Pechvogel Glückspilz - Holda Schiller - E-Book
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Pechvogel Glückspilz E-Book

Holda Schiller

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Beschreibung

In diesem E-Book gibt es gleich drei Geschichten zu entdecken – drei märchenhafte Geschichten, an denen sowohl Kinder als auch erwachsene Märchenliebhaber ihre Freude haben dürften. Die Titelgeschichte „Pechvogel Glückspilz“ soll sich vor fünfzig oder sechzig Jahren in einem Dorf nahe am Schwarzen Meer und sehr weit von Deutschland entfernt zugetragen haben. In ihr wird von Ismael berichtet, einem jungen und schönen Mann mit braunem Haar, brauner Haut und braunen Augen, der mit seinem Vater, dem alten Morun, in einem kleinen Dorf lebte, das, wie zum Schutz gegen die harten östlichen Winterwinde, in einer Senke lag und nur aus Lehmhäusern bestand. Er und sein Vater waren arme Leute, und sie hatten eigentlich nur einen wertvollen Besitz: ein Mutterschaf, das im Jahr ein bis zwei Lämmer zur Welt gebracht und bald wie eine Kuh Milch gegeben hatte, doch inzwischen alt geworden war und nicht mehr lammte. Von Ismael ist noch zu sagen, dass er viele wunderliche Einfälle hat und keine Frau. Die Leute sagen, beides habe miteinander zu tun. Um wieder besser leben zu können, beschließen Vater und Sohn, das alte Schaf zu verkaufen und sich ein junges anzuschaffen. Ismael macht sich auf den Weg zum Basar. Der Plan gelingt und Ismael macht sich auf den Heimweg. Doch dann steuert der Pechvogel Glückspilz aus verschiedenen Gründen ein ganz anderes Dorf an. Und dort erlebt er etwas Märchenhaftes, ja Überirdisches … Damit zur ersten der drei Geschichten: „Tim und Wim und Zauberer Friedolin“, die in einer Stadt in Deutschland spielt und von zwei Jungen handelt, der eine gelb-, der andere schwarzhaarig, beide etwas über fünf Jahre alt, die sich oft schrecklich langweilten, denn weder die Eltern noch die Großmutter, die mit in der Familie lebt, hatten Zeit, sich ihnen zu widmen. Kein Wunder also, dass sie sich über ein besonderes Geschenk ihres Vaters freuen: einen fröhlichen Hampelmann, der jedoch nicht nur wunderbar tanzen, sondern wohl auch zaubern kann. Aber das glaubten ihm Tim und Wim zunächst nicht, bis er sie plötzlich verwandelt – in ganz kleine Däumlinge. Und dann verschwindet er. Die zweite und vorletzte Geschichte heißt „Stromerin Leila“. Stromerin Leila ist nach eigenem Bekunden ein etwas aus der Art geschlagenes, buntschillerndes Federvieh, das eines Tages vom Hühnerhof weglief und nach längerem Umherstreunen in einer fremden Gegend wieder zu den anderen zurückkehrte. Und aus der abenteuerlichen Zeit zwischen Weglaufen und Zurückkehren hat sie einiges zu erzählen

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 90

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Impressum

Holda Schiller

Pechvogel Glückspilz

ISBN 978-3-86394-800-9 (E-Book)

Die Druckausgabe erschien 2003 beim Scheffler-Verlag, Herdecke.

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

© 2013 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Alte Dorfstraße 2 b 19065 Godern Tel.: 03860-505 788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

Tim und Wim und Zauberer Friedolin

In einer Stadt in Deutschland, das man rühmte, es habe die fleißigsten Bürger der Welt, lebten zwei Jungen, Tim und Wim, der eine gelb-, der andere schwarzhaarig, beide etwas über fünf Jahre alt, die sich oft schrecklich langweilten, denn weder die Eltern noch die Großmutter, die mit in der Familie lebte, hatten Zeit, sich ihnen zu widmen. Der Vater musste sich tagtäglich umfassend informieren, er war Journalist, die Mutter musste sich qualifizieren, sie war Sprachmittlerin, und die Großmutter war Lehrerin und hatte ständig etwas zu korrigieren. Alle drei hatten sie die Kinder wohl ein Jahr und länger nicht mehr richtig gesehen, da ihre Gedanken stets nur bei den Pflichten weilten, und sie sich selten die Zeit nahmen, auch einmal von der Arbeit aufzuschauen. Gern hätten die Kinder wenigstens eine Katze zum Spielen gehabt, doch die bekamen sie nicht, weil der Vater Tiere in der Wohnung auf den Tod nicht ausstehen konnte.

Eines Tages kam der Vater von einer Dienstreise zurück und rief Tim und Wim zu sich. Er strahlte vor Freude und Erfolgstolz, denn er brachte ihnen ein Spielzeug mit, das er auf dem Flohmarkt erstanden hatte. Es war eine lustige Figur, ein aus Pappe angefertigter Hampelmann, den der Vater als fröhlichen Tänzer vorstellte, der bunt bemalt war, mit farbigen Schnüren versehen und einen dunkelblauen Spitzhut trug, an dem goldene Sterne funkelten. Die großen Augen, das eine grün, das andere rot, sahen ein wenig verschwommen aus, so, als lägen sie hinter Tränenschleiern, was den Erwachsenen, vor allem aber den Kindern, sehr zu Herzen ging. Tim und Wim, obgleich sie erst ein wenig misstrauisch und zurückhaltend gewesen waren, gewannen den sonderbaren Tänzer sofort lieb und spielten gern mit ihm. Wenn sie an seinen Schnüren zogen, tanzte der Hampelmann überaus anmutig, und es leuchtete das grüne Auge wie Sterne leuchten und füllte die Stube mit grünlichem Schein, der Erwachsene und Kinder bezauberte. Er tanzte so gut und gefällig, dass alle glaubten, es könne sich kein Balettstar in der Tanzkunst mit ihm messen, und dass es auf Erden Ähnliches nicht gebe.

Tim und Wim freuten sich erst einmal sehr. Sie gaben dem Hampelmann den Namen Friedolin, hängten ihn im Kinderzimmer an die Wand und ließen ihn von morgens bis abends tanzen. Mal zog der eine, dann der andere an den Schnüren, und der Hampelmann bewegte seine Glieder von Mal zu Mal immer noch leichter und anscheinend auch immer noch graziöser. Das gab den Kindern zunächst viel Spaß. Doch wie das so ist, es dauerte nicht lange, und sie kannten die Anmut seiner Bewegungen, die Kühnheit seiner Sprünge, jede Regung seines Gesichts, und sie verloren das Interesse an dem lustigen Spiel. Sie beachteten Friedolin immer weniger, bis sie ihn ganz vergaßen. Es half auch nicht, dass er Tim und Wim immer wieder zuflüsterte: Zieht doch an meinen Schnüren, ich tanze so gern! Manchmal fügte er hinzu: Tanzen ist mein Liebstes, aber zaubern kann ich auch.

Darüber lachten Tim und Wim, das glaubten sie Friedolin nicht. Als er sie dann wieder einmal daran erinnerte, dass er zaubern könne, spotteten sie: „Na, dann zaubere doch, du drolliger Prahlhans! Wir sind schon mächtig gespannt darauf. Am Ende hängt das Zimmer voller Pappnasen, wie du eine bist."

Solche Reden betrübten Friedolin. Da aber die Kinder ihm am Anfang so sehr zugetan gewesen waren, blieb er ihnen gewogen, auch wenn sie sich nicht mehr um ihn kümmerten und ihm immer ungezogener begegneten. Er hing an der Wand und schien vor sich hinzudösen. Doch in Wahrheit war er wach. Es grämte ihn, dass die Kinder mit der Zeit zu missraten drohten, dass sie sich mehr und mehr als nichtsnutzig erwiesen, dass sie ihn hänselten oder gar versuchten, ihn zu beschädigen. Und das war nicht einmal seine größte Sorge. Es geschah nämlich etwas mit den Kindern, das weder sie selbst noch die Erwachsenen wahrnahmen: Tim und Wim wuchsen nicht wie andere Kinder und wurden größer mit dem Alter, sondern umgekehrt, sie schrumpften, sprossen nicht in die Höhe und wurden größer, sondern in die Tiefe und wurden kleiner. Das bedrückte Friedolin, denn er kannte die Ursachen und die Folgen dieser Art zu wachsen und dachte ständig darüber nach, sinnierte, wie er das Geschehen den Eltern verständlich machen sollte, damit sie der entsetzlichen Entwicklung Einhalt geböten.

Wie bereits gesagt wurde, hatten die Eltern keine Zeit für ihre Kinder. Wenn der Vater nicht auf Dienstreise musste, saß er von morgens bis abends am Schreibtisch hinter einem Stapel Zeitungen, der ihn ganz verdeckte. Tückischerweise rieselte viel Staub aus dem Papier, was ihn manchmal nervös machte, und so rief er eines Tages nach Tim und Wim und sagte ärgerlich, ohne den Blick von einem Magazin, in dem er gerade las, zu heben: „Wie verstaubt hier alles ist. Ich habe nicht Zeit, auch noch Staub zu wischen. Holt das Staubtuch und macht euch an die Arbeit!" Eigentlich langweilten sich Tim und Wim. aber zum Staubwischen hatten sie überhaupt keine Lust. Keinen Bock, wie sie es nannten. Sie quengelten herum, redeten sich heraus, drückten sich: „Neee! Dazu sind wir viel zu klein", sagte Tim, und Wim nickte eifrig.

Den Vater verdross das, doch er hatte keine Zeit, sich damit aufzuhalten, scheuchte die Kinder mit einer Kopfbewegung aus dem Zimmer und ließ den Staub Staub sein.

Nun rief die Mutter, die zwischen Büchern dick wie alte Wäschetruhen saß, Büchern, die in vielen Sprachen geschrieben und gedruckt waren, sie wies Tim und Wim an, das Frühstücksgeschirr zu spülen. Aber auch dazu hatten die Jungen keine Lust. Wie beim Vater, der sie zum Staubwischen angestellt hatte, quengelten sie herum und redeten sich heraus: „Das können wir noch gar nicht, dazu sind wir zu klein", sagte Wim, und Tim nickte zustimmend.

Die Mutter ließ sie laufen, steckte sie doch gerade mitten in einem ganz fremden ABC, das ihre Gedanken voll in Anspruch hielt und nahm sich nicht die Zeit für lange Erklärungen. Zur selben Zeit saß die Großmutter hinter einem Stapel von Schülerheften beinah so hoch wie der Eiffelturm in Paris und korrigierte verbissen. Ohne vom Fehleranstreichen aufzusehen, rief sie laut nach Tim und Wim und trug ihnen auf, die Farbstifte anzuspitzen. „Das nimmt mir immer so viel Zeit weg", klagte sie, ohne die Arbeit zu unterbrechen. Die Kinder, die keine Lust auf Stiftanspitzen hatten, erzählten auch der Großmutter, dass sie dazu viel zu klein seien. Die Großmutter wusste zwar, wie wenig das stimmte, glaubte aber, mit Worten zu viel Zeit zu verlieren und bedeutete den Kindern mit einer kurzen Handbewegung, zu verschwinden. Lachend liefen Tim und Wim die Treppe hinauf, gingen in ihr Zimmer und freuten sich wie dumme Tröpfe.

Da sie mit ihren Ausflüchten so gut durchgekommen waren, blieben sie dabei. Bei jeder Arbeit, die sie erledigen sollten, gaben sie vor, zu klein zu sein. In den Laden gehen, Staub wischen, das Zimmer aufräumen, Blumen gießen, zu allem fanden sie sich zu klein, und da sie es ständig behaupteten, glaubten sie es am Ende auch. Und weil sie es glaubten, mit der Zeit sogar felsenfest glaubten und keiner sie eines besseren belehrte, passten sich Tims und Wims Körper ihrer Überzeugung an, hörten auf, größer zu werden und fingen an, rückwärts, nach unten zu wachsen. Voller Sorge und Betrübtheit beobachtete Friedolin diese widernatürliche Erscheinung, zumal, wie schon erwähnt, weder die Kinder selbst noch die Eltern sie wahrnahmen und sich darum kümmerten. Hinzu kam, dass die Kinder, wahrscheinlich vor lauter Langeweile, sich immer großmäuliger und ruppiger gebärdeten.

Friedolin, der freundliche Hampelmann und fröhliche Kindervergnüger hing in seiner buntbemalten Kleidung und dem sternenverzierten Spitzhut im Kinderzimmer an der Wand. Sein Blick war noch matter geworden, doch Tim und Wim ging das nicht mehr zu Herzen, wie damals, als sie ihn geschenkt bekamen. Es rührte sie auch nicht, wenn er ihnen traurig zuflüsterte: Bitte, zieht an meinen Schnüren! Ich tanze so gern, und zaubern kann ich auch.

Nun wussten die Kinder aber nicht, dass Friedolin wirklich zaubern konnte. Nicht um zu prahlen erzählte er ihnen das, wie es Tim und Wim ihm unterstellten, sondern, weil er tatsächlich des Zauberns kundig war und das von Natur aus. Es war ihm beigegeben, angeboren, in die Wiege gelegt worden, und das kam so: Seine Schöpferin, die Künstlerin, die ihn einst angefertigt hatte, verstand sich nämlich aufs Hexen, denn sie war eine echte, ganz und gar echte Zauberin. Allerdings keine von den boshaften, tückischen, die Kinder verhexten, unglückliche Wesen oder gar Steine aus ihnen machten. Nein, sie war eine von den liebenswürdigen, die Kindern schutzengelgleich beistanden, wenn ihnen Gefahr drohte oder sie in körperlicher oder seelischer Not waren. Eine liebe, freundliche, vor allem aber zu Kindern liebe und freundliche Zauberin war sie also, die sich schon seit Hunderten von Jahren damit beschäftigte, Zauberer nach ihrem eigenen Bilde zu fertigen. Als sie Friedolin, dem sie keinen Namen gab, damit die Kinder, deren Gefährte er einst werden sollte, selbst einen nach eigenem Gefallen auswählten, während sie ihn also liebevoll formte und zusammenheftete, pflanzte sie ihm die Begabung des Zauberns in sein Pappdeckelherz ein und sagte, nachdem sie ihn bemalt, geschmückt und mit Schnüren versehen und ihm auch den Spitzhut auf den Kopf gesetzt hatte, bevor sie ihn in die Welt hinausschickte: „Adieu, mein Sohn, du weißt Bescheid: Tanzen sei deine Liebe, Zaubern - ein Notbehelf."

Wenn nun Friedolin bei Tim und Wim bisher noch nicht gezaubert, sondern immer nur getanzt hatte, so nur, weil er den Rat seiner Schöpferin beherzigte.

Eines Tages nun standen Tim und Wim vor Friedolin und langweilten sich wieder einmal schrecklich. Friedolin bat: „Zieht doch bitte an meinen Schnüren, dann tanz ich euch was." Doch sie fingen an, ihren Spott mit ihm zu treiben, machten sich über seinen Spitzhut lustig, drehten ihm lange Nasen und nahmen ihn als Zielscheibe für ausgekätschten Kaugummi. Sie übertrafen sich gegenseitig an Ungezogenheit, bis Wim sagte: „Wollen wir ihm die Schnüre abreißen? Dann kann er nicht mehr tanzen."

„Ja, reißen wir die Schnüre ab, dann fällt er auseinander und ist futsch", antwortete Tim, und sie freuten sich wie Stiesel und hüpften auf einem Bein.

Friedolin entsetzte sich nicht etwa, weil er sich fürchtete, sondern wegen der Rohheit der Kinder. Gespannt wartete er, ob sie es wirklich fertig brächten, ihn einfach kaputt zu machen. Als jedoch Tim nach den Schnüren griff, um sie abzureißen, leuchtete Friedolins rotes Auge plötzlich auf wie ein Alarmsignal, es glühte und funkelte, und es blendete und erschreckte die Kinder mit seinem grellen Licht.

Bestürzt zog Tim die Hand zurück. Friedolin aber hängte sich kurz entschlossen ab von der Wand, streckte sich, wurde lang und länger, so dass er in Sekundenschnelle bis zur Decke hinaufreichte und von dort auf die Kinder hinuntersah. Zornig und groß wie ein Riese stand er vor ihnen, und seine Stimme schallte laut und grollend, als donnere es: „Lümmel! Zum Staubwischen, Tassenspülen und Stiftanspitzen seid ihr zu klein. Aber meine Schnüre abreißen könnt ihr, dazu seid ihr groß genug. Wisst ihr. was ihr seid? Ihr seid das, was ihr immer sein wollt: Klein. Ganz klein. So klein wie meine Daumen. Däumlinge seid ihr! Wim so kurz wie mein Daumen und Tim so lang wie mein Daumen. Und nun tschüs. Daumenkurz und Daumenlang! Ich gehe!"