Die Grenzen der DDR - Klaus Emmerich - E-Book

Die Grenzen der DDR E-Book

Klaus Emmerich

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Beschreibung

Das Thema der Staatsgrenze zwischen beiden deutschen Staaten hat an Aktualität nichts verloren. Unverändert wird der Verlauf dieser Grenze mit den Sicherungsanlagen, die sich ausschließlich auf dem Hoheitsgebiet der DDR befanden, gleichgesetzt. Diese Staatsgrenze (von 1949 bis 1990), wird nicht mehr als Zonengrenze oder Demarkationslinie, dafür pünktlich zum 25. Jahrestag der Wiedervereinigung als „innerdeutsche Grenze“ bezeichnet. Die Staatsgrenze hatte völkerrechtlichen Charakter. Sie reichte in das Erdinnere und an die Begrenzung zum Weltraum. Aus ihr wurden am 03.Oktober 1990, 0.00 Uhr, Landesgrenzen zwischen „alten“ und „neuen“ Bundesländern. Die innere DDR-Grenze um Westberlin wurde grundsätzlich durch die Rechtsvorschriften der DDR bestimmt. Am Beispiel des Grenzgesetzes der DDR aus dem Jahre 1982 werden die völker- und staatsrechtlichen Grundfragen gestellt, ohne dass vom Leser juristisches Fachwissen vorausgesetzt wird. Die skizzierten Staatsgrenzen zwischen den Nachbarn CSSR und Polen erhärten die völkerrechtliche Bedeutung aller Staatsgrenzen.

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Die Grenzen der DDR. Nach Anschluß ist die Staatsgrenze DDR/BRD zu innerdeutschen (Landes-) Grenzen geworden

(Palast der Republik, auf Beschluß des Deutschen Bundestages abgerissen)

„Wir rutschen mit einer Geröllhalde, von der keiner weiß, wo sie zum Stehen kommt“

Peter Hacks (Dezember 1989)

An Wendepunkten des Geschehens, wenn scheinbar Festgefügtes unerwartet zusammenbricht, sollten alte Fragen neu durchdacht werden. Es heiß also: Verlierer an die analytische Front!

Wolfgang Ruge

in Neues Deutschland 26./27. März 1994 (S. 10.)

„Als am 3. Oktober 1990 die DDR nach Artikel 23 des Grundgesetzes der BRD beitrat, beschworen die Festredner die Traditionen der deutschen Einheit. Sie vergaßen, daß die staatliche Einheit der Deutschen seit dem Mittelalter eher die Ausnahme von der Regel deutscher Vielstaatlichkeit war.

Detlef Nakath (Mai 1999)

Zum Geleit

Die DDR, wie wir sagten unsere Republik, ist seit fünfundzwanzig Jahren -eine Generation - Vergangenheit. Immer mehr Menschen, vor allem junge, verbinden mit diesem Versuch, in Deutschland eine sozialistische Alternative zu errichten, keine konkreten Vorstellungen.

Aber es gibt auch noch viele, die die geschichtliche Zäsur des Unterganges eines Staates, noch nicht verwunden haben. Dafür gibt es viele Gründe, viele Details, die aus der Vergangenheit herauf geholt werden müssen.

Zu ihnen gehört, dass Grundlegende, das Wesen einer Sache ans Tageslicht zu fördern.

Die Frage, ob dazu die „Sicherung der Staatsgrenze“ gehört, obwohl es ja mit dem Mauerfall, erledigt wäre, gehört dazu.

Am territorialen Grenzregimes, durch eine „unverbrüchliche“ Waffenbrüderschaft über Jahrzehnte geschaffen, wird am praktischen Beispiel, in der Wechselwirkung von Politik-Recht-Grenzsicherung versucht, die Problematik während des Kalten Krieges, zu verdeutlichen.

Geblieben ist, damit zweifellos ein Erfolg des Ewiggestrigen, das Schreckgespenst von Schüssen, Mauer und Stacheldraht an der Staatsgrenze und der Grenze um Westberlin. Bewußt ausgeklammert wird dabei, dass begonnen beim Soldaten der Grenztruppe bis zum General, die Schusswaffenanwendung in Rechtsvorschriften und darauf beruhenden dienstlichen Bestimmungen geregelt war. Es galt die Maxime: Jeder Schuß an den Grenzen war einer zu viel!

Die von einem Fernseh- Journalisten der bundesdeutschen Medien verbreitete Provokation, dass die Grenzsoldaten der DDR den Befehl hätten, auf Grenzverletzer wie auf Hasen zu schießen, geistert aber weiter. Diese Provokation reihte sich lückenlos in die Lügen ein, die benutzt wurden, um Kriege zu begründen. Ich denke nur an den sog. Überfall auf den Sender Gleiwitz 1939, den Zwischenfall 1964 in der Tonkin-Bucht, die angeblichen chemischen Massenvernichtungswaffen im Irak 2003. Jüngst sind Giftgaseinsätze Assads (21. August 2013) zum Gesprächsthema eines militärischen Gegenschlages der USA gegen Syrien geworden.

Zurück zur „deutsch-deutschen“ Problematik: Aus der Staatsgrenze zwischen beiden deutschen Staaten wird eine „innerdeutsche“ Grenze gemacht, wie jüngst zum fünfundzwanzigsten Jahrestag des Anschlusses der DDR (Oktober 2015) an die alte BRD.

Vergessen, bewußt ignoriert wird aber vielerorts, dass alle Sicherungsanlagen sich ausschließlich auf dem Hoheitsgebiet der DDR befanden.

Auch wenn diese Anlagen keinen Schönheitspreis verdienten, so haben sie und die sie sichernden Staatsbürger in Uniform (oder Zivil) letztendlich auch dafür gesorgt, dass aus dem Kalten Krieg kein Heißer Krieg wurde.

Ich habe bewußt darauf verzichtet, auf die aktuelle Flüchtlingsproblematik und die damit verbundene Situation an den europäischen Außengrenzen einzugehen. Die Staatsgrenzen innerhalb Europas und die Staatsgrenzen um Europa, nur noch als „Grenzen“ bezeichnet, haben ihre Bedeutung als „Schließungsparadigmen der Moderne“ (Stefan Böckler), wieder erhalten oder auch nicht? Wie dieser Problemkreis sich künftig entwickelt, weiß wohl niemand.

Fragestellungen

zur Überwindung nationalstaatlicher Souveränität;

des Aufbaus von Grenzzäunen an der Außengrenzen der EU;

Grenzbefestigungen zwischen den EU-Staaten;

Anwendung moderner Kommunikationstechniken (Stichworte: Handy und Drohnen);

Europäisierung ohne „lästiges Personaldokument“;

allmählicher Aufbau einer eigenen europäischen Identität;

Angleichung nicht nur der europäischen Rechts- Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse von Bildung, Kultur und Medien, von Religion und Säkularisierung, und nicht zuletzt des Atheismus;

und vor allem: Wenn das geteilte Deutschland es über Jahrzehnte vermochte, den Frieden zu erhalten, dann muß diese Aufgabe auch von Europa als Ganzes verwirklicht werden,

und vieles mehr müssen künftig eine Antwort erhalten.

Der Raum, das Territorium, Staatsgebiet, Hoheitsgebiet, abgegrenzt durch Staatsgrenzen, auf dem die Menschen leben und arbeiten können, hat unabhängig, ob es sich um Staatsbürgerinnen oder Staatsbürger handelt, seine Bedeutung wohl kaum verloren.

Inhaltsverzeichnis

1. Staatgrenze zwischen der DDR/BRD oder innerdeutsche Grenze?

2. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 1973 zum Grundlagenvertrag in Bezug auf Grenzen

2.1. Die Kunst der Verschleierung in wenigen Sätzen: Grenzen im Urteil des BVerfG

2.2. Probleme, die sich aus dem Urteil ergeben

3. Weiteres zum Innerdeutschen

4. Ein kleines Staatsgrenz-Lexikon (Begriffserläuterungen)

5. Das territoriale Grenzregime der DDR (I)

6. Der Verlauf der Staatsgrenzen in der größer gewordenen BRD

7. Ob es uns gefällt oder nicht-aus Demarkationslinien wurden Staatsgrenzen (Willy Brandt 15.02.1973 im Bundestag)

8. Der Gebietsbestand Deutschlands in der Nachkriegszeit

9. Noch zum territorialen Grenzregime der DDR (II)

10. Das Grenzgesetz vom 25. März 1982

11. Der Grenzverlauf auf der Elbe

12. Abriss: Die Staatsgrenze DDR/VRP

13. Abriss: Die Staatsgrenze DDR/CSSR

14. Schluss, der auch an den Anfang gehören könnte

15. Ausgewählte Quellen und Literatur

Verzeichnis der Anlagen

Anlage 1:

Grenzgesetz vom 29. März 1982

Anlage 2:

Grenzverordnung vom 29. März 1982

Anlage 3:

Grenzordnung vom 29. März 1982

Anlage 3:

3. Grenzverordnung vom 3. April 1986

Anlage 4

: Protokoll Elbe-Besichtigung (Niedersächsische Staatskanzlei 12. Januar 1977)

Anlage 5:

Erklärung zur Entscheidung des BVerfG vom 26.10.1996 GBM; GRH; Vereinigung demokratischer Juristen (Ost); Solidaritätskomitee für die Opfer der politischen Verfolgung in Deutschland; Insiderkomitee zur Aufarbeitung der Geschichte des MfS e.V. (Insiderkomitee)

Anlage 6:

Abkommen deutsch-polnische Staatsgrenze 6. Juli 1950

Anlage 7:

Aufhebung der Personenkontrollen an Grenzen 27. Juli 1990

Anlage 8:

„Zwei plus Vier-Vertrag“ 12. September 1990

Anlage 9:

Bkm. Vertrag DDR/CSSR über Zusammenarbeit in Grenzangelegenheiten 30.September 1977

Anlage 9 A:

Vertragstext 8. September 1976

Anlage 9 B:

Bkm. zum Vertrag

Anlage 9 C:

Gesetz zum Vertrag DDR/CSSR vom 03. Dezember 1980

Anlage 10:

Bkm. zum Vertrag vom 22, Juni 1978 DDR/Schweden Abgrenzung des Festlandsockels 15. Juni 1979

Anlage 11:

Erklärung der Regierung der DDR zum grenzüberschreitenden Kaliabbau zwischen der DDR und der BRD und zu Fragen der Bergbausicherheit im Werra-Kalirevier 13. Dezember 1984

Anlage 11 A:

Mitteilung der Regierung der BRD zur Durchführung des grenzüberschreitenden Kaliabbaus zwischen der BRD und der DDR und zu Fragen der Bergbausicherheit im Werra-Kalirevier 13. Dezember 1984

Anlage 12:

Entwicklung der Schußwaffengebrauchsbestimmungen der Grenzsicherungsorgane in der SBZ und der DDR

Anlage 13:

Kabinettssitzung der Bundesregierung 06.11.1974 Elbe betreffend

Anlage 14:

Staatsgrenze BRD/DDR Hessen/Thüringen

Anlage 15:

Stefan Heym, Rede Bundestag 10.11.94 im Bundestag

Anlage 16:

Bundesverdienstkreuz für Fluchthelfer 26.12.2012

Anlage 17:

Deutsch-tschechische Erklärung 21.01.1997

Anlage 18:

Diskussion um völkerrechtliche Bestimmungen in Bundeswehr

Anlage 19:

15. Jahrestag des Beitritts der DDR zur BRD

Anlage 20:

MfS, ZAIG, 0/225 Streng geheim! 09. Sept. 1989 Hinweise auf wesentliche motivbildende Faktoren im Zusammenhang mit Anträgen auf ständige Ausreise nach dem nichtsozialistischen Ausland und dem ungesetzlichen Verlassen der DDR

1.Staatsgrenze zwischen beiden deutschen Staaten oder innerdeutsche Grenze?

Jeder Pfad, jeder Weg, jede Autobahn zur -„deutschen Einheit“, „Wiedervereinigung“, „Deutschland einig Vaterland“, „Vereinigung Deutschlands“, „Ende deutscher Zweistaatlichkeit“, „dem Weg in die deutsche Einheit“, „Deutschlands Wiederkehr“, „Angliederung“, „friedliche Rückeroberung der DDR vom deutschen Kapital“ 1, dem von mir verwandten Begriff des Anschlusses der DDR an die BRD, und den von der russischen Diplomatie in jüngster Zeit (Januar 2015) verwendeten Annexionsbegriff der DDR durch die BRD berührt immer unmittelbar oder indirekt die Problematik der Staatsgrenze zwischen beiden deutschen Staaten und der Grenze um Westberlin.2

Es scheint so, dass dazu alles gesagt und geschrieben ist. Die Vielzahl von Veröffentlichungen in Büchern, Zeitungen, Zeitschriften sowie im Internet, der vergangenen Jahrzehnte über die deutsch-deutschen Beziehungen, hier interessiert insbesondere die Problematik der Staatsgrenze zwischen beiden deutschen Staaten, sollte eigentlich genügen?

Leider stimmt das nicht. Warum? Immer wieder wird bis in die heutigen Tage (25 Jahre nach Anschluss der DDR an die BRD3) hervorgehoben, dass die Staatsgrenze zwischen der DDR und der BRD, in ihrer gesamten Länge von 1278 Kilometern4, wenn nicht eine Demarkationslinie oder Zonengrenze, doch zumindest eine „innerdeutsche Grenze“ war und nachträglich gern auch noch so bezeichnet wird.5

Prinzipiell muß aber festgestellt werden, dass eine wissenschaftlichtheoretische Auseinandersetzung um Grundfragen der Staatsgrenze zwischen beiden deutschen Staaten und der inneren Grenze der DDR um Westberlin mindestens lückenhaft sind.

Daniel-Erasmus Khan6 widmet dem „Gebietsbestand Deutschland“ nach dem Ende des zweiten Weltkrieges lediglich acht Seiten und vergisst dabei nicht, die Grundpositionen des Bundesverfassungsgerichts der BRD (im folgenden BVerfG) und die „innerdeutsche“ Grenze zu erwähnen.7 Im Teil III „Die Grenzen Deutschlands zu seinen Nachbarstaaten „Bestandsaufnahme und offene Einzelfragen“ läßt er, entsprechend seines „westlichen“ Verständnisses die Staatsgrenze zwischen der DDR/BRD völlig unberücksichtigt.8 So, als hätte es diese Grenze, konsequenter - Staatsgrenze, überhaupt nicht gegeben!

Alexander Demandt (Herausgeber)9 läßt Helmut Wagner unter dem Titel „Die innerdeutschen Grenzen“ zu Wort kommen.10 Unter den „innerdeutschen Grenzen“ subsumiert er die deutschen Binnengrenzen zwischen den Gebietskörperschaften auch in Bezug zu den „heute existierenden DDRBezirke und der Bundesländer“ und bezeichnet diese als „Nachkriegsgeschöpfe.“11 Zusammenfassend ist festzustellen, dass Helmut Wagner unter innerdeutschen Grenzen auf keinen Fall die Staatsgrenze zwischen beiden deutschen Staaten verstehen wollte.

Wenn Peter Joachim Lapp in seinem über 600 Seiten dicken Buch „Das Grenzregime der DDR“ (mit einem Staatswappen der DDR versehen) im ersten Satz behauptet, „nichts prägte die untergegangene DDR mehr als ihre Grenzen… Tausende von Veröffentlichungen zu ihrem Grenzregime, zur Berliner Mauer und innerdeutschen Grenze sowie zu den Grenztruppen“ legen davon Zeugnis ab, 12 dann bedient er offensichtlich die Klischees der Vergangenheit. Wie können Grenzen einen untergegangenen Staat prägen zumal diese Staatsgrenzen immer zwischen den Staaten verliefen? Oder wird hier deutlich gemacht, dass auch die alte BRD untergegangen ist? Das gesamte Buch „bewertet“ z.B. die Veröffentlichungen von Baumgarten/Freitag, Keßler/Strelitz, Gisela Karau als „oft stark verharmlosend“ und das gesamte Grenzregime als „menschenfeindlich“, weil es gegen Völkerrecht verstoßen hätte.

Auch der Artikel 12 Absatz 2 der „Konvention über Bürgerrechte und politische Rechte“ aus dem Jahre 1966 muß herhalten. Der Absatz 3 wird, wie es selbstverständlich geworden ist, unterschlagen. Dieser Absatz schränkt die „Freizügigkeit“ –jedes Menschen ein, seinen eigenen Staat zu verlassen, wenn13 sie „durch das Gesetz vorgesehen sind, die zum Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind und mit den anderen in dieser Konvention anerkannten Rechten zu vereinbaren sind.“14 Bekanntlich hat es z.B. im Strafgesetzbuch der DDR von 196815 den § 213 gegeben, der den „ungesetzlichen Grenzübertritt“ unter Strafe stellte.

Obwohl der Kalte Krieg offiziell am 21. November 1990 mit der „Pariser Charta für ein neues Europa“ beendet wurde, wurde (wie Lapp deutlich macht) diese Kriegsart niemals wirklich eingestellt.

In der Charta erklärten die Staats- und Regierungschefs, die die Teilnehmer-staaten der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa repräsentierten: Das Zeitalter der Konfrontation und der Teilung Europas für beendet und erklärten, dass sich ihre Beziehungen „künftig auf Achtung und Zusammenarbeit gründen werden“… Unter Bezugnahme auf die KSZE- Schlußakte von Helsinki wurde festgestellt, dass in Europa ein neues Zeitalter der Demokratie, Einheit und vor allem des Friedens anbrach. „Er trat in seine neue Phase oder in einen `kälteren Krieg´ ein, als der vergangene war (engl. `the Colder War´).16

In der Charta von Paris gibt es, außer einem allgemeinen Hinweis, auf die KSZE- Schlußakte, keine Bezugnahme auf Grenzen irgendwelcher Art. Bemerkenswert erscheint mir, dass Grenzprobleme in heutiger Zeit sich auf die Flüchtlingsströme von Afrika nach Europa konzentrieren. Also genau das gegenteilige Phänomen: Es geht nicht darum, z.B. die „Flucht“ aus einem deutschen Staat in einen anderen zu verhindern, sondern diese Massenflucht (vor allem über das Mittelmeer) in „geregelte Bahnen“ zu lenken und die Flüchtlinge gerecht auf die Staaten der EU zu verteilen.

Nicht vergessen soll die Wortmeldung den Mitglieds des Europaparlaments (CDU) Elmar Brok17 werden, der der SED der DDR, der „kommunistischen Diktatur“ die Ursachen für Ausländer -Haß und rechten Terror in Sachsen, das seit 25 Jahren von der CDU regiert wird, unter zu jubeln.18

Ein „innerdeutscher Grund“ besteht sicher darin, dass das Bundesverfassungsgericht mehrmals feststellte, dass das Deutsche Reich fortexistiert und es folgerichtig keine Staatsgrenze zwischen den beiden deutschen Staaten geben konnte und auch nicht gegeben hätte. Diese von der DDR als Staatsgrenze benannt - war demzufolge eine (innere) Reichsgrenze?

Im Folgenden soll versucht werden, anhand der Formulierungen im Urteil des BVerfG vom 31. Juli 1973 zum Grundlagenvertrag (GLV), etwas Klarheit in die sogenannte innerdeutsche Grenzproblematik zu bringen.

1  Vgl. Nakath/Küchenmeister u.a. aaO.

2  Vgl. Emmerich, Klaus (Grenzen, 2009); Grenze um Westberlin (2013); Grenzkommission (2014); Staatsgrenze zwischen beiden deutschen Staaten (2013) aaO.

3  Kurt Seidel (Beziehungen) aaO S. 132 schreibt die Schöpfung dieses Kürzels Michael Kohl und sich zu, weil es vorher(vor 1969) ziemliche Verrenkungen gab, um “Deutschland“ zu vermeiden: z.B. „westdeutsche Bundesrepublik“.

4  Statistisches Jahrbuch der DDR 1990 Seite 469. Über den Status der Grenze um Westberlin als „innere Grenze der DDR“, kann nachgelesen werden (aaO Emmerich Grenze um WB).

5  Selbst das Bundesarchiv in Koblenz bezeichnet im Bestand B 137 unter dem Klassifikationspunkt 1.5 noch eine „innerdeutsche Grenze“ im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Grenzkommission DDR/BRD. Unter der Bestandssignatur B 369 sind 19 Bände über die Tätigkeit der Grenzkommission enthalten, „die mit der innerdeutschen Grenze zusammenhängende allgemeine Fragen, Probleme und Regelungen sowie zahlreiche Einzelfälle dokumentieren“ (Schreiben des Bundesarchivs vom 12. Mai 2015 an den Autoren, Anlage, Unterstreichung: K.E.). Siehe auch die Titel Fricke/Ritzau und Schultke.

6  „Die deutschen Staatsgrenzen“ aaO.

7  AaO S. 102.

8  AaO S. 103–579.

9  “Deutschlands Grenzen in der Geschichte“ aaO.

10  Ebenda S. 234–276.

11  Ebenda S. 267.

12  AaO Seite 7.

13  So reimten wir bereits als Kinder: Wenn das Wörtchen wenn nicht wär- dann wär mein Vater Millionär.

14  Vgl. Lapp aaO S. 8.

15  StGB vom 13. Januar 1968 i. d. F. vom 19 Dezember 1974 (GBl. I 1975 Nr. 3 S. 14). Hinweise: 1. Zur strafrechtlichen Verfolgung wegen ungenehmigten Verlassens vor dem 1.1.1972 vgl. § 2 des Gesetzes vom 10.10.1972 zur Regelung von Fragen der Staatsbürgerschaft (GBl. I Nr. 18 S. 265). 2. Vgl. § 8 des Paßgesetzes der DDR vom 15.9.1954 (GBl. Nr. 81 S. 786) i. d. F. des Änd. Ges. vom 30.8.1956 (GBl. I Nr.81 S. 733), des Änd. Ges vom 11.12.1957 /GBl. I Nr. 78 S. 650) und des Anpassungsgesetzes vom 11.6.1968 (GBl. I Nr. 11 S. 242; Ber. GBl. II Nr. 103 S. 827).

16  Kozin aaO S. 2.

17  Deutschlandfunk 24. August 2015 zwischen 10.10 Uhr und 11.00 Uhr in der Sendung „Kontrovers“

18  Vgl. auch meinen Leserbrief in der Tageszeitung „junge Welt“ vom 31.8.2015. 14.

2.Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Juli 1973 zum Grundlagenvertrag in Bezug auf Grenzen

Obwohl nach Rechtsauffassung der DDR und in Achtung der Souveränität der BRD, Urteile aller Gerichte dieses Staates, für die DDR grundsätzlich bedeutungslos waren, will ich auf das o.g. Urteil detaillierter eingehen, weil hier wichtige Probleme dargelegt werden, die auch im Jahre 2015 und im Zusammenhang mit diesem Buch noch von Bedeutung sind.

Nicht unbeachtet soll bleiben, dass dem BVerfG ein Vertragstext von der Bayrischen Staatsregierung vorgelegt wurde, der sich noch in Bearbeitung befand und demzufolge mit dem paraphierten und unterschriebenen Text nicht vollkommen übereinstimmte.

Das Urteil ist im Internet abrufbar.19 Der sogenannte Orientierungssatz hat demnach folgenden Wortlaut:

„1. Es wird daran festgehalten (Vgl z B BVerfG, 1956-08-17. 1 BvB 2/51, BverfGE 5, 85 <126>) dass das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch die Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die Alliierten noch später untergegangen ist; es besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation nicht handlungsfähig. Die BRD ist nicht `Rechtsnachfolger´ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat `Deutsches Reich´, in Bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings ´teilidentisch´.

2. Zur Ablehnung zweier Anträge auf Aussetzung des Austausches der Ratifizierungsurkunden gemäß GrundVtr Art 10 vgl 1973-06-18, 2 BvQ 1/73, BverfGE 35, 257 und 1973-06-04, 2 BvQ 1/73, BverfGE 35, 193. Diese Entscheidung hat Gesetzeskraft.“

In den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts20 heißt es unter

„III. Der Vertrag regelt die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. Seine Beurteilung macht erforderlich, sich mit den Aussagen des Grundgesetzes über den Rechtsstatus Deutschlands auseinanderzusetzen:

1. Das Grundgesetz – nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre! - gehen davon aus, dass das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist; das ergibt sich aus der Präambel, aus Art. 16, Art.23, Art. 116 und Art. 146 GG. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an der der Senat festhält. Das Deutsche Reich existiert fort (BVerfGE 2, 266 (277); 3, 288 (319 f.); 5, 85 (126): 6, 309 (336, 363)), besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe selbst nicht handlungsfähig. Im Grundgesetz ist auch die Auffassung vom gesamtdeutschen Staatsvolk und von der gesamtdeutschen Staatsgewalt „verankert“ (BverfGE 2, 266 (277)). Verantwortung für „Deutschland als Ganzes“ tragen- auch- die vier Mächte (BverfGE 1, 351 (362 f., 367)).

Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert (vgl. Carlo Schmid in der 6. Sitzung des Parlamentarischen Rates- StenBer, S. 70). Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht „Rechtsnachfolger“ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat „Deutsches Reich“,- in bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings „teilidentisch“, so daß insoweit die Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht. Die Bundesrepublik umfaßt also, was ihr Staatsvolk und ihr Staatsgebiet anlangt, nicht das ganze Deutschland, unbeschadet dessen, daß sie ein einheitliches Staatsvolk des Völkerrechtssubjekts „Deutschland“ (Deutsches Reich), zu dem die eigene Bevölkerung als untrennbarer Teil gehört, und ein einheitliches Staatsgebiet „Deutschland“ (Deutsches Reich), zu dem ihr eigenes Staatsgebiet als ebenfalls nicht abtrennbarer Teil gehört, anerkennt. Sie beschränkt staatsrechtlich ihre Hoheitsgewalt auf den „Geltungsbereich des Grundgesetzes“ (vgl. BVerfGE 3, 288 (319 f.); 6, 309 (338, 363)), fühlt sich aber auch verantwortlich für das ganze Deutschland (vgl. Präambel des Grundgesetzes).

Derzeit (1973- K.E.) besteht die Bundesrepublik aus den in Art. 23 GG genannten Ländern, einschließlich Berlin; der Status des Landes Berlin der Bundesrepublik Deutschland ist nur gemindert und belastet durch den sog. Vorbehalt der Gouverneure der Westmächte (BverfGE 7, 1 (7 ff.)19, 377 (388); 20, 257 (266)). Die Deutsche Demokratische Republik gehört zu Deutschland und kann im Verhältnis zur Bundesreplik Deutschland nicht als Ausland angesehen werden /BverfGE 11, 150 (158)). Deshalb war z.B. der Interzonenhandel und ist der ihm entsprechende innerdeutsche Handel nicht Außenhandel (BverfGE 18, 353 (354)).“

Der Orientierungssatz wurde mit dem Original-Urteil des BVerfG zum GLV vom 31. Juli 197321 verglichen. Diesen „Orientierungssatz“ gibt es in diesem Original-Urteil nicht. Ich will den Begriff der Manipulation nicht verwenden, weil dieser so bezeichnete Orientierungssatz wörtlich (bloß an anderen Stellen22) mit dem Text des Urteils übereinstimmt. Weil dieser Text so bedeutsam ist, wurde dieser Abschnitt III. (Ziffer 1) oben als Kopie wiedergegeben.23

Im Antrag der Bundesregierung zu dem Verfahren 2 BvF 1/73 hieß es: „Die Bundesrepublik umfasst also, was ihr Staatsvolk und ihr Staatsgebiet anlangt, nicht das ganze Deutschland, unbeschadet dessen, daß sie ein einheitliches Staatsvolk des Völkerrechtssubjekts `Deutschland´ (Deutsches Reich), zu dem ihr eigenes Staatsgebiet als ebenfalls nicht abtrennbarer Teil gehört, anerkennt. Sie beschränkt staatsrechtlich ihre Hoheitsgewalt auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes´ (vgl. BverfGE 3, 288 (319 f.); 6 309 (388, 363))… Deshalb war z.B. der Interzonenhandel und ist der ihm entsprechende innerdeutsche Handel nicht Außenhandel…“24

„Die klare Rechtsposition jeder Regierung der Bundesrepublik Deutschland ist: Wir haben von der im Grundgesetz vorausgesetzten, in ihm `verankerten Existenz Gesamtdeutschlands mit einem deutschen (Gesamt-)Staatsvolk und einer (gesamt-)deutschen Staatsgewalt auszugehen… Zur politischen These vom `Alleinvertretungsanspruch´ hat sich das Bundesverfassungsgericht niemals geäußert. Es hatte und hat jetzt keinen Anlass zu prüfen und zu entscheiden, ob sich aus dem Grundgesetz rechtlich ein Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik Deutschland für Gesamtdeutschland begründen läßt.“25

Die Bundesregierung unter Willy Brandt würdigte den Grundlagenvertrag (GLV) gegenüber dem BVerfG als Teil ihrer auf Entspannung angelegten Ostpolitik, auch im Rahmen der Verträge von Moskau26 und Warschau27. Der GLV stellte eine historische Weiche im Verhältnis zwischen beiden deutschen Staaten dar und wurde mit dem Grundgesetz für die BRD (Präambel, Art. 23 und 14628) in ähnlicher Weise betrachtet. Der GLV „ist die ernsthaft gewollte neue Grundlage für die Bestimmung des Verhältnisses der beiden Staaten zueinander…“

Der GLV hat z.B. durch seine Bezugnahme auf die UNO-Charta und die „Westverträge“ der BRD und des Grenz- und Freundschaftsvertrages zwischen der DDR und Polen „soweit er Deutschland (als Ganzes) berührt“29 seinen besonderen Charakter betont.30

Die DDR „ist im Sinne des Völkerrechts ein Staat und als solcher Völkerrechtssubjekt. Diese Feststellung ist unabhängig von einer völkerrechtlichen Anerkennung“ der DDR durch die BRD. „Eine solche Anerkennung hat die Bundesrepublik Deutschland nicht nur nie förmlich ausgesprochen, sondern im Gegenteil wiederholt ausdrücklich abgelehnt. Würdigt man das Verhalten der BRD gegenüber der DDR „im Zuge ihrer Entspannungspolitik. Insbesondere des Abschließens des Vertrags als faktische Anerkennung, so kann sie nur als eine faktische Anerkennung besonderer Art verstanden werden. Das Besondere dieses Vertrags ist, dass er zwar ein bilateraler Vertrag zwischen zwei Staaten ist, für den die Regeln des Völkerrechts gelten und der die Geltungskraft wie jeder andere völkerrechtliche Vertrag besitzt, aber zwischen zwei Staaten, die Teile eines noch immer existierenden, wenn auch handlungsunfähigen, weil noch nicht reorganisierten umfassenden Staates Gesamtdeutschland mit einem einheitlichen Staatsvolk sind, dessen Grenzen genauer zu bestimmen hier nicht nötig ist. “31

Die damalige erklärende Feststellung der Bundesregierung gegenüber dem BVerfG, dass die DDR im Sinne des Völkerrechts ein Staat und damit Völkerrechtssubjekt war, unabhängig von einer völkerrechtlichen Anerkennung der DDR durch die BRD hat ihre Bedeutung, 25 Jahre nach dem Anschluss der DDR an die BRD, nicht verloren. Diese Feststellung sollte auch im Zusammenhang mit der immer wieder auftauchenden Parole, dass die DDR ein „Unrechts“staat gewesen sei, beachtet werden.

Für den hier vorliegenden Zweck scheint der Artikel 3 Satz 2 des GLV von besonderer Bedeutung der lautet:

„Beide Staaten „bekräftigen die Unverletzlichkeit der zwischen ihnen bestehenden Grenze jetzt und in Zukunft, und verpflichten sich zur uneingeschränkten Achtung ihrer territorialen Integrität.“

Inwieweit allein diese Aussagen zur Unverletzlichkeit der Grenze und Achtung der territorialen Integrität für staatsrechtliche Grenzen zutreffend sein sollen, wird immer Geheimnis des BVerfG (des betreffenden Senats) bleiben.

2.1Die Kunst der Verschleierung in wenigen Sätzen: Grenzen im Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BvF 1/73) Ziffer V.2.32 heißt es (aus Gründen der besseren Lesbarkeit zerlegt):

a)

   „2. In Art. 3 Abs. 2 (richtig: Artikel 2

Satz

2 GLV- K.E.) bekräftigen die vertragsschließenden Teile `die Unverletzlichkeit der zwischen ihnen bestehenden

b)

   Grenze jetzt und in Zukunft und verpflichten sich zur uneingeschränkten Achtung ihrer territorialen Integrität´. Es gibt Grenzen verschiedener rechtlicher Qualität: Verwaltungsgrenzen, Demarkationsgrenzen, Grenzen von Interessensphären, eine Grenze des Geltungsbereichs des Grundgesetzes, die Grenzen des Deutschen Reichs nach dem Stand vom 31. Dezember 1937,

c)

   staatsrechtliche Grenzen und hier wiederum solche, die den Gesamtstaat einschließen, und solche, die innerhalb eines Gesamtstaates Gliedstaaten (z.B. die Länder der Bundesrepublik Deutschland) voreinander trennen.

d)

   Dass im Artikel 3 Absatz 2 (richtig: Artikel 2 Satz 2 GLV- K.E.) eine staatsrechtliche Grenze gemeint ist, ergibt sich unzweideutig aus dem übrigen Inhalt des Vertrags (Art 1, 2, 3 Abs. 1, 4, 6).

33

e)

   Für die Frage, ob die Anerkennung der Grenze zwischen den beiden Staaten als Staatsgrenze mit dem Grundgesetz vereinbar ist, ist entscheidend die Qualifizierung als staatsrechtliche Grenze zwischen zwei Staaten, deren `Besonderheit´ ist, daß sie auf dem Fundament des noch existierenden Staates `Deutschland als Ganzes´ existieren,

f)

   dass es sich also um eine staatsrechtliche Grenze handelt ähnlich denen, die zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland verlaufen.

Mit dieser Qualifizierung der Grenze ist einerseits vereinbar die Abrede, daß die beiden Staaten `normale gutnachliche Beziehungen zueinander auf der Grundlage der Gleichberechtigung´ entwickeln (Art. 1 des Vertrags),

die Abrede, wonach beide Staaten sich von dem Prinzip der `souveränen Gleichheit aller Staaten´, das in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt ist, leiten lassen (Art. 2 des Vertrags)

und die Abrede, daß die beiden Staaten von dem Grundsatz ausgehen, daß die Hoheitsgewalt jedes der beiden Staaten sich auf sein Staatsgebiet beschränkt

und daß sie die Unabhängigkeit und Selbständigkeit jedes der beiden Staaten in seinen inneren und äußeren Angelegenheiten respektieren (Art. 6 des Vertrags).

g)

   Andererseits trägt diese Qualifizierung der Staatsgrenze in Art. 3 Abs. 2 des Vertrags (richtig: Artikel 3

Satz

2 GLV- K.E.) dem Anspruch des Grundgesetzes Rechnung, daß die nationale Frage, das ist die Forderung nach Erreichung der staatlichen Einheit des deutschen Volkes, offenbleibt.

h)

   Wenn Art.3 Abs. 2 des Vertrags (richtig: Artikel 3

Satz

2 GLV-K.E.) das Wort `bekräftigt´ verwendet, so läßt sich daraus nicht herleiten, daß hier nur eine anderweit – im Moskauer Vertrag -getroffene Regelung, die der Grenze den Charakter der

staatsrechtlichen Grenze verliehen hat34, in Bezug genommen wird, der Vertragsbestimmung also keinerlei konstitutive Bedeutung zukommt.

i)

   Man kann Grenzen als Staatsgrenzen

mehrfach

vertraglich anerkennen und garantieren.

Und das hat rechtliche Bedeutung, weil das Schicksal der verschiedenen vertraglichen Anerkennungen verschieden sein kann.

j)

   Ohne daß es also nötig wäre zu untersuchen, welche rechtliche Bedeutung der entsprechenden Regelung im Moskauer Vertrag zukommt, ist davon auszugehen, daß Art. 3 Abs. 2 des Vertrags (richtig: Artikel 3

Satz

2 GLV- K.E.) eine neue und zusätzliche vertragliche Anerkennung der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik enthält und diese Grenze konstitutiv garantiert.

k)

   Sie ist in der oben gegebenen Qualifizierung (und nur in dieser Qualifizierung) mit dem Grundgesetz vereinbar. Daß nach den auf den Vertrag anzuwendenden Regeln des Völkerrechts auch die Vereinbarung in Art.3 Abs. 2 des Vertrags (richtig: Artikel 3

Satz 2

GLV- K.E.) über Bestand und Verlauf der Grenze einer einvernehmlichen` Änderung in Zukunft nicht entgegensteht, versteht sich von selbst.“

35

Mit dem Anschluß der DDR an die BRD am 3. Oktober 1990 Mitternacht sind aus der Staatsgrenze zwischen beiden deutschen Staaten mehrere innerdeutsche, staatsrechtliche Landesgrenzen zwischen alten und neuen Bundesländern geworden.

2.2.Probleme, die sich aus dem Urteil zu den Grenzen ergeben

Um die Übersicht zu bewahren, wird im Folgenden die obige Buchstabenfolge (aus 2.1) beibehalten.

Zu a):

Die hier besonders interessierende „Staatsgrenze“ wurde hier bewußt weggelassen! Genauso die „innerdeutsche“ Grenze, die eigentlich innere Reichsgrenze heißen müßte, weil ja auch hier deutlich gemacht wurde, dass das Deutsche Reich, nach Meinung des BVerfG, weiter existiert!

Zu b):