Die Geburt des Himmlischen Kindes - Steffen Stolle - E-Book

Die Geburt des Himmlischen Kindes E-Book

Steffen Stolle

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Beschreibung

Vor 2000 Jahren ging der hellste Stern des Sternbildes Jungfrau einige Jahre lang genau im Osten auf. In dieser Zeit wurde Jesus Christus geboren. Haben beide Ereignisse etwas miteinander zu tun? Gibt es da Zusammenhänge? Diesen Fragen geht der Autor im vorliegenden Buch nach. Die Leserinnen und Leser werden dabei auf eine Reise der Erkenntnis mitgenommen. Detailreich und mit astronomischem Sachverstand werden die entsprechenden Texte der Heiligen Schrift des Christentums, vor allem des Neuen Testaments, mit den Vorgängen am damaligen Sternenhimmel verglichen. Wie von selbst entsteht im Prozess der Auseinandersetzung mit dem Thema eine neue Theorie über den Stern von Bethlehem. Der Text ist so verfasst, dass er eine breite Leserschaft erreichen kann - vom interessierten Laien bis zum Profi, von jung bis alt, vom gläubigen Christen bis zum Atheisten.

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Steffen Stolle wurde 1954 in Leipzig geboren. Nach einer Ausbildung zum Elektromonteur, bei der er gleichzeitig die Hochschulreife erlangte, studierte er an der Pädagogischen Hochschule Halle/Saale. Nach erfolgreichem Abschluss seiner akademischen Ausbildung unterrichtete der Autor 35 Jahre lang als Diplomfachlehrer für Physik und Mathematik an der Polytechnischen Oberschule in Luckau (Niederlausitz) Generationen von Schülerinnen und Schülern – nach einem externen Zusatzstudium Anfang der achtziger Jahre in Potsdam dann auch im Schulfach Astronomie. Seit er 2015 in den Ruhestand getreten ist, kann er sich noch intensiver der Sternenkunde widmen, einer seiner großen Leidenschaften.

INHALT

Die Legende um Jesus Christus

Was erzählt das Neue Testament über das Leben und Wirken von Jesus Christus? Welchem Zweck sollte der Mythos von Zeugung und Geburt des Messias dienen?

Märchenhafte Entdeckungen

Gab es reale Hintergründe für die jungfräuliche Geburt von Jesus? Waren das astronomische Konstellationen und Bewegungen?

Die Prophezeiung

Wie, wann und warum entstand die Astrologie? War die Prophezeiung von Jesaja eine astrologische Vorhersage?

Der hellste Stern der „Jungfrau“ wird zum Star

Welche Folgen hat die Präzessionsbewegung des Erdkörpers? Wann ging Spica, der hellste Stern des Sternbildes Jungfrau, genau im Osten auf?

Im Osten geht ein Stern auf

Zu welchen besonderen astronomischen Ereignissen kam es, als Spica im Ostpunkt des Horizontes aufging? Hängen sie mit der legendären Zeugung von Johannes und Jesus zusammen?

Elisabeth bringt ein Kind zur Welt

War Jupiter der Erzengel Gabriel?

Maria empfängt vom Heiligen Geist

Welchen Sinn hatte der Satz: „Die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“? Warum erschien Joseph ein Engel, als die Schwangerschaft von Maria sichtbar wurde?

Die Suche nach dem Stern von Bethlehem

Was steht zum Stern von Bethlehem in der Bibel? Wie kann er gefunden werden? Wurde der Stern entdeckt?

Der Stern verkündet die Geburt

Was hat der Evangelist Lukas über die Geburt von Jesus geschrieben? Spielte sich seine Erzählung am Himmel ab?

Der Zug der Magier

Was macht die Magier-Geschichte von Matthäus so seltsam? War die Reise der Magier nach Jerusalem ein Gleichnis? Zeigt der Stern die Geburt von Jesus an und offenbart damit die Natur des legendären Christus?

Das Jesuskind erhält die Geschenke der heiligen drei Könige

Warum wird der Dreikönigstag am 6. Januar gefeiert?

Epilog

Nachtrag

Zusammenfassung

Literatur und weitere Quellen

VORWORT

Du wirst Dich fragen, warum nun noch ein weiteres Buch über den Weihnachtsstern, den Stern von Bethlehem, erscheint. Gibt es davon nicht schon viel zu viele, und ist nicht schon längst alles dazu gesagt? Das ist gut möglich. Aber ein Zufall hat mich auf eine neue, bis dahin nicht beachtete Spur geführt.

Als Amateur-Astronom, der ich nun mal bin, habe ich eines Tages – es war Anfang 2020 in den ersten Monaten der Corona-Krise – wieder einmal am Computer mit dem wunderschönen Planetariums-Programm „Carte du Ciel“ Sternegucken gespielt. Dabei habe ich auch eine Reise in die Vergangenheit unternommen und mir den Himmel angeschaut, wie er vor 2000 Jahren ausgesehen hat. Das kann man mit Computerhilfe nämlich zuverlässig berechnen. Dabei fiel mir auf, dass zu jener Zeit der hellste Stern im Bild der „Jungfrau“ genau im Ostpunkt des Horizontes aufging. War diese Besonderheit auch den damaligen Astronomen aufgefallen? Hat sie Spuren hinterlassen? Solchen Fragen bin ich nachgegangen. Das Buch der Bücher, die Bibel der Christenheit, war dabei ein Wegweiser. Alles, was ich entdeckte, schrieb ich auf. Zu welchem Ziel das führen würde, war mir anfangs überhaupt nicht klar.

Komm also mit auf diese Entdeckungsreise in vergangene Zeiten. Am Ende wird es verblüffende Antworten geben. Wenn Du Dich jetzt entscheiden solltest, das Buch ganz schnell ins Regal zurückzustellen, weil Du ernsthafte Astronomie auf wissenschaftlicher Grundlage erwartet hast, sie aber nicht zu finden glaubst, dann schau Dir die Zusammenfassung an, die Du am Ende des Buches findest. Aber nimm es lieber sportlich und schau Dir das Spiel komplett und von vorne an. Denn wer das Ergebnis bereits kennt, hat weniger Spaß beim Zusehen.

Großer Dank gebührt meiner Frau Erika, die immer als erste die entstandenen Buchabschnitte gelesen hat. Dabei hat sie die Worte auf Verständlichkeit geprüft sowie Tipp- und Rechtschreibfehler korrigiert. Mein Freund Henrik Müller hat dann den Text geschliffen und letzte Ungereimtheiten aufgelöst. Mit seiner Hilfe ist schließlich aus der Blattsammlung ein Buch geworden. Seine Arbeit als Lektor war unverzichtbar. Große Unterstützung habe ich auch vom Verein der „Herzberger Sternfreunde e.V.“ erhalten. Als Vereinsmitglied fand ich stets ein offenes Ohr und Hilfe beim Vorstellen und Verbreiten meiner „Theorie über den Stern von Bethlehem“. Den hier Genannten und allen anderen, die geholfen haben, dass dieses Buch entstehen konnte, nochmals ein ganz großes Dankeschön!

Luckau, im Frühjahr 2024

Steffen Stolle

DIE LEGENDE UM JESUS CHRISTUS

Was erzählt das Neue Testament über das Leben und Wirken von Jesus Christus? Welchem Zweck sollte der Mythos von der Zeugung und der Geburt des Messias dienen?

Eigentlich weiß jeder, wie das geht: Am Dorfeingang ist etwas passiert, jemand hat es gesehen und erzählt es seinem besten Freund. Der erzählt es weiter, aber so, wie er es gehört hat oder gehört zu haben glaubt. War das Ereignis ein Renner, wird es schnell weitergereicht. Die Erzählung verbreitet sich wie ein Lauffeuer und verändert sich dabei immer stärker. Am Dorfausgang angekommen, hat das so entstandene Märchen mit der Wirklichkeit oft nur noch wenig zu tun, ob nun die einzelnen Beteiligten den Sachverhalt absichtlich oder unabsichtlich verändert haben.

Dieses Umgestalten von Geschichten hat es schon immer gegeben und macht auch nicht vor großen Ereignissen halt. Denkt man darüber nach, fallen einem viele Beispiele ein. Martin Luther hat auf der Wartburg die Bibel ins Deutsche übersetzt. Als er in seiner Studierstube mitten in der Arbeit war, erschien ihm der Teufel. Luther warf sein Tintenfass nach ihm, und flugs verschwand der Satan. Der Tintenklecks an der Wand blieb. Lange Zeit wurde er immer wieder erneuert, auf dass Verehrer des Reformators ihn bewundern konnten.

Kolumbus, heißt es, hat Amerika entdeckt. Lebten dort aber nicht schon andere Menschen? Natürlich! Kolumbus hat Amerika für die Europäer entdeckt. Aber auch das stimmt nicht ganz. Der Wikinger Leif Eriksson war schon vorher da. Als dem schlafenden Denker Isaak Newton ein Apfel auf dem Kopf fiel, wachte er auf und entdeckte die Gravitationskraft. Wenn das so einfach wäre! Wenn du länger darüber nachdenkst, fallen dir mehr und mehr solcher Beispiele ein.

Und beim Weitererzählen passiert noch mehr. Je toller das Ereignis war, desto öfter wird es weitergegeben. Je mehr Zeit vergeht, desto stärker verändert sich die Geschichte. Und je berühmter die handelnden Personen sind, desto mächtiger ist der Drang, Eigenes hinzuzutun.

In diesem Buch werden nun zwei Märchen erzählt. Die Vorlage des einen ist bekannt: das Neue Testament. Die Vorlage des zweiten Märchens ist das erste. Lass dich überraschen. Vor mehr als 2000 Jahren ereignete sich im Lande des Jordan Unglaubliches. Zacharias war mit Elisabeth verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos. Die Jahre waren vergangen, und es bestand kaum noch Hoffnung auf Nachwuchs. Die Eheleute lebten unweit von Jerusalem. Da Zacharias Priester Gottes war, sollte er im Tempel der Stadt dem Herrn dienen. Rechts vom Altar stand plötzlich ein Unbekannter. Der sagte zu Zacharias: „Hab keine Angst, ich bin der Engel Gabriel und soll dir von Gott die Botschaft bringen, dass deine Frau einen Sohn gebären wird. Nennt ihn Johannes. Euer Kind wird Großes vollbringen.“ Zacharias zweifelte. Seine Frau war nicht mehr ganz jung. Gabriel sagte: „Weil du mir nicht glaubst, sollt du stumm bleiben, bis du selbst siehst, dass ich die Wahrheit sagte.“ Zacharias ging nachhause, konnte aber nicht mehr sprechen. Und Elisabeth wurde schwanger.

Judäa – die Heimat von Jesus Christus zur Zeit seiner Geburt

Nördlich von Nazareth lebte zu gleicher Zeit eine junge, unverheiratete Frau namens Maria. Sechs Monate, nachdem der Engel bei Zacharias gewesen war, erschien er auch ihr und verkündete: „Du wirst einen Sohn bekommen, Gott hat dich dazu auserwählt. Gib ihm den Namen Jesus. Er wird groß sein und Sohn Gottes genannt werden.“ Maria fragte: „Wie kann das sein, ich bin doch noch Jungfrau?“ Gabriel antwortete: „Der Heilige Geist wird dich überschatten, und du wirst einen Knaben gebären.“ Auch Joseph, Marias Verlobter, erfuhr von der Schwangerschaft, so dass er sich von Maria trennen wollte. Doch ihm erschien im Traum ein Engel, der ihm versicherte, das erwartete Kind sei vom Heiligen Geist. Es werde ein Sohn sein, der den Namen Jesus tragen solle. Das alles sei geschehen nach dem Willen Gottes. So blieb Joseph bei seiner jungen Frau.

Da Maria und Elisabeth miteinander verwandt waren, wollte Maria von ihrer Schwangerschaft berichten. Als sie das Haus von Elisabeth und Zacharias betrat, beobachtete sie, wie sich das Kind im Bauch von Elisabeth bewegte, und sie selbst wurde vom Heiligen Geist erfüllt. Laut sagte sie: „Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.“ Elisabeth hatte gespürt, dass Maria ein besonderes Kind unter dem Herzen trug. Beide waren glücklich.

Maria war für Elisabeth eine große Hilfe im Haus. Nach drei Monaten reiste sie ab, Elisabeth gebar einen Sohn. Nach dem Willen Gottes wurde er Johannes genannt. Zacharias sah, dass der Engel im Tempel die Wahrheit gesagt hatte, und konnte wieder sprechen. Er lobpries das Neugeborene: „Kindlein, du wirst ein Prophet des Höchsten sein, denn du wirst vor dem Herrn einhergehen.“

Zuhause angekommen, bereitete sich Maria auf die eigene Niederkunft vor. Cäsar Augustus, der Kaiser in Rom, hatte für sein Reich eine Volkszählung1 angeordnet. So musste das Paar zum Heimatort von Joseph reisen. Dort, in Bethlehem, sollten sie registriert werden. Die hochschwangere Frau und ihr Mann machten sich auf den weiten Weg. Aber in Bethlehem waren wegen der Volkszählung alle Herbergen belegt. Erschöpft fanden Maria und Joseph in einem Stall ein Nachtlager. Und in dieser ungastlichen Umgebung kam Marias Kind zur Welt. Das Baby wurde in Windeln gewickelt und in eine Krippe gelegt. Jesus war geboren.

Drei Weise aus dem Morgenland (heute würde man dazu Mittlerer Osten sagen) hatten nach der Geburt von Jesus einen Stern am Himmel gesehen. Darin sahen sie ein Zeichen, das ihnen den Weg zu Marias Kind weisen würde. Und so war es auch. Der Stern ging – nach der biblischen Legende – vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, an dem Maria und der Knabe sich aufhielten. Die Weisen fielen vor dem Kind auf die Knie und beschenkten es mit Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Judäas König Herodes der Große gehörte zwar zum Volke Israel, war aber Statthalter der römischen Fremdherrschaft im Land. Er erfuhr von der Geburt2 des Jungen, den die Weisen aus dem Morgenland wie einen Messias verehrten. Um seine eigene Herrschaft zu sichern, wollte er Jesus töten lassen. Doch die Familie flüchtete nach Ägypten. Als die Gefahr vorüber war, kehrten sie heim und ließen sich in Nazareth nieder. Hier wuchs Jesus auf.

Schon als Kind war er von der jüdischen Religion angetan. Und er lernte viel davon. Zum Mann herangewachsen, hörte er von seinem Verwandten, dem fast gleich alten Johannes. Es wurde berichtet, dass der Sohn von Elisabeth als Wanderprediger unterwegs sei. Seine Botschaft im Westjordanland lautete: „Bereut, denn das Königreich im Himmel ist nah.“ Diejenigen, die ihre bisherige Lebensweise ablegen wollten, wurden von Johannes in die Wasser des Jordan getaucht. Und es wurden immer mehr, die sich taufen ließen. Sie fragten ihn, ob er der neue Messias sei, den die Weisen aus dem Morgenland prophezeiten. Er antwortete: „Ich bin nicht der Messias, ich ebne nur den Weg für ihn.“

Auch Jesus ging zu Johannes an den Jordan. Auch er wollte getauft werden. Aber Johannes sagte: „Du kommst zu mir? Eigentlich müsstest du mich taufen.“ Doch schließlich wurde auch Jesus in den Fluss getaucht. Da öffnete sich der Himmel, und eine Stimme rief: „Das ist mein geliebter Sohn. An ihm habe ich mein Wohlgefallen.“ Jesus war von dem Ereignis tief bewegt. Er zog für 40 Tage und 40 Nächte in die Wüste. Hier fastete er, und hier erkannte er seine Berufung. Er verließ die Wüstenei und begann, selber zu predigen und zu taufen. Das erboste die Jünger von Johannes. Die sagten zu ihm: „Meister, der Mann, der jenseits des Jordan bei dir war, tauft jetzt selbst, und alle Leute laufen zu ihm!“

Johannes antwortete: „Kein Mensch kann sich etwas nehmen, wenn es nicht vom Himmel hergegeben ist. Ihr selbst habt gehört, dass ich sagte: Der Messias bin ich nicht. Ich bin nur sein Vorläufer. Er muss nun wachsen, ich aber zurückweichen.“ Und Jesus zog durch das Land und verkündete das Gottesreich und die Königsherrschaft Gottes. Immer mehr Menschen hörten ihm zu. Und immer mehr glaubten ihm. Mit ihm zogen nun seine Anhänger. Nach und nach wuchs ihre Zahl auf zwölf. Bei seiner Reise durch das Jordanland vollbrachte Jesus viele Wunder. Eines Tages zog er mit seinen Jüngern nach Jerusalem. Es war die Zeit vor dem Osterfest, an den Tagen des ungesäuerten Brotes.

Wie aber war es Johannes ergangen? Ein Sohn des Statthalters Herodes wurde zum Geliebten der Frau seines eigenen Bruders: nach den Gesetzestafeln des Moses ein gottloses Verhalten. Johannes prangerte es an. Der buhlenden Frau gefiel das nicht, sie forderte als Rache die Ermordung des Johannes und sagte zu ihrem Geliebten: „Gib mir am besten gleich seinen Kopf. Reiche ihn mir in einer Schüssel.“ So starb Johannes.

Als Jesus und seine Jünger Jerusalem erreichten, wurden sie mit großem Jubel empfangen. Zum Missfallen der Tempelpriester sah das Volk in Jesus den wahren Erlöser. Den Messias. Den Verkünder des Gottesreiches. Unter falschen Beschuldigungen wurde Jesus verhaftet.Die Hohepriester sagten: „Wir haben ihn sagen hören: ‚Ich will diesen Tempel, der von Menschenhand errichtet ist, niederreißen und in drei Tagen einen anderen aufbauen, der nicht von Menschenhand errichtet wird.“

Roms Statthalter Pontius Pilatus verurteilte Jesus zum Tode. Er wurde zu seiner Hinrichtung aus der Stadt herausgeführt. Der zuvor vom Volk Verehrte wurde nun geschmäht und geschändet. Es war die dritte Stunde, als sie ihn ans Kreuz schlugen. In der sechsten Stunde kam dann eine Finsternis über das ganze Land. Sie dauerte bis zur neunten Stunde.

Jesus rief: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist!“ So starb er, und er wurde in sein Grab gelegt. Das war zwei Tage vor Ostern. Doch am Ostermorgen war das Grab leer. Jesus war auferstanden. Am fünfzigsten Tag nach der Kreuzigung versammelten sich seine Jünger und wurden vom Heiligen Geist erfüllt, wie es in der Bibel heißt. Nun beschlossen sie, die Lehre von Jesus Christus in alle Welt zu tragen.

Na ja, und das war`s? Das stimmt aber so nicht. So oder so ähnlich wirst du über diese Nacherzählung denken – je nach dem, wie viel du über das Original weißt. Weißt du wenig darüber, ist die erste Meinung möglich. Kennst du das Neue Testament genauer, tendierst du eher zur letzten. Ich bin nun genau in das Dilemma geraten, das ich schon am Anfang geschildert habe. Aus meiner Sicht der Dinge habe ich eine Kurzfassung erzählt. Vieles habe ich weggelassen. Eigentlich das ganze Glaubensbekenntnis. Davon ist nichts übriggeblieben. Und dabei habe ich mir viel Mühe gegeben, den Stil des Buches einigermaßen zu treffen. Bei den wörtlichen Zitaten habe ich nur kleine Änderungen vorgenommen. Der Erzählfluss sollte nicht ganz so sperrig sein wie in der Urfassung. Ich habe nur die Wahrheit gesagt. Durch Weglassen ist aber eine Geschichte entstanden, die eigentlich nur als Rahmenhandlung gedient hat. Ja, das war Absicht! Denn im zweiten Märchen geht es um die Entstehung dieses Rahmens, des Rahmens der Geburtsgeschichte von Jesus!

Wie ist das Neue Testament entstanden? Fangen wir mit den Tatsachen an. Das Christentum ist eine der großen Weltreligionen. Vor etwa 2.000 Jahren entwickelte sich dieser Glaube aus dem Judentum heraus. Beide Religionen haben noch heute die Texte des Alten Testamentes als gemeinsame Grundlage.

Im Neuen Testament wird beschrieben, wie es zur Religionsgründung des christlichen Glaubens kam. Das Neue Testament ist eine Textsammlung. Die vier Evangelien bilden einen Hauptbestandteil. Sie beschreiben das Leben und Wirken von Jesus Christus, also die Zeitspanne der Religionsentwicklung von der Geburt Jesu bis zu seiner Hinrichtung.

Schon im ersten Jahrhundert nach der Kreuzigung Jesu entstanden Texte, die die Gedanken des neuen Glaubens festhielten. Im vierten Jahrhundert erst passte man die Niederschriften einander an. Das heißt vereinfacht: Die Evangelien des Matthäus, des Lukas, des Markus und des Johannes haben ihren Ursprung in mündlichen Überlieferungen sowie in Texten aus der Zeit des Urchristentums, und diese Texte sind dreihundert Jahre später miteinander verbunden worden. Lassen wir uns treiben und stellen uns vor, was hier geschehen seien könnte.

Die Sprache, das Denken und das Weltbild verändern sich ständig. Vor fünfzig Jahren war das Wort „Handy“ ein Fremdwort. Menschen, die damals in der Lage gewesen wären, Punkrock zu hören, wären in Ohnmacht gefallen, und wenn die Jugend von heute die Mode von damals betrachtet, kommen ihr oft die Tränen. Was und wie die Leute einer uns fremden Kultur vor zweitausend Jahren konkret dachten und handelten, liegt also fast in absoluter Dunkelheit. Wir können nur vermuten, was passiert ist. Dazu helfen uns Gleichnisse aus der Gegenwart und der bekannten Geschichte.

Findet ein gesellschaftlicher Umbruch großen Ausmaßes statt, ist das immer das Werk vieler. Eine einzelne Person kann sich an die Spitze der Bewegung setzen, aber sie hat nur Einfluss, wenn sie den Vorstellungen der Massen entsprechen. Jesus Christus lebte in der Weltgegend, wo heute Jordanien und Israel liegen. Die Menschen waren jüdischen Glaubens. Offenbar gab es massive gesellschaftliche Unstimmigkeiten. Die Wächter des Glaubens lebten nicht nach ihren eigenen Regeln. Schludrigkeit, Völlerei, Geldgier und andere Unsitten machten sich breit. Wanderprediger zogen umher und prangerten die Tempelpriester an. Einer von ihnen, ein besonders charismatischer, war Jesus. Obwohl von der Obrigkeit verfolgt, bahnte sich die Idee von einer anderen Art der Lebensführung ihren Weg. Aber nicht nur die neue Lehre wurde bekämpft, sondern auch ihre Prediger. Auch Jesus Christus selber traf dieses Schicksal. Er kam ans Kreuz, wurde also hingerichtet.

Ähnlich verlief ein geschichtliches Ereignis, zu dem die schriftlichen Überlieferungen umfangreicher sind. Die Reformation der katholischen Kirche vor 500 Jahren wurde durch gleiche Ursachen ausgelöst. Sie führte zwar nicht zu einer Neugründung einer Religion, aber die folgenden gesellschaftlichen Umwälzungen waren ebenso bedeutend. Diejenigen, die sich wenig für Geschichte interessieren, werden sagen: Das alles haben wir Martin Luther zu verdanken. Schaust du aber genauer hin, merkst du, dass da viele am Werk waren. Nur einige seien hier genannt: Jan Hus, Philipp Melanchton, Thomas Müntzer oder Johannes Calvin. Und sehr viele, deren Namen nie überliefert wurden. Jan Hus lebte von 1370 bis 1415, Johannes Calvin von 1509 bis 1564. Der Prozess der Reformation dauerte also länger als nur 100 Jahre.

Mit Sicherheit können wir von Folgendem ausgehen: Bei der Abspaltung der Lehre Jesu vom Judentum waren deutlich mehr Menschen am Werk, als je genannt wurden. Und es dauerte lange, bis sich die Anhänger der Lehre Christen und nicht mehr Juden nannten. Und es dauerte noch länger, bis Schriften entstanden, die Grundlage des neuen Glaubens wurden. Und daran waren wieder viele beteiligt. Und so machten sich die Autoren der Glaubensschrift ans Werk. Der Anspruch an dieses Buch war groß. Die Grundsätze des christlichen Glaubens sollten verbreitet werden. Der Text sollte einfach und klar sein. Er sollte sich einem breiten Publikum erschließen können. Auch den Menschen, die, wie die meisten damals, nicht lesen konnten. Natürlich musste auch stets die Verbindung der Geschichte mit ihrem Gott spürbar sein. Gottes Wille sollte hier deutlich sichtbar werden. Ein Zeichen, ein Omen, eine Himmelserscheinung wären am besten geeignet gewesen, die wundersame Entwicklung des Christentums zu erklären. Und es gab tatsächlich ein Zeichen für die Entstehung des Christentums! Eine Prophezeiung aus der Bibel selbst. Sie bildete schließlich die Grundlage für den Rahmen der Geburtsgeschichte von Jesus. Sie wird im Neuen Testament von den Verfassern der Heilsbotschaften erzählt, insbesondere von Matthäus und von Lukas.

Eine Prophezeiung soll nun der Schlüssel sein, um die Geburt von Jesus Christus zu erklären? Was soll das nun wieder, wirst du denken. Zwei Antworten will ich dir geben. Es ist eine Tatsache, dass die Geburt eines Erlösers vorhergesagt wurde. Eine junge Frau oder eine Jungfrau sollte diesen Knaben zur Welt bringen. So steht es im Text des Buches der Bücher. Wusstest du schon. Zweitens: Diese Prophezeiung ist der Anfang einer Gedankenkette, die uns in der folgenden Geschichte zu einer neuen Betrachtungsweise des Weihnachtssterns führt. Bis dahin dauert es zwar eine Weile, aber als Leser oder Leserin von Märchen weißt du, dass der Weg das Ziel ist. Also erst einmal viel Spaß beim Wandern.

1 Die herrschende Geschichtsauffassung geht davon aus, dass diese Volkszählung in Judäa während der Amtszeit des syrischen Statthalters Quirinius im Jahre 6 unserer Zeitrechnung oder später veranstaltet worden ist. Quirinius wurde nämlich erst in diesem Jahr zum Statthalter von Syrien ernannt. Jesus kam nach dieser Auffassung demnach im Jahre 6 oder später zur Welt.

2 Die meisten Historiker sind sicher, dass Herodes im Jahre 4 vor unserer Zeitrechnung gestorben ist. Das Treffen zwischen Herodes und den Weisen aus dem Morgenland müsste demzufolge spätestens im Jahre 4 vor unserer Zeitrechnung stattgefunden haben. In diesem Zeitraum müsste auch Jesus geboren worden sein.

MÄRCHENHAFTE ENTDECKUNGEN

Gab es reale Hintergründe für die jungfräuliche Geburt von Jesus? Waren das astronomische Konstellationen und Bewegungen?

In der Heilsbotschaft von Matthäus findet man Teile der Prophezeiung schon in den ersten Zeilen: „Siehe, die Jungfrau wird guter Hoffnung werden und einen Sohn gebären, dem man den Namen Immanuel geben wird.“ Auch die Quelle ist angeführt: Jesaja, Kapitel 7, Vers 14. Das ist ein Verweis auf das erste der prophetischen Bücher des Alten Testamentes, auf das Buch des Propheten Jesaja.

Jesaja wirkte zwischen 740 und 701 vor unserer Zeitrechnung im Südreich Juda. Im Weltverständnis dieser Zeit war es für die Menschen möglich, künftige Ereignisse aus verschiedenen Zeichen ihrer Götter vorherzusehen. Neben der Traumdeutung glaubten Seher beispielsweise auch, aus der Beschaffenheit der Eingeweide von Tieren oder aus der Art des Vogelzuges die Zukunft vorhersagen zu können. Die am weitesten verbreitete Art der Weissagung war aber die Astrologie. Ihr Ansatz klingt logisch. Im Jahreslauf ändert sich der Stand der Sonne. Die Bögen, die sie Tag für Tag schlägt, werden bis zu einem Maximum immer höher und breiter, um dann bis zu einem Minimum wieder flacher und schmaler zu werden. So entstehen Sommer und Winter. Der Stand der Sonne wurde schon in prähistorischer Zeit als Ursache für die Entstehung der Jahreszeiten erkannt.