Die geballte Faust der Rache - Harald Wieczorek - E-Book
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Die geballte Faust der Rache E-Book

Harald Wieczorek

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Beschreibung

Wegen des Torsos einer Frauenleiche, der ans Elbufer gespült wird, muss Kommissar Kossca den Kinobesuch mit seinem kleinen Sohn um eine Woche verschieben. Genau an diesem Sonntag findet ein Attentat statt – verübt von vier Maskierten auf das Kino und dessen jüdischen Besitzer. Es gibt viele Tote und Verletzte, auch sein Sohn ist unter den Opfern. Kossca bleibt am Leben, weil er sich gerade auf der Toilette befindet. Zurück bleibt ein Bekennerschreiben: "ALLAHU AKBAR". Nachdem sich seine Exfrau aus Verzweiflung das Leben genommen hat, verlangt Kossca von seinen Vorgesetzten, den Fall zu übernehmen. Doch der wurde an eine Sondereinheit abgegeben. Kossca glaubt nicht an einen islamistischen Anschlag auf einen Juden – er vermutet eine kriminelle Organisation dahinter. Als man ihm befiehlt, sich aus dem Fall herauszuhalten, gibt er seine Waffe und seine Marke ab. Er quittiert den Dienst. Kossca verlässt seine Wohnung und hebt sein gesamtes Geld ab. Als Erstes setzt Kossca im Milieu ein Kopfgeld von 10.000 Euro auf Hinweise zu dem Anschlag aus – und sticht damit in ein Wespennest. Die Jagd beginnt. Doch auch der Jäger wird zum Gejagten. Kossca begibt sich auf einen gnadenlosen, brutalen und blutigen Rachefeldzug

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Seitenzahl: 134

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Impressum

Harald Wieczorek

Die geballte Faust der Rache

ISBN 978-3-68912-460-1 (Epub)

ISBN 978-3-68912-459-5 (PDF)

ISBN 978-3-96521-981-6 (Buch)

Gestaltung des Titelbildes: Wieczorek/Franta

© 2025 EDITION digital Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.edition-digital.de

Mein tiefster Dank gilt meiner Frau Monica und meinem Sohn Konstantin für ihre wertvolle Beratung und ihre unermüdliche Unterstützung.

Mein Dank geht auch an meinen kollegialen Freund, Schriftsteller und Lektor Dieter Fuchs.

DIE FLÜCHTLINGE

Hamburger Hauptbahnhof am Montag früh um 7 Uhr – die übliche Betriebsamkeit. Am Eingang saßen und standen Obdachlose sowie junge Frauen, eigentlich noch Mädchen, und Kerle mit abgetragenen Klamotten, und bettelten die in den Bahnhof eilenden Fahrgäste um Geld an. Ihre Sucht, verbunden mit sichtbaren Entzugserscheinungen, war ihnen anzusehen.

Im Bahnhof eilten die Menschen zu den einzelnen Gleisen, wo die Züge, die sie zu ihren Zielen bringen sollten, standen. Eigentlich ein ganz gewöhnlicher Montagmorgen.

Mit einer Ausnahme: Gleis 7. Dort sah es irgendwie anders aus. Viele wartende Menschen, teilweise mit Transparenten, auf denen Aufrufe in ukrainischer Sprache zu lesen waren. Außerdem zwei transportable Wagen mit Essen und Getränken.

Langsam fuhr der Intercity in den Bahnsteig ein. Sofort kam Bewegung in die Wartenden. Nachdem der Zug zum Stehen gekommen war, öffneten sich die Waggontüren. Die Menschen, die aus den einzelnen Waggons stiegen, verhielten sich nicht wie gewöhnliche Fahrgäste. Es war keine normale Betriebsamkeit – eilig raus und eilig weg Richtung Ausgang. Stattdessen betraten sie den Bahnsteig, blieben stehen und sahen sich, etwas verunsichert, ja verloren, um. Eine unbeschreibliche Atmosphäre zog sich über das gesamte Gleis 7. Und noch etwas war anders: Die Fahrgäste waren ausschließlich Frauen und Kinder.

Keine wie sonst bei so vielen Ankömmlingen üblichen Hallo-Rufe, verbunden mit stürmischen Begrüßungen und Umarmungen. Keine lachenden und schreienden Kinder. Es war eher das Gegenteil der Fall – eine ängstliche Unsicherheit, misstrauisches Abschätzen der Menschen, die auf dem Gleis standen und auf die Ankömmlinge warteten. Die Kinder waren warm angezogen, ihre Kleidung entsprach der Jahreszeit. Einige trugen bunte, mit Comicfiguren verzierte Rucksäcke, andere hielten Spielzeug oder Stofftiere in den Händen.

Auch die Wartenden waren nicht das übliche Klientel. Sanitäter standen in Bereitschaft, Männer und Frauen des Roten Kreuzes in ihrer üblichen Dienstuniform sowie Mitarbeiter der Bahnhofsmission, auch durch ihre Kleidung für jedermann erkennbar. Nachdem die Reisenden ausgestiegen waren, gingen die Frauen und Männer auf sie zu und sprachen sie an.

Drei Frauen – eine Ältere, Anfang 50, sowie zwei Jüngere mit je einem Kind, ein Mädchen und ein Junge, nicht älter als 10 Jahre – standen unentschlossen auf dem Bahnsteig und sprachen miteinander. Ein paar Meter von ihnen entfernt wurden sie von drei Personen beobachtet: einer Frau mittleren Alters in der Uniform der Bahnhofsmission sowie einem Priester und einem Mann im dunklen Anzug.

Der Priester nickte den beiden anderen zu, dann gingen sie zu den drei Frauen und den Kindern. Der junge Mann im Anzug sprach sie auf Ukrainisch an: „Sie haben eine schlimme Situation und eine schwere Fahrt hinter sich.“ Er deutete auf seine Begleiter. „Wir sind hier, um Ihnen zu helfen.“

Die ältere Frau sah den jungen Mann verunsichert an. „Wir … man hat uns gesagt, wir sollen uns bei den Behörden melden.“

Der Priester und die Nonne der Bahnhofsmission lächelten sie freundlich an. Der junge Mann zeigte auf die beiden. „Ja, deshalb sind wir hier.“ Er deutete auf die vielen Helfer auf dem Bahnsteig. „Alle Menschen hier kümmern sich um die Flüchtlinge aus Ihrer Heimat.“

Die beiden Männer nahmen die Koffer der Frauen. „Folgen Sie uns, wir bringen Sie zu den Behörden und sorgen erst mal für Verpflegung und Unterkunft.“

Verunsichert, aber auch erleichtert, folgten die Frauen sowie die Kinder den Dreien.

Vor dem Bahnhof, auf einem Parkplatz, stand ein schwarzer Van mit getönten Scheiben. Ein junger Mann öffnete die Seitentür des Fahrzeugs, die Flüchtlinge sowie die Nonne und der Dolmetscher stiegen ein. Der Priester setzte sich auf den Beifahrersitz, der Van fuhr an und verließ den Bahnhof.

Mittlerweile war es 9 Uhr geworden. In einem Industriegebiet – es handelte sich um ein kleineres, wenig frequentiertes Industriegebiet – fuhr der Van langsam auf ein großes weißes Gebäude zu. Es sah wie ein ehemaliges Bürogebäude mit Lager aus.

Die Frauen im Fahrzeug waren inzwischen unruhig und nervös geworden, auch die Kinder verhielten sich immer ängstlicher.

„Wo bringen Sie uns eigentlich hin?“

Der junge Mann lächelte und deutete nach vorne durch die Frontscheibe. „Da vorne, das weiße Gebäude, ist eine Aufnahme … eine Zweigstelle. Bald haben Sie es geschafft.“

ROCCO

Was für ein Typ. Ca. zwei Meter groß, 100 Kilo Gewicht, mit roten Haaren – nicht die Art Mann, die man als Freund haben möchte, aber schon gar nicht als Feind. Ein kantiges Gesicht mit eiskalten Augen. Seine Kleidung dunkel, glich mehr einer Uniform als normaler Alltagskleidung. Er bewegte sich, trotz seiner Größe, leichtfüßig. Rocco meldete sich, um einer Gefängnisstrafe zu entgehen, bei der Fremdenlegion. Dort erhielt er den letzten brutalen Schliff. In der Szene machte er sich einen Namen und viel Geld mit Drogen. Unter vorgehaltener Hand heißt es. „Leichen pflastern seinen Weg.“

Rocco öffnete die Tür, als der Priester mit den Flüchtlingen vor dem Eingang stand. In diesem Moment war es mit der Ruhe der fünf Flüchtlinge vorbei. Dann ging alles sehr schnell und professionell. Die Nonne schnappte sich die schreienden Kinder und verschwand mit ihnen durch eine Tür. Die entsetzten Frauen wurden durch eine andere Tür in einen großen Raum gestoßen. Rocco folgte und schloss sofort die Tür hinter sich.

Der Raum war groß und in zwei Teile geteilt. Eigentlich systematisch: gleich nach der Tür ein Drittel des Raumes mit diversen Bekleidungsschränken und einem Stuhl neben der Tür, auf dem ein Wachmann mit „Security“-Jacke saß. Der zweite, größere Teil war spartanisch eingerichtet – ca. fünfzehn Klappbetten, ein großer Kunststoff-Vorhang, der den sanitären Raum abgrenzte. Daneben eine Art Küche mit Regal für Geschirr und einem Herd.

Die beiden Räume waren durch ein Stahlgitter mit Gittertür getrennt. Auf und neben den Betten saßen oder standen junge Frauen. Alle waren merkwürdig ruhig oder wirkten geistig abwesend, teilweise wie betäubt. Die jungen Mütter wollten ihren Kindern hinterher, wurden aber von dem brutal aussehenden Sicherheitsmann abgefangen und durch die Gittertür gestoßen.

Hysterisch schreiend stürmte die ältere Frau auf Rocco zu. Mit einer leichten Bewegung stieß er sie zu Boden, zog eine Pistole aus dem Hosenbund und erschoss sie.

Die beiden jungen Frauen verfielen in Schockstarre.

Ungerührt steckte Rocco die Pistole in den Gürtel und ging zur Tür. In der Tür blieb er stehen, betrachtete die beiden, die sich aneinander fest umschlungen hatten. Er winkte den als Priester gekleideten Felix heran. „Los, sag ihnen, was Sache ist.“

Felix nickte und sprach die Frauen an. „Ihr werdet tun, was man euch sagt, sonst seht ihr eure Kinder nie wieder.“

Bevor Rocco die Tür hinter sich schloss, gab er seinen Komplizen ein Zeichen. „Lasst die da …“ – er deutete auf die Tote – „… verschwinden.“

KOSSCA

Der schwarze Audi fuhr langsam die schmale Uferstraße an der Elbe entlang. Im Inneren saß ein übernächtigter, mürrischer Mann Mitte 40. Im Grunde gutaussehend – groß, durchtrainiert, mit vollen schwarzen Haaren –, nur jetzt eben übernächtigt und mürrisch: Kossca.

Er hatte gerade unter der Dusche gestanden, als ihn seine Behörde anrief. Eigentlich hatte er heute frei und wollte seinen kleinen Sohn von seiner Ex abholen – schließlich war Sonntag, sein freies Wochenende. Vater-Sohn-Tag.

Ein Blick auf das Navi im Cockpit zeigte ihm an, dass er bald an seinem Ziel ankommen würde. Er griff in die Seitentasche seiner abgewetzten braunen Lederjacke, holte eine kleine Sprayflasche heraus, setzte sie an den Mund und sprühte mehrmals in den Rachen. Dann inhalierte er tief. Als nichts mehr herauskam, öffnete er das Seitenfenster und warf die leere Flasche hinaus.

„Na endlich!“

Ein paar hundert Meter vor ihm sah er die Polizeifahrzeuge mit Blaulicht. Langsam fuhr er vor die Absperrung und stieg aus.

Kossca ging ohne Eile auf die Absperrung zu und nickte dem uniformierten Polizisten zu.

„Lange Nacht?“ Der Beamte grinste hämisch und hob das Absperrband.

„Schnauze, Bulle! Mein freier Sonntag.“

Ohne den Beamten weiter zu beachten, ging Kossca den Uferhang hinunter zur Elbe. Schon auf halbem Weg fiel ihm die Betriebsamkeit der Anwesenden auf. Einige trugen weiße Schutzanzüge, ein Taucher in Neoprenanzug und Sauerstoffflasche saß am Flussrand, bereit, in die Elbe abzutauchen.

LISA

Eine attraktive Beamtin in Zivil kam ihm entgegen. Lisa – mit Leib und Seele Polizistin, aus einer alten Polizei-Familie. Ihr Vater war bei der Kripo, ihr Großvater diente bereits bei der Uniformierten Polizei.

„Auch schon da? Du siehst schlecht aus“, begrüßte sie ihn.

„Ich weiß nicht, ob es sich auf dem Revier herumgesprochen hat – mein freier Tag!“, erwiderte Kossca knapp.

Sie lächelte. „War wohl eine lange Nacht?“

„Die hat man mir verkürzt“, knurrte er und ging weiter in Richtung Ufer, wo die Beamten in Schutzanzügen standen. Lisa folgte ihm. Sie mochte den Kerl, auch wenn er in der Abteilung wegen seiner harten, unkonventionellen Art umstritten war. Kossca war ein Mann, der am liebsten allein arbeitete. Und seit seiner Scheidung blieb er auch privat für sich.

Einer der Beamten in Schutzanzug kniete vor einem Objekt am Ufer, das Kossca noch nicht erkennen konnte.

„Ich hoffe, du hast nicht gefrühstückt“, rief Lisa ihm nach.

Der Mann in Schutzanzug stand auf, drehte sich um. „Hallo Kossca.“ Er deutete hinter sich. „Keine schöne Sache.“ Dann trat er zur Seite.

Kossca blickte auf eine Leiche. Oder besser gesagt: auf das, was von ihr übrig war. Ein nackter Torso. Ein Körper ohne Hände, Füße, Kopf.

Der Beamte schüttelte angewidert den Kopf. „Das Einzige, was ich mit Sicherheit sagen kann, ist: Es ist eine Frau, Anfang bis Mitte 50.“

Lisa stellte sich neben Kossca. Alles hätte man von ihr erwartet, nur nicht, dass sie Polizistin war. Sie war nicht nur groß und schlank, sondern auch sehr hübsch – ja, man könnte sagen schön. Ein Model-Typ. Ihr halblanges braunes Haar fiel locker über die Schultern, ihre Kleidung war leger, aber ihrem Berufsstatus angemessen.

„Das ist krank“, sagte sie und schüttelte sich. „Vielleicht finden wir etwas über die Vermisstenstelle heraus.“

Kossca zuckte mit den Schultern. „Möglich, aber das glaube ich nicht.“ Er betrachtete den Torso. „Das sieht nach organisiertem Verbrechen aus.“ Lisa nickte nachdenklich. Dann schnupperte sie und musterte Kossca schmunzelnd.

„Bist du erkältet?“

Er runzelte die Stirn. „Wie kommst du darauf?“

„Na ja, du riechst nach Wodka mit Menthol.“

„Blöder Scheiß …“

Seine Antwort wurde durch das Klingeln seines Handys unterbrochen. Er zog es aus der Jackentasche und sah aufs Display.

„Scheiße!“

Er zögerte kurz, nahm dann doch ab.

„Entschuldige, aber –“

Eine aufgeregte weibliche Stimme unterbrach ihn.

Kossca hörte eine Weile geduldig zu, dann fiel er ihr ins Wort. „Ich weiß, dass ich heute Vater-Sohn-Tag habe, aber ich wurde zu einem Verbrechen gerufen …“

Wieder unterbrach ihn die laute Stimme seiner Ex.

„Ja, ja, ich weiß! Ich habe heute meinen freien Sonntag, und ja, ich sollte jetzt da sein und Jason abholen. Stattdessen stehe ich am Elbufer und sehe mir eine verstümmelte Frauenleiche an …“

Die Stimme am anderen Ende erhob sich erneut.

Kossca schüttelte den Kopf. „Stopp! Lassen wir das jetzt! Ich erledige das hier und komme nach dem Büro bei dir vorbei.“

Er beendete das Gespräch und steckte das Handy zurück in die Jackentasche.

Lisa hatte zwangsläufig mitgehört. Während zwei Kollegen in Schutzanzügen die Leiche auf eine Trage legten und zudeckten, stellte sie sich vor Kossca und legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Hör zu, Kossca. Du kannst hier im Moment sowieso nichts tun. Fahr zu deiner Familie und kümmer dich um sie.“

Er wollte widersprechen, doch Lisa hob bestimmt die Hand.

„Lass gut sein. Ich habe heute sowieso Dienst, den Schreibkram kann ich auch allein erledigen. Ich werde Gerhard sagen, dass du am Tatort warst.“ Kossca zögerte kurz, dann nickte er. „Hast was gut bei mir.“

Er wandte sich ab, kämpfte sich den rutschigen Hang nach oben und ging zu seinem Auto.

DER JUDE

Langsam und behäbig ging der ältere Herr die Treppen zu seinem Kino hinauf. Er trug einen grauen, eleganten Anzug, und auf seinen grauen Haaren war eine Kippa befestigt. Geschäftig lief er durch den Eingang in das großzügige Foyer. Freundlich begrüßte er die Putzkolonne, einen Mann und zwei Frauen, die offensichtlich türkischer Herkunft waren und gewissenhaft die marmorierten Fliesen putzten.

Ohne Eile ging er einen Gang entlang bis zu einer Bürotür, öffnete diese und betrat ein modernes, helles Büro. Nachdem er seine Anzugjacke ausgezogen und an der Garderobe aufgehängt hatte, setzte er sich an den dunklen, schweren Edelholzschreibtisch und griff zum Telefon. Er wählte eine Nummer und wartete, bis sich eine Stimme meldete.

„Endlich!“, unterbrach er die Stimme. „Hier spricht Rosen. Seit Tagen versuche ich, Sie zu erreichen. Auf mein Anliegen, dass ich einige Male auf Ihre Mailbox gesprochen habe, sowie auf die E-Mails von mir, haben Sie nie reagiert. Ich habe Ihnen also mündlich und schriftlich mitgeteilt, dass Sie mein Lager und alle dazugehörigen Räume bis zum Monatsende, also in neun Tagen, verlassen müssen.“

Rosen hörte eine Weile seinem Gesprächspartner zu, dann unterbrach er ihn freundlich, aber bestimmt.

„Es ist mir egal, ob Sie für ein Jahr bezahlt haben. Ich melde Eigenbedarf an. Das Lager und die Räume werden zu Flüchtlingsunterkünften umgebaut.“

Rosen hörte seinem Gesprächspartner noch eine Weile zu, dann wurde er laut.

„Sie drohen mir! Das war’s! In sechs Tagen stehe ich mit den nötigen Beamten vor der Tür!“

Rosen beendete das Gespräch, lehnte sich nachdenklich zurück und wählte dann noch eine Nummer.

DIE FAMILIE

Der Audi fuhr langsam durch eine Seitenstraße und hielt vor einem Reihenhaus. Kossca stieg aus, ging auf die Eingangstür zu und klingelte. Es dauerte nicht lange, da wurde die Tür geöffnet. Ein kleiner Junge, etwa zehn Jahre alt, mit kurzen, blonden Haaren, öffnete. Als er Kossca sah, erhellte sich sein Gesicht, das von Sommersprossen übersät war, vor Freude.

„Papa! Papa!“

Er drehte seinen Kopf in Richtung Wohnung.

„Mama, Papa ist da!“ Dann trat er zur Seite, um seine Mutter an die Tür zu lassen.

Julia war eine hübsche, gepflegte Frau Ende dreißig mit langen blonden Haaren und Sommersprossen, wie ihr kleiner Sohn.

„Bist du nicht bei deiner Leiche?“

„Darf ich reinkommen?“, entgegnete Kossca, ohne auf die Spitze einzugehen.

„Wozu? Ich habe schon umdisponiert. Jason und ich gehen in einer Stunde in den Zoo!“ Der Junge hatte sich vorsichtig zwischen seine Eltern gedrückt und Kosscas Hand genommen.

„Papa kann doch mitkommen, oder? Gell Papa, du kommst mit, ja?“ Kossca streichelte seinem Sohn über den Kopf.

„Das wird Mama nicht recht sein.“ Dabei sah er seine Exfrau an. „Oder?“ Bevor der Bub protestieren konnte, hob seine Mutter die Hand.

„Dein Vater hat recht!“ Sie schnupperte provozierend in Kosscas Richtung. „Außerdem …“

Kossca hob die Hand.

„Lass gut sein!“ Er kniete sich zu seinem Sohn und umfasste die zarten Schultern.

„Hör zu, Partner, nächsten Sonntag nehme ich frei.“ Er sah Julia an, als sie ihn unterbrechen wollte. „Und müsste ich meinen Dienst quittieren, dann gehe ich mit dir ins Kino, du weißt schon, dieser Disney-Film, der Neue, von dem du mir erzählt hast.“

Jason legte seine Arme um Kosscas Hals und jubelte.

„Oh ja, Papa! Ehrenwort?“

„Ehrenwort!“

Julia schüttelte nur den Kopf, sagte aber kein Wort. Sie nahm Jasons Hand und wollte die Tür schließen. Jason riss sich los und umarmte seinen Vater. „Das wird toll!“

Julia löste Jason von seinem Vater und schloss die Tür. Kossca blickte Sekunden lang auf die verschlossene Tür.

„Ja, das wird toll, Partner.“ Dann drehte er sich um, ging zu seinem Auto, stieg ein und fuhr los.

Jason blieb traurig im Gang stehen und schaute seine Mutter vorwurfsvoll an.

„Warum darf Papa nicht reinkommen? Und warum können wir nicht zusammen in den Zoo?“

„Du hast es doch gehört! Papa muss heute arbeiten.“ Sie kniete sich zu ihm herab. „Außerdem hat Papa seine eigene Wohnung!“

„Ja! Weil du ihn nicht mehr hier haben willst! Warum eigentlich? Papa war immer lieb!“ Jason riss sich von seiner Mutter los und rannte ins Wohnzimmer. Traurig folgte ihm seine Mutter.

Im Wohnzimmer hatte sich der Junge auf einen Sessel gesetzt und die Arme vor der Brust verschränkt. Julia setzte sich neben ihn und blickte Jason fest in die Augen. „Ja, Papa ist ein guter Mann, aber sein Beruf ist zu gefährlich – gefährlich für uns alle.“ Sie sah den Gang entlang zur Eingangstür. „Du siehst doch jeden Tag das Loch in der Vorderseite der Tür? Einmal hat ein böser Mann auf Papa geschossen und die Tür getroffen. Stell dir vor, du hättest ihn an diesem Tag begrüßt!?“

Jason starrte weiterhin auf den Teppich. Leicht verärgert erhob sich Julia. „So, jetzt mach dich fertig! In fünf Minuten fahren wir los.“

Kossca legte eine CD in seinen Rekorder und lauschte dem Gesang von Johnny Cash. Er liebte diesen Sänger und seine Musik, das entspannte und beruhigte ihn. Mit dem Ende von Ring of Fire kam er an der Polizeistation an, parkte neben Lisas VW, stieg aus und eilte die Treppe hoch.

POLIZEISTATION

Im Büro des Polizeireviers saß der Hauptkommissar Gerhard, ein kleiner, etwas korpulenter Mann mit Halbglatze, vor sich einige seiner Beamten. „Was konnten Sie mit dem weiblichen Torso anfangen?“ Gerhard blickte den Pathologen erwartungsvoll an.