Die Geliebte des Vampirs - Julia Larsson - E-Book

Die Geliebte des Vampirs E-Book

Julia Larsson

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Beschreibung

In einer Welt, wo Menschen keine Rechte mehr haben, verliebt sich ein junges Mädchen in seinen Master. Doch Henry ist nicht nur ein Vampir, sondern stammt noch dazu aus einer der einflußreichsten Familien des Landes. Hat ihre Liebe eine Chance, oder ist Henry dazu verdammt sie am Ende doch gehenzulassen?

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhaltsverzeichnis

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

Kapitel 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

KAPTEL 28

KAPITEL 29

KAPITEL 30

KAPITEL 31

KAPITEL 32

KAPITEL 33

KAPITEL 34

KAPITEL 35

KAPITEL 36

KAPITEL 37

KAPITEL 38

KAPITEL 39

KAPITEL 40

KAPITEL 41

KAPITEL 42

KAPITEL 43

KAPITEL 44

KAPITEL 45

KAPITEL 46

KAPITEL 47

KAPITEL 48

KAPITEL 49

KAPITEL 50

KAPITEL 51

KAPITEL 52

KAPITEL 53

KAPITEL 54

KAPITEL 55

KAPITEL 56

KAPITEL 57

KAPITEL 58

KAPITEL 59

KAPITEL 60

KAPITEL 61

KAPITEL 62

KAPITEL 63

KAPITEL 64

KAPITEL 65

KAPITEL 66

KAPITEL 67

KAPITEL 68

KAPITEL 69

KAPITEL 70

KAPITEL 71

KAPITEL 72

KAPITEL 73

KAPITEL 74

KAPITEL 75

KAPITEL 76

KAPITEL 77

KAPITEL 78

KAPITEL 79

KAPITEL 80

KAPITEL 81

Impressum

KAPITEL 1

Anastasia

Erschöpft kauerte ich auf dem Boden, die Arme fest um meine Beine geschlungen. Immer mal wieder geschah es, dass sich eine Träne aus meinen Augen löste, und mir langsam über die Wangen lief. Dass ich noch am Leben war, grenzte beinahe an ein Wunder. Die offenen Wunden auf meinem Rücken brannten wie Feuer und ich war mir sicher, dass ich daran sterben würde. Statt eines schnellen Todes stand ein langer Leidensweg vor mir. Mein schlimmster Alptraum war zur Realität geworden.

Statt an die Schmerzen zu denken, versuchte ich mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Bewusst langsam zog ich die abgestandene Luft meines Gefängnisses in meine Lungen, zählte bis drei und atmete dann ebenso langsam wieder aus. So vergingen die Minuten, die irgendwann zu Stunden wurden, bis es nach einer gefühlten Ewigkeit zu dämmern begann. Ein neuer Tag stand vor der Tür, aber ich wollte kein Teil mehr davon sein.

Obwohl ich am liebsten nie wieder daran gedacht hätte, schweiften meine Gedanken zurück zu den Geschehnissen der letzten Nacht. Die Demütigung, vom Sklavenhändler vor allen Sklavinnen ausgepeitscht zu werden, war fast noch schlimmer gewesen als die Schmerzen, die ich dabei erlitten hatte. Am Ende wäre ich am liebsten gestorben, aber selbst dieser Wunsch war mir nicht erfüllt worden. Trotz aller Widrigkeiten war ich noch hier. Seufzend schloss ich die Augen.

Seit der Revolution vor 10 Jahren hatte sich viel verändert. Unsere Stadt, die einmal mein zu Hause gewesen war, wurde heute von Vampiren regiert, die ihre Macht scheinbar nach Lust und Laune auszuüben schienen; und die wenigen Menschen, die die Kämpfe von damals überlebt hatten, hausten entweder in überfüllten Ghettos am Stadtrand, oder dienten als Sklaven unseren neuen Machthabern. Selbst die Werwölfe, eine schon immer kleine, dafür aber nicht zu unterschätzende Minderheit, hatten den Kampf gegen die Vampire am Ende aufgegeben und waren geflüchtet. Man munkelte, dass sie irgendwo in den Tiefen der Wälder untergekommen waren, aber zu Gesicht bekommen hatte sie seit damals keiner.

Als meine Mutter mich zur Welt gebracht hatte, hatte alles noch ganz anders ausgesehen. Damals hatten Menschen, Vampire und Werwölfe noch gleichberechtigt und frei miteinander gelebt. Obwohl es auch immer mal wieder Probleme gab, hatte man Wege gefunden Interessen zu vereinbaren und Lösungen zu finden. Die Stadt hatte einen Vorstand gehabt, der sich aus Abgeordneten aller Rassen zusammengesetzt hatte und Vampiren war es nicht gestattet gewesen das Blut von Menschen zu trinken. Ich erzitterte. Der Gedanke, von einem Vampir gebissen zu werden, jagte mir einen kalten Schauer den Rücken hinab, aber das war heute leider keine Seltenheit mehr.

Natürlich wusste ich, dass wir uns in keinen guten Zeiten befanden, und trotzdem war mir die Aussichtslosigkeit meiner Situation noch nie so deutlich bewusst geworden wie letzte Nacht, als ich die Brutalität des Sklavenhändlers am eigenen Lieb erfahren hatte, ohne mich dagegen wehren zu können.

Als mein Vater noch lebte hatte, hatte ich mich geborgen gefühlt, trotz allem Elend. Er hatte uns versteckt gehalten und uns immer wieder Hoffnung gegeben, dass sich die Lage bald ändern würde und wir wieder frei würden. Leider hatte er damit nicht Recht behalten und jetzt war er tot, wie auch der Rest meiner Familie, und ich kämpfte in einem kleinen, dreckigen Käfig ums Überleben. Doch wofür? Dass ich eines Tages von einem Vampir gekauft wurde, um ein Leben als Sklavin zu beginnen?

Tränen traten mir in die Augen. Gleichzeitig tastete ich vorsichtig nach dem Halsband, das viel zu eng um meinen Hals geschnürt war. Es markierte mich als Eigentum des Sklavenhändlers und zeigte, wie wenig mein Leben bedeutete. So wenig, dass es in der Hand eines Mannes lag, der seine eigene Rasse emotionslos an unsere Feinde verkaufte und sich daran auch noch bereicherte. Aber damit nicht genug. Es schien ihm auch noch Freude zu bereiten uns Sklavinnen zu quälen, bevor er uns in die Hölle schickte.

Gestern Abend, kurz nach Ladenschluss, hatte es auch mich getroffen. Lange hatte ich mich davor gefürchtet.

Wie üblich lief der Sklavenhändler abends nochmal durch die Reihen von Käfigen, um sich zu vergewissern, dass alle Käfige abgeschlossen waren, bevor er den Handel verließ. Warum er ausgerechnet vor meinem Käfig stehenblieb, wusste ich nicht. Ich versuchte mich klein zu machen, ihn nicht anzusehen, aber es hatte nichts an meinem Schicksal geändert.

Neben meinem laut pochenden Herzen hörte ich, wie er an seinem Schlüsselband herumfingerte und dann umständlich das Schloss öffnete. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich bereits, dass ich verloren war.

Unsanft wurde ich auf dem Käfig gezogen und dann weiter bis in die Mitte des Ladens, wo der Sklavenhändler mich an eine Stange band, an der er tagsüber die hübschesten Mädchen zum Verkauf ausstellte.

Ich wagte es nicht mich zu wehren und kam mir gleichzeitig furchtbar feige vor. Auch als er mir kurze Zeit später das Kleid vom Leibe riss, wagte ich es nicht zu protestieren. Nackt und vollkommen wehrlos wartete ich auf das, was als nächstes unweigerlich geschehen würde.

Der Händler ließ sich Zeit als er ging, um die Peitsche zu holen. Trotz meiner wachsenden Panik fasste ich mir ein Herz und flehte um Gnade, als er zurückkehrte. Ich war mir nicht bewusst, etwas Falsches getan, oder ich. Irgendwie verärgert zu haben.

Doch der Sklavenhändler lachte nur laut. Ein kurzes, herzlosen Bellen. Dann krempelte er sich methodisch die Ärmel hoch, wie er es immer tat.

Als er zum ersten Schlag ausholte, schloss ich verzweifelt die Augen.

Insgesamt wurden es fünf Schläge. Jeden einzelnen von ihnen hatte ich leise mitgezählt. Doch damit nicht genug. Nachdem er die grausame Tat vollbracht hatte, fuhr er mit seinem Übergriff fort, indem er gierig meine Brüste befummelte.

Angewidert, die Augen noch immer fest verschlossen, damit ich das hässliche, aufgequollene Gesicht meines Peinigers nicht sehen musste, ließ ich ihn gewähren. Was wäre mir auch anders übriggeblieben? Insgeheim aber betete ich für ein Wunder, das mich vor allem Weiteren verschonte.

Ob Gott mich am Ende erhörte, oder das Schicksal es ganz einfach nur gut mit mir meinte, konnte ich nicht sagen, aber wie durch ein Wunder blieb ich an diesem Abend tatsächlich verschont.

Gerade als der Sklavenhändler ungeduldig an seiner Gürtelschnalle zu zerren begonnen hatte, war die Stille im Laden durch ein lautes Schrillen unterbrochen worden. Der Sklavenhändler hatte laut geflucht und sich sichtlich verärgert auf den Weg zum Telefon gemacht. Seine Gier nach Geld und Einfluss hätten niemals zugelassen, dass er einen Anruf verpasste.

Mehrere Minuten waren vergangen, in denen keine der Sklavinnen sich getraut hatte auch nur einen Mucks von sich zu geben. Als er schließlich wieder aus seinem Büro gekommen war, hatte ihm offensichtlich etwas gründlich die Laune verdorben. Mit verdrießlicher Miene und finsterem Blick kam er auf mich zu, aber statt dort weiterzumachen, wo er aufgehört hatte, hob er mein Kleid auf, drückte es mir ohne etwas zu sagen in die Hände und zog mich dann unsanft an den Haaren zurück zu meinem Käfig. Ich konnte mein Glück kaum fassen.

Bevor er es sich anders überlegen konnte, verkroch ich mich in die hinterste Ecke und zog mir so schnell es ging das Kleid wieder an. Erst, als das Licht ausgegangen und der Sklavenhändler den Laden abgeschlossen und verlassen hatte, traute ich mich zu weinen. Was hatte ich nur getan? Ich war alles andere als eine Unruhestifterin und in den zwei Monaten, die ich jetzt schon hier war, hatte ich stets versucht mich so unsichtbar wie möglich zu machen.

Seufzend wischte ich mir das strähnige Haar aus dem Gesicht. Vermutlich suchte ich vollkommen vergebens nach einem Grund für den Übergriff. Schließlich war es nicht das erste Mal gewesen, dass der Sklavenhändler eine der Sklavinnen auspeitscht und hinterher vergewaltigt hatte. Was auch immer ihn diesmal zu seiner Tat genötigt hatte, würde vermutlich für immer im Dunklen bleiben. Mir blieb nur die Hoffnung. Die Hoffnung, irgendwann hier rauszukommen und wieder in Freiheit zu leben.

Ich versuchte tief durchzuatmen, aber das Halsband schnitt in meine Kehle und nahm mir den Atem. Ein gequältes Stöhnen entwich meiner Kehle. Seit der Revolution musste jede Sklavin der Stadt ein Halsband tragen. Wie eng es geschnürt wurde, entschied ihr Master. Meins war so eng, dass ich kaum Luft bekam. Am liebsten hätte ich wieder geweint, aber das hätte meine Atemnot nur noch schlimmer gemacht. Außerdem konnte ich es mir nicht leisten, erneut die Aufmerksamkeit des Sklavenhändlers auf mich zu ziehen. Entschlossen schluckte ich die Tränen herunter, schloss die Augen und versuchte mich zu entspannen.

Als plötzlich im Laden das Licht wieder anging, zuckte ausnahmslos jede der ungefähr zwanzig Sklavinnen, inklusive mir, erschrocken zusammen. Wie jeden Morgen flackerte das Licht erst einige Male, bevor es richtig ansprang. Kurz darauf polterte der Sklavenhändler durch die Hintertür. Er war ein schwerer Mann mittleren Alters, mit einem zerquetschten Gesicht und kleinen, hinterhältigen Augen. Wenn er nicht an einer Zigarre qualmte, hatte er für gewöhnlich eine Flasche Whiskey in der Hand. Heute war es die Zigarre.

Wieder war eine Nacht zu Ende gegangen.

Die Mädchen rutschten ängstlich in die hintersten Ecken ihrer Käfige, als er sich wie jeden Morgen durch die Reihen bahnte, um an der Eingangstür den Riegel umzulegen und das alte, verrostete Schild, auf dem in großen Buchstaben 'geöffnet' stand, herumzudrehen. Nur ich rührte mich nicht von meinem Platz. Die Angst vor den reißenden Schmerzen, die jede noch so kleine Bewegung auf meinem Rücken verursachte, war tatsächlich größer als die Angst vor dem aufbrausenden Temperament des Sklavenhändlers.

Als dieser auf dem Weg zur Tür an meinem Käfig vorbeikam, musterte er mich eindringlich. Dann verzog er das Gesicht zu einem ekligen Grinsen. Für den Bruchteil einer Sekunde schaffte ich es seinem Blick standzuhalten, bevor ich mit klopfendem Herzen zu Boden sah. Erst als er weiterging, wagte ich es wieder aufzusehen.

Der Tag begann, wie jeder andere auch. Vampire in vornehmer Kleidung kamen und gingen. Manche verließen den Laden mit einer neuen Sklavin, während andere nur zum Schauen vorbeigekommen waren.

Ich verbrachte den Tag wie immer zusammengekauert in meinem Käfig. Indem ich mich so unscheinbar wie möglich machte, hoffte ich niemandem aufzufallen. So abscheulich dieser Ort auch war, so stellte ich es mir hier doch immer noch tausendmal angenehmer vor als ein Leben als Sklavin an der Seite eines Vampirs. Die Vorstellung, dass eines dieser unmenschlichen Wesen jeden Tag von meinem Blut trank, bis ich keine Kraft zum Leben mehr hatte, war so grauenvoll, dass ich gar nicht daran denken wollte. Da harrte ich lieber an diesem schäbigen Ort aus.

Der Tag war fast zu Ende, als die altmodische Glocke über dem Eingang zum Sklavenhandel sich noch einmal laut klingelnd in Bewegung setzte. Ein Vampir, den man beim ersten Blick für einen ganz normalen Mann hätte halten können, betrat den Laden und sah sich neugierig um.

Durch meine verfilzten Haarsträhnen, die mir wie ein Vorhang dienten, beobachtete ich ihn. Er war groß, elegant und ausgesprochen gutaussehend. Der schwarze Anzug, den er trug, schmiegte sich bei jeder Bewegung schmeichelnd um seinen muskulösen Körper. Am Handgelenk trug er eine goldene Uhr, die davon zeugte, dass er aus einer wohlhabenden Familie stammte.

Aus unerfindlichem Grund begann mein Herz plötzlich laut zu klopfen. Nervös beobachtete ich, wie er die abgestandene Luft in seine Lungen zog und kurz darauf angewidert das Gesicht verzog. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Als ich diesen Ort zum ersten Mal betreten hatte, hatte sich mir bei dem Gestank auch fast der Magen gehoben. Heute wusste ich weshalb. Wir Sklavinnen bekamen nur einmal in der Woche einen Eimer mit frischem Wasser zum Waschen. Außerdem gab es nur eine einzige, verschmutzte Toilette, die für fast zwanzig Mädchen diente.

Der Sklavenhändler saß über einen Haufen von Papieren gebeugt an seinem Schreibtisch. Beim Klang der Türklingel hatte er neugierig den Blick gehoben, um zu sehen wer gekommen war. Als er erkannte, dass es sich um einen Kunden handelte, verzogen sich seine Mundwinkel zu einem süßlichen Grinsen, ließ blitzartig den Stift sinken und fuhr sich mit der Hand durch das fettige, viel zu lange Haar. Er witterte ein Geschäft.

“Ah, Lord Henry, was für eine angenehme Überraschung!”, säuselte er geschäftsmäßig und erhob sich um dem Mann die Hand zu schütteln.

Die überzogen freundliche Begrüßung fand wenig Beachtung. Der Vampir sah den Händler zwar an, verzog aber keine Miene. Stattdessen kam er sofort auf sein Anliegen zu sprechen.

“Ich bin auf der Suche nach einer neuen Sklavin“, erklärte er und ließ seinen Blick aufmerksam durch die Reihen von Käfigen schweifen.

Der Sklavenhandel hatte nur ein einziges, kleines Fenster über der Tür und die wenigen Lampen waren so dreckig, dass sie kaum noch Licht spendeten. In der Mitte verlief ein betonierter Weg, während die vielen kleinen Käfige für die Sklavinnen nur Dreck als Untergrund hatten.

“Natürlich“, antwortete der Ladenbesitzer eifrig. „Irgendetwas Besonderes?“

“Nicht wirklich…”, murmelte der Vampir leise und spähte dabei gedankenversunken in einige der Käfige.

In einem von ihnen saß ein junges Mädchen mit blondem Haar, das wie ich ängstlich in sich zusammengekauert saß und auf den Boden starrte. In dem daneben kniete ein braunhaariges Mädchen, das schon seit Tagen im Dreck immer wieder die gleichen Muster malte.

Mein Herzschlag beschleunigte sich erneut, als er sich langsam in meine Richtung zu bewegen begann. Bitte nicht mich, betete ich immerfort. Obwohl er hier viel hübschere Mädchen als mich gab, hatte ich das ungute Gefühl als wäre mein Schicksal sich mit dem des Vampirs in irgendeiner Art und Weise verbunden. Es ergab keinen Sinn, aber mit jeder Sekunde die verstrich wurde dieses Gefühl stärker. Den Blick starr zu Boden gerichtete wartete ich, was als nächstes geschehen würde.

Die Schritte des Vampirs wurden lauter, je näher er kam, bis sie plötzlich innehielten. In meiner Panik wirbelte mir tausend Gedanken durch den Kopf. Er musste genau vor meinen Käfig stehen, das spürte ich. Entgegen jeder Vernunft sah ich auf. Ich hatte richtig vermutet. Er stand dicht vor mir, hatte sich sogar zu mir heruntergebeugt. Seine Augen musterte mich mit einer Mischung aus Neugier und… Erstaunt hielt ich den Atem an. Mitleid? Nein, das konnte nicht sein. Sicher irrte ich mich. Weshalb sollte eine Kreatur wie er Mitleid mit mir haben?

Ich schluckte ängstlich, denn er hatte die Augen noch immer fest auf mich gerichtet. Da er in dem dämmrigen Licht wohl nicht so gut sehen konnte, hatte er sie leicht zusammengepresst. Trotzdem war deutlich zu sehen, wie außergewöhnlich grün sie waren. Ich hätte sie stundenlang bewundern können, merkte aber schnell, dass jegliche Emotionen in seinem Blick wieder verschwunden waren und richtete meinen Blick schnell wieder zu Boden.

Die Tatsache, dass er mich noch immer ansah, konnte nichts Gutes bedeuten. Instinktiv rutschte ich in meinem Käfig so weit es ging nach hinten, wobei die Schmerzen der frischen Wunden mich verzweifelt aufwimmern ließen.

Fragend zog der Vampir seine Augenbrauen zusammen. „Was ist mit ihr?”, fragte er an den Sklavenhändler gewandt.

„Ach die…“ Der Sklavenhändler winkte ab. „Die Gute ist ein bißchen empfindlich. Ständig am Heulen und so. Es wurde mit der Zeit nervig, da habe ich sie mit der Peitsche bekannt gemacht." Er lachte. "Jetzt hat sie wenigstens einen Grund zum Jammern!”

Der Vampir nickte, ohne dabei die Miene zu verziehen. “Wie alt?”

Nervös biss ich mir auf die Lippe. Warum stellte er all diese Fragen über mich und warum war er noch nicht weitergegangen? Überlegte er tatsächlich mich mitzunehmen?

„Siebzehn.“

„Und der Züchter?”

Züchter... Alleine das Wort bereitete mir Übelkeit. Als Züchter wurden solche Vampire bezeichnet, die Sklaven aufkauften, die sonst niemand mehr gebrauchen konnte. Meistens geschah dies, wenn sie ihre Aufgaben nicht mehr richtig erfüllen konnten. Sie wurden dazu gezwungen ein Kind zu zeugen und wenn dieses dann geboren war, für ihr Blut ermordet.

“Sie hat keinen. Sie ist die Tochter eines Rebellen, der vor kurzem gefallen ist. Ich habe sie eigenhändig eingefangen.”

Gegen meinen Willen wallten Tränen in mir auf. Tränen, die ich schnell versuchte weg zu blinzeln, da sie auf keinen Fall jemand sehen sollte. Seine Beschreibung der Geschehnisse entsprachen der Wahrheit. Allerdings hatte er vergessen zu erwähnen, wie er und seinesgleichen den Rest meiner Familie brutal ermordet und dann den Wölfen am Straßenrand hingeworfen hatte.

Der Vampir schwieg. Anscheinend ließ er sich die Geschichte des Sklavenhändlers durch den Kopf gehen.

Von freilebenden, sich nicht unterordneten Menschen, oder Rebellen, wie sie von den Vampiren genannt wurden, gab es nicht mehr viele. Von ihnen erzählte man sich, dass sie stark, gefährlich und aufsässig waren. Ich seufzte leise. Ob dies stimmte, konnte ich nicht beurteilen, aber wenn es so war, dann war ich wohl die große Ausnahme.

“Blutgruppe?”, fragte der Vampir.

Ich erstarrte. Es gab nur einen Grund, weshalb es so etwas wissen wollen würde… Durch mein Harr hindurch spähte ich auf.

„B-Negativ.“

Ich schluckte. Eine nicht weit verbreitete, unter Vampiren sehr begehrte Blutgruppe. Ein definitiver Pluspunkt für jeden Käufer.

Der Sklavenhändler lächelte und verschränkte dabei zufrieden die Arme vor der Brust. Er wusste, dass er eine gute Chance hatte mich heute loszuwerden. „Und noch nie gebissen.”

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten lehnte der Vampir sich zu mir nach unten und musterte mich eindringlich. Ich verlagerte verlegen das Gewicht, konnte aber nicht verhindern, dass meine Augen gleich wieder wie magnetisch angezogen die seinen suchten. Er hatte ein Gesicht, dass man einfach immer wider ansehen wollte. Perfekt ebenmäßig und gefährlich schön.

Neugierig betrachteten wir einander. Er offen und unbefangen, ich scheuch und verhalten. Seine Haut war so blass, dass sie fast transparent erschien, und stand in interessantem Kontrast zu seinem dunklen, fast schwarzen Haar und den grünen Augen.

Für einen kurzen Moment erlaubte ich es mir daran hängenzubleiben. Sie waren nich einfach nur grün, sondern schimmerten in so vielen warmen Untertönen, dass sie einen regelrecht gefangen zu nehmen schienen. Ihre Schönheit verwirrte mich. Es war schwer zu glauben, dass es die Augen eines gefährlichen Killers waren.

Als er merkte, dass ich seine Augen studierte, beobachtete er mich dabei. Es war ein seltsames Gefühl, als wir einander in die Augen sahen. Als würde er mir tief in die Seele blicken, allerdings ohne dabei etwas über sich selbst preiszugeben. Ich bekam eine Gänsehaut und sah schnell zur Seite. Meine Gedanken überschlugen sich.

"Warum hat sie noch niemand haben wollen?”, fragte der Vampir, während ich verzweifelt versuchte Ordnung in meine Gedanken zu bringen. „Sie sieht aus, als wäre sie schon länger hier.“

Ich errötete. Dass er mit seinem Kommentar auf mein Aussehen anspielte, war offensichtlich. Obwohl es hier keinen Spiegel gab, konnte ich mir bildlich vorstellen wie heruntergekommen ich aussehen musste. Dreckig und abgemagert, mit verfilztem Haar, abgebrochenen Fingernägeln und tiefen Ringen unter den Augen.

Der Sklavenhändler lehnte sich seufzend zurück. Diese Frage hatte er schon des Öfteren beantworten müssen. “Sie hat eine … Angststörung.”

“Eine Angststörung?”, wiederholte der Vampir verwirrt.

Der Sklavenhändler nickte theatralisch. “Schon solange sie hier ist. Keiner will sich damit rumschlagen. Spricht kaum, Tränen, Alpträume… Manchmal schreit und schlägt nachts um sich wie eine Verrückte. Weckt damit alle anderen Sklavinnen auf!“

Ich ballte die Hände zu Fäusten. Wie konnte dieses Monster nur so tun, als trüge er an meinen Alpträumen keine Schuld? Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, ihn einen Mörder genannt und getreten, aber das hätte ich mich natürlich nie getraut. Er würde mich umbringen.

“Ich nehme sie“, erklärte der Vampir, bevor ich mich weiter darüber nachdenken konnte, wie sehr ich den Sklavenhändler verachtete.

Ungläubig spähte ich durch meine Haarsträhnen in seine Richtung. Er kniete noch immer vor meinem Käfig, das Kinn nachdenklich auf seine rechte Hand gestützt. Mein Herzschlag verlangsamte sich, bis ich jeden Schlag laut und deutlich hören konnte, nur um wenige Sekunden später so schnell zu rasen, dass mir schwindelig wurde.

In meinem Kopf hörte ich mich laut schreien. Nein! Nicht mich! Bitte nicht mich! Es dauerte nicht lange, bis ich mich dermaßen in meine Panik hineingesteigert hatte, dass ich wegen des engen Halsbands kaum noch Luft bekam.

„Wirklich?“, hörte ich den Sklavenmaster durch das Pochen in meinem Kopf fragen. Anscheinend fiel es ihm ebenso schwer wie mir, die Entscheidung des Vampirs nachzuvollziehen.

Mein neuer Master zögerte einen Moment, bevor er sich wieder aufrichtete und dem Sklavenhändler ein falsches, zuckersüßes Lächeln schenkte. Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich dabei seine schneeweißen Eckzähne aufblitzen. Sie waren um einiges länger und spitzer als die Eckzähne eines Menschen. Unwillkürlich bekam ich eine Gänsehaut. Eine tödliche Waffe…

„Eine Sklavin, die es versteht zu schreien, ist mir nur recht“, erklärte er lässig und brachte mich damit zum Zittern. Wie er das gemeint hatte, konnte ich mir denken.

Der Sklavenhändler grinste. „Ich verstehe. Sie sind ein Mann nach meinem Geschmack.“ Mit diesen Worten ging er um eine der dreckigen Leinen zu holen, die neben seinem Schreibtisch hingen.

Als er wenig später zurückkam, meinen Käfig aufschloss und versuchte nach meinem Halsband zu greifen, um die Leine daran zu befestigen, drehte ich instinktiv den Kopf bereite, damit er mich nicht zu fassen bekam. Vielleicht war dies ja nur einer meiner Alpträume und ich würde jeden Moment erwachen?

Der Sklavenhändler fluchte und versuchte es gleich nochmal. Diesmal mit Erfolg. Erstaunlich geschickt hatten seine dicken Finger die Leine an meinem Halsband befestigt und ich wurde ruckartig aus dem Käfig gerissen. Durch meine Verletzungen fiel es mir schwer das Gleichgewicht zu halten. Ich stolperte und fiel unbeholfen vor ihm und dem Vampir auf den Boden.

„Steh auf!“, rief der Händler verärgert und zog unsanft an der Leine. Vermutlich hatte er Angst der Vampir könnte seine Kaufentscheidung wieder rückgängig machen, wenn er sah wie schwach ich war.

Als ich seiner Anweisung nicht gleich nachkam, riss er erneut an der Leine. Kräftiger diesmal, sodass sich das Halsband um meinen Hals fest zusammenzog und ich das Gefühl hatte jeden Moment zu ersticken. Panisch versuchte ich es mit den Händen zu lockern, was den Händler noch wütender zu machen schien.

„Du verdammte, dreckige Hure! Dein neuer Master wird dich schon lehren gehorsam zu sein!“

Voller Entsetzen beobachtete ich, wie er mit dem Fuß ausholte um mich zu treten und hob schützend die Arme vors Gesicht. Jeden Moment würde er mich mit seinem widerlich stinkenden Stiefel treten als wäre ich ein streunender Hund und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte.

Doch der Tritt blieb aus. Er blieb aus, weil sich mein neuer Master entschieden zwischen uns gestellt hatte.

„Ich bevorzuge es meine Sklavinnen intakt“, zischte er und warf den Händler einen drohenden Blick zu.

Dieser hatte verstanden, räusperte sich entschuldigend und verneigte sich respektvoll. „Natürlich“, sagte er und überreichte dem Vampir ergeben das Ende der Leine. „Wie sie wünschen. Bitte folgen sie mir zur Kasse.“ Angespannt setzte er sich in Bewegung.

Ich kauerte noch immer kraftlos auf dem Boden und beobachte die beiden. Es war alles so schnell gegangen, dass es meinem Kopf schwer gefallen war den Geschehnissen folgen. Der Vampir sah auf mich hinab. Als unsere Blicke sich trafen forderte er mich mit einer knappen Bewegung seines Kinns zum Aufstehen auf. Erst als ich mich auch nach mehreren Sekunden nicht rührte, zog er vorsichtig an der Leine.

Ich erwachte auf meiner Starre und richtete mich auf, so schnell ich konnte. Meine Beine zitterten, als ich endlich darauf zum Stehen kam. Erstens wegen der Schmerzen und zweitens, weil ich sie seit Wochen kaum benutzt hatte. Trotzdem schaffte ich es irgendwie mich aufrecht zu halten.

Der Vampir, dem meine Qual nicht entgangen war, wartete bis ich halbwegs sicher auf den Beinen stand, bevor er Anstalten machte dem Händler zu folgen. Seine Rücksichtnahme verwirrte mich. Der Sklavenhändler hätte mich schon längst mit Gewalt hinter sich hergezogen. Zur Not auf allen Vieren. Warum also war er so nett zu mir?

Während wir zur Kasse gingen, gab ich mir alle Mühe eine angemessene Distanz zu meinem neuen Master einzuhalten. Als Sklavin gab es gewisse Regeln, an man sich halten musste. Dass ich stets in einem Abstand von einem Meter hinter meinem Master lief, war eine davon.

Ich seufzte leise. Was erwartete mich dort, wo wir hingingen? Wie würde mein Leben fortan aussehen? Dass er mich vor dem Sklavenhändler in Schutz genommen hatte, dafür war ich ihm wirklich dankbar, aber er war und blieb ein Vampir und ich durfte ihm auf keinen Fall trauen.

Tief in Gedanken wäre ich beinahe in ihn hineingelaufen, als er vor der Kasse innehielt.

„Brauchen sie heute sonst noch etwas?“, fragte der Sklavenhändler, wieder ganz in seine Rolle als Geschäftsmann versunken, und deutete mit der Hand zu einem Regal, auf dem sich eine Ansammlung von Zubehör, wie Halsketten, Leinen, Peitschen, Fesseln und Mundknebeln türmten.

Der Vampir betrachtete die Utensilien und sah dann nachdenklich über seine Schulter auf mich hinab, woraufhin ich beklommen zu Boden blickte.

„Ja, ich nehme einen von diesen“, hörte ich ihn sagen. Worauf er gezeigt hatte wusste ich nicht, aber das was vielleicht auch gut so.

„Gute Wahl.“ Der Sklavenhändler lachte und ich hörte, wie das ‘irgendetwas‘ in eine Tüte packte. Die Ungewissheit brachte mich dazu, nervös das Gewicht von einem Fuß auf den anderen zu verlagern. Gerne hätte ich aufgesehen, aber ich traute mich nicht.

„Sind sie sicher, dass sie keine Peitsche wollen? Bei der könnten sie vielleicht eine gebrauchen!“

„Nein danke”, erwiderte der Vampir und ich atmete erleichtert auf.

„Ich habe bereits mehr als genug davon.“

KAPITEL 2

Anastasia

Mein neuer Master und ich verließen den Sklavenhandel. Er lässig und entspannt, ich voller Angst und Unruhe.

Als wir über die Schwelle nach draußen traten und ich die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut spürte, hätte ich beinahe geweint. Obwohl ich nur wenige Wochen im Sklavenhandel verbracht hatte, hatte ich doch das Gefühl als hätte ich halbe Ewigkeit in dieser Dunkelheit vor mich hin gerottet. Wie wunderbar warm sich die Sonne auf der Haut anfühlte und wie hell und freundlich sie war!

Gerne wäre ich stehengeblieben, um dieses Gefühl noch etwas zu genießen, aber der Vampir bog zielstrebig um die nächste Ecke und ich musste mich beeilen, um mit ihm Schritt zu halten. Obwohl er fast rannte, lief er so anmutig und leichtfüßig wie eine Raubkatze, die im Unterholz ihre Beute verfolgte. Bewundernd beobachtete ich, wie sich seine Schultermuskeln unter dem Hemd mit jedem Schritt ästhetisch bewegten. Bei diesem Anblick konnte ich mir gut vorstellen, welche Kräfte sich hinter diesem attraktiven Körper versteckten!

Als wüsste er, dass ich ihn beobachtete, drehte er sich plötzlich zu mir um. Ertappt starrte ich auf den Boden. Von einem Mädchen im Handel, das schon einmal im Dienst eines Vampirs gestanden hatte, wusste ich, dass Vampire es nicht mochten, wenn man sie beobachtete. Angespannt und mit klopfendem Herzen wartete ich, ob er etwas sagen würde, aber das tat er nicht. Stattdessen drehte er sich wieder um und ging weiter.

Ich atmete erleichtert auf. Entweder er hatte meine Blicke nicht bemerkt, oder sie hatten ihn nicht gestört. Irgendwie hoffte ich, dass es Letzteres war. Ich stellte es mir furchtbar schwierig vor so einem perfekten Wesen zu dienen, ohne es dabei ab und zu anzusehen.

Während wir weitergingen, gab ich mir alle Mühe meinen Blick weiterhin nach unten gerichtet zu halten. Da ich keine Schuhe her mehr besaß, ich hatte sie in der Nacht meiner Gefangennahme verloren, lief ich barfuß, aber das störte mich nicht weiter. Der Beton unter meinen Füßen war glatt und warm. Ein Gefühl, das mich an meine Kindheit erinnerte.

Unwillkürlich überkam mich eine Gänsehaut. Da lief ich und genoss die Umgebung, die warmen Sonnenstrahlen und das Gefühl wieder frei zu sein, dabei lag mein Leben im wahrsten Sinne des Wortes in der Hand eines Vampirs. Ich war nicht frei, sondern an eine Leine gebunden wie ein Tier, und der der sie hielt, bestimmte über mein Leben, oder meinen Tod. Wenn ihm danach war mir das Blut auszusaugen, bis ich keine Kraft mehr zum Leben hatte, dann konnte er das tun, ohne das irgendjemand sich daran störte.

Als mein Master in diesem Moment erneut stehenblieb, war ich so tief in meine Gedanken versunken, dass ich zu meinem Entsetzen tatsächlich in ihn hineinlief. Wie ein Blitz fuhr er herum und bohrte seine grünen Augen in mich. Ich schluckte erschrocken und hatte gleichzeitig das Gefühl, als würde selbst der letzte Tropfen Blut aus meinem Gesicht weichen. „B- bitte entschuldigt mich, Master“, stammelte ich. Vor lauter Schrecken hatte ich ganz vergessen, dass es mir als Sklavin nicht zustand unaufgefordert zu sprechen. Erschrocken schlug ich die Hände vor den Mund. Konnte ich denn heute gar nichts richtig machen?

Ängstlich starrte ich auf meine nackten Füße und wartete, was als nächstes geschehen würde. Ein zweites Mal innerhalb weniger Minuten würde er sicher keine Nachsicht mit mir haben, oder doch?

Der Vampir räusperte sich, als würde er etwas sagen wollen, griff dann aber ungeduldig nach meinem Handgelenk und zog mich weiter. Ich quietschte vor Überraschung, sah auf und konnte gerade noch erkennen, dass wir uns kurz vor der geöffneten Tür einer schwarzen Limousine befanden.

Eigentlich hätte mich das nicht überraschen sollen. Hatte ich erwartet, dass wir den ganzen Weg zur Burg laufen würden? Die meisten Vampire reisten in Limousinen. Zumindest diejenigen, die Geld hatten und in der Stadt wohnten. Ihre Limousinen wurden von Sklaven gefahren, deren einzige Aufgabe es war ihrem Master jederzeit, ob Tag oder Nacht, zur Verfügung zu stehen. Ich seufzte innerlich. Was ich nicht dafür geben würde mit dem Fahrer zu tauschen… Verglichen mit dem, was mich erwartete, genossen sie ein einfaches, unbeschwertes Leben.

Als wir das schwarze Ungetüm erreicht hatten, gab er mir mit der Hand ein Zeichen zum Einsteigen. Ich zögerte. Für den Bruchteil einer Sekunde fragte ich mich, was mich am Ziel dieser Fahrt erwartete. Doch dann schüttelte ich kaum merklich mit dem Kopf und bückte mich, um einzusteigen. Was nützte es mir Gedanken über die Zukunft zu machen. Mir blieb sowieso nichts anderes übrig als das zu tun, was mir befohlen wurde.

Nachdem der Fahrer angefahren und in den Verkehr eingebogen war, ließ mein Master das Ende der Leine neben uns auf den Sitz fallen, lehnte sich entspannt zurück und seufzte tief. Der Fahrer, welcher außer einem kurzen Gruß noch kein Wort gesprochen hatte, blieb weiterhin stumm.

Je länger die Fahrt dauerte, ohne dass irgendjemand etwas sagte, oder sonst irgendetwas Aufsehen erregendes passierte, desto mehr entspannte auch ich

mich. Leider hatte dies zur Folge, dass sich die Schmerzen auf meinem Rücken wieder bemerkbar machten. In der Limousine war es so still, dass man jeden meiner angestrengten Atemzüge hören konnte. Vorsichtig schob ich meine Hand unter die Halskette. Ich wollte sie etwas von meinem Hals wegziehen, damit ich besser Luft bekam, aber sie war zu eng und ließ sich nicht lockern.

Der Vampir drehte neugierig den Kopf in meine Richtung, woraufhin ich die Hand schnell wieder sinken ließ. Einen Fehler. Nur einen Fehler und ich konnte tot sein. Fieberhaft starrte ich auf meine Hände, die ich auf dem Schoß gefaltet hatte, um ihr Zittern zu verbergen.

Dann geschah etwas Seltsames. Eine Hand berührte meinem Hals. Seine Hand. Sie war kalt, fühlte sich aber nicht unangenehm an. Vorsichtig öffneten seine langen Finger die Schnalle an meinem Halsband und im nächsten Moment war die schwere Kette verschwunden und ich bekam wieder Luft! Zum ersten Mal seit einer halben Ewigkeit konnte ich wieder richtig durchatmen und es fühlte sich wunderbar an. Gegen meinen Willen entfuhr meinen Lippen ein dankbares Seufzen. Gerne hätte ich etwas gesagt, aber ich wusste nicht, ob ich das durfte, also schwieg ich.

Der Vampir starrte auf die Stelle an meinem Hals, wo eben noch die Kette gelegen hatte. Entweder hatte das schwere Metall dort eine auffällige Stelle hinterlassen, oder er überlegte gerade, ob er von meinem Blut trinken sollte.

„Du redest nicht viel, oder?“, fragte er plötzlich.

Ich überlegte. Da ich seit Wochen gar nicht gesprochen hatte, war die Antwort wohl ein klares ‚nein‘.

„Ich wusste nicht, dass es mir erlaubt ist…“, erwiderte ich leise. Meine Stimme klang heiser, fast fremd und wäre sie nicht aus meinem Hals gekommen, hätte ich sie wohl nicht erkannt.

Er zögerte, bevor er antwortete. „Wenn wir unter uns sind, ist das kein Problem.“

Ich musterte ihn fragend. Das war...unerwartet. Als er den Kopf wieder zu mir drehte, trafen sich unsere Blicke. Meiner, voller Unsicherheit, seiner selbstbewusst und forschend. „Wie heißt Du?“

Ich hatte einen Namen, aber das war vor meiner Gefangenschaft gewesen. Sklaven bekamen normalerweise den Namen, der ihr Herr für sie aussuchte.

„Was auch immer sie wünschen, mein Herr.“

Er schüttelte den Kopf. „Nein.“ Seine Stimme klang fest und ließ mich zusammenzucken.

„Du bist in Freiheit geboren, richtig? Also musst du auch einen Namen haben?“

Ich blinzelte verwirrt. Worauf wollte er hinaus? „Anastasia“, flüsterte ich.

Nachdenklich rieb der Vampir sich mit der Hand übers Kinn und schien für eine Weile tief in seine Gedanken versunken. „Anastasia“, wiederholte er dann langsam, als würde er sich den Namen auf der Zunge zergehen lassen. „Das klingt schön.“

Da ich nicht wusste, was ich daraufhin erwidern sollte, wandte ich den Blick zum Fenster hinaus. Ein Kompliment aus dem Munde eines Vampirs! Das ein Geschöpf wie er zu einer solchen Nettigkeit überhaupt in der Lage war, fand ich mehr als verwunderlich. Verwirrt überlegte ich, ob ich mich darüber freuen sollte, kam am Ende allerdings zu dem Schluss, dass es alles andere als weise von mir wäre ihm zu vertrauen.

Die Limousine wurde immer langsamer, bis sie schließlich ganz zum Stehen kam. Mein Master seufzte und griff gleichzeitig nach der Tüte. Ein kurzer Blick aus dem Fenster ließ mich vor Ehrfurcht den Atem anhalten. Eine riesige Burg erhob sich aus der Dämmerung. Eine Burg, die aus dunklem Stein gebaut war, und unzählig viele kleinen Türmen und Zinnen besaß. Ungläubig ließ ich meinen Blick darüber gleiten. So sah es also aus, das Hauptquartier der Vampire. Der Ort, von dem aus sie die Stadt und uns Menschen beherrschten. Ich hatte die Burg noch nie aus der Nähe gesehen.

Als ich wieder zu meinem Master sah, hatte dieser eine neue Halskette und eine dazu passende Leine in der Hand. Sie waren hellblau, mit goldenen Schnallen. Ich schluckte beklommen, als seine Hände sich meinem Hals näherten. Kurz bevor sie meinen Hals berührten, schloss ich traurig die Augen. Es war so schön gewesen, ohne diese erniedrigende Halskette. Für einen kurzen Moment war ich frei gewesen, wenn auch nur in meiner Fantasie.

Während er mir die Kette anlegte, hielt ich so still wie möglich. Zum Glück schnallte er sie mir nur locker um.

„Ist es ok so?“, fragte er, nachdem er die Hände zurückgezogen hatte.

Ich öffnete die Augen. „Hm hmm“, murmelte ich, bemüht mir meine Traurigkeit nicht anmerken zu lassen.

Er nickte zufrieden und stieg aus. Ich folgte ihm schnell, bevor er an der Leine ziehen musste.

Beim Anblick eines wunderschönen Rosengartens vor der dunklen Burg riss ich erstaunt die Augen. Was für ein Gegensatz! Vor einem großen Eingangstor hielt Master inne. Dort standen ein Vampir und ein Sklavenjunge.

„Eine neue Sklavin?“, fragte der Vampir, offensichtlich ein Wächter.

Master nickte zur Antwort, woraufhin der Sklavenjunge begann das große Eisentor aufzuschieben.

Der Wächter grinste breit, als wir an ihm vorbei ins Innere der Burg gingen.

„Ein hübsches, kleines Ding.“

Eine Gänsehaut breitete sich auf meinem Rücken aus und ich beeilte mich, schnell an ihm vorbeizukommen.

Der Sklavenjunge verbeugte sich vor meinem Master. „Willkommen zu Hause, Sir Henry.“

KAPITEL 3

Anastasia

Eigentlich hatte mir vorgenommen in der Burg nicht aufzusehen und schon gar nicht mit irgendwem Blickkontakt aufzunehmen. Je weniger Aufmerksamkeit ich auf mich zog, desto besser. Dabei hatte ich jedoch nicht damit gerechnet, dass diese Burg von innen noch viel imposanter und vor allem eleganter war als von außen! Es war wie in einem Museum. Sich hier nicht umsehen zu wollen war absolut unmöglich!

Staunend betrachtete ich die riesigen Kronenleuchter an den Decken. Sie waren so groß, dass sie ohne Zweifel jemanden hätten erschlagen könnten und noch dazu aus purem Gold gefertigt. Genau wie die vielen Bilderrahmen, die überall an den Wänden hingen. Sie verzierten die Portraits berühmter Vampire, die mir allesamt das Blut in den Adern gerinnen ließen. Das lag vor allem an den Augen, die kalt und erbarmungslos auf einen hinabzusehen schienen.

Seit wir die Burg betreten hatten, hatte mein Master, von dem ich inzwischen wusste, dass er Henry hieß, seine Schritte merklich beschleunigt und ich musste mir richtiggehend Mühe geben nicht zurückzufallen. Wir durchquerten einen Saal, in dem sich zehn langgezogene Holztische mit unzähligen dazu passenden Stühlen befanden. Das Esszimmer, vermutete ich.

Auf der anderen Seite bogen wie in einen Korridor, der von Vampiren nur so wimmelte. Manche waren mit ihren Sklaven unterwegs, andere allein. Mir fiel auf, dass die Kleidung, die die Sklaven trugen, so unterschiedlich wie Tag und Nacht ausfiel. Manche waren voll bekleidet, andere praktisch nackt.

Ich erschauderte beim Anblick eines jungen Mädchens, dass zitternd und in nichts weiter als ihrer Unterwäsche hinter ihren Master den Gang entlang stolperte. Ihr Anblick machte mich noch nervöser, als ich es sowieso schon war. Entschlossen entschied ich, mich erst mal nicht weiter umzusehen. Vermutlich bekam ich dazu später sowieso noch genügend Gelegenheiten. Es sei denn, ich überlebte gar nicht erst so lange…

Ein paar düstere Korridore und Wendeltreppen später blieb Henry endlich stehen. Ich atmete erleichtert auf. Wir standen vor einer schweren Holztür. Henry öffnete sie, indem er seinen Finger auf einen kleinen Computer drückte, der gleich daneben angebracht war. Dann deutete er mir an einzutreten. Zögernd kam ich der Aufforderung nach. Im Zimmer was es so dunkel, dass ich kaum etwas sehen konnte. Glücklicherweise folgte mein Master mir gleich und machte das Licht an.

Schweigend sah ich mich um. Dabei wurde mir schnell klar, dass wir uns in seinem Schlafzimmer befanden. Links von uns stand ein riesiges Bett mit dunkelroten Bezügen. Davor eine alte Holztruhe. Die beiden Fenster waren mit dunklen Vorhängen verhangen. Vor einem der Fenster standen zwei graue Sessel mit einem dazu passenden, modernen Kaffeetisch aus Glas, vor dem anderen ein eleganter Schreibtisch, neben einem hohen Bücherregal. An der rechten Wand waren zwei Türen. Ich vermutete, dass sich dahinter ein Badezimmer und vielleicht ein Schrank versteckten.

Als mein Blick auf einen Käfig fiel, der gleich rechts neben der Tür stand, erzitterte ich. Er war nicht viel größer als der im Sklavenhandel. Obendrauf lagen Knebel, eine Peitsche und eine Anzahl weiterer Gegenstände, mit denen Vampire ihre menschlichen Sklaven zu quälten pflegten. Ich schluckte gegen den Knoten, der sich plötzlich in meinem Hals gebildet hatte.

Vollkommen in meine Gedanken vertieft hatte ich mich bemerkt, wie er seine Hand nach mir ausgestreckt hatte. Erst, als seine Finger schon meinen Hals berührten, wurde ich mir dessen bewusst. Erschrocken zuckte ich zusammen und sah ängstlich zu ihm auf. Er lächelte beschwichtigend. „Keine Sorge, ich will dir nur das Halsband abnehmen.“

Ich atmete auf und ließ ihn klopfenden Herzens gewähren. Er war mir so nahe, dass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüren konnte! Verlegen biss ich mir auf die Unterlippe, während er in aller Ruhe die Schnalle löste und das Halsband entfernte. Nachdem er es achtlos mitsamt der Leine in die Richtung seines Schreibtisches geworfen hatte, fuhr er vorsichtig mit dem Zeigefinger über die Stelle an meinem Hals, an der die alte Kette aus dem Sklavenhandel gelegen hatte. Ich Die Haut dort musste entzündet sein, denn sie brannte unter seiner Berührung wie Feuer.

„Da müssen wir uns drum kümmern“, erklärte er tonlos.

Ich antwortete nicht, sondern kaute nur weiter ängstlich auf meiner Unterlippe. Worum wollte er sich kümmern? Um die Wunde an meinem Hals, oder um die Tatsache, dass er mich noch nicht gebissen hatte... Die zweite Option erschien mir plausibler.

Der Vampir zog seine Hand zurück, richtete sich auf und schlenderte dann zu seinem Schreibtisch. Ich blieb stehen, denn ich war mir nicht sicher, was er nun von mir erwartete.

„Das Abendessen findet erst in einer halben Stunde statt, also geh ruhig noch duschen“, sagte er. „Bis zu fertig bist habe ich auch etwas passendes zum Anziehen für dich gefunden. Deine alten Sachen kannst du neben dem Waschbecken ablegen.“

Meine Augen weiteten sich. Bis jetzt war ich davon ausgegangen, dass Vampire es ihren Sklaven nicht erlaubten zu duschen. Die, die ich heute gesehen hatte, hatten zumindest nicht so ausgesehen, als würden sie regelmäßig ein solches Privileg genießen.

„Du weißt doch, wie man eine Dusche benutzt?“, fragte er, während er sich zu mir umdrehte und mich fragend musterte.

Ich nickte schnell. Meine letzte Dusche lag lange zurück, aber ich würde mich schon zurechtfinden. Vorsichtig setzte ich mich in Bewegung. Henry öffnete mir die Tür.

„Alles was du brauchst solltest du finden und wenn du fertig bist, komm einfach raus.“

Ich zog skeptisch die Augenbrauen zusammen. Ich konnte mir nicht erklären, weshalb er so freundlich zu mir war. „Danke, Master“, murmelte ich.

Eine steile Falte breitete sich auf seiner Stirn aus und mein Herzschlag steigerte sich gleich wieder zu einem Crescendo. Hatte ich etwas Falsches gesagt? Hätte ich schweigen sollen? Aber er hatte doch gesagt, dass ich mit ihm sprechen durfte, wenn wir unter uns waren…

„Wenn wir allein sind, möchte ich nicht, dass du mich so nennst“, erklärte er abrupt.

Ich hatte keine Ahnung, was ich darauf erwidern sollte. „Wie wünschen sie dann, dass ich sie nenne, Ma-“ Erschrocken biss ich mir auf die Unterlippe. Jetzt hätte ich ihn doch beinahe gleich wieder ‚Master‘ genannt.

„Henry.“ Flüsternd wiederholte ich seinen Namen. Warum er von mir verlangte, dass ich ihn bei seinem Vornamen nannte, konnten ich mir nicht erklären, aber ich hatte nicht vor mich einer direkten Anweisung von ihm zu widersetzen. „Ok“, antwortete ich etwas lauter.

„Danke“, seufzte er, schob mich ins Bad und schloss hinter mir die Tür. Dann war ich allein.

Einen kurzen Moment stand ich nur unschlüssig da. Wie der Rest dieser Burg war auch das Badezimmer riesig. Er gab eine Badewanne und daneben eine Dusche, in der bequem 3 Personen Platz gefunden hätten. Das Waschbecken war aus hellem Marmor. Darüber hing ein hell beleuchteter Spiegel.

Neugierig trat ich näher, zuckte beim Anblick meines Spiegelbildes jedoch erschrocken zusammen. Mit dem jungen Mädchen von früher hatte ich nichts mehr gemeinsam. Meine Haut war blass und dreckig und mein Haar ein einziges, verfilztes Durcheinander. Meine blauen Augen waren von dunklen Rändern umrandet und wirkten trüb und traurig. Auch dem Rest meines Körpers ging es nicht viel besser. Dreck, wohin man auch sah, und mager war ich geworden. Schockierte drehte ich mich vor dem Spiegel. Meine Kleidung war mit Blut verschmiert und dort, wo meine Halskette gelegen hatte, war meine Haut rot und entzündet, wie ich es vermutet hatte. Meinen Rücken wollte ich gar nicht erst sehen.

Missmutig ging ich zur Dusche. Daneben stand eine Box mit diversen Shampoos, Seifen, Haarbürsten, Zopfgummis und Haarklammern. Offensichtlich war ich nicht Henrys erste Sklavin. Schnell schon ich den Gedanken beiseite.

Es bereitete mir einige Mühe, mich aus meinen Kleidern zu pellen, ohne vor Schmerzen laut zu schreien. Als ich es endlich geschafft hatte, atmete ich erleichtert auf. Bevor ich in die Dusche stieg, legte ich die Sachen neben das Waschbecken, wie Henry es mir befohlen hatte.

Das heiße Wasser brannte wie Feuer auf meinem Rücken. Erschöpft und mit zu Fäusten geballten Händen lehnte ich mich gehen die kalten Fliesen, während das Wasser über die Wunden lief. Unter meinen Füßen bildete sich eine Pfütze aus dreckigem Wasser.

Nach einer Weile ließen die Schmerzen nach und ich konnte die Dusche fast genießen. Es tat gut, den Dreck des Sklavenhandels mit einem Gluckern im Ausfluss verschwinden zu sehen. Ich schäumte mein Haar mit einem nach Orangen duftenden Shampoo ein und benutzte danach den dazu passenden Conditioner. Dann seifte ich meinen Körper ein, bis ich mir sicher sein könnte jedes bisschen Dreck entfernt zu haben. Nur meinen Rücken ließ ich aus.

Als ich aus der Dusche kam, fühlte ich mich beinahe wie neu geboren. Mit einem erleichterten Seufzen wickelte ich mich in eines der weißen Handtücher und knetete mein Haar, bis es halbwegs trocken war. Wenn ich ihn sah, würde ich Henry noch einmal richtig danken. Er hätte mir nicht erlauben müssen zu duschen und hatte es doch getan.

Wieder sah ich in den Spiegel und diesmal schockierte mich der Anblick mich schon etwas weniger. Zufrieden bürstete ich mein Haar, bis sich alle Knoten gelöst hatten, und benutzte dann eines der Haargummis, um es zu einem Zopf zu flechten. Erst, als ich zur Tür gehen wollte, sah ich die Anziehsachen, die sorgsam gefaltet danebenlagen, und hielt inne. Wann war er hereingekommen? Eine verlegene Röte stieg mir in die Wangen und ich betete, dass er nichts gesehen hatte.

Nicht, dass ich ihn davon abhalten könnte mich nackt zu sehen, wenn er das unbedingt wollte. Schließlich gehörte ich ihm.

Vorsichtig hob ich den Stapel auf. Ein weißes lockeres Tanktop und eine kurze Jeanshose. Dazu eine Unterhose und ein BH aus weißer Spitze. Auf jeden Fall besser als der Kittel aus dem Sklavenladen. Obwohl der BH meinem Rücken alles andere als guttat, zog ich die Sachen an. Ich wollte den Master nicht verärgern und war froh, nicht halb nackt zum Essen gehen zu müssen.

Bevor ich das Bad verließ, betrachtete ich mich noch ein letztes Mal im Spiegel. Ein atemberaubender Anblick war es nicht, aber durchaus passabel. Mit einem tiefen Seufzen ging ich Tür, öffnete sie vorsichtig und betrat leise wieder Henrys Schlafzimmer.

Er lag ausgestreckt auf dem Bett, die linke Hand lässig unter den Kopf geschoben. In der anderen hielt er einen Stapel Papiere. Als er mich hörte, sah er auf. Für den Bruchteil einer Sekunde schienen seine Augen sich vor Überraschung zu weiten, dann blickten er mich fragend an.

„Fühlst du dich jetzt besser?“, wollte er wissen und setzte sich dabei langsam auf.

Ich nickte. „Danke Ma-, ich meine Henry.“

Er wirkte zufrieden als er aufstand, zu seinem Schreibtisch ging und irgendetwas in der Art von ‚gerne geschehen‘ murmelte.

„Du kannst die Dusche jederzeit wieder benutzen.“ Mit diesen Worten legte er den Stapel Papiere ordentlich auf seinen Schreibtisch.

Ich musterte ihn skeptisch, fühlte aber gleichzeitig, wie eine seltsame Euphorie von mir Besitz ergriff. Diese wich jedoch schnell der Übelkeit, als ich sah, wie er nach meinem Halsband und der Leine griff und damit auf mich zukam. Ohne viel Aufhebens legte er sie mir um. „In 5 Minuten gibt es Abendessen“, erklärte er. „Wir sollten besser gehen.“

Ich nickte und folgte ihm gehorsam in den Korridor voller Blutsauger.

KAPITEL 4

Anastasia

Als wir den Speisesaal betraten, saßen bereits hunderte von Vampiren um die riesigen Holztische, auf denen sich die wohlriechendsten Gerichte stapelten. Der Anblick dieser Köstlichkeiten entlockte meinem Magen ein sehnsüchtiges Knurren.

Auf jedem Teller befand sich eine andere Speise. Anscheinend hatte jeder der Vampire seine persönlichen Vorlieben. Die Sklaven, die Tag für Tag in der Küche schufteten, um all die verschiedenen Speisen zuzubereiten, taten mir leid. Und dazu noch all die Gläser, die mit Blut eingeschränkt werden mussten!

Das Essen meines Masters sah besonders appetitlich aus. Steak mit Kartoffelbrei und Sahnesauce. Dazu ein wunderschöner, roter Apfel. Er erinnerte mich an die Äpfel aus unserem Garten. Der Garten... Ich hatte ihn fast mehr vermisst als unser Haus, seid wir aus der Stadt geflohen waren.

Die Vampire unterhielten sich miteinander, während sie aßen, fast wie normale Menschen. Der einzige Unterschied zu uns normal Sterblichen war, dass sie Blut aus Gläsern tranken und dabei vollkommen perfekt aussahen. Und mit perfekt meinte ich tatsächlich perfekt. Sie waren schlank, aber nicht dürr, hatten glänzendes Haar, eine makellose Haut und wunderschöne, große Augen.

Wie die meisten der Sklaven, verharrte ich schweigend neben meinem Master. Dabei entging mir jedoch nicht, dass einige von ihnen sogar auf dem Schoß ihres Masters saßen. So zum Beispiel die Sklavin des Vampirs, der neben Henry saß. Recht bald hörte ich aus ihrem Gespräch heraus, dass er Xander hieß.

Henry und er schienen befreundet zu sein. Zumindest war er der Einzige am Tisch, mit dem er sich unterhielt. Ich, auf der anderen Seite, merke schnell, dass ich ihn nicht mochte. Das zynische Grinsen, mit dem er mich andauernd musterte, war mir nicht geheuer und ich war mir ziemlich sicher, dass er das auch merkte.

Ich konnte es nicht benennen, aber irgendwie gingen einfach keine guten Schwingungen von ihm aus. Als hätte er keine Probleme damit über Leichen zu gehen, um seine Ziele zu erreichen. Seine Sklavin, auf der anderen Seite, schien nett, wenn auch total verängstigt. Vielleicht sogar noch verängstigter als ich. Wenn das überhaupt möglich war.

Sie war ein kleines, blasses und recht unscheinbares Ding. Xander kümmerte sich augenscheinlich wenig um ihr Wohlergehen, denn ihr Kleid war an mehreren Stellen zerrissen und Schuhe hatte sie auch keine an. Die Körperteile, die ihr Kleid nicht bedeckte, waren mit Dutzenden von Narben übersät. Vermutlich Bisswunden. Ich vermutete, dass sie schon länger als Sklavin diente.

Ich seufzte. Wenn ich eine Sklavin wie sie sah, wäre ich am liebsten davongerannt. Ganz weit weg. Sie tat mir unendlich leid, wie sie dort schwach und ausgelaugt auf den Schoß ihres Masters kauerte und auf den Boden starrte.

„Mir scheint dein neues Haustier hat Interesse an meinem gefunden, Henry“, stellte Xander mit geschmeidiger, selbstbewusster Stimme fest und schob sich dabei grinsend das blonde, etwas zu lange Haar aus dem Gesicht.

Ich erstarrte vor Schreck, als sich auf einmal drei paar Augen auf mich richteten und senkte blitzschnell den Blick zu Boden. Mit heftig pochendem Puls wartete ich, was mein Master jetzt sagen würde.

Dieser schien sich zum Glück wenig an diesem Thema interessiert. „Vermutlich ist sie von ihrer neuen Umgebung nur etwas überfordert“, erwiderte er unberührt und schnitt sich mit dem Messer ein Stück Steak ab.

Sein Kommentar reichte, um die Unterhaltung wieder in eine andere Richtung zu lenken. Beruhigt atmete ich auf ließ den Blick jedoch vorsichtshalber weiter zu Boden gerichtet. Aus dem Gespräch was folgte hörte ich heraus, dass sie beiden anscheinend zusammenarbeiteten, obwohl mir weiterhin unklar blieb was genau sie taten.

Überrascht fuhr ich zusammen, als ein Sklave plötzlich einen Teller vor mir abstellte. Unsicher betrachtete ich ihn. Viele der anderen Sklaven hatten den gleichen Teller erhalten, jedoch nicht alle. Darauf waren verschiedene grüne Gemüsesorten und Mandeln. Alles Nahrungsmittel, die gut für die Blutbildung waren, fuhr es mir in den Sinn.

Trotzdem, Essen war Essen, und als die anderen Sklaven und Sklavinnen mit ihrer Mahlzeit begannen ging ich einfach mal davon aus, dass mir das gleiche gestattet war, und griff mit zitternden Fingern nach meiner Gabel.

Trotz der wenigen Zutaten war das Essen gut gewürzt und schmeckte ausgesprochen passabel. Erst jetzt merkte ich, wie ausgehungert ich war.

„Kriegt Doe heute nichts zu essen?“, hörte ich Henry fragen.

Xander schüttelte den Kopf, woraufhin Does Schultern noch ein wenig tiefer zu sinken schienen. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie keinen Teller vor sich stehen hatte.

„Nein, sie hat sich gestern mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, dass ich von ihr trinke. Zur Strafe kriegt sie kein Abendessen. Den Rest der Strafe muss ich mir noch überlegen.“ er grinste.

Nachdenklich schob ich mir etwas Spinat in den Mund. Sollte das heißen, dass Henry mich ebenfalls nicht essen lassen würde, wenn ich ihn verärgerte? Der Knoten, der mir daraufhin den Hals zuschnürte, machte es mir unmöglich mein Essen herunterzuschlucken.

Der Sklavenhändler hatte uns oft hungern lassen. Nicht als Strafe, sondern einfach, weil er zu geizig war etwas zu Essen für uns zu kaufen.

„So, und jetzt sei ein braves Mädchen“, flüsterte Xander Doe zu und riss mich so aus meinen Gedanken.

Ein gequältes Schluchzen kam aus Does Kehle als Xander ihr eine Hand auf den Mund legte und mit der anderen ihr Haar beiseiteschob, bis ihr Hals entblößt war. Ich sah entsetzt zu, obwohl ich das eigentlich gar nicht wollte.

Deswegen hatte er sie also auf seinem Schoß sitzen…

Doe schrie leise auf, als Xander ihr in den Hals biss und mit gierig zu trinken begann. Schon nach wenigen Schlucken kam ein zufriedenes Grunzen aus seiner Brust. Offensichtlich schien er die Mahlzeit zu genießen. Mir lief ein kalter Schauer den Rücken hinab.

Obwohl der Ausdruck in Does Gesicht deutlich zeigte welche Schmerzen sie litt, gab sie sich alle Mühe so still wie möglich zu sitzen. Ihr Schrei waren zu einem leisen Jammern geworden, das mir durch Mark und Bein ging. Es war schwer mit anzusehen. Gerne wäre ich weggerannt, oder hätte irgendetwas getan, um Doe zu helfen, aber das konnte ich nicht.

Henry rutschte neben mir mit seinem Stuhl etwas nach hinten, was mich endlich dazu brachte den Blick von Xander und Doe abzuwenden und stattdessen auf ihn zu richten. Hatte er vor das gleiche mit mir zu tun? Mit schreckensgeweiteten Augen starrte ich ihn an.

Henry nahm jedoch kaum Notiz von mir. Ungerührt beobachtete er Xander, griff dann nach dem Glas mit Blut, das vor ihm auf dem Tisch stand, und leerte es mit einem langen Zug. Es schien, als machte es ihm nicht das geringste aus Doe so leiden zu sehen. Tränen traten mir in die Augen. Warum wollte es auch. So war die Welt, in der wir lebten, nun mal.

Traurig schob ich meinen Teller von mir weg. Auf keinen Fall konnte ich jetzt noch etwas essen.

KAPITEL 5

Anastasia

Schweigend folgte ich meinem Master zurück in sein Zimmer. Mein Magen war von den Geschehnissen noch immer sehr mitgenommen und meine Nerven hatten sich was auch noch nicht wieder beruhigt. Als wir an seiner Tür ankamen, entdeckte ich davor auf dem Boden eine Kiste. Henry nahm meine Leine zwischen die Zähne, hob die Kiste hoch und klemmte sie sich unter den Arm. Dann öffnete er mit der freien Hand die Tür

Als wir drinnen waren, trat er die Tür mit dem Fuß wieder zu. Meine Leine landete achtlos auf dem Boden, Dann stellte er die Kiste auf dem Schreibtisch ab. Still blieb ich stehen und beobachtete, wie er sie öffnete.

„Anastasia“, rief er.

Ich zuckte zusammen und richtete mich kerzengerade auf. „Ja?“, fragte ich vorsichtig.

„Komm her“, befahl er, während er ein kleines Fläschchen aus der Kiste holte.

Ich atmete tief ein. Dann ging ich zu ihm. Was auch immer er mit mir vor hatte, ich konnte es eh nicht ändern.

Konzentriert betrachtete er den Inhalt des Fläschchens. Erst, als ich genau vor ihm stand, sah er mich an und nahm mir dann routiniert die Halskette ab. „Zieh dein Oberteil aus und dreh dich um“, befahl er, nachdem er sie auf seinen Schreibtisch gelegt hatte.

Ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen stieg. „Wie bitte?“

Die Worte waren aus mir gesprudelt, bevor ich sie davon abhalten konnte.

---ENDE DER LESEPROBE---