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In dem Märchen „Die Kinder im Tobteufelhaus" erfahren wir, dass Lutz, auch Wirbellutz genannt, ein etwa sechs Jahre alter Junge, bereits vieles über die Stadt, in der er lebt, über Tiere im Zoo und Bäume im Park gelernt hat. Etwas Wichtiges weiß er aber noch nicht: Dass er nachts schlafen muss. Mahnt ihn die Mutter abends, ins Bett zu gehen, erhebt er ein Lamento, dass die Nachbarn es hören und sagen: „Ach ja, der unruhige Junge.“ Schlafen findet er langweilig, und so zieht er eines Tages mit seinem Roller, den er sehr liebt, los, um das Nichtschlafland zu suchen. Wem er begegnet, was für aufregende Erlebnisse er hat und wie er den Tobteufel und dessen Hexenmutter besiegt, das ist eine fantasievolle und spannende Geschichte, vergnüglich zu lesen. „Das Wunderpferdchen aus Kornhagen“ ist ein Märchen, das dem Phänomen der Begabung nachspürt. Moritz, das Fohlen, ist eben erst zur Welt gekommen, kann auf seinen zarten Beinen noch gar nicht richtig stehen, als es auch schon zu springen anfängt. Und das Springen bleibt sein Liebstes. Er soll aber nicht springen, er soll ziehen, meint der Tierpfleger und spannt ihn an den Wagen. Zunächst wehrt sich Moritz, doch dann lernt er ziehen. Aber sein Liebstes bleibt ihm nach wie vor das Springen. Das kann er dann auch immer besser, immer höher und immer schöner, bis es Kunst geworden ist und er über alle und alles hinwegspringt. Nun geht er in die Stadt, will zum Zirkus. Es gelingt auch, doch der Zirkus ist eine Enttäuschung. Moritz darf nicht springen, er muss tanzen. Da wird er immer trauriger, kann nicht mehr trinken, nicht mehr essen, auch nicht mehr schlafen und kann auch nicht mehr lustig sein. Hilfe kommt ihm von Heiner und dem Clown Jonathan, die Rat wissen, sodass Moritz am Ende das tun kann und darf, was ihm das Liebste ist. Zwei Bücher aus der Reihe "Die kleinen Trompeterbücher" des Kinderbuchverlages Berlin von 1966 und 1968.
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Seitenzahl: 71
Veröffentlichungsjahr: 2013
Holda Schiller
Die Kinder im Tobteufelhaus / Das Wunderpferdchen aus Kornhagen
Zwei kleine Trompeterbücher
ISBN 978-3-86394-799-6 (E-Book)
"Die Kinder im Tobteufelhaus" erschien 1966 als Band 57 und "Das Wunderpferdchen aus Kornhagen" erschien 1968 als Band 66 in der Reihe "Die kleinen Trompeterbücher" des Kinderbuchverlages Berlin.
Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta
© 2013 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Alte Dorfstraße 2 b 19065 Godern Tel.: 03860-505 788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de
In einer Stadt lebte einmal ein Junge mit blonden Haaren und blauen Augen, der hatte einen so hellen Kopf, dass er alle Straßen und Plätze, alle Fabriken und Hochhäuser seines Wohnortes kannte. Er wusste allerlei über die Tiere im Zoo, über die Bäume im Park und kannte die Fahrzeuge, die an ihm vorüberfuhren. Vieles hatte er gelernt. Nur eines wollte er nicht begreifen: Dass er nachts schlafen musste.
Schickte ihn die Mutter abends ins Bett, erhob er jedes Mal ein Lamento, dass die Nachbarn darüber, darunter und daneben es hörten. „Ach, der unruhige Junge", sagten sie dann, „er will nicht schlafen, nur herumtoben. Schade um das neunmalkluge Kind! Wenn es nicht schläft, wird sein Verstand verderben, vertrocknen wie die Blume auf dem Beet, der das Wasser fehlt. Er sollte nicht so viel Rollerfahren."
An dem Roller aber hatte der Junge die größte Freude. Er pflegte ihn, er sprach mit ihm, er liebte ihn. Denn es war das geschwindeste Kinderfahrzeug, das es gab. Kein Kind weit und breit hatte einen solchen Roller. Der Junge fuhr damit von früh bis spät durch die Straßen. Er fuhr so schnell, dass hinter ihm Wind aufstieg und die Kieskörner des Fahrweges herumwirbelte.
Alle Leute in der Stadt kannten den Jungen. Wenn er dahinraste, dass ihnen der Rückwind seines Rollers ins Gesicht sprang, sagten sie: „Das ist Wirbellutz! Er will nur herumtoben und nicht schlafen. Wenn er nur nicht so viel Wind mit seinem Roller machte!"
Eines Tages spielte Wirbellutz im Garten, da rief ihn die Mutter. Er aber dachte: Jetzt muss ich schlafen gehen, und ich will nicht. Im Bett ist es langweilig. Nicht einmal Purzelbäume sind erlaubt. Eine Weile überlegte er, dann sagte er entschlossen: „Ja, das mache ich. Ich fahre einfach fort und fahre so lange, bis ich ein Land finde, in dem ich nicht zu schlafen brauche." Und statt auf die Mutter zu hören, schlich Wirbellutz in den Hausflur, wo sein Luftroller stand. Er brachte ihn auf die Straße, setzte das rechte Bein aufs Trittbrett und stieß sich mit dem linken so kräftig ab, dass der Roller wie eine Rakete losschoss. Der Rückwind blies im ersten Stock zum offenen Fenster hinein und blähte die Gardinen auf.
Wirbellutz aber stand schon an der Kreuzung und wollte die Straße überqueren. Doch plötzlich begann die Verkehrsampel wie toll mit dem roten Auge zu blinken. „Wo willst du hin, Wirbellutz, rief nicht die Mutter dich ins Haus?"
„Halt mich nicht auf!", sagte Wirbellutz. „Ich habe Wichtiges vor und muss mich beeilen." Da flackerte das rote Auge zornig, als wolle es jeden Augenblick aus der Ampel springen. Wirbellutz aber blickte zu ihm empor: „Du hast gut reden, du darfst Tag und Nacht leuchten. Dich schickt niemand ins Bett. Ich muss jeden Abend schlafen gehen und will nicht. Darum fahre ich in die Welt hinaus. Es gibt so viele Länder, und ich suche das Nichtschlafland."
Was sollte die Verkehrsampel tun? Am Übergang standen viele Leute. Sie konnte sie nicht länger warten lassen. Sie blinkte kurz gelb, dann leuchtete das grüne Auge auf. Da beeilte sich Wirbellutz, über die Straße zu kommen. Und bevor die Leute am Übergang begriffen, dass sie die Straße überqueren durften, war er auf der anderen Seite. Er raste auf dem Radweg dahin, dass der Fahrtwind in die Baumkronen griff und darin sang.
Plötzlich bekam er dicken Qualm in die Nase, sodass er husten und bremsen musste. Der hohe Schornstein der Zuckerfabrik stieß dicken Rauch in sein Gesicht und verdunkelte ihm den Weg.
„Warum hältst du mich auf? Ich habe es eilig", rief Wirbellutz. Der hohe Schornstein brummte: „Wo willst du hin? Ich hörte die Mutter rufen. Wenn du nicht umkehrst, räuchere ich dich rundherum wie eine Makrele." Wirbellutz wurde traurig. „Du hast leicht reden. Du darfst Tag und Nacht qualmen, dich schickt niemand ins Bett. Aber ich muss Abend für Abend schlafen gehen. Darum will ich in die Welt fahren und das Nichtschlafland suchen."
Als der hohe Schornstein sah, wie ernst es dem Jungen war, ließ er den Rauch zum Himmel aufsteigen, und um Lutz herum wurde es wieder hell und freundlich. Der Junge hielt sich nicht länger auf. Sein Roller schoss wie eine Rakete davon, und der Rückwind stieß dem Schornstein ins Gesicht. Er lachte jedoch von oben herunter und dachte: Nun wird es bald dunkel. Die Fahrzeuge fahren in die Garagen, die Vögel fliegen in ihre Nester, und die Menschen gehen in die Betten. Dann freut sich auch Wirbellutz, dass es das Schlafland gibt.
Wirbellutz hatte schon die letzten Stadthäuser hinter sich gelassen. Er fuhr geschwind durchs Sommerland und rief den Feldern, über denen weiße Wolken schwebten, zu: „Ich hab's gut! Ich hab's gut!" Seine Haare wehten im Wind, die Augen strahlten mit der niedergehenden Sonne um die Wette.
„Ich hab's gut! Ich hab's gut!"
Der Luftroller flog immer schneller, und je weiter die Sonne vom Himmel herunterstieg, um so wohler fühlte sich Wirbellutz. Denn jetzt begannen die Gräser, die Sträucher und das Getreide zu duften, dass er die Nase hob und noch lauter rief: „Ich hab's gut! Ich hab's gut!" Unter den Rollerreifen aber sang es:
„Ein Kind, das wollt' mal klüger sein als alle großen Leute. Drum fuhr es von zu Hause fort, es fuhr sehr weit, von Ort zu Ort, und suchte ein Schlaraffenland, in dem das Schlafen unbekannt. Wer weiß, was es am Ende fand ..."
Wirbellutz hörte nicht darauf. Er fuhr und fuhr, und als er eine Weile gefahren war, kam er an eine große Wiese, auf der viele Kühe weideten. Er bremste und blickte neugierig über die Weide hinweg, auf deren anderer Seite Bäume, Stallungen und ein Karussell standen. Auf dem Karussell aber vergnügten sich keine Kinder, sondern die Kühe. Zwischen ihnen hantierte ein Mann, der trug einen Kittel, wie ihn die Verkäuferinnen im Geschäft tragen. Er trieb die Kühe von der Weide aufs Karussell und hängte ihnen etwas ans Euter. Wirbellutz wusste nicht, was da vorging. Er hatte noch nie gehört, dass Kühe Karussell fahren. Das hier musste ein anderes Land sein. Am Ende war er schon im Nichtschlafland?
Er schob den Roller über die Weide, bis zum Karussell, grüßte den Mann höflich und fragte: „Ist hier vielleicht das Nichtschlafland, das ich suche?"
Der Mann richtete sich von seiner Arbeit auf, lachte, dass es über die Weide schallte, und antwortete: „Nein, mein Sohn, hier ist die LPG 'Kraft und Mut', von einem Nichtschlafland habe ich nie gehört."
Wirbellutz legte den Roller ins Gras und trat näher. „Was machst du da?", fragte er.
„Ich melke. Siehst du das nicht?",antwortete der Mann. „Ich bin der LPG-Melkmeister." Da sah Wirbellutz, dass jede Kuh auf dem Karussell einen Apparat am Euter hatte. Von den Apparaten führten Schläuche zu einer Leitung, aus der die Milch in Kannen floss.
Der Mann zeigte ihm, wie die Melkmaschine funktionierte, wofür die einzelnen Teile bestimmt waren und wie das Kuheuter behandelt werden musste.
Wirbellutz begeisterte sich so sehr für diese Arbeit, dass er das Nichtschlafland vergaß. „Ich bleibe bei dir", rief er vergnügt, „und werde auch LPG-Melkmeister."
Der Mann an der Maschine freute sich. Er strahlte über das ganze Gesicht. „Sehr vernünftig, dass du so denkst. Mein Beruf ist schön und wichtig", sagte er.
Wirbellutz rannte über die Weide, um die Kühe an den Melkstand zu treiben. Er hopste um sie herum und schrie sie an: „Lauft schneller! Lauft zum Melkmeister, ihr sollt gemolken werden ... schneller, schneller!"
Die Kühe beeilten sich jedoch nicht. Träge und lahmbeinig wie jeden Abend gingen sie zum Karussell.
Wirbellutz dauerte es zu lange. Er lief zum Melkmeister: „Sie wollen sich nicht beeilen. Sie sind langweiliger als Spaziergänger im Park."
Der Mann lachte. „Was willst du? Es sind Kühe. Ihre Aufgabe ist nicht, auf der Weide herumzurennen. Ihre Aufgabe ist, Gras zu fressen und viel gute Milch zu geben. Und das tun sie. Und was für eine Milch sie geben! Es ist die beste weit und breit. Du aber zappelst wie der Frosch, der im Schnabel des Storches steckt. Du solltest von dieser Milch trinken und viel schlafen, statt das Nichtschlafland zu suchen. Denn: wer diese Milch trinkt, frisch und kuhwarm, wie sie aus dem Euter kommt, hat Kraft und Mut getrunken."
Als Wirbellutz vom Schlafen hörte, verlor er die Lust an der Melkmeisterei. „Wenn du nachts schläfst und nicht melkst, dann bleibe ich nicht bei dir. Ich werde auch kein Melkmeister", sagte er und wollte seinen Roller aufnehmen.
Der Melkmeister aber hielt ihn fest und reichte ihm einen Becher voll Milch. „Trink! Ein gesünderes Getränk gibt es nicht. Es ist Kraft-und-Mut-Milch."
Wirbellutz trank die Milch, frisch, warm und duftend, wie sie aus der Kuh gekommen war, und spürte augenblicklich, dass er Kraft und Mut getrunken hatte.
„Das braucht man in der weiten Welt", sagte der Melkmeister.