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Männer und Frauen unterscheiden sich nicht nur durch ihre Geschlechtsmerkmale. Sie ticken auch anders! Die Emanzipation strebt ihre Gleichberechtigung an, damit werden nicht nur die Rechte der Frau gestärkt, auch die Rolle des Mannes muss sich zwangsläufig ändern. Viele junge Männer sind in dieser neuen Rolle verunsichert und überfordert. Die Senioren halten oft dem alten Rollenverhalten die Treue. In humorvoll erzählten Episoden persifliert der Autor das Zusammenleben von Mann und Frau.
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Seitenzahl: 133
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Ekkehard Meyer wuchs in einer fünfköpfigen Familie im Nachkriegsberlin auf. Als Schüler begeisterte er sich für den Zusammenschluss Europas und hatte die Gelegenheit in Gastfamilien in Frankreich und England zu leben. Er gründete zusammen mit Freunden die ERG, eine Arbeitsgemeinschaft, die eine Vereinigung Europas unterstützte, und für die er Manifeste und Liedertexte verfasste. Der Autor studierte Wirtschaftswissenschaften und Maschinenbau und erlebte intensiv die 1968-er Protestbewegung der Studenten.
Die berufliche Tätigkeit führte ihn in mehrere Städte des süddeutschen Raums, er gestaltete für mittelständische Unternehmen und für Industriebetriebe die ausländischen Vertriebswege und hatte dabei die Gelegenheit die Lebensweise und Mentalität anderer Kulturkreise schätzen zu lernen.
Als der Broterwerb nicht mehr im Mittelpunkt stand, widmete sich der Autor zunächst der Musik und später der Literatur und wurde Mitglied der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe. Einige seiner Kommentare und seine Bücher: Der Europäische Schatten, Der geliehene Partner, Wirtschaft ohne Moral, wurden veröffentlicht. Ekkehard Meyer ist Vater von zwei erwachsenen Söhnen. Ihm wurden bisher vier muntere Enkelkinder beschert.
Januar 2018
Männer und Frauen unterscheiden sich nicht nur durch Geschlechtsmerkmale. Sie ticken auch anders! Die Emanzipation strebt ihre Gleichberechtigung an, damit werden nicht nur die Rechte der Frau gestärkt, auch die Rolle des Mannes muss sich zwangsläufig ändern. Viele junge Männer sind in dieser neuen Rolle verunsichert und überfordert. Die Senioren halten oft dem alten Rollenverhalten die Treue. In humorvoll erzählten Episoden persifliert der Autor das Zusammenleben von Mann und Frau.
Liebet einander, aber macht die Liebe nicht zur Fessel.
Singt und tanzt zusammen und seid froh,
und doch soll jeder von euch bei sich allein bleiben,
so wie die Saiten einer Laute einzeln gespannt sind, auch wenn sie mit derselben Musik erzittern.
Khalil Gibran (1883 bis 1931) „Der Prophet“
Der Autor
Kurzbeschreibung
Geleitwort
Faschingsball
Hans und Renate
Otto und Carola
Die Nacht in der Hütte
Quedlinburg
Italienreise
Carolas Baby
Der Himmel zeigte sich bewölkt über Berlin, es setzte leichter Schneefall ein. Der Bowlenhut seines Kostüms rutschte Hans ins Gesicht, und er warf ihn gereizt auf den Rücksitz bevor er die Clay-Alle verließ und in Richtung Dahlem abbog. Renate suchte im Autoradio einen Sender, der Faschingsmusik spielte und fragte: »Ob Carola schon abfahrbereit ist? Ich bin so froh, dass sie mitkommt.«
»Werden auf diesem Kostümfest nur Leute sein, die vom anderen Ufer sind?«
Renate zuckte mit der Schulter: »Ich kenne nur den Gastgeber Dieter, ein ganz lieber Mensch, von dem man viel lernen kann. Er ist Dozent an der Hochschule für bildende Künste und ist stock schwul. Du wirst viele schön zurechtgemachte Frauen dort finden, aber ich vermute, dass Carola und ich die einzigen echten Frauen sind.«
»Bravo, da habt Ihr ja eine monopolartige Stellung! Die Homosexuellen können recht geistreich sein und sogar über ihre angeborene Neigung spötteln, aber Frauen gegenüber sind sie manchmal etwas unbeholfen.«
Hans hielt vor einem großen Bungalow, den man durch die Bäume des Parks und die Schneeflocken im Hintergrund erkennen konnte, Renate verkündete per Handy ihre Ankunft. Es dauerte eine Weile bis das elektrisch bewegte Gartentor aufschwang und Otto und Carola auf das Auto zuliefen. Das Motto des Faschingsballs war: Die wilden zwanziger Jahre, Otto trug einen Zylinderhut und einen Frack, Carola ging mit dekolletiertem, kurzem Kleid und Netzstrümpfen als Femme Fatal. Bevor sie die Freunde herzlich begrüßte und in das Auto einstieg, warf sie noch einen Blick auf ihren Taschenspiegel und überprüfte ihr Makeup. Hans chauffierte den Wagen in sanften Bögen zurück zur Clay-Alle und nahm Kurs auf die Stadtmitte.
»Klasse, dass Ihr mitkommt! Wir sind zum ersten Mal in Dieters Wohnung«, begann Renate, die ein Charleston Sackkleid trug, aufgeregt zu berichten, »ich weiß, dass der Gastgeber einen riesigen Aufwand betreiben wird, um dieses Fest erfolgreich zu machen, und seine liebenswerten Jünger unterstützen ihn nach besten Kräften.«
»Sind alle Gäste Männer, die sich nicht wirklich für Frauen interessieren?«, forschte Carola nach und blickte enttäuscht auf ihr offenherziges Dekolleté, das ihr nun nutzlos erschien, wie eine Straßenlampe in der Wüste Gobi.
Hans steuerte seinen BMW in eine Tiefgarage der Uhlandstraße. Man nahm den Fahrstuhl, um in eine große Altbauwohnung in der vierten Etage zu gelangen. Eine verlebt wirkende, übertrieben geschminkte Tunte im Rüschenkleid mit einem federgeschmückten Hut öffnete die Tür. Renate begrüßte Dieter mit einem Wangenkuss: »Hereinspaziert ihr Süßen, heute sind so viele Warme hier, dass es schwer wird, ein kaltes Getränk zu finden!«, scherzte der Gastgeber. Die Wohnung war aufwendig dekoriert. In einem Raum war eine Nachbildung der Fassade des Hotels Adlon mit dem Brandenburger Tor, in einem anderen Raum eine Bühne, die an das legendäre Varieteetheater Wintergarten erinnerte. Dieter stellte die Neuankömmlinge vor mit den Worten: »Die Frauen sind echt, aber Hände weg von ihren Männern!«
Spärlich bekleidete Männer und erotisch kostümierte Frauengestalten huschten vorbei, schmiegten ihre Körper aneinander oder bewegten sich im Rhythmus der Musik. Als Carola intensiv auf die Stelle einer Schönheit blickte, wo sie eine männliche Wölbung erwartete, lächelte diese kokett zurück und sagte: »Schnipp, schnapp«, machte mit Zeige- und Mittelfinger die Bewegung einer Schere und wackelte mit ihrem perfekt geformten Hinterteil. Die Gäste machten einen ausgelassenen und ungezwungenen Eindruck und betrachteten die Neuhinzugekommenen mit Neugier, als würden sie Außerirdische beobachten.
Auf der Bühne wurde ein Sketch aus der Nibelungensage vorgetragen. Man sah Siegfried in einem Wald über einen Brunnen gebeugt. Hagen näherte sich von hinten mit den Worten: »Ei die dei, Du edler Jüngling, ich sehe Deine edle Gestalt und werde Dir jetzt meine heiße Lanze in den Körper rammen, empfange sie wie ein Held«, ein lüsternes Schmunzeln huschte über die Gesichter der Zuschauer, und es wurde lebhaft geklatscht.
Die Außerirdischen bewunderten die kreative Zimmerdekoration und die Kostüme als sich Dieter mit seinem leicht bekleideten Freund dazugesellte. Er blickt an sich herunter und bemerkte: »Nein, wie hat mich der liebe Gott so schön erschaffen, findest Du nicht Purzel? Nur dumm, dass ich meinen Busen an der Garderobe vergessen habe.« Er verneigte sich wie ein Hofnarr, der verpflichtet ist, seinen Zuhörern dauernd neue Späße zu bieten.
Eine als Kätzchen verkleidete Person, mit perfekten weiblichen Formen und einer erotisierenden, schnurrenden Stimme setzte sich auf seinen Schoß und ließ ihr Katzenschwänzchen um ihn kreisen. Jeder hätte schwören können, dass sich hier eine anziehende Frau anschmiegt. Nur als sie sich erhob und dabei die Perücke herabfiel, wurde ein Mann erkennbar. Hans war überrascht wie ein Restaurantbesucher beim Abheben der Silberhaube vom Teller, wenn statt des bestellten Filets, eine Krake zum Vorschein kommt.
»Am Buffet gibt es kleine Diäthäppchen, diese Leckereien müsst Ihr unbedingt probieren«, munterte Dieter seine Gäste auf und entfernte sich wieder in Richtung Tanzfläche.
Als Fahrer wollte sich Hans von alkoholischen Getränken fernhalten, also verkündete er voll Ungeduld bei einem Tomatensaft den Freunden seine Neuigkeit: »Nach einem Jahr Verhandlungen ist es mir endlich gelungen, meinen Traumoldtimer zu erwerben, den Wagen, den mein Vater verkaufen musste, als ich geboren wurde, ein Borgward Isabella Cabrio!«, er ließ verklärt die Augen kullern und machte den Eindruck, als sei er der Welt entrückt.
»Der Wagen muss über fünfzig Jahre alt sein, kann man sich denn mit einem solchen Relikt aus der Nachkriegszeit überhaupt noch auf die Straße wagen, und lassen sich mit diesem Vehikel die Abgasvorschriften einhalten?«, kam eine für Otto typische Frage, die für Ernüchterung sorgte.
»Die Isabella wird als das schönste Cabrio aller Zeiten gepriesen und verfügte damals schon über einen fünfundsiebzig PS Motor und eine sehr zuverlässige Technik«, schwärmte Hans unbeirrt, »der Wagen ist in einem Topzustand, und ich konnte den dänischen Besitzer auf 100.000€ herunterhandeln, inklusive vier Weißwandreifen, die sehr schwer zu erhalten sind und die Schönheit des Wagens erst richtig zur Geltung bringen.«
Bei dem genannten Preis blickten sich beide Damen beklommen an und atmeten vernehmbar durch. Otto sprang von seinem Platz auf: »Wie kann man denn für ein altes Auto, das nicht einmal die Leistung eines Kleinwagens erbringt, eine solch gigantische Summe verschleudern?«
»Von dem schicken Cabrio wurde nur eine geringe Stückzahl gebaut, und im Baujahr 1961 wurden die besten Borgwards hergestellt, das ist in der Fachwelt unbestritten, es ist ein echter Hingucker!« Der stolze Oldtimerbesitzer lehnte sich selbstgefällig zurück und ließ erwartungsvoll seinen Blick in die Runde schweifen, als wolle er Beifall einfordern.
»Für das Geld kannst Du einen funkelnagelneuen Porsche kaufen mit drei Jahren Werksgarantie, der wird von der Damenwelt auch bewundert. Willst Du das Fahrzeug fahren oder soll es eine wahnwitzige Kapitalanlage darstellen?«, kommentierte Otto und machte dabei eine wippende Bewegung, als würde er auf einem müden Gaul reiten.
»Ich werde in meinem Cabrio, wie von geschichteschreibender Hand getragen, durch die Welt gleiten, dabei fallen alle irdischen Unzulänglichkeiten ab, und ich kann mich der Schönheit des Augenblicks hingeben«, erwiderte er, schloss dabei die Augen und schnalzte mit der Zunge.
»Hast Du blauäugiger Träumer bedacht, dass alte Autos reparaturanfällig sind, willst Du Dir die nötigten Ersatzteile schnitzen lassen?«
»Ach, immer nur die blöden Autos! Habt ihr Männer kein anderes Thema zu bieten? Die Komödie: Kunst, soll wieder aufgeführt werden, da könnten wir gemeinsam hingehen, die ist ausnehmend lustig«, versuchte Renate einen Themenwechsel herbeizuführen.
»Ins Theater gehen wir selten, aber wir können gerne etwas zusammen mit Euch unternehmen. Ein Einkaufsbummel würde mir Spaß machen, ich habe da eine Krokodillederhandtasche entdeckt, die muss ich Dir zeigen. Ich kann Hans gut verstehen und seine Begeisterung für Ausgefallenes hat etwas Ansteckendes. Ich bin genauso verrückt nach der Tasche, wie Hans nach seinem Cabrio«, gestand Carola, die Hans unterstützen wollte.
Der Fahrer der Gruppe wollte sich nicht von seiner Borgward Isabella ablenken lassen und fuhr unbeirrt fort: »Die Ersatzteilversorgung ist ein großes Thema bei Oldtimern, das ich elegant lösen konnte. Im Kaufpreis inbegriffen ist ein Satz Verschleißteile, sogar eine Lichtmaschine und ein Kotflügel sind dabei.«
»Diese Bezeichnungen klingen in meinen Ohren ähnlich verstaubt, wie es Dein Auto ist. Die Bezeichnung Lichtmaschine ist unkorrekt, es ist keine Maschine sondern ein Generator. Der Strom, den er erzeugt, dient in erster Linie den Fensterhebern und anderen Assistenzsystemen, nur ein geringer Teil wird für das Licht benötigt«, ereiferte sich Otto in seiner belehrenden Art.
»Wenn ich in ein Autohaus gehe und einen Generator verlange, wird der Ersatzteilverkäufer dabei an ein Kraftwerk denken und nicht an eine Lichtmaschine für ein Auto. Manche Begriffe sind verbreitet, obwohl sie nicht korrekt sind, lieber Herr Dr. Otto Kaufmann, das muss man akzeptieren«, verteidigte sich der Oldtimerbesitzer und schlürfte genussvoll seinen Tomatensaft.
Wenn Otto auf eins seiner Lieblingsthemen zu sprechen kommt, dann kann er sich an seinen Argumenten berauschen und aufschaukeln und seine Stimme wird belehrend, wie der Vortrag eines Lehrers in der ersten Klasse: »Die Bezeichnung Kotflügel setzt voraus, dass die Straßen mit Kot übersäht sind, der durch die Räder aufgewirbelt wird. Den Unrat kann man förmlich riechen, wenn das Wort ausgesprochen wird. Die Engländer sind da zurückhaltender, sie sprechen von einem mudguard, also Schlammschützer, das hört sich appetitlicher an. Inzwischen ist der Kotflügel in die Karosserie integriert und sollte Karosserieecke oder Radverkleidung genannt werden«, zur Bekräftigung seiner Feststellung fügte Otto noch ein finales Kopfnicken hinzu.
»Manch armem Tropf gelingt es nicht auf den Schwingen der Begeisterung zu entschweben, dem bleiben nur die Trübsal und die Beschäftigung mit dem Kot unter dem Flügel«, mokierte sich Hans.
»Manch Ikarus ist auf Wachsschwingen entschwebt und in der wärmenden Sonne abgestürzt!«
»Ob Generalrollator oder Radversteck, das ist mir gleichgültig, Deine Besserwisserei nervt und Du verstehst es, mit wenigen Sätzen unsere Stimmung kaputt zu machen, daher möchte ich Dir den Ziegenbockorden erster Klasse mit zwei goldenen Hörnern verleihen.« Hans erhob sich feierlich, steckte seine zwei Trinkhalme an Ottos Revers und applaudierte betont müde zu dieser Auszeichnung und fuhr fort: »Wenn Du weiter schlechte Laune verbreitest, habe ich keine Lust mit Dir nach Hause zu fahren, dann such Dir eine Taxe.«
Carola wurde auf die Tanzfläche entführt und bewegte sich steif und unsicher beim Tanzen. Diese Welt der Männer, die sich so ungeniert küssten und Zärtlichkeiten austauschten, stellte ihr Weltbild auf den Kopf. Ihre fraulichen Reize, die stolze Helden erweichen konnten, kamen ihr heute so überflüssig vor wie Flügel bei einem Maulwurf.
»Wenn bei befreundeten Menschen einer schwachsinnig handelt, ist es die Pflicht des Anderen ihn davon abzuhalten, zumindest ihn darauf hinzuweisen«, fuhr Otto fort, dem man die Wirkung des Alkohols anmerkte im Gegensatz zum Fahrer, der stocknüchtern war.
»Wenn bei befreundeten Menschen einer verbittert ist und nur zersetzendes Zeug daherredet, dann ist es des Anderen Pflicht, ihm einen guten Psychiater zu empfehlen.«
»Hans und Otto, jetzt ist Schluss mit dem blöden Autogequatsche, das mich langweilt und uns den Abend verdirbt. Ich setze mich jetzt zwischen Euch und will kein Wort mehr von einem Oldtimer hören«, rief Renate gereizt und stieß bei dieser Aktion ein Sektglas um. Der Sekt lief langsam über die Tischplatte und tropfte dann auf Ottos Schenkel. Sie erschrak und bemühte sich den Fleck mit einer Serviette trockenzureiben.
»Was fummelst Du an meinem Mann herum«, protestierte Carola, als sie von der Tanzfläche zurückkehrte, »ich habe schon immer geahnt, dass Du scharf auf ihn bist. Tue Dir keinen Zwang an, schließlich ist Faschingszeit!«
»Ich versuche einen Fleck zu entfernen, zugegeben an einer pikanten Stelle. Du kannst beruhigt sein, Dein Mann ist für mich ein erotisches Neutrum, einmal, weil er Dir gehört und zum anderen, weil er heute den Charme einer Büroklammer versprüht.«
Renate wollte dem nörgelnden Otto einen Dämpfer verpassen und hatte sich zu einer Beleidigung hinreißen lassen, die sie nun bereute.
Ein Tusch erklang und die Sängerin Marlene Dietrich wurde angekündigt. Der Scheinwerfer wurde auf eine mit Netzstrümpfen und Strapsen bekleidete Person gerichtet, die eine schwarze Lederkorsage trug mit einem Rückendekolleté, das bis zum Poansatz reichte und Carolas Dekolleté als hausbacken deklassierte. Die Stimme ähnelte aufs Haar der von Marlene Dietrich. Die Sängerin rekelte sich auf einem Ledersessel und streckte ein Bein in die Höhe. An der Textstelle: »Männer umschwirr‘n mich, wie Motten das Licht, und wenn sie verbrennen, ja, dafür kann ich nichts«, ging sie mit wippendem Gang, begleitet vom Scheinwerfer auf Otto zu und legte ihm ein Bein auf den Schoß. Das streitende Quartett wurde unerwartet in das gleißende Scheinwerferlicht getaucht und die gegenseitigen Beschimpfungen verstummten augenblicklich. Otto blickte hilfesuchend in die Gesichter der Zuschauer, fügte sich dann in die ihm zugedachte Rolle und streichelte mit übertriebenen Gesten das dargebotene Bein. Singend lockte sie ihr Opfer auf die Bühne, wo er ihr beim Öffnen der Korsage behilflich sein sollte. Ottos Frack zitterte, ahnte er, dass seine Handlungsweise nicht dem häuslichen Frieden dienen konnte, aber er wollte auch kein Spielverderber sein. Die knappe Lederhülle fiel zu Boden und eine perfekte, weibliche Figur mit schwarzem Slip wurde sichtbar. Beifall brandete auf, und der Assistent wurde mit einem Wangenkuss von der Bühne entlassen.
Am Tisch ließ Carolas Zorn von Renate ab und wechselte schlagartig auf ihren zurückkehrenden Ehemann: »Glaubst Du, ich habe nicht bemerkt, mit welcher Freude Du dieses Flittchen ausgezogen hast?«
»Ich fand, unser Otto hat seine Rolle als Bewunderer der großen Marlene Dietrich hervorragend gespielt«, kommentierte Hans, um Carolas Zorn zu lindern.
»Er ist schließlich mein Mann und er sollte sich an keine andere Frau heranmachen, schon gar nicht, wenn ich dabei bin!«
»Er war das unschuldige Opfer einer Bühnenshow.«
Otto fühlte sich, trotz aller Ermahnungen, erneut verpflichtet auf einen unkorrekt verwendeten Begriff hinzuweisen: »Wer kann sich anmaßen zu beurteilen, ob ein Opfer unschuldig ist? Auch in Zeitungsberichten liest man oft diesen Unfug: Zweihundert unschuldige Opfer bei einen Flugzeugabsturz getötet, kann der Reporter für die Unschuld jedes einzelnen garantieren? Korrekt wäre die Bezeichnung: An der Absturzursache unbeteiligte Opfer. Ich bin kein unschuldiges Opfer einer Bühnenshow, ich wurde auf die Bühne gedrängt!«
»Dann bist Du unschuldig auf die Bühne gedrängt worden, auch gut. Deine Frau ist eine wunderschöne Frau, von Männern begehrt und von Frauen beneidet, warum lodert in Carola diese liebestötende Flamme der Eifersucht?«, fragte Hans.
Diese schmeichelhafte Beschreibung ihrer Freundin störte Renate, sie stellte klar: »Schon die Bezeichnung: Mein Mann, ein besitzanzeigendes Fürwort, erweckt den Eindruck, dieser Zustand sei für alle Ewigkeit festzementiert, aber hier irren viele Frauen. Die Zuneigung in einer Beziehung will täglich neu erworben sein und kann nicht durch einen Ehevertrag erzwungen werden.«