Die Gilde der Rose - Talira Tal - E-Book

Die Gilde der Rose E-Book

Talira Tal

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Beschreibung

Meine ganze Welt hat sich verändert, und ich meine nicht nur die Jahreszahl, die von jetzt auf gleich von 1616 auf 2016 geklettert ist. Zum Glück habe ich den süßesten Freund der ganzen Welt. Ja, ich liebe ihn über alles, auch wenn er ein Werwolf ist. Aber dann wird mein Glück mit einem Schlag beendet, denn mein Freund soll wegen Hochverrats hingerichtet werden. Ich muss mich auf meine magischen Fähigkeiten und auf meine Freunde verlassen. Und mit einem Mal stellt sich mir die Frage, wer wirklich Freund oder sogar Feind ist? Werden wir auch diese Hürde meistern und dem Bösen die Suppe versalzen?

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Talira Tal

Die Gilde der Rose

Wolfsrebellion

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

Über die Autorin:

Danksagung

P R O L O G

K A P I T E L 1

K A P I T E L 3

K A P I T E L 4

K A P I T E L 5

K A P I T E L 6

K A P I T E L 7

K A P I T E L 8

K A P I T E L 9

K A P I T E L 10

K A P I T E L 11

K A P I T E L 12

K A P I T E L 13

K A P I T E L 14

K A P I T E L 15

K A P I T E L 16

K A P I T E L 17

K A P I T E L 18

K A P I T E L 19

K A P I T E L 20

K A P I T E L 21

K A P I T E L 22

K A P I T E L 23

K A P I T E L 24

K A P I T E L 25

K A P I T E L 26

K A P I T E L 27

E P I L O G

Und zum guten Schluss …

Song

Buchempfehlungen

Impressum neobooks

Impressum

Die Gilde der Rose

-Wolfsrebellion-

Tanja Oschmann

c/o Talira Tal

Plutoweg 5

45277 Essen

[email protected]

© by Talira Tal 2016

Alle Rechte vorbehalten. Text und Bilder unterliegen dem Schutz des Urheberrechts und anderer Schutzgesetze. Der Inhalt dieser Seiten

darf nicht zu kommerziellen Zwecken kopiert, verbreitet, verändert oder Dritten zugänglich gemacht werden.

Korrektorat/Lektorat: Elke Krüssmann und Frank Vollmann

Covergestaltung: ©Betty Schmidt Charming Designs

https://supr.com/charmingdesigns

Für Opa Heinz

Über die Autorin:

1971 erblickte Talira Tal in Dortmund das Licht der Welt. Heute lebt sie in Essen. Schon in ihrer Jugend schrieb sie Geschichten und Gedichte. Diese Leidenschaft wurde erneut nach der Geburt ihres Sohnes im Jahr 2005 geweckt. Neben dem Schreiben spielt sie leidenschaftlich gerne Theater. Seit 2013 ist sie Mitarbeiterin beim Bundesamt für magische Wesen.

Bisher veröffentlichte sie, in diversen Anthologien, mehrere Kurzgeschichten. 2014 erschien ihr erster Roman, ein mystischer Erotik-Thriller. Titel: Rad des Schicksals. Verlag (Angst&Schrecken).

Zeitgleich veröffentlichte sie mit Frank Vollmann eine Kurzgeschichtensammlung urbaner Märchen. Titel: Stadtprinzessin.

2016 erfüllte sie sich einen Herzenswunsch. Als Selfpublisher veröffentlichte sie den ersten Teil einer Fantasy - Reihe. Die Gilde der Rose –Dämonenfessel- erschien als E-book bei neobooks und als Print bei Amazon.

Mit ihren Texten möchte Talira unterhalten und manchmal auch zum Nachdenken anregen. Sie arbeitet zurzeit an dem dritten Teil von: “Die Gilde der Rose”. Mehr über die vielseitige Künstlerin erfahren Sie auf ihrem Blog: http://talira-tal-otherworld-of-mind.blogspot.de/

Danksagung

Ich bin sehr froh, dass ich meinen zweiten Teil von „Die Gilde der Rose“ –Wolfsrebellion-, präsentieren kann.

An dieser Stelle möchte ich mich vor allen Dingen bei Frank Vollmann bedanken, dessen Unterstützung mir wahnsinnig viel bedeutet.

Einen Riesendank an meine Testleser: Nunzia Kraemer, Andrea Lange (Shadow), Jenny Boldt, Daniela Clobes, Sheila Barb, Chantal Sadowski, Natascha Kreim, Jasmin Licher, Martina Suhr und ganz besonders Elke Krüßmann.

Und großen Dank an die Gewinnerinnen der Rollen im Buch. Nunzia Kraemer, Jenny Rei und Jenny Böhringer, Shanti und Shadow.

Vor allen Dingen ein DICKES DANKESCHÖN an die kreative Designerin Betty Schmidt von Charming Designs. Du hast das Cover für Wolfsrebellion toll gestaltet. Es passt sehr gut zu Dämonenfessel.

Außerdem habe ich mich ganz besonders über die Lieder von von Anja Biederstädt gefreut. Sie hat diese Lieder extra für „Die Gilde der Rose“ geschrieben und singt sie bei vielen meiner Lesungen. Danke, Anja!

Eines ihrer gefühlvollen Lieder findet ihr am Ende dieses Buches.

Abschließend möchte ich mich natürlich auch noch bei den Leserinnen / Lesern von Dämonenfessel bedanken. Die vielen positiven Rezensionen und die aufmunternden E-Mails haben mich angetrieben, mein Bestes für euch zu geben. Das Schreiben geht mir leicht von der Hand und die Ideen fließen bereits für Teil 3. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie glücklich ich über euer Feedback bin. 

Das Wappen der Gilde der Rose

P R O L O G

In einer uralten Chronik findet man einen Bericht, der Unglaubliches offenbart. Viele Jahre wurde der Text von den Anhängern der großen Mutter allen Seins übertragen. Der Bericht handelt von einer Begegnung des Guten mit dem Bösen und von der Entstehung einer mächtigen magischen Blutlinie: Die Hexen der Familie Rose.

Die Erdmutter wurde von den Menschen als Göttin verehrt. Sie wurde mit Mater Magna, Hekate oder Diana, Gaia und vielen anderen Namen angesprochen. Ihre Aufgabe war es, das Gleichgewicht des Lebens zu erhalten. Hekate ist ebenfalls die Urmutter aller Hexen.

Die Erdmutter war wunderschön, äußerlich sowie in ihrem Inneren. Ihre Seele war rein. Das bemerkte ein Engel im Himmel. Er beobachtete die große Mutter eine ganze Weile, bis er es nicht mehr aushielt und auf die Erde kam, um ihr seine Liebe zu gestehen. Auch die Erdmutter entflammte für den Cherub, der ihr bei jedem Treffen Rosen mitbrachte. Aus der Verbindung der beiden sich Liebenden ging ein Mädchen hervor.

Eines Tages kehrte der Gottesbote nicht mehr zu seiner Familie zurück. Die Urmutter weinte bittere Tränen, aus denen Flüsse, Seen und Meere entstanden. Sie riet ihrer Tochter, sich niemals fest an einen Mann zu binden. Es würde nur Unglück bringen!

Es verging einige Zeit, bis das Kind seine Mutter in den Armen eines exotischen Mannes vorfand. Der Fremde hatte ein fein geschnittenes Gesicht, lediglich seine zwei Hörner störten das attraktive Antlitz. Das Kind fragte sich, ob er ein Mensch oder ein Tier war.

Der Mann gab sich herzlich, erklärte der Kleinen, dass er ihr verschollener Vater wäre. Gott hätte ihn für den Frevel eine Familie gegründet zu haben, im Himmel geläutert. Er hätte ihm die Flügel abgehackt. Als Beweis zog der Mann einen Lederbeutel hervor, in dem er die blutigen Überreste eines Flügelstumpfs aufbewahrte. Ohne seine Flügel hätte Gott ihn herzlos auf die Erde geworfen. Ihm wäre nichts wichtiger gewesen, als zu seiner Familie zurückzukehren.

Der Teufel, der in Wirklichkeit mit dem Mädchen sprach, hatte seine eigene Geschichte, wie er aus dem Himmel verbannt worden war und zurück auf die Erde kehrte, etwas abgeändert.

Er war es gewesen, der dem Engel aufgelauert und diesem seine Flügel abgehackt hatte. Anschließend hatte er sein Blut getrunken, um dem Himmelsboten ähnlich zu sehen. Der ausgelöschte Cherub wurde zu einem Felsen versteinert.

Das Mädchen blieb misstrauisch, vertraute dem Mann nicht. Dieser wollte sie zu Egoismus und Machtgier erziehen. Das Kind bemerkte, wie die eigene Mutter sich unter dem Einfluss des zurückgekehrten Geliebten veränderte. Wenn sie vorher für die Ernte der Menschen gesorgt hatte, ließ sie die Felder absichtlich verdorren, sodass die Menschen hungerten und sich gegenseitig bekämpften. Die Erklärungen des angeblichen Vaters ergaben für das Mädchen keinen Sinn.

Als der Teufel sich ebenfalls das Mädchen zur Frau nehmen wollte, um sie genau wie die Mutter mit seinem Gift zu betäuben und zu manipulieren, wies ihn das Kind auf die Liebe der Mutter hin. Sie wollte sie nicht verletzen.

Luzifer lachte gehässig und erklärte: „Wenn ich dich nicht haben kann, werde ich auch sehr traurig sein! Ich habe dir doch beigebracht, dir selbst immer die Nächste zu sein!“

Das Mädchen floh, und der Gehörnte folgte ihr. Noch bevor er das Kind erreichen konnte, schoss eine dichte Rosenhecke aus der Erde. Die Hecke war nicht zu überwinden oder seitlich zu umgehen. Der Höllenfürst verlor die Spur des Mädchens. Die Rosen mit ihren Dornen malten sich bei jedem Kontakt, schmerzlos in die Fußsohlen des Kindes. Es würde ein ewiges Zeichen dieser Linie der Hexen sein.

So spaltete sich die Gilde der Rose von den anderen Hexen ab. Die Frauen dieser Gilde binden sich bis zum heutigen Tag an keinen Mann und nutzen ihre starke Magie ausschließlich nur zum Guten.

K A P I T E L 1

Der großgewachsene Mann strich seine langen schwarzen Haare zurück und spannte seine breiten Flügel auf. Er wirkte majestätisch und unnahbar. Seine muskulöse Figur steckte in einer engen Lederhose. Der Oberkörper war nackt, sodass man die wellenförmige Tätowierung erkennen konnte. Wie eine Ranke lief sie verschnörkelt im Bund seiner Hose zusammen. Seine Schwingen waren schwarz, und dieses spiegelte die Farbe seiner Seele, die er schon lange der dunklen Seite geschenkt hatte. Obwohl man nicht unbedingt von geschenkt sprechen konnte. Baron Karmath, wie er sich so gerne nannte, hatte es geschafft. Er war einer von wenigen, ein direkter Berater des Teufels. Der gefallene Engel hatte dafür in Äonen von Jahren viel, sehr viel in Kauf genommen. Und nun hatte er einen neuen, grandiosen Schlachtplan gegen das Gute in der Tasche, und das hatte mit den beiden Mädchen zu tun, die ihn aufgesucht hatten.

Der Baron konnte spüren, dass Nunzia, die Brünette, ihn mit ihren Blicken verschlang. Billig, beide sind sie sie billig, aber das tut der Sache keinen Abbruch. Die Brünette wäre ein williges Spielzeug, aber wer gab sich schon mit Plagiaten zufrieden, wenn er das Original genießen konnte? Karmath nicht! Er hätte die Möglichkeit, die schönsten Frauen der ganzen Welt zu besitzen. Mit einem gewinnenden Lächeln trat er auf seine Besucherinnen zu. Wie zufällig berührte er Nunzias Arm, sodass diese in freudiger Erwartung zusammenzuckte. Sie grinste ihn an wie ein Honigkuchenpferd.

Der Engel blendete ihre schmachtenden Blicke aus und konzentrierte sich auf die Blonde. Sie war genauso niveaulos wie ihre Freundin, hatte aber diesen gewissen Ehrgeiz in ihren Augen, das zu bekommen, was sie sich vorgenommen hatte. Er schätzte Ehrgeiz, und das bescherte ihr schon einmal Pluspunkte. Aber sie waren hier nicht beim Bachelor. Er wollte sie für weitaus wichtigere Dinge gewinnen.

Karmath holte ein kleines Kästchen aus einem Schrank. Es war reich verziert mit Schnitzereien, die aus Dämonenfratzen und schwarz-magischen Symbolen bestanden. Er grinste innerlich. Der Inhalt war ein Bonbon für die Blonde. Damit würde sie sich und ihm sehr viel Freude bereiten können. Davon war er felsenfest überzeugt.

Der Baron hielt ihr die Schatulle entgegen und erklärte: »Ich habe mir etwas überlegt. Ihr sollt die Chance bekommen, als neugeschaffene Werwölfe in unserer Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Ich gebe euch die Regeln mit, damit ihr noch einmal darüber schlafen könnt. Vielleicht habt ihr dann auch keine Lust mehr, zu uns zu gehören. Das Kästchen ...», er tippte mit dem Finger auf den antiken Holzdeckel, »... darfst du nur behalten, wenn ihr euch uns anschließt. Aber bedenkt, wenn ihr euch einmal zu uns bekannt habt, gibt es kein Zurück mehr. Wer den Verbund verlassen will, muss sterben.«

Aus dem Augenwinkel bekam er mit, wie Nunzia bei seinen Worten zusammenzuckte. Die Blonde blieb cool, das gefiel ihm.

»Was ist das?«, fragte sie ihn und zeigte auf die Holzbox.

Der dunkle Engel lächelte geheimnisvoll, trat auf sie zu und hauchte ihr etwas ins Ohr, das ihre blauen Augen strahlen ließ.

»Okay, gib uns die Regeln. Wir werden morgen wiederkommen«, entschied sie kühl, ohne ihre Freundin zu fragen.

Karmath reichte Nunzia eine Kladde. »Hier steht alles Wichtige drin. Lest es euch durch und entscheidet euch.« Seine Hand berührte die der Brünetten, während er ihr das Schriftstück übergab.

»Danke, werden wir machen. Ich freue mich auf unser morgiges Wiedersehen«, säuselte sie ihm entzückt zu.

Jenny übernahm das Kästchen. Sein Blick bohrte sich in den ihren. »Das hoffe ich doch«, antwortete er Nunzia, ohne den Blick von Jenny zu nehmen. Stattdessen verzog er seine Lippen zu einem charmanten Lächeln.

Ehe sich die beiden Frauen versahen, hatte er sie nach draußen geführt, die Tür hinter ihnen geschlossen, und sie fanden sich auf der Straße wieder.

Verträumt drückte Nunzia die Kladde an sich und schwärmte: »Wow, was für ein toller Typ.«

»Ey, komm mal wieder runter. Wir sollten uns, so schnell es geht, die Regeln durchlesen«, belehrte Jenny sie.

»Was hat er dir da gegeben? Was ist da drin?«, fragte die Brünette neugierig und zeigte auf das antike Holzkästchen.

Jenny grinste diabolisch. »Ein todsicheres Mittel, um mein Ziel zu erreichen.«

Nunzia ging nicht weiter auf ihre kryptischen Andeutungen ein. Taumelig vor Glück warf sie einen Blick auf die in Handschrift sauber aufgeführten Regeln der Vereinigung, zu der sie bald gehören sollten. Ihre Euphorie verpuffte augenblicklich. »So etwas müssen wir wirklich machen?«

Jenny winkte genervt ab. »Weißt du, wie scheißegal mir das alles ist? Wir haben das erreicht, was ich wollte. Ich will endlich Rache an Michael Graf nehmen, und dieser Verband bietet mir eine super Gelegenheit, ihn und die dämliche kleine Bitch auszuschalten.«

K A P I T E L 2

Alles war mir vertraut und doch war irgendetwas anders. Aber was hat dieses Gefühl, dass etwas nicht stimmt, in mir hervorgerufen? Meine Finger strichen über die Blätter des Basilikums. Ich bin zu Hause. Mama ist nur kurz im Dorf. Sie will Stoffe für uns erwerben. Warum bin ich so beunruhigt?

Ein ohrenbetäubendes Krachen ließ mich zusammenzucken. Ich erschrak heftig und riss dabei das Basilikumblatt ab. Was ist das? Haben wir Krieg? Mir war nichts davon zu Ohren gekommen. Wenn ja, waren wir in allergrößter Gefahr. Unsere Kate lag außerhalb der Stadtmauern am Waldrand und hatte daher keinen Schutz.

Erneut rumste es schrecklich. Ich richtete mich auf, raffte meine Röcke und blickte in Richtung des Dorftores.

»Freyja!«, durchschnitt eine Stimme die Stille, die ringsherum herrschte.

Ich sah mich um. Ich bin alleine. Hier ist niemand. Dann sah ich das Geschöpf, das direkt auf mich zuflog.

»Freyja, ihr müsst fliehen!« Den Drachen, der näher kam, kannte ich. Es war meine Großmutter Katharina, oder besser gesagt: ihre Wiedergeburt. Ich wollte ihr antworten, als es ein weiteres Mal krachte.

»Gefahr!« Die männliche Stimme erklang direkt hinter mir. Ich fuhr zu ihr herum, und sah eine durchscheinende Person mit langen blonden Locken. Er sieht aus wie ein Engel, fuhr mir der Gedanke durch den Kopf. Das Bild verschwamm vor meinen Augen. Ich wurde durch Raum und Zeit katapultiert.

Erschrocken schlug ich die Augen auf. Im Zimmer verteilt standen mehrere schwarzgekleidete Männer in Soldatenuniformen. Und als wenn das nicht alles schon schlimm genug wäre, nein: Sie hatten auch noch ihre Gewehre auf mich gerichtet.

»Wo ist Michael Graf, Hexe?«, knurrte mich der größte der breitschultrigen Soldaten an.

Ich besann mich. Ich hatte das mit meiner Kate nur geträumt. In Wirklichkeit hatte ich neben Michel im Bett geschlafen, bis diese verfluchten Kerle mich geweckt hatten. Ich war mir sicher, dass das nichts Gutes bedeutete. Die Burschen wollten ihm sicherlich nicht nur einen netten Besuch abstatten.

Mein Blick fiel auf Michels Seite des Bettes. Sie war leer, aber das war eigentlich logisch, denn sonst hätten die Typen nicht nach ihm gefragt. Ich setzte mich aufrecht hin, bedeckte meinen Körper, der nur in einem kurzen Nachthemd steckte, mit der Bettdecke, und zuckte ahnungslos mit den Schultern.

Der Mann, der meinem Bett am Nächsten stand, schnellte vor. Er packte meinen Arm und riss mich aus meinem Bett. Ich verlor den Halt und landete schmerzvoll auf meinen Knien, direkt vor seinen Füßen. Himmel, bitte, lass es nur ein böser Traum sein! Wer sind die Kerle, was wollen sie von Michel? Der Typ verdrehte meinen Arm, und ich konnte ein qualvolles Stöhnen nicht unterdrücken.

»Freyja Rose, wir sind von der NWO. Wir wissen, was für ein Subjekt du bist, und deshalb haben wir auch Kenntnis darüber, dass du Michael Graf unsichtbar gezaubert hast. Wo ist er?«, herrschte mich der breitschultrige Soldat an.

Die Gedanken in meinem Kopf fuhren Karussell. NWO? Natürlich kenne ich diese gefährliche Organisation, die sich als Ziel gesetzt hat, die Weltherrschaft an sich zu reißen. In den Medien hörte man andauernd etwas über ihr Wirken. Es verschwanden Menschen spurlos, die man mit der NWO in Verbindung brachte. Michel hatte mir erzählt, dass sie unschuldige Menschen und Werwölfe, die nicht ihrer Meinung waren, unterdrückten und sogar einsperrten.

Er gab seinem Untergebenen einen Wink, auf dass dieser meinen Arm noch weiter verrenkte. Ich schrie auf.

Der Anführer kam näher, trat mir vor den Oberschenkel, dass ich glaubte, mein Bein würde aufplatzen. Nicht heulen!, befahl ich mir und schluckte die Jammerlaute, die aus meinem Mund wollten, hinunter.

Ich beschloss mich dumm zu stellen. Fragend blickte ich den Typen an. »Was ist die NWO?« Ich bemerkte, dass mein Atem stoßweise kam und mich am vernünftigen Reden hinderte.

Der Typ lachte grell, und es jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Diese Monster gehen über Leichen!

Für einen kurzen Moment kehrte die Erinnerung an den Kampf mit den Höllenhunden zurück, den ich hier in Michels ‚Bude‘ gehabt hatte. Es war gefährlich und schwierig gewesen, und doch hatte ich gegen die beiden Höllenkreaturen eine Chance gehabt. Ich hatte sogar einen getötet. Nun standen mir vier breitschultrige Soldaten in voller Montur gegenüber. Selbst wenn ich wirklich einen erledigen würde, was ich arg bezweifelte, hätte ich gegen die anderen drei keine Chance.

»Du kennst die NWO nicht, du dumme Hexe?« Ich schüttelte den Kopf und versuchte meine Angst in Schach zu halten. »NWO bedeutet ‚Neue Werwolf Ordnung‘! Gestern fanden die Wahlen statt und es wurde geklärt, wer alle Werwölfe in Zukunft anführen soll. Die NWO hat gewonnen. Michael Graf ist des Hochverrats angeklagt, weil er …« Er brach ab, wahrscheinlich, damit ich Zeit hatte, seine Worte sacken zu lassen.

»Ich habe nichts von einer Wahl gewusst«, erklärte ich mit naiver Miene.

Der Anführer schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Alle Werwölfe haben davon erfahren, auch Michael Graf. Die neuen Gesetze gelten ab sofort. Er weiß, was das für ihn bedeutet. Er wird zum Tode verurteilt. Verräter wie ihn kann die NWO nicht dulden. Er und sein dreckiger Clan sind Rebellen.«

Seine Worte ließen mich erschauern. Sie wollen Michel hinrichten, weil seine Familie sich gegen die NWO auflehnt?

»Was hat er denn getan?«, fragte ich verzweifelt.

Mister Obercool schien von meiner Fragerei genervt zu sein. Er schüttelte stur den Kopf. »Du hast genug erfahren, Hexe. Es macht keinen Sinn mehr, ihn weiter zu verstecken.«

»Aber ich habe ihn doch gar nicht ...« Ich kam nicht weiter, da hatte er sich zu mir gebückt, meinen Hals gepackt und mich hochgerissen. Ich spürte keinen festen Boden mehr unter den Füßen und bekam unter dem unsäglichen Druck keine Luft.

»Das Lügen wird dir noch vergehen. Am besten wirst du gleich mit ihm hingerichtet. Niemand belügt Soldaten der NWO.«

Ich konnte ihm nicht mehr antworten. Alles um mich herum verschwamm, und mir wurde schwarz vor Augen.

K A P I T E L 3

Michael Graf erwachte, sein Magen rebellierte, ihm war speiübel. Als er seine muskulösen Beine, die kunstvoll mit Runen seines Clans tätowiert waren, über die Bettkante schwang, bemerkte er, dass er nicht zu Hause war. Wo ist Freyja?Wo bin ich?, fragte er sich.Suchend glitt sein Blick über die schmale Pritsche, auf der er geschlafen hatte. Verwirrt musste er feststellen, dass sein Nachtlager verwaist, war.

Irritiert sah er sich in der Kammer um. Außer der Schlafmöglichkeit gab es noch ein paar Möbelstücke. Einen Kleiderschrank, einen Tisch mit einem Stuhl und einem Regal, das aber nichts enthielt. Von der Decke baumelte eine einsame Glühbirne, die brannte und ihm so Licht spendete, denn zu allem Elend war das Zimmer fensterlos. Von Freyja fehlte jede Spur.

Michael erschauerte bei der Vorstellung, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte. Seine Übelkeit, die ihn geweckt hatte, war wie weggeblasen. Die Sorge um Freyja, dem Mädchen, das er so sehr liebte, dominierte alles.

Wie immer, wenn er nervös oder ratlos war, zerstrubbelte er sein ohnehin schon wirres Haar. Los Junge, erinnere dich! Es dauerte einen Moment, dann tauchten Bilder vor seinem inneren Auge auf. Freyja und er hatten abends im Bett gesessen und Pizza gegessen. Sie liebte Pizza, und er hatte ihnen extra einen ganz besonderen Wein dazu geholt. Außerdem hatten sie viel geredet, unter anderem erzählte Freyja viel von der Zeit vor 400 Jahren. Sie hatte sogar komödiantisches Talent bewiesen, indem sie den Dorfpfarrer nachmachte, wodurch sie Tränen lachen mussten. Während sie sich langsam beruhigten, trafen sich ihre verliebten Blicke. Sachte zog er Freyja näher zu sich, viel Kraft benötigte er nicht. Zu sehr war auch ihr Verlangen, ihm nahe zu sein. Zärtlich übersäte er ihr süßes Gesicht mit vielen kleinen Küssen. Mutiger werdend forderte Freyja ihn zu einem innigen Kuss heraus. Michael hatte sich wie im siebten Himmel gefühlt. Er konnte erst die Küsse enden lassen, als sie eng aneinander gekuschelt einschliefen.

Mitten in der Nacht musste er zur Toilette. Und was war dann passiert?Denk nach, Junge! Er zermarterte sich den Kopf, aber ihm wollte nicht einfallen, was in der Nacht geschah und wie er in diese Kammer gekommen war.

Unschlüssig stand er im Zimmer und überlegte, ob er den Kleiderschrank untersuchen oder die Klinke der Tür herunterdrücken sollte. Wahrscheinlich ist die Tür abgeschlossen, und was, wenn nicht? Was erwartet mich hinter dieser Tür? Seine Neugierde war stärker als seine Angst. Ich werde nicht abwarten, bis ich von irgendetwas oder -jemand böse überrascht werde.

Zu seinem Erstaunen ließ sich die Tür problemlos öffnen. Michael blickte in einen weißgetünchten Gang. Er versuchte mit seinem feinen Spürsinn, den nur Werwölfe in dieser Intensität besaßen, Gerüche wahrzunehmen. Und er konnte tatsächlich Duftnoten wittern. Es waren ebenfalls Werwölfe. Fast wäre er instinktiv der Fährte gefolgt, besann sich jedoch, da er lediglich in Unterwäsche war.

So verschloss er die Tür und öffnete stattdessen den Kleiderschrank. Bingo! Er hatte Glück, denn im Schrank befanden sich Kleidungsstücke in seiner Größe. Michael grübelte nicht, woher sie kamen und wem sie gehörten. Er zog ein paar schwarze Jeans, ein kurzärmeliges Polo-Shirt in der gleichen Farbe und Turnschuhe an.

Als er den Raum verließ, spürte er, wie sich jeder Muskel in ihm kampfbereit anspannte. Er betrat den Gang, der zu einem scharfen Linksknick führte. Vor einer Tür, ähnlich wie die von der Kammer, in der er aufgewacht war, blieb er stehen und lauschte auf Geräusche. Er konnte mehrere Stimmen wahrnehmen, die durcheinander redeten.

Um die Duftnoten intensiver wittern zu können, drückte er seine Nase gegen den Türspalt. Michael erschrak, als sich die Tür urplötzlich öffnete. Nein! Das kann doch nicht sein. Mit allem hatte Michael gerechnet, aber nicht mit der Person, die ihm nun gegenüberstand.

*

Ich erwachte mit dröhnenden Kopfschmerzen. Mir war saukalt in meinem kurzen Nachthemd, und ich spürte harten Betonboden unter mir. Wo bin ich? Ich schlug die Augen auf und blickte auf eine vergitterte Tür.

Sofort waren die Erinnerungen an den Überfall in Michels ‚Bude‘ zurück. Diese brutalen Soldaten hatten mich mitgenommen! Ich bin eingesperrt. Es erinnerte mich an meine Haft im Blücherturm. Irgendwie hatten sich die Gefängnisse in den Jahrhunderten nicht großartig verändert. Damals war meine Zelle mit gammeligem Stroh ausgelegt. Jetzt lag ich auf dem nackten Boden. Auch nicht besser.

An der Wand, auf die ich direkt sehen konnte, klebte eine rote Farbe, die aussah wie getrocknetes Blut. Ich erschauderte. Mein Blick fiel auf die Näpfe für Essen und Trinken. Damals waren sie aus Holz, heute waren es Blechnäpfe.

»Michel, wo bist du nur?«, fragte ich laut in die Stille hinein.

»So einsam, kleine Hexe?« Ich erschrak, als ich eine Stimme hörte, und fuhr herum. Ein Mann stand hinter mir, und ich kannte ihn nur zu gut. Instinktiv versuchte ich vor ihm zurückzuweichen, doch die vergitterte Tür in meinem Rücken stoppte meinen Fluchtversuch.

*

Fassungslos blickte Michael Graf seiner Mutter geradewegs in die Augen.

»Du bist aufgewacht, wie schön. Wie geht es dir?« Nach ihrer Frage schloss sie ihren Sohn beherzt in die Arme.

Erleichtert erwiderte Michael ihre Herzlichkeit. »Wo ist Freyja?«, fragte er seine Mutter, als diese sich wieder von ihm gelöst hatte.

Unverständnis spiegelte sich in ihren cremefarbenen Augen. »Wer ist Freyja?«

Okay, er hatte seine Freundin vor den Eltern verheimlicht. Sie war keine Werwölfin, und er wusste, was seine Familie, ganz besonders sein Vater, davon hielt. Für ihn war es immer wichtig, durch arrangierte Hochzeiten den Clan zu stärken. Deshalb habe ich ihnen bisher ja auch nichts von meiner süßen Hexe aus der Vergangenheit erzählt.

Er musste der Sache trotzdem auf den Grund gehen. »Das erzähle ich dir gleich, Mama. Sag du mir erstmal, wie ich hierhergekommen bin und wo wir überhaupt sind.«

Ein dunkler Schatten stahl sich über das aparte Antlitz seiner Mutter, das ihn immer ein bisschen an seine Drillingsschwester Yasemin erinnerte. Min, wie sie von den engsten Freunden und ihren Brüdern genannt wurde, hatte im Gegensatz zu ihrer Mutter ihr Gesicht mit diversen Piercings geschmückt.

»Komm erst einmal mit, Michael.« Sie ergriff seine Hand und zog ihn durch einen Plastikvorhang, der sich hinter der Tür befand, in eine große Halle.

*

»Zeratostus?«, stammelte ich überrascht und hätte mich am liebsten durch die engen Gitterstäbe gequetscht oder mich komplett in Luft aufgelöst. Ich war mir so sicher gewesen, dass Mama und ich ihn gebannt und in eine andere Dimension befördert hatten.

Mit einem Schaudern standen die Bilder, die ich gerne verdrängt hätte, glasklar vor meinem inneren Auge. Ich konnte ihn beinahe körperlich spüren, als die Erinnerung in mir aufkeimte. Wie er mich damals an sich gerissen hatte. Sogar sein Duft, der nach einem frischen Frühlingswind roch, war mit einem Mal wieder da. Vicks Todesschrei hallte in mir wider, und die Panik wallte wie ein Tsunami in mir hoch. Wie kam der Mistkerl hierher? Mein Herz raste, und kalter Angstschweiß bildete sich auf meiner Stirn.

Er lachte belustigt über meine Unfähigkeit zur Flucht und trat mit sicherem Schritt auf mich zu. »Ich frage mich wirklich, warum mich alle Welt mit diesem Loser Elat verwechselt.«

Was meint er damit? Woher kennt er den richtigen Namen von Zeratostus? Und wieder machten meine Gedanken einen wilden Sprung in die Vergangenheit.

Michel hatte die böse Zigeunerin getötet. Während sie starb, schrie sie den richtigen Namen des Dämons, Elat. Ich werde diese Szene wohl nie vergessen können. Zeratostus schien selbst erstaunt über das Wissen seiner ehemaligen Geliebten.

Und jetzt tauchte ein Mann auf, der Zeratostus oder eben Elat wie aus dem Gesicht geschnitten glich und auch noch von dem geheimen Namen wusste. Es wurde immer verrückter,und noch ehe ich in meinem verwirrten Hirn eine Antwort fand, breitete er zwei riesige schwarze Schwingen hinter seinem Rücken aus. Hatte er mich schon mit seinem Erscheinen überrascht, toppte er das jetzt mit seinen Flügeln.

Ehe ich etwas sagen konnte, sprach er weiter: »Ich dachte, ihr Hexen der Familie Rose wärt so schlau. Aber wo immer auch dieser Irrglaube herrührt, ihr seid noch dümmer als die Menschen, und das heißt schon etwas.«

»Bist du gar nicht Zeratostus?«, rutschte es mir über die Lippen, ehe ich es verhindern konnte. Dieser freche, unverschämte Kerl hat das gleiche arrogante Mienenspiel wie der Dämon, der meine Mutter entführt hatte.

Er kam näher, und ich spürte deutlich, wie Panik in mir aufstieg. Ich bezweifelte arg, mit meinen magischen Kräften eine Chance gegen ihn zu haben. Mama und ich hatten erst vor Kurzem mit meinem Zauberunterricht begonnen. Dieser ... ja, was ist er eigentlich für ein Wesen? Auf jeden Fall wirkt er auf mich sehr machtvoll.

»Deine Hexenbrut ist genauso lächerlich wie dieser Kasperkopf, Elat oder Zeratostus, wie er sich gerne nannte. Wirklich zum Totlachen. Haha.« Er lachte meckernd, und es fuhr mir durch Mark und Bein. Ich schluckte, fühlte mich mit einem Mal unfähig, etwas zu sagen. Meine Kehle war wie zugeschnürt.

»Hat es dir die Sprache verschlagen?«, frotzelte er. »Eines solltest du dir gut merken: Vergleiche mich nie mit Gestalten, die sich so alberne Namen ausgesucht haben, als wären sie einem Harry-Potter-Roman entsprungen. Aber ich könnte wetten, dass du selbst noch an solche Märchen glaubst.«

Ich wusste, wovon er redete. Michel hatte mit mir einen Harry-Potter-Film geguckt. Ich war total fasziniert davon gewesen. Eine Schule für Hexen und der Kampf zwischen bösen und guten Mächten. Anschließend hatte mir Michel erklärt, dass es so etwas in real nicht geben würde, und alles nur ausgedacht und geschauspielert war.

»Michel hat mir erklärt, dass es nur eine erfundene Geschichte ist ...« Ich verschloss meinen Mund sofort wieder. Warum rede ich überhaupt mit diesem Ekel? Er hat es doch gar nicht verdient.

Er schnalzte spöttisch mit der Zunge. »Ach ja, dein süßer Michel. Übrigens ist er der Grund, warum du hier bist. Dein erbärmlicher Freund hat Hochverrat begangen.«

Ich blickte ihn fragend an. »Was soll Michel denn gemacht haben?« Zum Glück funktionierte meine Stimme, entgegen meiner Befürchtung, sie wäre nur ein Krächzen. Ich konnte mir nicht im Entferntesten vorstellen, was mein Liebster angestellt hatte und somit, wie sagte er, Hochverrat begangen haben sollte.

Der Typ grinste süffisant und ging gar nicht auf meine Frage ein. Wie soll denn so eine vernünftige Unterhaltung zustande kommen?, fragte ich mich.

»Michel, ach wie niedlich. Ihr seid schon ein lustiges Pärchen. Eine weiße Hexe ...« Er grunzte bei dem Wort ‚weiße‘, »... und ein Werwolf. Das ist ja fast so schön dramatisch wie Romeo und Julia. Ach, Liebe kann so grausam sein.« Er grinste mich unverschämt an, bevor er mich fragte: »Sag, Freyja Rose, darfst du das überhaupt?«

In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken: Wie viel weiß er von meiner Familie, den Frauen der Gilde der Rose?

»Nun ...« Er machte eine theatralische Pause, bevor er weitersprach. »Dann will ich dich mal aufklären. Du bist auserwählt, dein Blut mit Engeln zu kreuzen.« Bei dem Wort ‚Engel‘ flatterte er mit seinen breiten Schwingen, sodass sich ein paar schwarze Federn lösten und zu Boden segelten. Aus der Luft griff er sich eine und reichte mir diese, als wäre sie eine Blume.

Ohne weiter nachzudenken, nahm ich die Feder an und starrte ihm dabei in seine abgrundtiefen Seelenschlünde. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und ließ mich frösteln.

»Danke sagt man!« Mit seinen Worten stürzte mich der Typ noch tiefer in den Horror hinein.

Ich schluckte, spannte die Schultern. Ich werde nicht auf sein Psychospielchen eingehen.

Er lächelte süffisant, als hätte er meine Gedanken erraten. »Jedenfalls bindet ihr euch nicht fest. Ihr lebt eure, entschuldige den Ausdruck, nymphomane Ader hemmungslos mit diesen Versagern aus.«

Ich errötete bei so viel Unverschämtheit.

Er grinste wieder nur, hob eine weitere Feder auf und strich mir mit dieser über meine Wange. Ich zuckte zurück, hatte aber keine Chance. »Eine gute Veranlagung«, säuselte er und fuhr mit der Feder über meinen Hals und mein Schlüsselbein. Ehe er noch weiter streicheln konnte, ergriff ich die Feder und stoppte ihn.

Sein Blick wurde mitleidig. »Arme Freyja. So verklemmt wirst du nie glücklich werden. Wie lange willst du den Werwolf noch abwehren und nicht ranlassen?«

Ich erschrak, dass er so viel von mir wusste.

»Er sucht sich bestimmt eine andere, die nicht so prüde ist. Er ist schließlich ein ganzer Kerl, anders als diese ...« Er schüttelte nur den Kopf.

Aber mir war klar, dass er die Engel meinte.

»Arme, arme Freyja, und dafür hast du dein Erbe verraten.«

»Das macht er nicht!«, giftete ich den Mann an.

»Nein?«

Ich schüttelte trotzig den Kopf. Der Typ schnippte mit den Fingern, und eine Leinwand materialisierte sich vor unser beider Augen. Ein Film lief darauf ab, und als ich die beiden Hauptpersonen erkannte, hätte ich mich am liebsten weggedreht.

Es waren Michel und Natalja in inniger Umarmung und in einem Kuss verschmolzen. Es tat weh, auch wenn ich wusste, dass es in der Vergangenheit passiert war.

»Willst du noch mehr sehen? Zum Beispiel, was er heute macht?«

»Nein!«, erwiderte ich knapp und hoffte inständig, dass der Typ mich mit weiteren Bildern dieser Art verschonen würde.

»Wie schade. Er liegt gerade mit einer Werwölfin im Bett und sie ...«

»Das glaube ich dir nicht«, unterbrach ich ihn aufgebrachter, als ich beabsichtigt hatte.

Der Mann mit den schwarzen Flügeln lachte erneut. »Dann muss ich es dir wohl zeigen. Achtung, kleine Hexe, das ist jetzt nicht jugendfrei.«

»Nein!« Ich trat vor, stieß ihn zurück, sodass er taumelte. Ich will es nicht sehen. Es darf einfach nicht sein! Aber dieser furchtbare Typ hatte es tatsächlich geschafft, Misstrauen in mir zu säen.

Er lachte erneut: »Hoppla, meine Liebe. Nicht so stürmisch. Ich will dich doch mit diesen Bildern nicht quälen. Ich will dir lediglich die Wahrheit vor Augen führen, damit du weißt, an wen du dein Herz verschenkt hast und für wen du hingerichtet werden sollst.«

In mir drehte sich alles. Ich hasste diesen Mann, und ich war wütend auf Michel. Der fremde Typ hatte es geschafft. Ich war total verwirrt. Dieses Mal trat ich einen Schritt zurück.

»Du glaubst, ich wäre dein Feind? Nun, wenn wir von der anfänglichen Begegnung vorhin ausgehen, war ich das auch. Aber jetzt, wo ich dich kennengelernt habe, praktisch in deine tiefsten Wünsche und Gedanken geschaut habe, biete ich dir meine Freundschaft an.«

Ich konnte es nicht glauben, aber er reichte mir seine Hand. Was hat das alles zu bedeuten? Bin ich wirklich so schlecht, wie er gesagt hat? Bin ich alleine durch meine Liebe zu Michel auch böse?

Er kam näher, ergriff meine schlaff herunter hängende Hand und drückte sie herzlich. »Das ist jetzt alles neu für dich, Freyja. Ich kann dich gut verstehen. Aber bitte glaube mir, ich verfüge über Möglichkeiten, die du dir nicht im Entferntesten vorstellen kannst. Ich könnte dir ganz besondere Dinge beibringen. Die Kraft schlummert tief in dir. Ich kann ...« Er unterbrach sich, sah mich abwartend an.

»Wer bist du?«, hörte ich mich selbst wie ferngesteuert fragen.

»Ich bin Karmath. Baron Karmath.«

»Warum siehst du Zeratostus so ähnlich?«

Er antwortete mit einem charmanten Lächeln.

K A P I T E L 4

Michael hielt an, als seine Mutter ebenfalls die riesige Halle, die einem Saal glich, hinter ihm betreten hatte. Der Saal war mit vielen Leuten gefüllt. Einige Gesichter kannte er aus seinem eigenen Clan. Es waren aber auch Fremde da, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Mitten im Raum standen zwei lange Tafeln mit schmalen Bänken, auf denen alle Platz genommen hatten. Die Wände waren mit Fotos und zwei Wappen geschmückt.

Ehe Michael sich das fremde Wappen genauer ansehen konnte, rief seine Mutter in die Runde: »Er ist aufgewacht.«

Augenblicklich spürte Michael alle anwesenden Augenpaare auf sich gerichtet. Er war jetzt heilfroh, dass er nicht Hals über Kopf aus der Kammer gelaufen war, sondern sich vernünftig angezogen hatte. Wie peinlich wäre der Empfang gewesen, wenn er die Gruppe nackt aufgesucht hätte? Er wollte es sich nicht vorstellen und ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen.

Sein Vater, Abidal Graf, saß wie ein König, der Hofstaat hielt, am Kopfende einer der Tafeln. Neben ihm der Platz war frei, und Michael konnte sich denken, dass dieser für seine Mutter reserviert war. Gleich neben ihm, auf der anderen Seite, saß sein Bruder Gabriel. Michael schenkte ihm zur Begrüßung ein Lächeln. An der anderen Tafel saß ebenfalls ein Mann am Kopfende. Er war im gleichen Alter wie Abidal Graf. Michael zweifelte keinen Moment daran, dass es sich bei dem Fremden um ein weiteres Alphamännchen handelte.

»Ist das die Verlobungsfeier von Shanti und Gabi?«, fragte er seine Mutter leise.

Sie schüttelte den Kopf und führte ihn zu dem freien Platz neben Gabriel. Daneben war ein weiterer freier Stuhl, und Michael wusste schmerzvoll, für wen dieser Sitzplatz reserviert war. Yasemin, seine Drillingsschwester, hätte dort sitzen sollen, doch sie hielt sich immer noch versteckt, weil sie sich nicht von ihrem Vater verheiraten lassen wollte.

Michael nickte seinem Vater zu, der die Begrüßung auf dieselbe Art und Weise erwiderte, und ließ sich dann neben Gabi nieder. »Hey, was geht denn hier ab?«, flüsterte er seinem Bruder zu.

Gabriel wollte ihm gerade antworten, da traf sie der vorwurfsvolle Blick des Vaters. Sofort war Gabriel still, und auch Michaels Aufmerksamkeit war jetzt voll und ganz bei dem Clanführer.