein könnte, weil sie ja nicht mein Weib ist. Aber ich kann halt nicht mit ihr reden. Das heißt, reden eigentlich schon, ich kann ihr dabei nur nicht in die Augen schauen. Immer auf die Warze. Und später gibt der Simmerl eine Runde aus und sie fragt mich: »Wodka oder Whisky?«

Und ich sag: »Warze!«

Das ist mir jetzt peinlich, mein lieber Schwan! Ihr ist’s überhaupt nicht peinlich, sie sagt: »Nein, mein Freund, die kriegst du nicht. Die behalt ich mir schon selber.«

Ich nehm dann einen Wodka.

Nach einer Weile bringt der Flötzinger den Ferrari heim und mich packt die Neugier. Schnapp mir dann den Ludwig und wir drehen eine Runde um die Häuser, weil ich wissen will, was die zwei so treiben.

Sie treiben gar nix. Der Flötzinger ist daheim, da brennt Licht. Und der Ferrari ist daheim. Das merk ich auch wegen Licht. Also, nix war’s mit der heißen Liebesnacht. Ja, da kann der Flötzinger blasen und blasen. Solang er halt vorher einen Knoten reinmacht, wird das nichts.

 

Wie ich heim komm, ich mag’s schon gar nicht mehr erzählen, hört der Papa wieder die Beatles. Da ich aber jetzt eine Heizung hab, kann ich es mir erlauben, das Fenster aufzureißen. Also Fenster auf, zwei Boxen à 200 Watt aufs Fensterbrett, in Richtung Hof, und dann: Guns’N’Roses auf Höchstleistung.

Ich setz mich aufs Kanapee und der Ludwig kriegt einen Kopfhörer auf. Der kann ja nix dafür.

Es dauert dreißig Sekunden, da stampft der Papa durch den Hof in den Saustall rein. Leider kann ich nicht hören, was er sagt, weil die Musik so laut ist. Sagen tut er aber offensichtlich schon was, zumindest bewegt sich sein Mund. Es dauert eine Zeit, bis es still ist, weil er den Schalter nicht findet. Schließlich zieht er den Stecker raus und dann ist es still. So richtig still eigentlich auch nicht, weil seine Freunde aus Liverpool drüben im Haus noch fröhlich singen.

»Sag einmal, hast jetzt du einen Vogel?«, fragt er mich.

»Nein, aber wennst’ nicht gleich deine Scheißmusik abstellst, werd ich einen kriegen!«, sag ich.

Er geht, stellt ab – und Ruhe ist.

 

Am Neujahrsmorgen das Diensttelefon. Verkehrsunfall mit zwei Pkws. Jetzt ist das so eine Sache, weil der Fahrer von dem weißen Audi über den Mittelstreifen gekommen ist. Nicht viel, aber doch. Das kann jedem mal passieren und ist noch nicht mal ein Kavaliersdelikt. Wenn er aber über den Mittelstreifen kommt und der Gegenverkehr kommt auch über den Mittelstreifen, dann ist es halt blöd. Fahrerseite praktisch völlig im Arsch, vom Außenspiegel nicht zu reden. Ich nehm den Unfall auf und eigentlich wär’s das schon gewesen, weil: jeder Teilschuld. Aber einer der Unfallverursacher war halt jetzt der Neuhofer Hans.

Was weiter auch nicht tragisch ist. Nein, gar nicht. Aber der weiße Audi A 8 ist nagelneu und der Preis ist heiß, sag ich da nur. Ja, aber wo der Neuhofer jetzt Haus und Hof der OTM Tankstelle verkauft hat, dürfte da schon ein Neuwagen erster Klasse rausspringen und sein alter Peugeot-Roller ist Geschichte. Das war jetzt aber auch noch nicht das Ding. Hat er eben ein neues Auto, der Hans. Sei’s ihm vergönnt.

Was mich wirklich stutzig gemacht hat, das waren seine Nerven. Die waren nämlich am flattern, mein lieber Freund! Der war nervös, sag ich dir, der hätte am liebsten beide Schäden bezahlt und mein Jahresgehalt gleich dazu, nur um da wegzukommen. Dr. Kimble auf der Flucht – ein Dreck dagegen.

»Nicht so schnell, Neuhofer. Ich muss die Sache doch erst aufnehmen«, sag ich so.

Und er: »Ja, was willst denn da aufnehmen? Ich bin über den Mittelstreifen gekommen und zahl das jetzt. Fertig!« Nix fertig. Weil das nämlich schon komisch ist.

 

Weil: zuvor nämlich hab ich den Unfallgegner befragt. Das ist eine ältere Frau, käsweiß vom Schreck, und die hat mir gleich gesagt, sie wär über den Mittelstreifen gekommen. Normal ist es in solchen Fällen ja anders. Da behaupten dann beide eher, dass der andere über den Mittelstreifen gekommen ist. Immer der andere. Nie man selber. Auf gar keinen Fall. Aber die Frau hat’s zugegeben und der Neuhofer auch. Zwei grundehrliche Menschen krachen mitten auf der Straße zusammen.

Soweit die Idylle. Aber der Neuhofer versaut am Schluss alles. Weil er halt nur weg will. Alles bezahlen, mitsamt meinem Gehalt und weg. Ja.

»Was bist denn so nervös, Neuhofer?«, muss ich jetzt fragen.

»Ich bin nicht nervös, sondern genervt«, keift er mir her.

»Genervt also. Ja, warum bist denn so genervt?«

»Weil ich eigentlich schon genug Probleme hab. Da brauch ich jetzt nicht noch so einen saublöden Unfall.«

»Ja, wer braucht den schon? War nicht deine Woche, gell? Erst der Bruder. Dann das Auto. Schönes Auto. Neu?«

»Nagelneu«, ein tiefer Seufzer entweicht seiner Kehle.

»Nagelneu also. Hab ich mir gleich gedacht, dass der nagelneu ist – oder war. Jetzt ist er ja mehr gebraucht.«

Er schnauft tief ein und aus, ein bisschen theatralisch für meine Begriffe.

»War’s das jetzt?«

»Ja, das war’s fürs Erste. Du kannst fahren. Aber nur bis zur nächsten Werkstatt, verstanden?«

Er nickt.

Kapitel 5

Am Nachmittag fahr ich dann erst einmal ins Büro und schau mir die Neuhoferunterlagen vom Containerunfall noch mal genauer an. Irgendwas stimmt da nicht. Das hab ich im Gefühl. Nach fast zwanzig Jahren Polizei, da hast du halt ein Gefühl, das ist unglaublich. Untrüglich sozusagen. Und ich war ja nicht immer nur ein Dorfgendarm. Nein, ich war ja fünfzehn Jahre lang praktisch am Nabel der Welt: München PI43, Moosacherstraße. Ja, da war was los, mein Freund! Da kriegst du ein untrügliches Gespür für nervöse Menschen.

 

Versetzt worden bin ich dann vor drei Jahren. Auf ausdrückliches Verlangen vom Polizeipsychologen, dem Herrn Dr. Dr. Spechtl. Ja. Der war früher einmal Hals-Nasen-Ohren-Arzt und hat dann praktisch umgeschult auf Psychologie. Polizeipsychologie genau. Weil er halt die Schnauze voll gehabt hat von Rotzglocken und Polypen. Jedenfalls hat mich der versetzt. An die Heimatfront sozusagen. Das muss ich jetzt vielleicht kurz erklären: Also, der Birkenberger Rudi und ich, wir waren ein erstklassiges Team. Dreamteam, sag ich immer. Wir haben uns verstanden so ohne ein Wort, es hat halt einfach gepasst. Irgendwann haben wir dann öfters einen Pädophilen von Stadelheim zum Gericht fahren müssen. Vier Buben und ein Mädchen gingen auf das Konto von diesem Kinderficker, eine grausige Sache. Das ist sowieso schon eine Zumutung, so einen im Streifenwagen sitzen zu haben. So ein mieses Stück, da musst du dich schon richtig zusammenreißen. Wenn du in den Rückspiegel geschaut hast, hat er dich immer so provokant angegrinst. Da hast du schon die Faust geballt, frag bloß nicht!

Einmal dann sind wir an einer roten Ampel gestanden und über den Fußgängerüberweg ist eine Gruppe Schulkinder gelaufen. Da fängt der Typ hinten das Stöhnen an, das kann man gar nicht erzählen. Provokant bis dorthinaus. Jedenfalls ist der Rudi dann ein wenig von der Route abgewichen und in den Wald gefahren. Und dort hat er ihn dann kastriert. Hat ihm einfach die Eier weggeschossen.

Ja, der Rudi ist dann erstens entlassen und zweitens verhaftet worden. Fünf Jahre wegen schwerer Körperverletzung. Aber das war’s ihm wert, hat er gesagt. Weil er aber im Herzen ein kreuzbraver Mann ist, haben sie ihn entlassen nach zweieinhalb Jahren. Wegen guter Führung.

Und ich hab halt einen Psychologen gekriegt. Den Herrn Dr. Dr. Spechtl. Der hat mich dann hundertmal gefragt, warum ich das nicht verhindert hab, und ich hab ihm hundertmal erklärt, wenn der Rudi nicht geschossen hätte, dann hätt ich es selber gemacht.

Nach diesem Ereignis hab ich dann häufig meine Waffe im Spind vergessen. Der Spechtl sagt, das ist mein Unterbewusstsein. Weil das halt kein Risiko eingehen will, dass ich jetzt womöglich den Nächstbesten kastrier auf der Straße.

 

Und dann, eineinhalb Jahre später, werd ich angeschossen. In die Schulter. Bei einem Banküberfall, wo ich wieder saudummerweise meine Knarre nicht dabei hab. Und jetzt entwickelt sich alles völlig ins Gegenteil. Jetzt nämlich lauf ich ständig mit der Waffe im Anschlag durch München und bin tierisch auf der Hut, nicht angeschossen zu werden. Der Spechtl sagt: Unterbewusstsein!

Was mir praktisch wurst ist, ich mein nur, sicher ist sicher. Jedenfalls passt es weder meinen Vorgesetzten noch dem Spechtl, dass ich wie Rambo durch die Straßen zieh. Und sie meinen, wenn ich schon jemanden abknallen muss, dann halt lieber in der heimatlichen Provinz. Und so bin ich gelandet, wo ich jetzt bin. Mein Gott, das war jetzt langatmig. Aber einfach zum besseren Verständnis, damit man halt weiß, warum ich ein Dorfgendarm bin.

 

Jedenfalls hat mich der Neuhofer heut mit seiner Nervosität so dermaßen misstrauisch gemacht. Und drum fang ich an zu überlegen. Ich frag mich ehrlich, ob der Neuhofer nicht seine buckelige Verwandtschaft auf dem Gewissen hat. Weil: sind wir einmal ehrlich, eine Familienharmonie war das ja nie. Der Vater ein Säufer, hat oft und gern sein Weiblein verhauen. Später, wie die Buben dann schon griffig waren, auch die beiden. Die Mutter eine Heulsuse allererster Klasse. Und über ältere Brüder brauch ich dank dem Leopold sowieso nichts weiter zu sagen.

Dazu das furchtbare Wohnhaus, wo dir die Lkws dauernd durch den Suppentopf donnern. Dieses Gesamtpaket einzutauschen gegen Bares – kann man das jemandem verdenken?

Das Grundstück war ungünstig, nach hinten kurz und dafür die volle Breite an der Straße entlang. Ungünstig, sag ich nur. Aber natürlich für eine Tankstelle eben ideal. Und die hätten bestimmt gutes Geld bezahlt, weil: keine andere weit und breit.

Der alte Neuhofer hätte das Haus nie verkauft. Der hat das schon von seinen Eltern bekommen. Also muss er weg. Und die Mutter und der Bruder auch. Dreifachmord.

Ja, das sind so meine Gedanken, wo ich grad so recherchier. Ich recherchier und recherchier und plötzlich klopft die Oma ans Fenster und schreit: »Die Schwammerlsuppe ist fertig. Schau, dass du heimkommst, Bub!«

 

Jetzt sagt natürlich der findige Schwammerlsucher: Januar – Schwammerlsuppe? Da hat er sich aber jetzt vertan, der Franz. Da sag ich: Gefriertruhe!

Weil: wenn nämlich die Oma im Herbst zum Schwammerlsuchen geht, da steht danach kein Pilz mehr im Wald, höchstens noch Fliegenpilz. Ich fahr sie mitsamt dem Ludwig in der Früh mit dem Streifenwagen hin und hol die zwei mittags wieder ab. Und da kannst du die Oma nicht mehr sehen, vor lauter Schwammerl. Einen Teil verkauft sie dann am Markt zu horrenden Preisen und den anderen frieren wir ein. Da essen wir bis zum neuen Herbst einmal in der Woche davon. Eine Schwammerlsuppe mit Sauerrahm. Oben drauf ein bisserl Petersil. Ein Traum! Da lass ich schon einmal einen hauchdünnen Palatschinken stehen für eine Schwammerlsuppe. Also, Akten zu und heim.

 

Zweiter Januar. Neujahrsempfang. Die ganze Gemeinde steht vorm Rathaus und die Herren Bürgermeister und Pfarrer übertreffen sich gegenseitig mit ihrer Rederei.

So quasi, dass das letzte Jahr ein gutes war und wenn’s heuer wieder so gut werden soll, muss halt ein jeder was dazu tun. Also Geldbeutel auf oder Scheckheft raus. Der Flötzinger lässt sich nicht lumpen und nimmt die Version Scheckheft. Der Simmerl verspricht, wie jedes Jahr, eine Spansau und einen Rollbraten zum Bürgerfest. Erlös geht an die Pfarrei.