Die Kinder des DAN - Oliver Henke - E-Book

Die Kinder des DAN E-Book

Oliver Henke

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Beschreibung

Band 4 der Abenteuer im Random Universum:

Einst erhoben sich die Corelianer unter dem Kriegerkönig Dan gegen ihre Schöpfer, das mysteriöse Volk der Devon. Seitdem leben sie in einer friedlichen Symbiose mit Dringos und Munas. In dieser für ihn völlig fremden Welt versucht sich der kleine Anuk zurechtzufinden, seit er von der Kriegerprinzessin Dao-Lin unter ihre Fittiche genommen wurde. Geführt von seiner Lehrerin bereitet er sich auf seinen ersten großen Kampf vor, um sich am Ende beim Fest der Ahnen seinen größten Ängsten stellen zu müssen. Doch eine weitaus größere Herausforderung bereitet Dao-Lin Kopfschmerzen, denn unerwartet sieht sich die Heilige Symbiose von Corelian durch finstere Mächte in ihrer Existenz bedroht. Es beginnt ein Wettlauf mit dem Tod. Gemeinsam mit der famosen Dragon-Crew tritt die tapfere Kriegerprinzessin in einem Himmelfahrtskommando gegen übermächtige Feinde an. Denn wenn die Heilige Symbiose von Corelian untergeht, bricht auch für den Rest der Galaxis ein dunkles Zeitalter an.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Random UniversumDie Kinder des DAN

Oliver Henke

Phantastische Erzählungen

Impressum

Von Oliver Henke sind außerdem diese Erzählbände erhältlich:

Abenteuer im Random-Universum

ISBN 978-3-83010-938-9

Abenteuer im Random-Universum: Sirenen der Finsternis

ISBN 978-3-89950-388-3

Abenteuer im Random-Universum: Kampf um die Zukunft

ISBN 978-3-89950-536-8

Random-Universum: Die Kinder des DAN

ISBN 978-3-86991-673-6

Mehr Informationen, Leseproben und ein ausführliches Lexikon auf:

www.randomuniversum.de

Oliver Henke, „Random Universum – Die Kinder des DAN“

Texte: © 2012 Copyright by Oliver Henke, Leuschnerstr. 97, 34134 Kassel

Layout und Satz: Linus Keutzer

Umschlaggestaltung: Linus Keutzer

Umschlagillustration: Swen Papenbrock

Innenillustration Schwertfisch, Stadtplan Random: Knut Oschmann

Innenillustration Keniatta, Dao-Lin, Anu-Ket, Sabine von Rabenstolz: Swen Papenbrock

Für meinen Vater

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Abenteuer

Prolog

Confar – Die große Zusammenkunft

Picador – Das Fest der Ahnen

Offene Wunden

2. Abenteuer

Prolog

Der Sonnenstein von Sacramon

Die Herrin von Theugoll

Wettlauf mit dem Tod

3. Abenteuer

Prolog

Schatten der Vergangenheit

Von Mut und Leichtsinn

Tanz auf dem Vulkan

Über Oliver Henke

Ankündigung

Noch mehr Abenteuer im Random Universum:

Anhang/Lexikon

Vorwort

Willkommen im Random-Universum…

…einer weit, weit entfernten Galaxie, wo sich neben so einfachen Geschöpfen wie Menschen auch illustre und stets gewaltbereite Wesen wie Corelianer, Calzunier, Corden, Dringos und Tamarin tummeln.

In diesem konfliktreichen Kosmos muss sich die Besatzung des Raumschiffs Dragon mit Hilfe von jeder Menge Hirn, Charme und manchmal auch roher Gewalt in zahlreichen Abenteuern immer wieder aufs Neue behaupten.

Wer sich traut, in die Untiefen des Random-Universums einzutauchen und auch vor der süchtig machenden Anziehungskraft einer schwarzen Antiheldin namens Anu-Ket keine Furcht hat, ist damit herzlich eingeladen

Bei meinen Abenteuern im Random-Universum handelt es sich nicht um ein in sich geschlossenes Romanwerk, sondern eine Reihe von Kurzgeschichten. Diese sind lose miteinander verbunden und folgen einer groben zeitlichen Linie, wobei die Gegebenheiten im sogenannten Random-Universum den Handlungsrahmen bilden.Im Zentrum des Geschehens steht daher nicht immer der selbe Ort oder Held. Vielmehr gibt es verschiedene Charaktere, die mal getrennt, mal gemeinsam Abenteuer erleben, sich dabei aber auch in feindlichen Lagern gegenüberstehen und somit zwangsläufig in die Quere kommen, was genügend Raum für phantastische Verwicklungen eröffnet.

Darüber hinaus sind die einzelnen Abenteuer keine Zeitgeiststudie und wollen weder tiefere Moral, noch höhere Werte vermitteln. Sie sollen einfach unterhalten, den interessierten Bücherwurm entführen in eine andere Dimension, die manchmal fremd und manchmal auch seltsam vertraut erscheinen dürfte. So wird der Leser hoffentlich für einen Augenblick den oft recht harten und ungerechten Alltag vergessen können.

Wenn Sie die Hintergründe des Universums recherchieren oder mehr über bestimmte Orte und Charaktere erfahren möchten, werfen Sie doch einen Blick in das Lexikon auf www.randomuniversum.de

Mero Migdol

Ihr Oliver Henke

1. Abenteuer

Corona Honoris

Prolog

„Jede Geschichte hat ihre Vorgeschichte.“

Lange bevor sich die heute etablierten Kulturen des Random-Universums entwickelten, herrschte das unheimliche Volk der Devon über weite Teile der Galaxis. Von Größenwahn und Paranoia getrieben, kreierten diese Wesen auf Grundlage der primitiven menschlichen DNA zwei vollkommen neue Rassen: Calzunier und Corelianer. Während die Calzunier hauptsächlich als robuste Arbeitssklaven dienten, wurden die Corelianer mit fantastischen Fähigkeiten versehen, um als überlegene Kämpfer die Macht der Devon auf ewig zu sichern. Doch dazu kam es nicht, weil sich die Corelianer – entgegen ihrer ursprünglichen genetischen Programmierung – körperlich sowie geistig fortentwickelten und später unter ihrem legendären Kriegerkönig Dan gegen ihre Schöpfer erhoben.1

Bis heute wirkt das gespenstische Erbe der Devon-Ära in den Genen von Calzuniern und Corelianern nach und macht beide zu einer jeweils eigenständigen Hominidenrasse. Besonders schwer haben es Abkömmlinge aus gemischten Ehen. Sie sehen sich mit Ausgrenzung, Misstrauen und Vorurteilen konfrontiert. Darunter litt auch der kleine Anuk, den Kriegerprinzessin Dao-Lin glücklicherweise unter ihre Fittiche nahm. Aber selbst seine große Schwester Anu-Ket, die beeindruckend forsch und selbstbewusst auftritt, blieb davon keinesfalls verschont.

1 Nach dem gewaltsamen Untergang des Devon-Imperiums wanderten die Corelianer, welche sich seit damals sinnbildlich als Kinder des Dan sehen, in den nach ihnen benannten Corelian-Sektor aus. Die Calzunier emanzipierten sich ebenfalls, blieben aber vor Ort und gründeten das Calzunische Reich, das in ihrer Sprache als Calzun Dag bezeichnet wird.

Confar – Die große Zusammenkunft

Unangenehm dunkel, windig und kühl erscheint die Nacht, welche sich über Dao-Lins Residenz auf Loop-Noor2 gesenkt hat. Eine steife Brise hat die rings um das Gebäude verteilten Öllaternen der Munas3 ausgeblasen, was eher selten vorkommt. Plötzlich reißt die Wolkendecke auf und das bleiche Mondlicht strahlt unnatürlich grell ins Zimmer des kleinen Anuk, den Kriegerprinzessin Dao-Lin vor noch gar nicht all zu langer Zeit adoptierte. Dieser wälzt sich auf seinem Lager hin und her. Ein Albtraum quält ihn, den weniger die turbulenten Ereignisse der Vergangenheit, als Min-Khais Worte vom Nachmittag in seinem Kopf zu erzeugen scheinen: „Die große Kriegerprinzessin Dao-Lin hat Wichtigeres zu tun! ... Vermenschlichter Welpe!4 ... Ein Tollpatsch, der ständig über seine eigenen Füße stolpert! ... Da blamiert man sich ja bis auf die Knochen! ... Zum Gespött aller Daminos5 werden! ... Das hat Dao-Lin niemals verdient! ... Doch dann wird sie dimittiert! Und das ist alles deine Schuld, du Tölpel!“

Der Junge schreckt hoch, springt aus dem Bett, macht sich fertig und schleicht leise aus dem Zimmer. Ziel seiner Wanderung ist die Wiese hinter dem Haus. Es ist stockfinster, weil der Mond wieder einmal von dichten Wolken verdeckt wird. Trotzdem stößt der kleine Corelianer nirgends an, so als ob ihn eine innere Stimme leiten würde. Er tastet sich immer weiter voran, durch das Sonnen-Tor hinaus, jenen Weg entlang, der aus gestampftem Lehm besteht, schnurstracks auf den mit rötlichen Gräsern bewachsenen Hang hinter dem Haupthaus zu. Immer noch herrscht tiefste Nacht, ist keine der beiden mächtigen Sonnen aufgegangen, deren Strahlen das Firmament schon bald Türkis einfärben und die Luft unerträglich erwärmen werden. Um sich vor Austrocknung zu schützen, geben dann die großen ledrigen Blätter der rötlichen Rambur-Gewächse, die allgegenwärtig sprießen, große Mengen Feuchtigkeit ab. Schwüle wird das Atmen erschweren und für Stunden jegliche Aktivitäten lähmen, bis das Zwillingsgestirn wieder versinkt. Über Nacht regnet sich dann das verdunstete Wasser aus schweren Wolken wieder ab, bis am Morgen der Kreislauf der Natur von vorn beginnt.

Das alles interessiert den jungen Corelianer im Moment aber nur am Rande. Ihn treibt viel Bedeutsameres um. Da der Kleine unter Menschen aufgewachsen ist, möchte er üben, üben, üben, um in seiner corelianischen Umgebung nicht länger als Tollpatsch zu gelten. Während die letzten Regentropfen aus den Wolken rieseln und es allmählich aufklart, beginnt Anuk mit seinem Training. Eine ganze Weile ist er eifrig bei der Sache, bis seine Konzentration von unheimlichen Geräuschen abgelenkt wird. Plötzlich beschleicht den Kleinen das Gefühl, er werde beobachtet. Von der anderen Seite der Wiese her, wo der Dschungel aus mächtigen Rambur-Stauden wuchert, raschelt es bedrohlich. Der Junge zuckt zusammen und schaut gebannt in diese Richtung. Sanft wiegen sich die großen Blätter hin und her. Sporadisch blitzt im Dickicht ein Augenpaar auf. Dergleichen hat Anuk, der vor Schreck wie hypnotisiert dasteht, noch nie gesehen. Keiner hatte ihn davor gewarnt, dass auf Loop-Noor gefährliche Tiere hausen würden, vor denen man sich in acht nehmen sollte!

Dann passiert es: Eine riesige Kreatur prescht mit grellem Kreischen aus dem Dickicht hervor und stürmt auf den Jungen zu. Der Kleine schreit laut um Hilfe und rennt zurück zum Haus. Von diesem Lärm aufgeschreckt, eilen Dao-Lin und Min-Khai ins Freie. Beide ahnen Schreckliches. Die Corelianerinnen finden Anuk, der sich ganz verstört mit dem Rücken an die Hauswand presst. Während sich Min-Khai sogleich um den Kleinen kümmert, stellt sich Dao-Lin todesmutig der vom Rambur-Wald heranstürmenden Gefahr.

Im Schein großer Fackeln, welche unzählige Munas in Händen halten, erkennt Anuk, dass es sich um ein Tier handelt. Mit gewaltiger Statur, von seiner Größe her einem Schwertfisch6 nicht unähnlich. Nur das diese Kreatur einen runden Leib und riesige Flügel hat, die wirken, als bestünden sie aus Segeltuch. Sein Kopf sieht unförmig aus, wie in den Körper eingewachsen. Dort befindet sich ein aus vier Teilen bestehender Schnabel. Vier Augen besitzt das Untier. Zwei sitzen links und rechts am Kopf, so groß wie Suppenteller. Die anderen beiden befinden sich auf der Stirn und sind nur etwa halb so groß. Anuk zählt sechs Beine, drei an jeder Seite, die in gefährlich aussehende Klauen münden. Das Hinterteil bildet ein sichelförmig gebogener Stachel, der fast wie eine Kneifzange wirkt. Außerdem stinkt es bestialisch, weshalb sich Anuk die Nase zuhalten muss. Dem Maul des Tieres entweichen giftige Dämpfe, und es erscheint aufs äußerste erregt.

Unaufhaltsam nähert es sich dem Anwesen, dabei fortwährend mit seinen großen Flügeln schlagend. Mehrere Munas rufen verzagt: Veckari. Nur Dao-Lin bleibt ruhig. Abgeklärt zieht sie ihren Kampfstab. Mit aller Kraft versucht die Kriegerprinzessin zu verhindern, dass die Kreatur, deren Riesenflügel bedrohliche Windböen erzeugen, bis zum Haus vordringen kann. Sie weiß, dass Schießen nicht hilft, weil das Wesen gepanzert ist. Es gibt nur eine Möglichkeit, ein Veckari zu erlegen: Man muss eine verletzliche Stelle am Hinterkopf treffen. Dies ist leichter gesagt, als getan und obendrein auch noch höchst gefährlich, denn ein Krieger muss dazu auf den Rücken des Tieres gelangen. Da Veckaris ebenso wehrhaft, wie wachsam sind, ist es einem einzelnen Corelianer nur schwer möglich, eine solche Kreatur zur Strecke zu bringen.

Dao-Lin steht momentan lediglich Min-Khai zur Seite, die aber hoch schwanger ist und daher einen Kampf besser vermeiden sollte. Zum Glück kommt wenige Minuten später Cass-Aij dazu, der stets diskret über seine Gefährtin Min-Khai wacht. Ohne zu zögern greift er ins Geschehen ein, während Min-Khai versucht, den kleinen Anuk in Sicherheit zu bringen. Gemeinsam haben Dao-Lin und Cass-Aij nun bessere Chancen mit dem Ungetüm fertig zu werden. Letzteres registriert sofort die geänderte Lage. Die vermeintlich leichte Beute in Gestalt eines corelianischen Welpen ist nun nahezu unerreichbar geworden. Sich dessen wohl bewusst, tritt das Tier den Rückzug an.

Leider führt seine Flucht nicht geradewegs in den Busch, sondern zur nächstgelegenen Muna-Siedlung. Diese heißt Hangstadt und ist von der typischen Architektur der Munas geprägt. Die rundlichen Häuser sind allesamt halb im Erdreich eingegraben und tragen ein Dach, welches wie eine umgekehrte Bratpfanne aussieht. Diese optisch recht niedliche wirkende Konstruktionsweise verleiht den Gebäuden erhebliche Stabilität und schützt seine gutmütigen Bewohner vor Übergriffen gefräßiger Raubtiere. Zudem parken rund um die Siedlung corelianische Schwertfische. Dies erleichtert beiden Seiten die Erfüllung ihrer Pflichten: Zum einen können die Munas die Corelianer schnell mit allem Lebensnotwendigen versorgen. Zum anderen sind die Daminos sofort präsent, falls den Munas Gefahr drohen sollte.

Genau diese Situation tritt jetzt ein, da sich ein ausgewachsenes Veckari auf Hangstadt zubewegt. Krachend bricht das Tier aus dem Unterholz und dringt in die Siedlung vor. Bei seinem Vormarsch walzt es alles nieder, was sich ihm in den Weg stellt. Dadurch steigt der Geräuschpegel schlagartig an und alarmiert die benachbarten Corelianer. Angeführt von Dao-Lin stellen sie sich unerschrocken dem Ungeheuer in den Weg. Hingegen verschanzen sich die Munas ängstlich in ihren festungsartigen Behausungen.

Es folgt ein harter Kampf, denn für beide Seiten geht es um Leben oder Tod. Immer wieder bäumt sich das Veckari auf, speit seinen Verderben bringenden Atem in alle Richtungen. Durch einen mächtigen Hieb seiner Vorderklauen wird ein Corelianer mehrere Meter durch die Luft geschleudert. Krachend bricht er durch das Dach eines Schuppens und zertrümmert sämtliche Gerätschaften. Zugleich schlägt der Schwanz des Tieres wild um sich. Nur dank ihrer Sprungkraft entgehen Cass-Aij und zwei weitere Daminos dem gefährlichen Hieb. Von der anderen Seite feuern mehrere Corelianer auf die Augen des Veckari. Zwar werden auch diese durch eine Membran geschützt, doch blenden die Laserstrahlen empfindlich. Ungehalten springt das Tier auf das Dach eines Muna-Hauses und geht von der erhöhten Position gegen seine Peiniger vor. Diese zeichnen sich durch enorme Beweglichkeit aus, was sie zu keinen leichten Zielen macht. Fauchend und mit sämtlichen Extremitäten um sich schlagend hockt das Veckari auf dem Flachdach. Zwar erwischt es die flinken Corelianer kaum, doch gelingt es diesen auch nicht, auf den Rücken des Tieres zu kommen.

Aus sicherer Entfernung vom Hügel oben bei der Residenz beobachten Anuk, Min-Khai und jede Menge Munas, wie unten im Tal eine gefährliche Pattsituation entsteht. Letztere greifen nicht ein, denn die Corelianer regeln so etwas allein. Das ist ihre Aufgabe. Bange Blicke begleiten die Aktion der kämpfenden Daminos. Diese stammen nicht allein von den Munas. Zum ersten Mal seit er bei den Corelianern ist, hat Anuk Angst um seine Lehrerin. Der Junge fühlt sich richtig mies, da er glaubt dieses Ungeheuer angelockt zu haben.

Je länger der Kampf dauert, umso größer wird die Gefahr, dass weitere hungrige Veckaris auftauchen könnten. Dao-Lin weiß das. Als Kriegerprinzessin ist sie die oberste Beschützerin des Landes Loop-Noor. Alle hier lebenden Corelianer folgen bedingungslos ihrem Befehl, erwarten von ihr geführt zu werden. Entsprechend hebt Dao-Lin den Kampfstab über den Kopf und fixiert das Tier einen Moment hoch konzentriert. Sogleich reagieren ihre Mitstreiter auf das Zeichen. Darüber hinaus sieht es für den Beobachter so aus, als ob alle Corelianer auf geheime Kommandos reagieren. Entsprechend teilen sich die Kämpfer in zwei Gruppen. Die eine verbleibt bei Dao-Lin, die andere bewegt sich unter Cass-Aijs Führung bedächtigen Schrittes rechts um die Hütten. Da spurtet Dao-Lin los. Ihre Daminos folgen. Sogleich wendet sich das Veckari gegen die angreifende Gruppe. Es gelingt ihm, einige durch seinen giftigen Atem oder seine Klauen schwer zu verletzen. Lediglich Dao-Lin kommt durch. Diese springt hoch oder duckt sich vor den Schlägen des Tieres weg. Ihre unglaublichen Reflexe ergeben eine fantastische Darbietung.

Freilich ist ihr waghalsiger Vorstoß nur als Ablenkungsmanöver gedacht, welches es der von Cass-Aij geführten Gruppe ermöglichen soll, von hinten auf den Rücken des Tieres zu kommen. Als das Veckari merkt, von welcher Seite ihm Gefahr droht, wehrt es sich nach Kräften, was weitere Daminos zu Fall bringt. Cass-Aij lässt sich jedoch nicht abschütteln. Energisch klammert er sich am Veckari fest und kriecht langsam aber stetig an dessen Rückgrat empor. Dies stellt unter den vorherrschenden Bedingungen selbst für einen Corelianer einen enormen Kraftakt dar. Cass-Aijs Entschlossenheit kommt jedoch nicht von ungefähr. Er kämpft um weit mehr, als die wehrlosen Munas, nämlich das Wohlergehen seiner Gefährtin Min-Khai und seines ungeborenen Kindes!

Jetzt ist Dao-Lin wieder am Zug. Sie ist unmittelbar vor dem Veckari angelangt und springt mit aller Kraft empor. Im Fluge holt sie aus und feuert auf die Augen des Tieres. Schmerzhaft geblendet verliert das Veckari kurzfristig die Orientierung und taumelt. Dadurch rutscht auch Cass-Aij ab. Sein Straucheln lässt Min-Khai reflexartig einen Schritt nach vorn machen, doch ist ihre Sorge unbegründet. Ihr Gefährte stürzt nicht ab, sondern kann sich an einem der Flügel festhalten. Dessen heftige Aufwärtsbewegung katapultiert ihn geradewegs zum Nacken des Tieres. Er zögert keine Sekunde und setzt zum entscheidenden Schlag an. Kreischend, sich ein letztes Mal aufbäumend, haucht das gefährliche Tier endlich seinen totbringenden Lebensodem aus und stürzt donnernd zu Boden. Sogleich eilen Munas herbei, um den Kadaver zu verbrennen. Zwar schreibt man dem Feuer allgemein reinigende Eigenschaften zu, doch legt sich in diesem Fall schon bald eine Wolke eklig stinkender Abgase über das gesamte Gebiet.

Währenddessen hat Min-Khai ihren Schützling in sein Zimmer gebracht. Dort hockt Anuk auf seinem Bett. Er steht unter Schock. Der Hausdiener, Muna Monti, bringt ihm Tee, welcher aus einer besonderen Pflanze zubereitet wird. Ihre Wirkstoffe helfen Kranken und Schwachen schnell wieder auf die Beine. Der Junge schlürft den etwas muffig schmeckenden Aufguss widerwillig herunter. Dabei kreisen seine Gedanken um die zurückliegende Gefahr. Ungeduldig wartet er auf Dao-Lins Rückkehr. Diese verzögert sich jedoch, was Anuk weiter bangen lässt. Den Teebecher ängstlich umklammert, nickt der Junge schließlich ein.

Später in der Nacht lassen ihn Geräusche hochschrecken. Sein Blick fällt auf den Vorhang, welcher sein Zimmer vom Flur trennt. Jemand schiebt ihn sacht beiseite. Es ist Dao-Lin. Endlich! Schwer gezeichnet vom zurückliegenden Kampf ist ihr Gesicht zerkratzt, der Kampfanzug stellenweise zerfetzt und an der linken Schulter ist eine nur notdürftig versorgte Wunde zu erkennen. Ihre Blessuren kümmern sie nicht. Vielmehr gilt die ganze Aufmerksamkeit der Kriegerprinzessin Anuks Zustand. Dieser lässt bei ihrem Anblick vor Schreck den Becher fallen. Das hat der Junge nicht gewollt, dem das Herz nun erst recht in die Hose rutscht. Er fürchtet, Dao-Lin werde ihn zur Strafe für seinen nächtlichen Ausflug zu seinem Großvater zurückschicken, von dem er vor gut einem Jahr fortlief.7 Doch zunächst betrachtet Dao-Lin ihren Schützling nur stumm. Ihr Schweigen erhöht Anuks seelische Not weiter. Dann hebt sie den Becher auf und setzt sich neben ihn. Der Kleine traut sich kaum, ihr in die Augen zu schauen. Starr vor Angst bekommt er keinen Ton heraus. Doch statt zu schimpfen, berührt Dao-Lin behutsam mit der Hand seine Stirn. Mit ruhiger Stimme erkundigt sie sich, was ihr Welpe um diese Zeit draußen zu suchen hatte. Mit zittriger Stimme beteuert Anuk, er habe doch nur üben wollen, weil ihn Min-Khai am Abend zuvor als Nichtsnutz und Versager abgestempelt hat.

Dabei hatte der Tag zunächst wie jeder andere begonnen: Nach dem Frühstück stehen die obligatorischen Übungen an. Tag ein Tag aus, immer wieder gleich. Unter freiem Himmel, auf der großen Wiese, am sanft abfallenden Hang im Süden, findet das allmorgendliche Ritual statt. Mittlerweile kennt Anuk die Prozedur auswendig. Anfangs war es ihm nicht leicht gefallen, doch jetzt beherrscht er die verschiedenen Verrenkungen schon ganz gut. Sie dienen dazu, Muskeln und Sehnen zu lockern. Natürlich wirken seine Bewegungen noch recht ungelenk. Ganz anders Dao-Lin, Min-Khai und Cass-Aij, deren Anblick ein Muster an Kraft, Schnelligkeit und Eleganz verkörpert. Dao-Lin erlaubte Min-Khais Gefährten, an den Übungen teilzunehmen. Ihm nachzueifern, ist Anuks Ziel. Vor allem bewundert er an Cass-Aij, das dieser ein ebenso starker, wie besonnener Kämpfer ist.

Etwa eine Stunde dauert das ritualisierte Vorspiel. Dann verabschiedet sich Cass-Aij, während Dao-Lin mit ihrem Welpen zu üben beginnt. Zunächst wiederholt die Kriegerprinzessin stets die vorangegangenen Lektionen. Wenn sie glaubt, Anuk sei in der Lage, das Gelernte praktisch anzuwenden, erweitert seine Colodi8 schrittweise das Übungsprogramm.

Nur sehr langsam hat Anuk in der Vergangenheit Fortschritte gemacht – eine Tatsache, die Min-Khai mehr zu beschäftigen scheint, als Dao-Lin. Diese legt wahrhaftig eine Engelsgeduld an den Tag und zeigt, demonstriert, wiederholt so lange, bis es auch Anuk gelingt. Da sie mit seiner Leistung zufrieden schien, stand gestern etwas vollkommen Neues auf dem Plan. Quasi in Zeitlupe hatte Dao-Lin die Übung vorgemacht. Ihr Welpe beobachtete ganz genau jede ihrer Gesten. Dann kam er an die Reihe. Zunächst führte ihn seine Lehrerin behutsam, lenkte Hände und Füße. Doch was in der Theorie so einfach wirkte, wurde in der Praxis schnell zur Qual. So sehr sich Anuk auch anstrengte, allein schaffte er es nicht. Dao-Lin zeigte ihm die Übung zunächst langsam, dann in atemberaubender Geschwindigkeit, mit Drehungen wie ein Brummkreisel. Anuk war der Verzweiflung nahe. Immer wieder stolperte er und fiel hin. Sogleich hagelte es dafür von Min-Khai, die stets mit von der Partie ist, verächtliche Blicke. Dao-Lin verfolgte Anuks Bemühungen und korrigierte kontinuierlich seine Bewegungsabläufe, als der Hausdiener, Muna Monti, gemächlich vom Anwesen heran getrottet kam. Er wartete geduldig, bis sich die Kriegerprinzessin zu ihm umdrehte und berichtete dann, der Kriegerprinz Syr-Loh erbitte ein Gespräch mit der Herrin von Loop-Noor. Dao-Lin nickte und wandte sich wieder zu Anuk. Sie wies ihn an, so lange zu üben, bis er den Bogen raus habe. Dann begab sich die Hausherrin auf die andere Seite des Gebäudes, wo Syr-Loh wartete.

Zurück auf der Wiese blieben Min-Khai und Anuk. In ihrer Nähe fühlt sich der Kleine stets seltsam unwohl. Nicht das sie ihm ein Haar krümmen würde, aber diese ständige Observation zerrt an den Nerven. So als ob Dao-Lins einstige Musterschülerin nur darauf wartet, das der Welpe etwas falsch macht, um ihn dann mit hochmütigen Blicken strafen zu können. Gleichzeitig führt Min-Khai meistens vor, wie es richtig wäre. Dabei lässt sie keine Gelegenheit aus, unterschwellig ihre Verachtung auszudrücken. Derartige Demütigungen empfindet Anuk als bodenlose Gemeinheit. Aber was soll er dagegen tun? Schließlich heißt es nicht umsonst: Lehrjahre sind keine Herrenjahre! Sich wie ein verweichlichter Menschenwelpe bei Dao-Lin ausheulen, würde man Anuk sicherlich als Zeichen von Schwäche ankreiden und die Sache für ihn nur noch schlimmer machen. Einerseits muss er da also allein durch. Andererseits spornt ihn das geringschätzige Verhalten aber auch an, es dieser eingebildeten Kriegerin zu zeigen. Was die Kampfübungen angeht, ist ihm Min-Khai freilich um Lichtjahre voraus. Diesen Vorsprung dürfte Anuk wohl niemals mehr aufholen.

Sich ihrer eigenen Fähigkeiten wohl bewusst, hatte sie sich vor ihn hingestellt und seinen unbeholfenen Bemühungen einen Moment zugeschaut. Nachdem Anuk wieder einmal unfreiwillig zu Boden ging, schüttelte Min-Khai den Kopf, sprang unvermittelt hoch, vollführte die Übung quasi in der Luft und landete dann wieder trittsicher, wie eine Eisprinzessin. Anuk purzelten fast die Augen raus, denn so hatte er sie noch nie gesehen. Bei ihr wirkte das alles so mühelos. Aber wie macht die das nur, fragte er sich, als ihn Min-Khai wortlos stehen ließ und ebenfalls zum Haus ging.

Das muss doch zu schaffen sein, dachte sich Anuk und probte den Rest des Tages, zwar verbissen, aber leider ohne wirkliche Fortschritte zu machen. Er pausierte nur zu den Mahlzeiten. Zum Mittagessen war Dao-Lin nicht da. Als sie auch beim Abendessen fehlte, wurde Anuk langsam unruhig. Min-Khai nutzte die Gelegenheit sofort aus, um ihn abermals zu triezen: „Iss, du Tollpatsch, sonst wird das nie was mit dir!“, ermahnte sie ihn.

Der Kleine begegnete ihren Worten mit ärgerlichen Blicken und biss widerwillig in seine Wurzel. Plötzlich stand Min-Khai auf und bewegte sich zur Tür. Anuk schaute ihr entgeistert hinterher. Seinen Blick quittierte Min-Khai mit der Frage: „Was ist? Hat unser Welpe etwa Angst allein im Dunkeln?“

Verlegen stellte Anuk klar: „Eigentlich mache ich mir nur Sorgen, wo Dao-Lin so lange bleibt.“

Prompt setzte es von Min-Khai den nächsten Seitenhieb: „Die große Kriegerprinzessin Dao-Lin hat Wichtigeres zu tun, als sich mit dir Tollpatsch zu beschäftigen!“

„Ich bin kein Tollpatsch!“

Doch schwor Anuks Protest erst recht den Hohn seines Gegenüber herauf: „Wirklich nicht? Dann verrate mir: Wie nennst du jemanden, der ständig über seine eigenen Füße stolpert? So einen Welpen will niemand haben. Ich würde mich schämen, einen Tollpatsch wie dich mit zum großen Confar zu nehmen, der nicht mal ansatzweise sein Aurium beherrscht. Da blamiert man sich ja bis auf die Knochen!“

Jetzt konnte sich Anuk eine Gegenfrage doch nicht verkneifen, auch wenn es ihm schwer fiel: „Was ist das Aurium?“

Min-Khai verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf: „Weißt du das wirklich nicht? Woher auch. Was kann man schon von einem Welpen erwarten, der von ignoranten Menschen erzogen wurde.“

Anuk zuckte zusammen, doch war Min-Khai mit ihrer Standpauke noch nicht fertig: „Das hat Dao-Lin niemals verdient, durch dich Tollpatsch zum Gespött aller Daminos zu werden. Daher fürchte ich, sie will auch das nächste Confar deinetwegen meiden! Doch dann wird sie dimittiert! Und das ist alles deine Schuld, du Tölpel!“, schrie sie, schlug rabiat auf den Türrahmen ein und verließ den Raum.

Anuk hatte keine Ahnung, was Min-Khai so wütend machte, aber eine innere Stimme sagte ihm, hier ging es um mehr, als für ihn ersichtlich war. Ängstlich knabberte der Kleine seine Früchte und Wurzeln auf und huschte dann auf sein Zimmer. Dort verkroch er sich im Bett, bis ihn Albträume aufschrecken ließen und seine nächtliche Übungsstunde durch das Erscheinen des Furcht einflößenden Raubtieres jäh unterbrochen worden war.

Dao-Lin hört geduldig zu und schaut nachdenklich auf den Jungen. Noch ehe sie sich zu seiner Erzählung äußern kann, bittet Muna Monti dringend um Gehör. Äußerst besorgt wirft er ein: „Kriegerprinzessin, uns droht höchste Gefahr! Das erlegte Tier war ein Veckari-Weibchen. Was, wenn es schon eine Nisthöhle gegraben hat?“

„Monti! Ihr Munas sichert das Anwesen gegen einen weiteren Überfall ab.“ Dann winkt Dao-Lin den im Gang wartenden Cass-Aij herbei. Dieser macht einen ebenso lädierten Eindruck wie sie. „Alarmiere alle Daminos. Wir werden nach dem Frühstück mit der Jagd beginnen. In der Nacht ist es viel zu gefährlich!“, kommandiert sie. Cass-Aij nickt und läuft los. Es gibt noch viel zu tun, weshalb die Wundversorgung warten muss.

Auch für die übrigen Bewohner von Loop-Noor verläuft die restliche Nacht nach dem bedrohlichen Veckari Überfall sehr unruhig. An Schlafen ist jetzt nicht zu denken. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt und rüstet sich für das bevorstehende Gefecht mit diesen Furcht einflößenden Kreaturen. So auch Anuk, der das Kampfprogramm in seinem Zimmer noch einmal durchgeht, denn er möchte unbedingt besser werden. Der Kleine verrückt Tisch und Stuhl, um sich Platz zu verschaffen und beginnt einige Übungen. Derweil versperren die Munas draußen die vier großen Tore, verbarrikadieren sämtliche Fenster und schließen die schwere Überdachung des Innenhofes. Anuk bricht sein Training ab und verfolgt bangen Blicks ihre Bemühungen von seinem Fenster aus. Immer noch ist er der festen Überzeugung, Urheber des ganzen Schlamassels zu sein und würde alles tun, um die Sache wieder ins Lot zu bringen. Deshalb möchte der Junge bei der folgenden Jagd unbedingt mit von der Partie sein.

Nach der gemeinsamen Einnahme des Frühstücks ist es am Morgen Zeit, aufzubrechen. Doch befiehlt Dao-Lin, Min-Khai solle auf Anuk achtgeben. Diese Anordnung passt beiden nicht, da sich die zwei auch an der Aktion beteiligen wollten, doch lässt die Kriegerprinzessin in dieser Angelegenheit keinen Widerspruch zu.

Während Min-Khai schmollend im Speiseraum verbleibt, verzieht sich Anuk auf sein Zimmer. Wütend wirft sich der Junge aufs Bett. Er ist doch kein kleines Kind mehr und mag nicht ständig von den Erwachsenen so behandelt werden. Nachdem der erste Zorn verraucht ist, steigen in ihm noch einmal Erinnerungen an die zurückliegenden Ereignisse hoch. Immer deutlicher wird Anuk, in welcher Gefahr er letzte Nacht schwebte. Was für furchtbare Tiere das sein müssen, die selbst tapferen Corelianern Angst einzujagen scheinen. Nicht auszudenken, wenn dieses Ungeheuer den Jungen allein erwischt hätte.

Völlig unerwartet schiebt jemand den Vorhang beiseite. Anuk erschrickt. Zum Glück ist es kein Ungetüm, sondern Min-Khai, die eintritt. Eine Weile schauen sich die zwei wortlos an. Schließlich fragt sie ihn zu seinem Erstaunen, ob er nicht zu ihr in den Speiseraum kommen wolle. Der Junge hat gehörigen Respekt vor der stolzen Corelianerin, die ihn für gewöhnlich recht ruppig behandelt. Trotzdem fühlt er sich in ihrer Nähe immer noch sicherer, als allein in seiner Kammer zu hocken. Im Speisezimmer hat Min-Khai ein Mahl vorbereiten lassen und fordert Anuk auf, sich zu bedienen. Dieser ist jedoch eher wissenshungrig, traut sich aber nicht, mit der Sprache herauszurücken. Min-Khai spürt das und reicht ihm symbolisch die Hand: „Sicher möchtest du wissen, was für ein Tier dich angegriffen hat. Warum fragst du mich nicht einfach?“

Anuk gehorcht und erkundigt sich schüchtern, was Min-Khai darüber weiß.

„Dieses Scheusal gehört zur Gattung der Veckari. Man findet sie auf unzähligen Planeten. Ihre Larven heften sich an Raumschiffe und können auf diese Weise weite Strecken völlig unbeschadet zurücklegen. So kamen sie auch nach Loop-Noor. Hier leben diese Tiere in riesigen Felsvorsprüngen, einem unzugänglichen Gelände im Ostgebirge, welches völlig unbewohnt ist. Doch alle fünf Matronen9 brüten sie. Ungefähr die Hälfte der Larven wird während heftiger Unwetter aus den Nestern gespült und verpuppt sich sofort in einem Luftkokon. Wie schon gesagt, dieser kann bis hinaus ins All getragen werden. Die verbliebenen Larven sondern ein Sekret aus, durch das der Jagdtrieb ihrer Eltern stimuliert wird. Dies macht die Veckari erst richtig gefährlich, weil sie nun massenhaft Futter für ihre Brut heranschaffen. Normalerweise ist der Rambur-Wald ihr bevorzugtes Revier. Wenn sie dort aber nicht genug Beute machen können, wagen sich die Raubtiere auch an unsere Behausungen heran. Für gewöhnlich sind Veckari nachtaktiv. Deshalb ist es während der Brutsaison viel zu riskant, sich nach der Dämmerung draußen aufzuhalten. Jedem Lebewesen, das diese geflügelten Teufel in ihre Klauen bekommen, steht ein grausamer Tot bevor! – Und außerdem ...“

Die Corelianerin hält kurz inne. Mit großen Augen wartet Anuk auf die Pointe. Zu seinem Erstaunen offenbart ihm Min-Khai, dass die Veckaris einst sogar Teil der Heiligen Symbiose von Corelian10 waren: „In grauer Vorzeit, wurden Jungtiere dieser Gattung von unseren Ahnen gezähmt. Das Aurium war dafür ausschlaggebend, um mit diesen Tieren Eins zu werden. Leider blieben die Veckaris stets unberechenbar und es kam immer wieder zu tödlichen Zwischenfällen. Schließlich fanden die Dringos einen Weg, eine andere Rasse in die Heilige Symbiose von Corelian zu integrieren, die viel gutmütiger war: Die Vorfahren der heutigen Schwertfische. Freilich vergaßen die Veckaris offenbar nicht, dass wir ihnen einst die Jungtiere raubten. Deshalb herrscht zwischen unseren Rassen seit jenen Migdols erbitterte Feindschaft. Möglicherweise hatte unser Aurium sogar Einfluss auf die Weiterentwicklung der Veckaris, denn erst seit damals breiteten sich diese streitbaren Tiere, wie zuvor beschrieben, hemmungslos über die gesamte Galaxis aus. Mit verheerenden Folgen.”

Nun versteht Anuk, worum es geht und eine Gänsehaut lässt ihn sacht erzittern. Min-Khai registriert das Unbehagen des Kleinen. Sie nimmt Anuks Hand, der ganz erstaunt wirkt. Mit der anderen Hand streicht Min-Khai sanft über seinen Kopf. Dies ist eigentlich eine menschliche Geste, zu der sich ein Corelianer normalerweise nie herablassen würde. Dabei riecht Min-Khai an seinen Haaren: „Aus der Nähe betrachtet wirkst du nicht wie ein verweichlichter Menschenwelpe, sondern bist ganz ein Kind des Dan. Wäre wirklich schade gewesen, wenn dich das Veckari erwischt hätte.“ Erstaunlich sanftmütig zeigt sich heute die ansonsten der Umwelt gegenüber eher kratzbürstig und unnahbar auftretende Damina, denkt Anuk. Die Todesgefahr, in der er sich befand, könnte schlagartig ihren corelianischen Beschützerinstinkt geweckt haben. Dass sie in Kürze Mutter wird, scheint diesen Effekt noch zusätzlich verstärkt zu haben. Sah sie in dem Kleinen doch ihr eigenes Kind.

Anuk möchte die Sanftmut seiner Betreuerin ausnutzen. Schon lange interessiert ihn die Funktionsweise der Kampfstäbe, nur ergab sich bislang noch keine Gelegenheit, mit Dao-Lin darüber zu sprechen. In der Tat hat Min-Khai Gefallen an ihrer Rolle als Hauslehrerin gefunden und holt ihre Waffe hervor. Anuk betrachtet das golden glänzende Objekt seiner Begierde neugierig aus der Nähe. Momentan ist der Kampfstab eingezogen. In diesem Zustand ist der Knüppel knapp dreißig Zentimeter lang. Am einen Ende befindet sich ein mit Leder gepolsterter Griff. Oberhalb davon ist ein ovaler Knopf eingelassen, der gläsern schimmert. In der Spitze sitzt ein sechseckig geschliffener Kristall, der sanft in Regenbogenfarben schillert.

Es ist offensichtlich, wie sehr der Welpe darauf brennt, den Kampfstab berühren zu dürfen. Deshalb lässt die Damina ihre Waffe sanft in Anuks Hände gleiten. Ist leichter als gedacht, grübelt der Kleine und beginnt sie vorsichtig hin und her zu bewegen. Min-Khai ermuntert ihn sogar: „Nur zu! Habe keine Angst. Der Kampfstab kann nur von seinem Besitzer aktiviert werden.“

Sofort folgt Anuks logische Nachfrage: „Und wie wird er aktiviert?“

„So“, demonstriert seine Lehrerin, nimmt die Waffe wieder an sich und richtet sie nach vorn. Sofort beginnt der Kristall an der Spitze matt zu leuchten. Dann ertönt plötzlich ein zischendes Geräusch und der Kampfstab fährt aus. Blitzartig verlängert sich die Waffe auf 1,50 Meter und wirkt nun wie eine Lanze. Stolz beginnt Min-Khai einige Übungen zu zeigen: „Ein Kampfstab ist eine äußerst elegante Waffe. Du kannst ihn zur Bekämpfung von weit entfernten Zielen nutzen oder im Nahkampf verwenden. Mache ihn zur Verlängerung deines Armes.“

Anuk schaut ihr mit großen Augen zu. Für ihn ist das ein feines Spielzeug, das er auch bald besitzen möchte. Leider dämpft Min-Khai seine Erwartungen: „Erst wenn jemand die Weihen zum Damino erhält, überreichen ihm die Dringos als Zeichen seiner Würde Gürtel und Kampfstab. Bis dahin ist noch ein weiter Weg für dich. Aber wenn du weiter fleißig übst, wird für dich auch der Migdol11 deines Confar kommen.“

Das war erneut Anuks Stichwort. Schüchtern fasst er sich ein Herz und hakt nach, was es denn mit diesem ominösen Confar auf sich habe? Bereitwillig referiert Min-Khai: „Das Confar ist die große Zusammenkunft aller Daminos, die drei Migdols dauert und immer dann stattfindet, wenn die fünf Sonnen von Corelian am Firmament das Symbol des Dan zeigen. Vier bilden ein symbolisches Rechteck, während der fünfte Fixstern genau in der Mitte des Feldes erscheint. Dann treffen sich alle Daminos im großen Kolosseum, vor den Toren der Höhle des Dan, um im friedlichen Wettstreit ihre Kräfte zu messen und in der Rangfolge der Kriegerkaste aufzusteigen. Das läuft so ab: Jeder Damino darf drei Herausforderungen aussprechen. Zugleich kann er selbst bis zu dreimal zu einem Kampf herausgefordert werden. Dabei gibt es lediglich eine Regel zu beachten, nämlich dass nur schwächere Daminos stärkere oder gleichrangige Krieger auffordern dürfen, aber niemals umgekehrt!”

„Woran erkennt man einen stärkeren Damino?”

„Es gibt folgende Standesunterschiede”, antwortet Min-Khai. „Die ganz jungen heißen Welpen. Ihnen steht noch kein Gürtel zu, was ihre Wehrlosigkeit ausdrückt. Dafür stehen sie aber unter dem besonderen Schutz der Heiligen Symbiose von Corelian. Die größeren Schüler werden Eleven genannt und dürfen als Zeichen ihrer Reife weiße Gürtel tragen. Wenn sie die Prüfungen der Dringos erfolgreich absolviert haben, können sie zum Jungdamino aufsteigen und erhalten Kampfstab, Schwertfisch und den grünen Gürtel. Um weiter in der Rangfolge aufzusteigen, muss sich ein Krieger im Kampf um die heilige Symbiose durch Tapferkeit, Schlauheit und Fairness besonders auszeichnen. Dann besteht die Möglichkeit, dass ihn die Dringos ohne vorherige Begutachtung sofort zur Prüfung zulassen. Andernfalls, was eher der Normalität entspricht, bleibt einem Anwärter nur, die schon erwähnten Herausforderungen auszusprechen. Besiegt er mindestens drei würdige Gegner, gilt der Damino als reif, sich den erwähnten Prüfungen der Dringos zu stellen. Meistert der Krieger auch diese Hürde, wird er zum Damino des I. Dan und bekommt den braunen Gürtel. Will man zum Damino des II. oder III. Dan aufsteigen, deren Gürtel blau beziehungsweise rot sind, verhält es sich entsprechend. Nur die allerwenigsten schaffen den Sprung ganz an die Spitze der Hierarchie, dürfen stolz den goldenen Gürtel eines Kriegerprinzen tragen. Deren Anzahl ist streng auf vier begrenzt, die sich seit alters her an den vier Teilen der heiligen Rüstung des Dan12 orientiert.“

Unerwartet ertönt draußen Lärm. Es scheppert gewaltig. Erschreckt umfasst Anuk den Arm von Min-Khai. Diese weist seine Annäherung keinesfalls zurück, sondern spricht beruhigend auf ihn ein: „Keine Sorge. Vor der Tür treibt sich kein Veckari herum. Nur zwei Munas, die versehentlich zusammenstießen und ihre Schüsseln fallen ließen.“

Anuk schaut auf. „Woher weißt du das so genau?”, erkundigt er sich. Schließlich ist die Sicht auf den Innenhof durch einen dicken Vorhang versperrt.

Die Damina lächelt. „Sage mir Anuk, über wie viele Sinne verfügt ein menschliches Wesen?”

„Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen.“

„Das ist korrekt“, nickt Min-Khai und ergänzt: „Allen Kindern des Dan steht darüber hinaus noch ein weiterer Sinn zur Verfügung, den man Aurium nennt. Er befindet sich vorn in deinem Kopf und befähigt dich dazu, das Universum so zu sehen, wie es wirklich ist, denn deine übrige Wahrnehmung kann dich täuschen.“

Der Kleine schaut skeptisch drein. „Bislang habe ich noch nicht bemerkt, dass mir ein weiterer Sinn zur Verfügung steht.”

“Kein Wunder, denn schließlich bist du unter Menschen aufgewachsen. Denen ist das Aurium unbekannt. Die glauben nur das, was sie sehen. Obendrein denken die Menschen zu viel. Darin sind sie uns Corelianern zwar überlegen, jedoch wird so auch der Blick auf die Wirklichkeit verstellt. Also dann. Schließe Augen und Ohren und beginne deinen Instinkten zu folgen.“

Anuk tut, was Min-Khai von ihm will und gibt sich größte Mühe. Doch zunächst stellt sich für ihn noch keine Veränderung ein. Daraufhin berührt sie sanft die Stirn des Jungen und stimuliert so das Aurium. Schlagartig verändert sich Anuks Gedankenwelt. So als ob ihm seine Lehrerin soeben das innere Auge geöffnet hätte, überflutet ihn plötzlich ein wahrer Sinnesrausch.

Jetzt zieht Min-Khai ihre Hand zurück und spricht mit sanfter Stimme auf den Welpen ein: „Vertraue, Anuk, vertraue! Habe keine Furcht und lasse es einfach geschehen. Nicht denken, nur fühlen! Dann kannst du das Wesen eines Gegenstandes ertasten, ohne ihn zu berühren. Entfernungen viel exakter abschätzen, als es ein Mensch mit seiner Technik jemals könnte. Bewegungen deiner Umwelt erkennen, ohne die Augen zu öffnen. Den Herzschlag deiner Feinde hören, selbst wenn sie viele Meter von dir entfernt sind.“

Min-Khai beginnt langsam ihre Hände vor Anuks Gesicht hin und her zu bewegen. Der Junge sitzt ganz ruhig mit geschlossenen Augen da, so als ob man ihn hypnotisiert hätte. Ein unmerkliches Zucken zeigt an, dass sein Aurium auf die Reize anspricht. Doch zunächst huschen nur verschwommene Schatten vor Anuks innerem Auge entlang. Dennoch animiert ihn Min-Khai, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen: „Du machst das sehr gut. Jetzt konzentriere dich nicht auf alles, was du wahrnimmst. Das ist noch zu schwer für dich. Stattdessen achte allein auf meine Bewegungen.“

Nur zögerlich gelingt es Anuk, die verworrenen Bewegungsmuster zu lokalisieren. Er dreht den Kopf und folgt Min-Khais Händen. Das Erscheinen der Munas, die den Tisch abräumen wollen, unterbricht zu guter Letzt die Konzentrationsübung. Fröhlich schlägt der Junge seine Augen auf und frohlockt: „Das ist so super! Wieso hat Dao-Lin mir noch nie so was gezeigt?“

Min-Khai nickt sanft, wobei sie ihre großen Mandelaugen schließt: „Dao-Lin glaubt wohl, du bist noch nicht bereit für diese Übung. Sie allein ist für dich verantwortlich. Niemand sonst. Deshalb entscheidet sie und nicht ich wie sich deine Ausbildung gestalten soll. Wie dem auch sei, heute hast du den ersten Schritt gemacht. Strenge dich weiter an und lerne dein Aurium zu beherrschen. Sonst wird es dich beherrschen, was dein Untergang wäre! Dann verlierst du die Kontrolle über deine Gefühle, bist unfähig zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. So jemanden bezeichnen wir als Garfu! Frei von jeglicher Moral, setzt ein Garfu seine Stärke nicht mehr zum Schutz Schwächerer ein, sondern missbraucht seine Fähigkeiten. Die Strafe für ein solches Fehlverhalten ist hart. Umgehend wird man von den Dringos aus der Heiligen Symbiose von Corelian ausgeschlossen! Schlimmstes Beispiel dafür sind die Legatinnen der Tamarin-Kaiserin.”

Zaghaft fragt Anuk dazwischen: „Sind denn alle Legatinnen böse?”

„Vermutlich”, merkt Min-Khai kühl an. „Zumindest folgen diese Corelianerinnen selbstsüchtig ihren niederen Instinkten, sind taub und blind für das Leid, welches sie anderen Wesen antun!”

Anuk senkt traurig den Kopf. Schließlich ist seine große Schwester Anu-Ket auch eine Legatin. Nach kurzer Denkpause schlussfolgert der Kleine: „Dann sind alle Legatinnen also krank. Gibt es denn keine Heilung für diese Leute?”

Min-Khai stutzt. Die Anfrage mag naiv klingen, wirkt aus Sicht eines Kindes aber durchaus berechtigt. Sie hat keine Ahnung, weshalb ihre Antwort ausweichend klingt: „Eventuell wissen die Dringos, wie man einen Garfu heilen könnte. Mir ist jedoch noch kein Fall bekannt, bei dem sie dies taten. Wie dem auch sei. Die Kontrolle des Auriums gilt als Grundvoraussetzung, wenn man beim großen Confar antreten will.“

In dem Moment lüftet jemand den Vorhang. Dao-Lin ist zurückgekehrt. Ihr Erscheinen beendet abrupt die Lehrstunde. Min-Khai erkundigt sich nach dem Fortgang der Veckari-Jagd. Die Kriegerprinzessin berichtet, dass die Corelianer mit vereinten Kräften alle Untiere in den Büschen rings um die Wohnsiedlungen aufgespürt und getötet haben. Damit dürfte die größte Gefahr erst einmal gebannt sein. In der nächsten Zeit ist jedoch weiter mit Übergriffen zu rechnen, solange die Jungtiere noch im Gelege sind.

Es ist bereits Mittag und die Munas beginnen damit, die Befestigungen wieder abzuräumen. Parallel dazu nehmen auch die Corelianer ihr Trainingsprogramm wieder auf. Zwar hat Anuk dank Min-Khais Hilfe viel Neues dazugelernt, doch warfen ihre Aussagen am Ende mehr Fragen auf, als sie beantworteten. Insbesondere quält den Kleinen, was sich Schlimmes hinter dem Begriff dimittiert verbirgt. Etwa der Ausschluss aus der Heiligen Symbiose von Corelian? Als der Junge endlich mit Dao-Lin allein ist, nimmt er all seinen Mut zusammen und spricht seine Lehrerin auf dieses Thema an. Die Kriegerprinzessin ist erstaunt, welche Gedanken ihren Welpen beschäftigen. Bereitwillig verdeutlicht sie ihm: „Dimittiert bedeutet nicht, dass jemand von den Dringos in die Verbannung geschickt wird. Vielmehr geht es um deinen Rang innerhalb der Kriegerkaste. Pass auf: Jeder Damino, der aufsteigt, kann theoretisch auch wieder absteigen, das heißt, man muss seinen Titel bei jedem Confar aufs neue behaupten. Dazu genügt es völlig, wenn der betreffende dort erscheint. Kämpfen ist nicht zwingend erforderlich. Dies gilt insbesondere für die Kriegerprinzen, die selber keinerlei Herausforderungen mehr aussprechen dürfen, aber theoretisch von jedem schwächeren Damino aufgefordert werden können.”

„Das heißt also, wenn du nicht beim Confar erscheinst, kannst du alles verlieren!“, kombiniert Anuk.

„Wenn sich jemand für würdig betrachten sollte, mich offen herauszufordern und ich nicht da bin um mich zu stellen, ja. Dann kann ich erst beim nächsten Confar erneut um meinen alten Rang streiten.“

Fast schüchtern erkundigt sich Anuk, aus welchem Grund die Kriegerprinzessin das Confar meiden sollte?

Dao-Lin verdeutlicht besonnen: „Um dich zu schützen, Anuk, denn jeder, der beim Confar erscheint, kann herausgefordert werden. Das gilt auch für Welpen. Sie bestreiten ihren eigenen Wettkampf, das Welpen-Confar. Dabei gelten im Grunde dieselben Regeln: Jeder darf drei Herausforderungen aussprechen und kann drei Mal aufgefordert werden!“

Anuk dämmert langsam, worauf Dao-Lin hinaus will. Auch er muss sich möglichen Kampfansagen der anderen Kinder stellen: „Aber ich brauche nicht unbedingt jemanden zum Kampf auffordern?“

„Niemand ist gezwungen zu kämpfen. Doch wenn man herausgefordert wird, gebietet es die Ehre, sich zu stellen. Ich fürchte nur, die Welpen der anderen Daminos werden sich darum reißen, gegen dich anzutreten.“

Anuk senkt den Kopf und flüstert: „Und du glaubst, ich Tollpatsch kann das nicht. Meine Schande ist deine Schande!“

Dao-Lin legt tröstend den Arm um ihren Welpen: „Sei nicht traurig, Anuk. Ich weiß genau, was ich dir zumuten kann und was nicht. Nur jemand ohne Ehre würde einen Welpen unnötigen Gefahren aussetzen.“

Dagegen protestiert der Junge, der es satt hat, von den übrigen Corelianern verhätschelt zu werden: „Aber dann verlierst du doch alles! Nein, das will ich nicht. Ich bin bereit dazu mich zu stellen. So wie jeder andere Welpe es tut! Du sagst, ich muss niemanden herausfordern, sondern brauche nur drei Kämpfe zu überstehen. Das schaffe ich schon.“

Dao-Lin betrachtet schweigend ihren Welpen, der mit erwartungsfrohem Augenaufschlag kontert. Dann sagt sie ruhig: „Das ist sehr tapfer, dennoch musst du erst noch lernen, dein Aurium zu gebrauchen.“

Anuk nickt und berichtet von seiner Übungsstunde mit Min-Khai. Deren unerwartetes Engagement erstaunt und erfreut Dao-Lin gleichermaßen. Trotzdem weiß sie nur zu gut, dass Anuk durch Min-Khai gerade mal den allerersten Schritt getan hat. Es liegen noch unzählige Lektionen vor ihm, bis er auch nur ansatzweise das beherrscht, was die übrigen Welpen längst drauf haben. Um zu verdeutlichen was sie meint, führt ihn Dao-Lin auf die andere Seite des Hauses. Dort befindet sich ein kreisrunder Platz. Anuk kennt diesen Ort, weiß aber nicht, was es damit auf sich hat. Dao-Lin erklärt: „Dies ist ein Araschin. Es dient dazu, dein Aurium zu trainieren.“

Auf eine Handbewegung von ihr, betätigen vier Munas große Hebel. Sogleich öffnen sich Spalten im Boden und Trennwände steigen empor. Sie bilden einen Irrgarten. Nachdem der Prozess unter ächzendem Donner zum Abschluss gekommen ist, fordert Dao-Lin ihren Welpen auf, das Araschin zu durchqueren. Anuk macht sich auf den Weg. Als er am anderen Ende ankommt, ist Dao-Lin schon da. „Jetzt kehre wieder zurück. Dabei wirst du diesen Helm tragen“, verlangt sie.

Der Junge setzt eine Haube auf, die ihm ein Muna freundlich lächelnd darreicht. Damit ist es unmöglich, etwas zu sehen oder zu hören. Erschreckt nimmt Anuk die beklemmende Kopfbedeckung wieder ab, doch bleibt seine Colodi hart: „Nur so wirst du lernen, dein Aurium zu gebrauchen! Ich werde es dir leicht machen und das Araschin nicht verändern.“

Zögerlich setzt der Junge den Helm wieder auf. Dao-Lin geleitet ihn bis zum Übungsparcours und lässt dann los. Von hier ab ist Anuk auf sich allein gestellt. Unsicher tastet er sich voran. Nur sporadisch glaubt der Junge etwas zu erkennen und eckt immer wieder an. Es dauert etwas, bis der Kleine den Ausgang gefunden hat. Sogleich entledigt er sich des Helmes und schaut betrübt. Wie kann sich jemand nur unter diesen Umständen orientieren?

Abermals kniet sich Dao-Lin vor den Jungen: „Du gehörst zu den Kindern des Dan und dennoch denkst du wie ein Mensch! Befreie dich von den Fesseln des menschlichen Geistes und glaube an dein corelianisches Erbe!“

Anuk schaut seine Colodi ebenso ungläubig, wie verzweifelt an, weshalb sich Dao-Lin zu einer kleinen Demonstration entschließt. Ein Muna reicht ihr einen größeren Helm. Als sie diesen aufgesetzt hat, bewegen die Munas das Araschin. Sogleich baut sich ein vollkommen anderer Irrgarten auf. Dao-Lin weist Anuk per Handzeichen an, um die kreisförmige Anlage herumzulaufen. Sie selbst wird mitten durch gehen. Der Junge rennt so schnell er nur kann, doch als er sein Ziel erreicht, wartet Dao-Lin bereits auf ihn. Sie trägt immer noch den Helm, beugt sich vor, streckt den Arm aus und berührt mit dem Zeigefinger sacht Anuks Stirn. Der Kleine kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Dao-Lin nimmt den Helm ab, hebt die Hand und die Munas werden erneut aktiv. Sie lassen den kompletten Irrgarten verschwinden. Stattdessen kommt durch die Hebelwirkung jetzt ein Kreis aus Stämmen zum Vorschein. Diese klappen ein Geflecht aus verschiedenen Ästen aus. Daran sind an Schnüren unterschiedlich große Gegenstände befestigt. Sie stellen einfache geometrische Formen dar. Anuk soll sich in die Mitte stellen, seine Haube aufsetzen und dann die Utensilien des rotierenden Mobiles mit seinem Aurium ertasten. Noch ahnt der Junge nicht, dass dies von nun an seine Hauptbeschäftigung sein wird, zumindest so lange, bis er sein Aurium zufriedenstellend beherrscht.

Nur drei Wochen bleiben Anuk bis zum großen Confar. Freilich haben die es in sich, stecken sie doch voller Lektionen, welche eher stupide, als schmerzhaft sind. So hat sich Anuk die Sache nicht vorgestellt und bereut beinahe seine Bitte, am Confar teilnehmen zu dürfen. Schließlich trainiert Dao-Lin mit ihm neben seinem Aurium nun auch verschärft corelianische Kampfkunst. In erster Linie steht Defensor, die Kunst der passiven Verteidigung, auf dem Lehrplan. Von den vielen verschiedenen Lektionen schmerzen allabendlich Anuks Glieder, denn Dao-Lin ist eine ebenso strenge, wie gute Lehrerin. Tapfer hält ihr Welpe durch, dessen Herz jedoch mit jeder neuen Übung schwerer zu werden scheint. Selbstzweifel plagen ihn, doch traut er sich nicht, offen mit Dao-Lin darüber zu reden. Immerhin war es ja sein eigener Wunsch unbedingt am Confar teilnehmen zu wollen, nicht Dao-Lins irregeleiteter Ehrgeiz!

Nach jedem Essen gilt es nicht nur, sich von den körperlichen Strapazen zu erholen. Es muss auch meditiert werden. Früher war Anuk diese Gepflogenheit eher lästig. Erst jetzt versteht er, wie wichtig eine solche Maßnahme ist. Mit Hilfe von gezielt über den Tag eingelegten Ruhephasen regenerieren die Corelianer ihre Geisteskräfte, die durch das Aurium stark in Anspruch genommen werden. Dazu setzen sie sich bequem auf den Boden, nehmen ihr Tschaij13 in die Hände und schließen die Augen. Danach kann sich Anuk wieder viel entspannter den Herausforderungen einer neuen Trainingseinheit stellen. Dabei wechseln sich Erfolge mit Misserfolgen ab. Mal glaubt Anuk, er könne das nie lernen, mal macht der Kleine überraschende Fortschritte. Bei jeder Gelegenheit versucht Anuk sein Aurium zu nutzen und weiter zu drillen. Wie von Min-Khai prophezeit, erscheint seine Umgebung dadurch tatsächlich in ganz anderem Licht. Doch wozu ihn dieses faszinierende Organ befähigt, wenn er es richtig beherrscht, offenbart erst ein Blick auf die Aktivitäten der Erwachsenen.

Eines Abends kehrt Anuk vom Araschin zurück. Dort wurde er von Min-Khai betreut, die plötzlich der Ehrgeiz gepackt hat, dem Welpen so viel wie möglich beizubringen. Als beide die Wiese hinter dem Anwesen erreichen, kämpfen dort zwei Corelianer miteinander. Es sind Dao-Lin und Cass-Aij. Jeder hat seinen Kampfstab ausgefahren und trägt den Übungshelm. Tritte, Sprünge, Schläge. Antäuschen und Ausweichen. Beide bewegen sich so mühelos, so selbstverständlich, als ob keiner eine Haube tragen würde. Bei dieser Darbietung bleibt Anuk erst recht der Mund offen stehen.

Min-Khai kommentiert die Darbietung: „Schau genau hin! So sieht es aus, wenn wahre Meister bei einem Confar gegeneinander antreten. Dann geht es nicht darum, wer am höchsten springt oder am härtesten zuschlägt. Dort wollen die Dringos sehen, wie gut du dein Aurium beherrscht. Nur dann wirst du eines Migdols zur großen Prüfung im heiligen Araschin von Corelian zugelassen und hast die Chance, die Weihen zum Jungdamino zu erhalten.“

Dao-Lin stoppt, so als ob sie spüren würde, wer zuschaut. Sogleich beendet auch Cass-Aij den Kampf. Die Kriegerprinzessin nimmt den Helm ab und ergänzt: „Es ist zwar nicht leicht, aber dafür umso ehrenhafter zuzugeben, wenn man etwas nicht kann. Vortäuschen jemand zu sein oder etwas zu können, was nicht der Wahrheit entspricht, ist würdelos. Dadurch verspielt man all seine Reputation. Diese wiederzuerlangen, erfordert sehr viel Zeit und Aufwand. Genau davor möchte ich dich bewahren. Also, Anuk. Sage mir ehrlich: Bist du wirklich bereit für das Confar?“

Der Junge schluckt. Er versteht, worauf die Erwachsenen hinaus wollen und nickt. Da dies etwas zögerlich geschieht, fordert ihn Dao-Lin auf, den Helm anzulegen. Durch eine schnelle Berührung seiner Schulter gibt sie dem Kleinen nun zu verstehen, er solle in Verteidigungsposition gehen. Cass-Aij hat sich hingekniet und hält Anuks rechtes Bein fest. Dao-Lin lässt ihren Welpen einen Moment in dieser Position verharren. Dann nickt sie Cass-Aij zu, er solle loslassen. Das ist für Anuk, der ja Dank des Helmes blind und taub ist, das Zeichen, das der Test nun beginnt.

Die Kriegerprinzessin registriert genau, wie sehr sich der Junge nun konzentriert. Um herauszufinden, was Anuk wirklich kann, führt seine Colodi wohlüberlegte Scheinangriffe durch. Sie wirbelt flink um ihn herum und formt dabei geschickt ihre Hände zu verschiedenen Symbolen. Anuk versucht auf die Schwingungen und Zeichen zu reagieren. Doch ist das leichter gesagt, als getan. Wirre Schatten, schemenhafte Bilder huschen durch seinen Geist, unnatürlich verzerrt und doch seltsam real. Es erscheint so, als sei er in reißendem Wildwasser untergetaucht. Alles rings herum wirkt verschwommen und scheint im Fluss. Angst erfasst das Gemüt des Kleinen, der sich so hilflos vorkommt und doch nicht versagen will. In dieser heiklen Situation tut der Junge das, was ihm die Erwachsenen immer versucht haben einzutrichtern, nämlich sich einfach treiben, dass heißt von seinen Gefühlen leiten zu lassen. Plötzlich werden die konturlosen Bilder etwas klarer und Anuk vermag dem Strudel des Unbestimmten zu entfliehen. Wie in Trance folgt er nun den Bewegungen Dao-Lins, die ihn wie an einer unsichtbaren Schnur zu führen beginnt.

Erstaunt vernimmt Cass-Aij, wie Min-Khai flüstert: „Na los! Du schaffst das! Ich weiß, du kannst es!“

Anuk, der sie nicht hören kann, kämpft bis zur letzten Minute mit seinen verborgenen Sinnen. Als Dao-Lin die Prüfung beendet, ist das Ergebnis für sie gerade noch akzeptabel. Ihr Welpe muss warten, bis sich Dao-Lin mit seinen anderen Lehrkräften, Min-Khai und Cass-Aij, besprochen hat. Nicht zuletzt Min-Khais Fürsprache wegen, entscheidet die Kriegerprinzessin, doch zum Confar zu fliegen.

Als es endlich so weit ist, brechen Anuk, Dao-Lin und Min-Khai gemeinsam nach Corelian auf. Dort steht das Confar unmittelbar vor seiner Eröffnung. Je näher sie dem Planeten kommen, umso näher rückt auch der Augenblick der Wahrheit. Entsprechend nervöser wird Anuk. Nach der Ankunft wird sein Geist jedoch zunächst von den vorherrschenden Gegebenheiten abgelenkt. Mit großen Augen, bedächtigen Schrittes, verlässt der Junge den Schwertfisch. Sofort fällt ihm der Unterschied zu Loop-Noor auf. Während es dort warm und hell ist, wirkt die Atmosphäre auf Corelian frischer, alles scheint in geheimnisvolles Halbdunkel getaucht.

„Auf Corelian ist eigentlich kein Leben möglich”, erläutert Dao-Lin. „Hier wird es auch nie richtig dunkel, da sich der Himmelskörper nicht um die eigene Achse dreht und seine Position zum weit entfernten Fixstern niemals ändert. Dass man sich hier dennoch aufhalten kann, liegt an einer ebenso einfachen, wie genialen Konstruktion der Dringos: Dieser Kuppel.” Die Kriegerprinzessin verweist mit der Hand nach oben.

Anuk schaut hoch. Gleich einer Blase, spannt sich ein gigantisches Gitternetz über ein weites Areal. „Wie hält diese Kuppel und aus welchem Material besteht sie?”, fragt er.

„Das wissen nur die Dringos”, erwidert Dao-Lin ruhig.

Staunend wird Anuk Zeuge, wie gerade ein anderer Schwertfisch in die Kuppel einfliegt und zur Landung ansetzt. Von hier unten wirkt dieser Vorgang so, als ob jemand in eine Seifenblase eindringt. Dennoch ist die Struktur so robust, dass alle vor den tödlichen Einflüssen des Weltalls geschützt sind. Dann fällt Anuks Blick auf einen Urwald aus exotischen Riesenpflanzen. Nach Dao-Lins Aussage sorgt dieser für den nötigen Sauerstoffgehalt in der Atemluft.

Besagter Bewuchs rahmt eine öde Fläche ein, auf der unzählige Schwertfische parken. Das Gelände ist so riesig, dass Anuk das andere Ende nicht sehen kann. Zudem wimmelt es hier nur so von Corelianern unterschiedlichen Alters. Auch Dringos und Munas sind zahlreich vertreten. Letztere haben große Zelte aufgebaut, in denen sie Speisen vorbereiten. Die vielen Geräusche und Gerüche machen Anuk ganz kribbelig. Schließlich verspürt er das dringende Bedürfnis, seine Blase entleeren zu müssen. Daraufhin schickt ihn Dao-Lin mit Muna Monti zu dem dafür vorgesehenen Logis. Sie will mit Min-Khai nach Cass-Aij Ausschau halten, der auch schon gelandet sein müsste.

Nachdem Anuk schnell seine Notdurft verrichtet hat, kehrt er zu Monti zurück, der sich angeregt mit anderen Munas unterhält. Der kleine Corelianer wartet artig und unterbricht das Gespräch nicht. Er findet es recht ulkig, wie gemütlich die Munas Botschaften austauschen. Es klingt eher wie ein tiefes Brummeln, denn klare Artikulation. Dabei stets lächelnd einander auf die Schultern klopfend. Offenbar scheint nie ein Misston über ihre Lippen zu dringen.

Diese Feststellung gilt freilich nicht für alle hier versammelten Wesen. Aus heiterem Himmel wird Anuk von hinten gepackt und in eines der Zelte gezerrt. Verantwortlich für diese rüde Aktion sind zwei Corelianer. Der erste ist ein Halbstarker, eher schmächtig mit dunklem Haar und seitlichen Koteletten. Hingegen ist der Andere kein Teenager mehr. Ein gut gebauter Bursche, dessen hellbraune Haare als kurzer, struppiger Pferdeschwanz gebunden sind. Sein markantes Aussehen – gebogene Nase, hohe fliehende Stirn und braune Glupschaugen – lässt auf einen Denkertyp schließen. Anuk versteht nicht, was die beiden von ihm wollen. Er ist sich keiner Schuld bewusst.

Der ältere Rüpel fragt spitz: „Was strolcht denn ein Welpe wie du so allein vor dem Kolosseum herum?“

„Ich heiße Anuk und bin der Welpe von Kriegerprinzessin Dao-Lin. Ich muss jetzt los. Muna Monti wartet bestimmt schon auf mich.”

Leider glauben ihm die beiden Spitzbuben nicht. Sie sind offensichtlich auf Streit aus, obwohl sich der Ältere lächelnd dem Kleinen zuwendet. Seine Freundlichkeit scheint nur gespielt. Von ihm gehen eindeutig negative Impulse aus, spürt Anuk. Seine Vorahnung ist korrekt, denn sogleich täuscht der Corelianer zwei Schläge an, um die Reflexe des Jungen zu testen. Dieser vermag gerade so mitzuhalten. Der jüngere Rüpel bangt: „Hör auf, Toll-Lar. Er ist noch ein Welpe und was, wenn er wirklich zu Dao-Lins Gefolge gehört?“

„Der doch nicht. Sieht wie ein Streuner aus, der Anschluss sucht. Was ist? Kennst du diesen Schlag? Und den hier?“ Toll-Lars ungehobelte Art bringt Anuk ganz durcheinander, den ein Hieb nach dem anderen trifft. Da er nicht gegenhalten kann, lacht Toll-Lar: „Das ist niemals Dao-Lins Welpe. Der kann ja gar nichts.“

Abermals ermahnt ihn sein Begleiter: „Lass das sein!“

Doch will Toll-Lar nicht hören: „Komm schon. Was ist denn dabei? Das haben die Großen früher auch alles mit uns gemacht. Hepp!“

Ein weiterer Treffer erwischt Anuks Schulter, der hinterrücks über einen Schemel stolpert. Das schallende Gelächter bleibt Toll-Lar schon bald im Halse stecken, als ein ohrenbetäubender Knall ertönt. Beide Daminos drehen sich blitzartig um. Hinter ihnen ist Min-Khai aufgetaucht, die mit bloßer Faust einen der Tische zertrümmerte. Ihr Blick könnte jeden im Raum zu Asche verbrennen. Der halbstarke Damino flüchtet nach hinten, während Toll-Lar grinsend näher kommt: „Oh, welche Ehre. Die edle Min-Khai. Ich hoffe nichts getan zu haben, was dein Missfallen erregen könnte.“

Die grimmig vorgetragene Antwort der Corelianerin verdeutlicht jedoch das genaue Gegenteil: „Ich spalte euch die Schädel, wenn ihr den Welpen noch einmal anfasst!“ Sie zeigt auf Anuk, der wieder aufgestanden ist. Jetzt nimmt der jüngere Rüpel Reißaus.

Toll-Lar gibt sich hingegen weiter abgeklärt: „Zu schade, dass du einen Welpen trägst. Deshalb darfst du uns leider nicht herausfordern.“

Genau in dem Moment wird sein Kumpan von Cass-Aij, der sogleich zur Stelle war, unsanft ins Zelt zurückbefördert. Mit den Worten: „Meine Gefährtin zwar nicht. Ich aber schon!“, packt Cass-Aij Toll-Lar am Kragen und schiebt ihn in eine Ecke. Beide Corelianer starren einander grimmig in die Augen.

Keiner will nachgeben, bis Toll-Lar abfällig seufzt: „Das traust du dich vor dem Confar sowieso nicht. Min-Khai hätte meinen Welpen tragen sollen, nicht deinen Bastard.“

Anuk erschrickt. Er rechnet damit, dass Cass-Aij nun völlig ausrasten wird, doch bleibt dieser beängstigend ruhig: „Nach dem Confar sprechen wir uns wieder, wenn du Mut hast, Toll-Lar. Außerdem hoffe ich für euch beide, Dao-Lin wertet eure Untaten ihrem Welpen gegenüber nicht als offene Herausforderung!“ Dann macht er Platz.

Selbstgefällig lachend verlässt Toll-Lar daraufhin das Zelt. Sein Kumpan rappelt sich wieder auf und huscht kleinlaut hinterher. Im Gedenken an Dao-Lins Zorn ist ihm gar nicht wohl. Normalerweise dürfte eine Kriegerprinzessin niemals die Hand gegen schwächere Daminos erheben, es sei denn, sie würde herausgefordert. Ein solcher Umstand ist beispielsweise auch dann gegeben, wenn jemand ihren Welpen bedroht oder beleidigt. Wie schon ein Blick auf Min-Khais Verhalten zeigte, verstehen corelianische Mütter in diesem Punkt absolut keinen Spaß! Folglich verleiht dieser Zwischenfall Dao-Lin das Recht, beide Wüstlinge ohne Ansehen der Person unangespitzt in den Boden zu rammen! Selbst gemeinsam hätten die zwei bei einer Auseinandersetzung nicht den Hauch einer Chance gegen die überragende Kampfkunst einer Kriegerprinzessin.

Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hat, streben Min-Khai, Cass-Aij und Anuk zum sogenannten Kolosseum von Corelian, welches in den Untergrund eingegraben und sichelförmig errichtet wurde. Man betritt diesen Ort durch eine breite unterirdische Passage, die unmittelbar auf ein weiteres höchst imposantes Bauwerk zuläuft. Anuk ist fasziniert von diesem Anblick, weiß aber nicht, um was für einen Ort es sich handelt. Cass-Aij klärt ihn auf: „Das ist die Höhle des Dan. Sie ist in einen massiven Findling eingeschnitten. Dieser Ort beherbergt neben der Grabstätte des Kriegerkönigs Dan auch das heilige Araschin. Dort finden seit alters her die Prüfungen der Dringos statt.”

Anuk betrachtet stumm das Monument. Ihn überkommt plötzlich ein Frösteln. Offenbar springt sein Aurium auf die Ausstrahlung jener geheimnisvollen Grotte an. Sie wird durch ein wuchtiges, zehn Meter hohes Flügeltor verschlossen. Darüber prangt das Symbol des Kriegerkönigs Dan. Vereinzelt dringen von dort grünliche Dunstschwaden nach draußen. Sie unterstreichen das mystische Flair dieses Ortes noch.

„Was ist das da oben?”, erkundigt sich Anuk. Er meint die Örtlichkeiten unmittelbar über der Grotte.

„Dort auf der Empore befinden sich nebeneinander fünf Logen. Sie sind einzig den Kriegerprinzen vorbehalten”, erläutert Cass-Aij. „Der Ehrenplatz linkerhand ist frei, dann folgt Dao-Lins Sitz. Die große Loge im Zentrum ist auch frei. Dort darf sich nur die Tochter oder der Sohn des Dan aufhalten.”

„Wer ist das denn?”, fragt Anuk wie aus der Pistole geschossen.

„Diese Person trägt den Mantel des Dan und wäre so mächtig, wie ein Kriegerkönig. Seit Dans Tod hat niemand mehr diesen hohen Rang bekleidet. Ich bin mir nicht sicher, ob sich das jemals ändern wird.”

Anuk grübelt: „Wer entscheidet das?”

„Allein die Dringos.”

Der Junge merkt, dass Cass-Aij anscheinend nicht weiter darüber reden will. Deshalb erkundigt sich Anuk, wem die Plätze neben der Königsloge gehören. Dazu führt Cass-Aij aus: „Die unmittelbar daneben gehört Kriegerprinz Syr-Loh. Er trägt den Schild des Dan. Ganz außen hat Kriegerprinz Van-Daij seinen Sitz. Er trägt den Brustpanzer des Dan. Schau! Beide sind schon da, denn ihre Wappen sowie die dazugehörigen Artefakte hängen über der Balustrade.”